Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Entscheidung

Entscheidung 12 U 181/23


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 12. Zivilsenat Entscheidungsdatum 02.05.2024
Aktenzeichen 12 U 181/23 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2024:0502.12U181.23.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das am 04.10.2023 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Potsdam i.d.F. des Berichtigungsbeschlusses vom 15.11.2023, Az. 4 O 367/22, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

1.1. Hierzu besteht für die Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme binnen vier Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe

I.

Die Klägerin macht im Wege der Feststellungsklage die Feststellung der Ersatzpflicht für sämtliche materiellen und immateriellen Schäden im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 06.06.2019 in der ...Straße/Einmündungsbereich ...weg in ... ereignet hat. Die Klägerin befuhr an diesem Tage als Radfahrerin den kombinierten Geh-/Radweg entlang der ...Straße in entgegengesetzter Fahrtrichtung. Der Beklagte zu 2. näherte sich mit dem bei der Beklagten zu 1. versicherten Taxi aus dem ...weg dem Einmündungsbereich. Die Klägerin verlor im Einmündungsbereich aus zwischen den Parteien streitigen Gründen die Kontrolle über ihr Fahrrad und kam zu Fall, wobei sie sich unter anderem eine distale Radiusflexionsfraktur links, eine nicht dislozierte Schambeinfraktur beidseits sowie eine Sitzbeinfraktur im mittleren Drittel links und einer Beckenringsfraktur links zuzog. Die Parteien streiten im Wesentlichen darüber, ob es zu einer Berührung zwischen dem Taxi des Beklagten zu 2. und dem Fahrrad der Klägerin gekommen ist. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 15.11.2023 Bezug genommen.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klage sei zwar als Feststellungsklage zulässig, weil nach dem Vortrag der Klägerin eine Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen sei. Die Klage sei jedoch unbegründet. Der Klägerin sei der zur Begründung ihres Anspruchs notwendige Beweis, dass sich bei ihrem Sturz die Betriebsgefahr des Fahrzeugs des Beklagten verwirklicht habe oder der Sturz in sonstiger Weise auf einem Verhalten der Beklagten beruhe, nicht gelungen. Zwar komme die Verwirklichung der Betriebsgefahr eines Fahrzeugs grundsätzlich auch dann in Betracht, wenn sich die unfallbeteiligten Fahrzeuge nicht berührten. Es müsse jedoch trotzdem dargelegt und im Bestreitensfalle bewiesen werden, dass die Fahrweise oder der Betrieb des Fahrzeuges zu dem Entstehen des Unfalls beigetragen habe. Die Entstehung des Unfallgeschehens nach diesen Grundsätzen habe die Klägerin nicht beweisen können. Die begehrte Beweiserhebung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens sei nicht geeignet, um die Tatbestandsvoraussetzungen zu beweisen. Für die Einholung eines Sachverständigengutachtens seien keine hinreichenden Anknüpfungstatsachen vorhanden. Durch einen Sachverständigen könne zudem lediglich die Schlüssigkeit des von der Klägerin dargestellten Unfallhergangs bewiesen werden, jedoch nicht, dass sich der Unfall auch tatsächlich in dieser Weise ereignet habe. Auch die von der Klägerin begehrte Beweiserhebung durch Vernehmung des Polizeibeamten sei nicht geeignet, um ihren Anspruch zu begründen. Selbst wenn sich die Behauptung der Klägerin bestätigen würde, wonach der Beklagte zu 2. sich in der Weise geäußert hätte, dass er die Klägerin übersehen habe und diese habe ausweichen müssen, bestätige dies nicht, dass der Beklagte zu 2. den Radweg blockiert habe. Die informatorische Anhörung der Parteien habe zu keiner weiteren Sachverhaltsaufklärung oder anderweitigen Überzeugungsbildung geführt. Mangels eines Kostenerstattungsanspruches der Klägerin bestehe auch kein Anspruch auf Feststellung einer Zinszahlungsverpflichtung hinsichtlich der eingezahlten Gerichtskosten. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt der Entscheidungsgründe Bezug genommen.

Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 05.10.2023 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer am 03.11.2023 beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenen Berufung, die sie innerhalb der bis zum 05.01.2024 verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet hat.

Die Klägerin verfolgt mit der Berufung ihre erstinstanzlichen Anträge unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens in vollem Umfang weiter. Sie rügt, das Landgericht habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, indem es das beantragte unfallanalytische Sachverständigengutachten nicht eingeholt habe. Es habe vor Verkündung der Entscheidung keinen richterlichen Hinweis erteilt, dass die Schilderung des Unfallherganges für die Einholung des beantragten Sachverständigengutachtens zu subjektiv sei bzw. Angaben zu Entfernungen und Standpositionen fehlten. Hätte das Landgericht einen entsprechenden Hinweis erteilt, hätte sie konkretisierend zu den Anknüpfungstatsachen vorgetragen. So hätte sie konkret vorgetragen, dass der Beklagte zu 2. nach ihrer Schätzung mit mindestens 20 km/h auf den Radweg eingefahren sei und, nachdem das Fahrrad am Hinterrad touchiert worden sei, auf dem Fahrradweg zum Stehen gekommen sei, ca. 8 m von der Stelle entfernt, an der sie, die Klägerin, nach dem Unfall auf dem Radweg zum Liegen gekommen sei. Das Taxi des Beklagten zu 2. sei mindestens 1 m mit beiden Vorderrädern auf den Radweg eingefahren. In dieser Position sei es nach dem Unfall auch stehen geblieben. Deswegen habe der herbeigerufene Rettungswagen nicht bis zu ihr fahren können, sondern zwischen den vorhandenen Grünstreifen und der Straße geparkt werden müssen und die Rettungskräfte hätten von dort mit der Trage bis zu der schwerverletzten Klägerin laufen müssen. Dies könne auch der Ehegatte der Klägerin aus eigener Wahrnehmung bestätigen. Im Übrigen habe das Landgericht verkannt, dass Beweisanträge auf Einholung eines unfallanalytischen Sachverständigengutachtens nur in ganz seltenen Fällen abgelehnt werden könnten. Bereits die Frage, welcher Umstand als Anknüpfungstatsache geeignet sei, könne im Regelfall nur von einem Sachverständigen beantwortet werden. Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei es nicht völlig ausgeschlossen, dass ein unfallanalytisches Sachverständigengutachten weitere entscheidungserhebliche Erkenntnisse zum Unfallhergang ergeben könne. Es erscheine durchaus möglich, dass ein Sachverständiger im Zusammenspiel mit den bisher getroffenen Feststellungen weitergehende Feststellungen treffen könne. Die Einholung des Sachverständigengutachtens hätte ergeben, dass ihre Unfallschilderung technisch nachvollziehbar und plausibel sei, während dies bezüglich der Behauptungen der Beklagtenseite zum Unfallhergang nicht der Fall sei. Ihr Anspruch auf rechtliches Gehör sei auch dadurch verletzt worden, dass das Landgericht nicht den als Zeugen benannten Polizeibeamten POM G... vernommen habe. Die Vernehmung des Zeugen G... hätte ergeben, dass es sich bei den von ihm in der Unfallaufnahme protokollierten Angaben um Angaben des Beklagten zu 2. und nicht etwa um Rückschlüsse und Spekulation der ermittelnden Polizeibeamten gehandelt habe. Schließlich sei das Landgericht fehlerhaft zu dem Ergebnis gekommen, dass sich die Betriebsgefahr des Fahrzeugs des Beklagten zu 2. nicht verwirklicht habe. Selbst wenn keine der Parteien den von ihr behaupteten Unfallverlauf beweisen könne, müsse in der Regel eine hälftige Mithaftung aus der Betriebsgefahr angenommen werden. In Fällen eines Unfalls zwischen einem Kraftfahrzeug mit einem nicht motorisierten Verkehrsteilnehmer könne die zu berücksichtigende Betriebsgefahr auch zu einer vollen Haftung des Kraftfahrzeugführers führen.

Das Urteil sei auch insoweit rechtsfehlerhaft, als das Landgericht davon ausgegangen sei, in dem Fall, in dem das Fahrzeug des Beklagten zu 2. lediglich vor dem Radweg gestanden habe, komme eine Verwirklichung der Betriebsgefahr nicht in Betracht. Diese Auffassung stehe mit der Rechtsprechung des BGH nicht im Einklang. Danach komme es nicht darauf an, ob die von dem Geschädigten vorgenommene Ausweichreaktion subjektiv erforderlich gewesen sei. Vielmehr könne ein Unfall infolge einer voreiligen Abwehr- oder Ausweichreaktion dem Betrieb des Kraftfahrzeuges zugerechnet werden, das diese Reaktion ausgelöst habe. Es stehe fest, dass die von ihr vorgetragene Ausweichreaktion nur dem Taxi des Beklagten zu 2. gegolten habe. Ob die Ausweichreaktion notwendig oder subjektiv vertretbar gewesen sei, sei entgegen der Auffassung des Landgerichts unerheblich. Mithin habe sich der Unfall entgegen der Auffassung des Landgerichts bei dem Betrieb des von dem Beklagten zu 2. gesteuerten Kraftfahrzeugs ereignet.

Die Klägerin kündigt die Anträge an,

unter „Aufhebung“ (richtig: Abänderung) des Urteils des Landgerichts Potsdam vom 04.10.2023, Az. 4 O 367/22, für Recht zu erkennen:

  1. es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, als Gesamtschuldner ihr zu 100 % sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aufgrund des Verkehrsunfalls vom 06.06.2019 gegen 12:20 Uhr in der ...Straße, ..., zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder noch übergehen werden;

  2. es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, auf die von ihr eingezahlten Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem Zeitpunkt der Einzahlung der Gerichtskosten bei der Gerichtskasse bis zum Zeitpunkt des Einganges des Kostenfestsetzungsantrages bei Gericht zu zahlen, gegebenenfalls nach Maßgabe der abgeurteilten Kostenquote.

Die Beklagten kündigen den Antrag an,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen mit der nach Ablauf der Berufungserwiderungsfrist eingegangenen Berufungserwiderung das angefochtene Urteil. Eine Berührung zwischen dem Fahrrad der Klägerin und dem Beklagtenfahrzeug habe nicht stattgefunden. Da es zu keiner Berührung gekommen sei, sei die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Unfallrekonstruktion nicht geboten gewesen. Die Klägerin sei in der mündlichen Verhandlung nach § 141 ZPO persönlich angehört worden und habe daher die Möglichkeit zur umfassenden Unfallschilderung gehabt, sodass ein Verstoß gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs nicht vorliege. Der in der Berufungsinstanz erfolgte neue Vortrag der Klägerin werde bestritten. Ebenso sei die Benennung des Zeugen R… S… verspätet. Im Übrigen sei in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass die Klägerin gegen § 2 Abs. 1 StVO, gegen § 2 Abs. 5 StVO und gegen § 3 StVO verstoßen habe, da sie offensichtlich in keiner Weise auf andere Verkehrsteilnehmer geachtet habe und ohne direkte Berührung eines anderen Fahrzeuges die Kontrolle über ihr Fahrrad verloren habe.

Der Senat hat die Akten der Staatsanwaltschaft Potsdam zum Az. 4109 Js 44612/19 beigezogen.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht gem. §§ 517 ff. ZPO eingelegte Berufung ist nach einstimmiger Auffassung des Senats offensichtlich unbegründet. Die Rechtssache weist auch weder grundsätzliche Bedeutung auf, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Eine mündliche Verhandlung ist auch nicht aus sonstigen Gründen geboten. Es ist daher die Zurückweisung der Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss beabsichtigt.

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Das Urteil des Landgerichts beruht weder auf einer Rechtsverletzung, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Beurteilung.

1.

Die Klage ist hinsichtlich des Feststellungsantrags zu 1. zulässig.

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist ein Kläger grundsätzlich nicht gehalten, seine Klage in eine Leistungs- und in eine Feststellungsklage aufzuspalten, wenn bei Klageerhebung ein Teil des Schadens schon entstanden, die Entstehung weiteren Schadens aber noch zu erwarten ist. Eine Feststellungsklage ist trotz der Möglichkeit, Leistungsklage zu erheben, zulässig, wenn die Durchführung des Feststellungsverfahrens unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit zu einer sinnvollen und sachgemäßen Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte führt. Dementsprechend ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass dann, wenn eine Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen ist, der Kläger in vollem Umfang Feststellung der Ersatzpflicht begehren kann. Dem steht nicht entgegen, dass einzelne Schadenspositionen bei Klageerhebung bereits bezifferbar und die diesen zugrunde liegenden Sachverhalte bereits abgeschlossen gewesen sein mögen. Ein Feststellungsantrag erfasst den gesamten dem Kläger entstandenen Schaden. Einzelne bei Klageerhebung bereits entstandene Schadenspositionen stellen daher lediglich einen Schadensteil dar (vgl. BGH Urteil vom 19.04.2016 – VI ZR 506/14, NJW-RR 2016, 759, juris Rn. 6 ff.).

So liegt der Fall auch hier. Es ist nicht ausgeschlossen, dass aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall noch weitere Folgeschäden für die Klägerin erwachsen werden. Aufgrund dessen, dass die Klägerin aufgrund der unfallbedingten Verletzungen ihren Arbeitsplatz verloren hat, stehen auch noch weitere materielle Schäden wie Verdienstausfall oder Haushaltsführungsschaden, die zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht beziffert sind, im Raum. Die Beklagten halten ihren Einwand, die Feststellungsklage sei unzulässig, mit der Berufungserwiderung auch nicht weiter aufrecht.

Der von der Klägerin unverändert weiterverfolgte Feststellungsantrag zu 2. ist hingegen unzulässig, worauf bereits das Landgericht hingewiesen hat. Da eine Bezifferung des Anspruchs möglich ist, könnte die Klägerin einen bezifferten Leistungsantrag stellen, der sich gemäß § 258 ZPO auch auf künftig fällig werdende Zahlungen erstrecken könnte. Dass wegen der ungewissen Prozessdauer der Endtermin der beantragten Verzinsung (Eingang des Kostenfestsetzungsantrages) zunächst noch ungewiss ist, hindert eine Leistungsklage nicht, weil der Endtermin jedenfalls bestimmbar ist, sodass dem Antrag das notwendige Feststellungsinteresse fehlt (vgl. BGH NJW-RR 2015, 690 Rn. 32).

2.

Die Klage ist jedoch insgesamt unbegründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch aus §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 S. 1 StVG, 823 Abs. 1 BGB jeweils i.V.m. § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG nicht zu. Die Klägerin ist dafür, dass ihr Sturz mit dem Fahrrad und die dadurch erlittenen Verletzungen auf ein verkehrswidriges Verhalten des Beklagten zu 2 zurückzuführen sind, beweisfällig geblieben. Der Senat versteht den Vortrag der Klägerin dahingehend, dass sie in erster Linie geltend macht, es sei zu einem Kontakt des Taxis des Beklagten zu 2 mit dem Hinterrad ihres Fahrrades gekommen, wodurch sie gestürzt sei, und nur hilfsweise sich darauf beruft, dass eine Haftung der Beklagten auch für den Fall einer fehlenden Berührung zwischen Fahrzeug und Fahrrad gegeben sei.

a) Dass es zu einem Kontakt zwischen dem Beklagtenfahrzeug und dem Fahrrad der Klägerin gekommen ist, womit eine Haftung der Beklagten dem Grunde nach feststünde, ist zwischen den Parteien streitig. Die Beweislast hierfür trägt die Klägerin als Anspruchstellerin. Sie hat sich zum Beweis ihrer Behauptung allein auf die Einholung eines Unfallrekonstruktionsgutachtens berufen. Zu Recht hat das Landgericht von der Einholung eines solchen Gutachtens mangels hinreichender Anknüpfungstatsachen abgesehen.

Zwar kommt die Ablehnung eines Beweisantrages wegen Ungeeignetheit des Beweismittels grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn es völlig ausgeschlossen erscheint, dass das Beweismittel zu dem Beweisthema sachdienliche Erkenntnisse erbringen kann. Insoweit ist größte Zurückhaltung geboten. Darüber hinaus scheidet die Ablehnung eines Beweisantrages als ungeeignet aus, wenn dadurch ein noch nicht erhobener Beweis vorab gewürdigt wird, weil dies eine unzulässige Beweisantizipation darstellt. Der Tatrichter darf bei der Beurteilung einer Fachwissen voraussetzenden Frage auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens nur verzichten, wenn er entsprechende eigene besondere Sachkunde auszuweisen vermag (vgl. BGH NJW 2018, 2803, juris Rn. 9 ff.). Im Streitfall fehlt es jedoch an hinreichenden Anknüpfungstatsachen für die Einholung eines Unfallrekonstruktionsgutachtens, was der Senat aufgrund seiner langjährigen Erfahrung in der Bearbeitung von Verkehrsunfällen aus eigener Sachkunde zu beurteilen vermag. Fotos von den Unfallschäden an den Fahrzeugen und der Endstellung des Fahrrades der Klägerin sowie des Beklagtenfahrzeuges wurden nicht gefertigt. Bei der bei den Ermittlungsakten befindlichen Luftbildaufnahme handelt es sich nicht um die Dokumentation der Endpositionen, da nach dem Verkehrsunfallbericht die Unfallstelle bei Eintreffen der Polizeibeamten bereits geräumt war. Bei den als Anlage K 1 vorgelegten Lichtbildern ist bereits unklar geblieben, von wem und wann diese gefertigt worden sind, so dass auch nicht feststeht, dass die auf dem zweiten Lichtbild eingezeichneten Pfeile die tatsächliche Endstellung des Fahrrades und die Stelle, an der die Klägerin zum Liegen kam, korrekt wiedergeben. Soweit mit der Berufungsbegründung ergänzend vorgetragen wird, der Beklagte zu 2 sei mit einer Geschwindigkeit von mindestens 20 km/h mit beiden Vorderrädern mindestens einen Meter auf den Radweg gefahren, handelt es sich um subjektive Schätzungen der Klägerin, die nicht als Anknüpfungstatsachen zugrunde gelegt werden können und zudem streitig sind. Das erstmals in der Berufungsinstanz erfolgte Beweisangebot auf Vernehmung des Zeugen R... S... zu der Behauptung, der Beklagte zu 2 habe mit beiden Vorderrädern auf dem Radweg gestanden und in dieser Position den Rettungswagen behindert, ist mangels Darlegung der Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO in zweiter Instanz nicht mehr zu berücksichtigen. Schließlich spricht gegen den von der Klägerin behaupteten Kontakt auch der polizeiliche Unfallbericht, auf dessen Richtigkeit sich die Klägerin stützt, wonach ein vermeintliches Ausweichen der Klägerin gerade zur Verhinderung einer Kollision erfolgt sein soll. Zudem ist im Unfallbericht ausdrücklich vermerkt, dass es einen Zusammenstoß nicht gegeben hat.

b) Mit der Hilfsbegründung, eine Haftung der Beklagten sei auch für den Fall eines berührungslosen Unfalls gegeben, vermag die Berufung ebenfalls nicht durchzudringen.

Zutreffend ist, dass das Haftungsmerkmal „bei dem Betrieb“ i.S. des § 7 Abs. 1 StVG entsprechend dem umfassenden Schutzzweck der Vorschrift weit auszulegen ist. Es genügt, dass sich eine von dem Kraftfahrzeug ausgehende Gefahr ausgewirkt hat und das Schadensgeschehen in dieser Weise durch das Kraftfahrzeug mitgeprägt worden ist. Für eine Zurechnung zur Betriebsgefahr kommt es maßgeblich darauf an, dass der Unfall in einem nahen örtlichen und zeitlichen Kausalzusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang des Kraftfahrzeugs steht. Ein Schaden ist demgemäß bereits dann „bei dem Betrieb“ eines Kraftfahrzeugs entstanden, wenn sich von einem Kraftfahrzeug ausgehende Gefahren ausgewirkt haben. Danach ist nicht zwingend Voraussetzung, dass es tatsächlich zu einer Berührung zwischen den Fahrzeugen gekommen ist. Allerdings reicht die bloße Anwesenheit eines in Betrieb befindlichen Kraftfahrzeugs an der Unfallstelle für eine Haftung nicht aus. Insbesondere bei einem Unfall ohne Berührung ist daher Voraussetzung für die Zurechnung des Betriebs des Kraftfahrzeuges zu einem schädigenden Ereignis, dass über seine bloße Anwesenheit an der Unfallstelle hinaus das Fahrverhalten seines Fahrers in einer Art und Weise das Fahrmanöver des Unfallgegners beeinflusst hat, mithin, dass das Kraftfahrzeug durch seine Fahrweise oder sonstige Verkehrsbeeinflussung zu der Entstehung des Schadens beigetragen hat (vgl. BGH VersR 2010, 1614 Rn. 5; BGH NJW 2017, 1173 Rn. 14 m.w.N.; König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht 47. Aufl. § 7 StVG Rn. 10c). Es genügt, dass der Unfall mit dem Betrieb in innerem Zusammenhang gestanden hat, sodass der Geschädigte aufgrund der besonderen Situation eine Gefahr sehen durfte, die eine Abwehr- oder Ausweichreaktion rechtfertigte, selbst dann, wenn diese Reaktion objektiv so nicht erforderlich war (vgl. BGH VersR 2010 a.a.O. Rn. 6).

Dass der Beklagte zu 2 durch seine Fahrweise ein Ausweichmanöver der Klägerin veranlasst hat, infolge dessen es zum Sturz der Klägerin kam, steht jedoch nicht fest. Da die Klägerin gerade nicht bewiesen hat, dass der Beklagte zu 2 mit den Vorderrädern auf den Radweg gefahren ist, ist zugunsten der Beklagten davon auszugehen, dass der Beklagte zu 2 vor dem Radweg angehalten hat. In diesem Fall ist jedoch nicht ersichtlich, weshalb er durch diese Fahrweise die Klägerin zu einem Ausweichmanöver genötigt haben sollte. Dabei kann die Klägerin sich nicht mit Erfolg darauf berufen, eine Ausweichreaktion müsse nicht objektiv erforderlich gewesen sein. Denn nach der vorstehend zitierten Rechtsprechung setzt eine Haftung jedenfalls voraus, dass die Klägerin in dem Beklagtenfahrzeug eine Gefahr sehen durfte, die einer ungehinderten Weiterfahrt im Wege stand, was gerade nicht der Fall ist, wenn das Beklagtenfahrzeug noch rechtzeitig vor dem Radweg zum Stillstand gekommen ist und die Gefahr einer Kollision mit dem Fahrrad der Klägerin nicht bestand.

Etwas anderes folgt auch nicht aus den im Unfallbericht aufgenommenen Angaben des Beklagten zu 2 zum Unfallhergang. Selbst wenn man zugunsten der Klägerin unterstellt, dass der Beklagte zu 2 gegenüber dem unfallaufnehmenden Polizeibeamten eingeräumt hat, die Klägerin übersehen zu haben, folgt daraus nicht die zwingende Schlussfolgerung, dass er bereits mit den Vorderrädern auf den Radweg gefahren sein muss. Einer Vernehmung des den Unfall aufnehmenden Beamten als Zeugen bedurfte es daher nicht. Soweit die Klägerin meint, bei den Angaben im Unfallbericht, die Klägerin sei ausgewichen, um eine Kollision zu vermeiden, handele es sich um wörtliche Angaben des Beklagten zu 2, ergibt sich dies aus dem Unfallbericht nicht. Im Übrigen ergibt sich aus der Unfallanzeige, dass aufnehmender Beamter der PK L… war und der POM G..., der offenbar nur den Bericht unterschrieben hat, lediglich „zugegen“ war, so dass schon nicht ersichtlich ist, dass der als Zeuge angebotene POM G... tatsächlich Angaben zum Zustandekommen des Inhalts des Unfallberichts machen kann.

c) Darauf, dass selbst im Falle einer Haftung der Beklagten der Klägerin ein erhebliches Mitverschulden (§§ 9 StVG, 254 Abs. 1 BGB) zur Last zu legen wäre, weil sie unter Verstoß gegen § 2 Abs. 4 S. 2 und S. 4 StVO den Fahrradweg auf der linken Seite der ...Straße benutzt hat, obwohl dieser nicht für die Gegenrichtung freigegeben war und unstreitig sich auf der rechten Seite der ...Straße ebenfalls ein Radweg befindet, kommt es somit letztlich nicht mehr entscheidend an.

d) Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die Berufungserwiderung erst nach Ablauf der hierfür gesetzten Frist bei Gericht eingegangen ist. Die Berufungserwiderung enthält keinen neuen entscheidungserheblichen Tatsachenvortrag, der präkludiert sein könnte; zudem ist durch die Fristüberschreitung von nur wenigen Tagen keine Verzögerung des Rechtsstreits eingetreten.

III.

Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt der Senat aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).