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Entscheidung 2 U 30/24


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 2. Zivilsenat Entscheidungsdatum 16.12.2024
Aktenzeichen 2 U 30/24 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2024:1216.2U30.24.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 22. Mai 2024 zum Aktenzeichen 4 O 90/22 teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt neu gefasst:

a) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.903,58 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 3.447,54 € seit dem 1. April 2022 und aus 2.456,04 € seit dem 11. April 2024.

b) Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger gegenüber der Kfz-Ingenieurbüro S... GbR, G… B… …, …H… , von Sachverständigenkosten in Höhe von 257,04 € freizustellen.

c) Die Beklagte wird ferner verurteilt, den Kläger gegenüber der K…P… Rechtsanwälte Fachanwälte PartmbB, H… …, … H… , von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten von 453,87 € freizustellen.

Insoweit wird das Versäumnisurteil des Landgerichts Potsdam vom 2. Juni 2023 zum Aktenzeichen 4 O 90/22 aufgehoben; im Übrigen wird es aufrechterhalten und die weitergehende Berufung des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu zwei Fünfteln und die Beklagte zu drei Fünfteln. Die außergerichtlichen Kosten der Streithelferin der Beklagten tragen der Kläger zu zwei Fünfteln und im Übrigen diese selbst.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 10.552,97 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt Reparatur- und Sachverständigenkosten sowie Nutzungsausfall nach einem Unfall, den er auf eine unzureichende Verkehrssicherung in einer Baustelle an einem Rasthof nahe der Bundesautobahn zurückführt. Beklagt ist die verkehrssicherungspflichtige amtsangehörige Gemeinde; das ausführende Bauunternehmen ist dem Rechtsstreit als ihre Streithelferin beigetreten.

Das Landgericht – Einzelrichterin – hat die Klage abgewiesen, in Teilen durch Aufrechterhaltung des einen zunächst allein geltend gemachten Teilanspruch abweisenden Versäumnisurteils vom 2. Juni 2023. In dem Urteil, auf dessen tatsächlichen Feststellungen im Übrigen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, heißt es zur Begründung: Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht könne nicht festgestellt werden. Es könne dahinstehen, ob der verkehrsrechtlichen Anordnung der Straßenverkehrsbehörde deshalb nicht genüge worden sei, weil keine den abgefrästen Bereich durchgehend abgrenzenden Absperrungen aufgestellt worden sind. Das habe die verkehrsrechtliche Anordnung schon nicht gefordert. Sie sei auch nicht durch die Sicherheitserwartungen des Verkehrs geboten gewesen. Die Gefahrenlage sei für alle aufmerksamen und die Verkehrsführung sorgfältig beobachtenden Fahrer offenbar gewesen. Selbst wenn die Verkehrsführung irritierend gewesen sein sollte, seien angesichts des Rechtsabbiegepfeils an der Ausfahrt und des gegenüberliegenden Einbahnstraßenschildes quer aufgestellte Absperrschranken nicht erforderlich gewesen. Es sei nicht damit zu rechnen gewesen, dass Verkehrsteilnehmer wie der Kläger unter Missachtung vorhandener Kennzeichen und Beschilderungen, weil tatsächlich möglich, zwischen zwei Absperrschranken hindurch in den abgefrästen Bereich der Fahrbahn hineinfahren.

Das am 22. Mai 2024 verkündete Urteil ist dem Kläger am 3. Juni 2024 zugestellt worden. Er hat am 14. Juni 2024 Berufung eingelegt und diese am Montag, dem 5. August 2024 begründet. Er ist weiterhin der Auffassung, die örtliche Baustellenabsicherung habe nicht der verkehrsrechtlichen Anordnung entsprochen und damit nicht den Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht genügt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 22.05.2024, 4 O 90/22, abzuändern und

1.    das Versäumnisurteil des Landgerichts Potsdam vom 22.05.2024, 4 O 90/22, aufzuheben

2.    die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 9.899,30 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz aus 5.805,90 € seit dem 12.03.2022 und aus 4.093,40 € seit dem 28.12.2023 zu zahlen;

3.    die Beklagte zu verurteilen, den Kläger gegenüber der Kfz-Ingenieurbüro S... GbR, G… B… …, … H…, von (restlichen) Sachverständigenkosten von 653,67 € freizustellen;

4.    die Beklagte zu verurteilen, den Kläger gegenüber der K…P… Rechtsanwälte Fachanwälte PartmbB, H… …, … H…, von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten von 627,13 € freizustellen.

Die Beklagte und ihre Streithelferin beantragen jeweils

die Zurückweisung der Berufung.

Sie sind der Auffassung, der Kläger könne aus der verkehrsrechtlichen Anordnung keine individuellen Ansprüche herleiten. Maßgeblich sei allein die Beschilderung und Absicherung vor Ort zur Unfallzeit, die im Übrigen der Anordnung entsprochen hätten und regelmäßig kontrolliert worden seien. Der Kläger habe verbotswidrig beabsichtigt, entgegen der ihm vorgeschriebenen Fahrtrichtung und entgegen einer unübersehbar gekennzeichneten Einbahnstraße zu fahren, und damit den Unfall allein verschuldet. Allein der Umstand einer Baustelle fordere von Verkehrsteilnehmern ein erhöhtes Maß an Eigensorgfalt und Aufmerksamkeit. Er habe die Warnbaken, die abgetragene Asphaltoberfläche und die Einbahnstraßenbeschilderung sehen müssen und sich dem Sichtfahrgebot entsprechend hierauf einrichten müssen.

II.

Die zulässige, insbesondere rechtzeitig und formgerecht (§§ 517 und 520, 222 Abs. 2 ZPO) eingelegte und begründete Berufung ist überwiegend begründet. Dem Kläger steht ein Amtshaftungsanspruch wegen Verletzung der durch die Beklagte zu gewährleistenden Verkehrssicherungspflicht zu. Er hat sich allerdings neben einem Mitverschulden die Betriebsgefahr seines Fahrzeugs anrechnen zu lassen; insoweit ist die Berufung unbegründet.

1.

Die Beklagte haftet dem Kläger wegen der Verletzung einer seinem Schutz dienenden Amtspflicht, § 839 Abs. 1 BGB mit Art. 34 Satz 1 GG.

a)

Zu den die Beklagte treffenden Amtspflichten gehört insbesondere das Gebot, Dritten gegenüber keine unerlaubten Handlungen im Sinne der §§ 823 ff BGB zu begehen, mithin tatbestandliche und rechtswidrige Eingriffe in die Rechte, Rechtsgüter oder rechtlich geschützten Interessen des Bürgers zu unterlassen. Dem Beamten obliegt daher unter anderem die Einhaltung der Verkehrssicherungspflicht, namentlich der Straßenverkehrssicherungspflicht, soweit diese kraft Gesetzes öffentlich-rechtlich ausgestaltet ist (BGH, Urteil vom 18. Dezember 1972 – III ZR 121/70, BGHZ 60, 54 = NJW 1973, 460; Reinert/Kümper, in: Beck‘scher Online-Kommentar zum BGB, 71. Edition mit Stand 1. August 2024, § 839 BGB Rdnr. 70). Das ist in Brandenburg der Fall (Senat, Beschluss vom 26. Oktober 2020 – 2 U 103/20 –, Rdnr. 7 bei juris): Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 des Brandenburgischen Straßengesetzes (BbgStrG) obliegen die mit dem Bau und der Unterhaltung sowie der Erhaltung der Verkehrssicherheit der Straßen einschließlich der Bundesfernstraßen zusammenhängenden Aufgaben den Bediensteten der damit befassten Körperschaften als Amtspflichten in Ausübung hoheitlicher Tätigkeit.

Der Inhalt der Straßenverkehrssicherungspflicht geht dahin, die öffentlichen Verkehrsflächen – wie alle sonstigen einem Verkehr eröffneten Räume oder Sachen – möglichst gefahrlos zu gestalten und zu erhalten, sowie im Rahmen des Zumutbaren alles zu tun, um den Gefahren zu begegnen, die den Verkehrsteilnehmern aus einem nicht ordnungsgemäßen Zustand der Verkehrsflächen drohen (BGH, Urteil vom 18. Dezember 1972 – III ZR 121/70, BGHZ 60, 54 = NJW 1973, 460). Das erfordert nicht, dass die Straße praktisch völlig gefahrlos sein muss. Das ist mit zumutbaren Mitteln nicht zu erreichen und kann deshalb von dem Verkehrssicherungspflichtigen nicht verlangt werden. Vielmehr muss sich auch der Straßenbenutzer den gegebenen Straßenverhältnissen anpassen und die Straße so hinnehmen, wie sie sich ihm erkennbar darbietet. Der Verkehrssicherungspflichtige muss dagegen in geeigneter und in objektiv zumutbarer Weise alle, aber auch nur diejenigen Gefahren ausräumen und erforderlichenfalls vor ihnen warnen, die für den Benutzer, der die erforderliche Sorgfalt walten lässt, nicht erkennbar sind und auf die er sich nicht einzurichten vermag. Ob danach eine Straße in einem dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis entsprechenden Zustand ist, entscheidet sich im Einzelnen nach der allgemeinen Verkehrsauffassung. Art und Häufigkeit der Benutzung des Verkehrsweges und seine Bedeutung sind dabei zu berücksichtigen (Senat, Urteil vom 14. Oktober 2024 – 2 U 10/24 –; Beschluss vom 22. Januar 2024 – 2 U 15/23 –, Rdnr. 19; Urteil vom 17. Juli 2012 – 2 U 56/11, DAR 2012, 578 = BeckRS 2012, 15693; Reinert/Kümper ebd. m. w. N.).

Bei Straßenbaustellen gehört zu den grundlegenden Anforderungen ihre Absicherung gegen das Betreten oder Befahren durch Dritte, sowie die ordnungsgemäße Beschilderung. Üblicherweise werden diesbezüglich die „Richtlinien für die Sicherung von Arbeitsstellen an Straßen“ (RSA 95) und die „Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen und Richtlinien für Sicherungsarbeiten an Straßen“ (ZTV-SA 97) als maßgeblich, nicht aber auch als in jedem Fall ausreichend erachtet (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 26. Januar 2005 – 7 U 161/03 –, OLGR Karlsruhe 2005, 235 = VersR 2006, 855). Zur Beschilderung gehört nicht nur das Aufstellen von Warnhinweisen, sondern auch der Vollzug der von der Verkehrsbehörde angeordneten Verkehrsbeschränkung nach § 45 StVO. Vor Einrichtung größerer Baustellen muss ein Beschilderungsplan bzw. Verkehrszeichenplan erstellt werden, der den Gefahren durch die Baustelle und den Baustellenverkehr durch Geschwindigkeitsbeschränkungen und Warnhinweise Rechnung trägt. In diesem Plan muss angeordnet werden, welche Schilder und Absperrungen aufgestellt werden müssen und an welchen Stellen der Baustelle dies zu geschehen hat. Nachts müssen Baustellen ausreichend beleuchtet oder zumindest mit reflektierenden Warnschildern und Warnbaken versehen werden (vgl. Tassarek-Schröder/Rönsberg, in: Rotermund/Krafft, Kommunales Haftungsrecht, 5. Auflage 2013, Rdnr. 705 ff m. w. N.). Diese Anordnung ist Ausfluss der Verkehrssicherungspflicht der Straßenbaubehörde und damit ihrer Amtspflicht, Gefährdungen des Verkehrs durch die Bauarbeiten zu begegnen (vgl. König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Auflage 2023, § 45 StVO Rdnr. 45; Steiner, in: Münchener Kommentar zum Straßenverkehrsrecht, 1. Auflage 2016, § 45 StVO Rdnr. 57).

b)

Die Streithelferin der Beklagte hat die so verstandene Verkehrssicherungspflicht der Beklagten als ihre Verwaltungshelferin bei der Aufgabe der Verkehrssicherung durch Verkehrsregelung (vgl. Senat, Beschluss vom 26. August 2024 – 2 U 26/23; BGH, Urteil vom 11. Januar 2024 – III ZR 15/23, r+s 2024, 324; Urteil vom 6. Juni 2019 – III ZR 124/18 –, NJW-RR 2019, 1163; siehe auch König ebd. Rdnr. 45a) verletzt.

Nach der durch die Beklagte als Anlage B1 eingereichten verkehrsrechtlichen Anordnung vom 2. Juni 2021, verlängert am 16. November 2021, war die Baustelle so auszuschildern, dass der Verkehrsteilnehmer die Führung des Verkehrs rasch und zweifelsfrei erkennen kann (Nr. 7). Alle Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen mussten stets gut zu erkennen sein und hierfür rückstrahlen oder von innen oder außen beleuchtet sein (Nr. 7.1 und 7.2). Baugruben mussten abgeschrankt werden, senkrechte Abgrabungen wie zum Beispiel eine Straßenauskofferung ausreichend kenntlich gemacht; Absperrfahnen allein sollten dafür im Allgemeinen nicht ausreichen (Nr. 7.6). Die Arbeitsstellen waren unmittelbar davor und dahinter, soweit nötig, durch rot-weiß gestreifte Schranken abzusperren (Nr. 8.1), nötigenfalls auch seitlich, und jedenfalls ausreichend kenntlich zu machen (Nr. 8.2). Die Absperrgeräte mussten rückstrahlen (8.4) und waren während der Dämmerung, bei Dunkelheit oder wenn die Sichtverhältnisse es sonst erfordern, durch rote oder gelbe Warnleuchten zu kennzeichnen (Nr. 9.1). Dem entsprechend sah der Beschilderungsplan am Rand der Arbeitsstellen Absperrschranken in Form des Zeichens 600 der Anlage 4 zur Straßenverkehrsordnung vor. Eine solche Sicherung erscheint mit Blick auf das Gefahrenpotential einer so tiefen Auskofferung, dass ein in die Baustelle geratenes Fahrzeug aufsetzt und mit eigener Kraft nicht mehr befreit werden kann, sondern abgeschleppt werden muss, ohne weiteres erforderlich (vgl. zu einer quer zur Fahrbahn verlaufenden Rinne von etwa 20 cm Tiefe und einem Meter Breite OLG Jena, Urteil vom 15. Oktober 2002 – 3 U 964/01 –, DAR 2003, 69; siehe auch OLG Celle, Urteil vom 8. Februar 2007 – 8 U 199/06 –, NJW-RR 2007, 972 = MDR 2007, 1075; Tassarek-Schröder/Rönsberg ebd. Rdnr. 599). Dies vor allem bei Vorliegen einer – wie hier – ansonsten „asphaltglatten“ Fahrbahn (anders bei einem insgesamt unbefestigten Baustellenbereich: OLG Rostock, Urteil vom 23. März 2000 – 1 U 169/98 –, NVwZ-RR 2000, 408 = MDR 2000, 638).

Daran fehlte es nach den vorgelegten und in der Sache nicht in Zweifel gezogenen Lichtbildern des Klägers sowie der aufnehmenden Polizei. Die Baustelle und vor allem der ausgekofferte Bereich waren nur rudimentär durch in weitem Abstand stehende Schrankenzaunelemente angedeutet. Der Gefahrenbereich war weder besonders beleuchtet noch ausreichend kenntlich gemacht. Es gab im zentralen Bereich keine Absperrfahnen, keine Baken, geschweige denn eine regelrechte Abschrankung. So konnte der Eindruck einer Fahrbahn zwischen den Schrankelementen entstehen. Dem wurde auch nicht mit einer im Sinne der Auflagen ausreichend klaren Ausschilderung entgegengewirkt. Der Rechtspfeil (Zeichen 209) war zu weit rechts angebracht, um von allen Verkehrsteilnehmern hinreichend sicher wahrgenommen zu werden. Das mit ihm angeordnete Rechtsfahrgebot machte zudem nur, wie das jenseits der Auskofferung aufgestellte Einbahnstraßenschild, die vorgeschriebene Fahrtrichtung kenntlich. Es machte nicht deutlich, dass die Fahrbahn nur vor dem vereinzelten Schrankenzaunelement verlief. Die eingesetzten einzelnen Warnelemente waren zwar rückstrahlend, aber nicht mit Warnleuchten versehen.

Ohne Erfolg verweist die Streithelferin der Beklagten auf die nur wenige Stunden vor dem Unfallereignis erfolgte Kontrolle, bei der ein Mitarbeiter einer Unterauftragnehmerin nach seinem Protokoll „Baken und VZ’s gerichtet“ habe. Hieraus ergibt sich nicht, welche Baken und Verkehrszeichen er vorgefunden und wie er sie gerichtet haben will, insbesondere dass bei seiner Kontrolle die Auskofferung noch vollständig abgesperrt gewesen sei.

c)

Dem Kläger ist bedingt durch die Pflichtverletzung ein Schaden entstanden. Hierzu gehören zunächst Unfallreparaturkosten von (nach Abzug der ihm bei dieser Gelegenheit ebenfalls berechneten Kosten für die Wartung der Klimaanlage) netto 4.807,48 € = 5.720,90 € brutto. Ebenfalls zu ersetzen ist zum einen der nach der Reparatur verbliebene so genannte merkantile Minderwert (vgl. Türpe, in: Beck'scher Online-Kommentar zum Straßenverkehrsrecht, 25. Edition mit Stand 15. Oktober 2024, § 249 BGB Rdnr. 47). Diesen hat der Kläger unter Vorlage des Gutachtens unbestritten mit 350 € angegeben. Zum anderen steht ihm eine Entschädigung für den so genannten Nutzungsausfall zum, das heißt für den unfallbedingten Entzug der Gebrauchsmöglichkeit eines privaten Kraftfahrzeugs für den Zeitraum, in dem das Fahrzeug reparaturbedingt nicht zur Verfügung stand (vgl. nur Türpe ebd. Rn. 188 und 195). Der Kläger hat unwidersprochen angegeben, dass dieser Zeitraum 51 Tage umfasst habe und der Gebrauchswert des Fahrzeugs nach sachverständiger Einschätzung 65 € am Tag betrage. Das entspricht einem Betrag von 3.315 €. Als Kosten der Schadensermittlung sind ferner die Kosten des eingeholten Sachverständigengutachtens zu ersetzen (Türpe ebd. Rdnr. 217), soweit der Kläger sie ausgeglichen hat, hier in Höhe von 428,40 €; im Übrigen kann er Freistellung verlangen. Entsprechendes gilt für vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten als Kosten der Rechtsverfolgung (vgl. Türpe ebd. Rdnr. 203).

Gegen die Zuerkennung einer Kostenpauschale auch in Fällen einer zu einem Unfall führenden Verletzung der Verkehrssicherungspflicht bestehen keine Bedenken (vgl. beispielsweise OLG Hamm, Urteil vom 11. März 2022 – 11 U 163/21 –, BeckRS 2022, 42728; OLG Köln, Urteil vom 11. Mai 2017 – 7 U 29/15 –, BeckRS 2017, 116621). Die geforderte Höhe von 25 € ist noch angemessen, § 287 ZPO.

d)

Die Bediensteten der Beklagten bzw. ihrer Verwaltungshelferin handelten schuldhaft. Gründe für den Ausschluss des nach dem Beweis des ersten Anscheins anzunehmenden (vgl. nur BGH, Urteil vom 20. Oktober 2016 – III ZR 278/15 –, NJW 2017, 397 Rdnr. 40; Thomas, in: BeckOnline-Großkommentar mit Stand 1. Juli 2024, § 839 BGB Rdnr. 873) bestehen nicht.

Der Kläger hat sich neben der Betriebsgefahr seines Fahrzeugs (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 1986 – III ZR 242/85 –, MDR 1987, 648; OLG Jena, Urteil vom 31. Mai 2011 – 4 U 884/10 –, NVwZ-RR 2011, 928 = BeckRS 2011, 21366; OLG Naumburg, Urteil vom 23. Juni 2015 – 12 U 158/14 –, r+s 2016, 202 Rdnr. 20) ein gewisses Mitverschulden anrechnen zu lassen, das aber nicht so schwer wiegt, dass es seinen Anspruch gänzlich ausschlösse.

Auch bei der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht ist grundsätzlich nach § 254 BGB ein schadensursächliches Mitverschulden zu berücksichtigen (vgl. nur BGH, Urteil vom 10. Mai 2007 – III ZR 115/06 –, NJW 2007, 3211, Rdnr. 10; Greger, in: Greger/Zwickel, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 6. Aufl. 2021, Rdnr. 13.164). Das erfordert wie auch sonst die Gewichtung und Abwägung der jeweiligen Verursachungsanteile der Parteien in Bezug auf das konkrete Schadensereignis. Die Überbürdung des Schadens auf einen der Beteiligten im Rahmen des § 254 BGB kann dabei nur ausnahmsweise in Betracht kommen und bedarf ganz besonderer Gründe (BGH, Urteil vom 21. Februar 1995 – VI ZR 19/94 –, NJW-RR 1995, 857 = VersR 1995, 583, Rdnr. 20 bei juris; Greger ebd. Rdnr. 13.164). Hierfür genügt weder der Umstand, dass der Geschädigte vor Schadenseintritt die bestehende Gefahrenlage erkannt hat, noch dass er sich ihr ohne zwingende Notwendigkeit aussetzte. Beides begründet noch nicht einen solchen Verursachungsanteil, dem gegenüber der Verursachungsbeitrag des die Gefahr durch eine Pflichtverletzung begründenden Schädigers stets zurücktreten oder auch nur weniger schwer wiegen müsste. Maßgeblich sind vielmehr die Umstände des konkreten Einzelfalls. Zu diesen gehört neben dem Verhalten des Geschädigten auch der Verursachungsbeitrag des die Gefahr durch eine Pflichtverletzung begründenden Schädigers. Es wäre widersprüchlich, wenn aufgrund der dadurch geschaffenen besonders intensiven Gefahrenlage die deutliche Verletzung der Verkehrssicherungspflicht folgenlos bliebe. Die haftungsrechtliche Gesamtverantwortung für das Unfallereignis würde auf den Geschädigten verlagert, obwohl der Verkehrssicherungspflichtige eine maßgebliche Ursache für das Schadensereignis gesetzt hat. Auch widerspräche dieses Ergebnis dem Schutzzweck der verletzten Verkehrssicherungspflicht, die auch solche Verkehrsteilnehmer vor Schäden bewahren soll, die nicht stets ein Höchstmaß an Aufmerksamkeit und Vorsicht walten lassen (BGH, Urteil vom 20. Juni 2013 – III ZR 326/12 –, NVwZ-RR 2013, 909 = VersR 2013, 1322, Rdnr. 23 bei juris). Ein die Haftung des Verkehrssicherungspflichtigen ausschließender, weit überwiegender Verursachungsbeitrag des Geschädigten kann angesichts dessen nur angenommen werden bei besonderer Leichtfertigkeit des Geschädigten. Sein Handeln muss von einer ganz besonderen, schlechthin unverständlichen Sorglosigkeit gekennzeichnet sein, so wie es etwa der Fall ist, wenn sich ein Fußgänger ohne Grund auf eine spiegelglatte Eisfläche begibt (BGH ebd.; OLG Hamm, Urteil vom 11. Juni 2021 – I-11 U 46/20 –, Rdnr. 20 bei juris; OLG Naumburg, Urteil vom 19. Oktober 2015 – 1 U 34/15 –, NJW-RR 2016, 661 = VersR 2017, 113, Rdnr. 34 f bei juris; Greger ebd. Rdnr. 13.164; Looschelders, in: BeckOnline-Großkommentar mit Stand 1. Juli 2024, § 254 BGB Rdnr. 329; Thomas ebd., § 839 BGB Rdnr. 505).

Nach diesen Maßstäben fällt dem Kläger ein Mitverschulden zur Last, das aber seinen Anspruch nicht ausschließt. Sein Verhalten war nicht durch besondere Leichtfertigkeit und einer ganz besonderen Sorglosigkeit geprägt, die nicht mehr erklärlich ist.

Der Kläger unterlag als Fahrzeugführer dem Sichtfahrgebot des § 3 Abs. 1 StVO. Er hatte seine Geschwindigkeit so zu wählen, dass er das Fahrzeug ständig beherrscht, und sie den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen sowie den persönlichen Fähigkeiten und den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung anpassen. Er durfte nur so schnell fahren, dass er innerhalb der übersehbaren Strecke jederzeit halten konnte, insbesondere vor einem Hindernis, das sich innerhalb der übersehbaren Strecke auf der Straße befindet. Ein Fahrzeugführer muss beim Fahren auf Sicht dementsprechend prüfen, wie weit er sehen und ob er mit der gefahrenen Geschwindigkeit noch rechtzeitig anhalten kann, wenn im sich beim Fahren regelmäßig in Fahrtrichtung verschiebenden Sichtbereich – genauer am Ende der sich verschiebenden übersehbaren Strecke – ein Hindernis auf der Fahrbahn erscheint. Maßgeblich ist damit, dass der Fahrer innerhalb der übersehbaren Strecke anhalten kann. Hiervon als Bezugspunkt zu unterscheiden ist der Augenblick, zu dem ein zwar bereits im Sichtbereich befindliches, für den Fahrzeugführer jedoch nicht sogleich erkennbares Hindernis für ihn sichtbar wird. Auf solche gegebenenfalls erst aus wenigen Metern erkennbaren Objekte muss der Fahrer seine Geschwindigkeit – bei allerdings Anwendung eines strengen Maßstabs hinsichtlich der Erkennbarkeit – nicht einrichten. Insoweit wird das Sichtfahrgebot durch den Vertrauensgrundsatz für solche Hindernisse begrenzt, mit denen der Fahrer unter keinem vertretbaren Gesichtspunkt rechnen muss. Dies betrifft etwa Hindernisse, die wegen ihrer besonderen Beschaffenheit ungewöhnlich schwer erkennbar sind oder deren Erkennbarkeit in atypischer Weise besonders erschwert ist und auf die nichts hindeutet. Anderenfalls dürfte sich der Fahrer stets nur mit minimalem Tempo bewegen, um noch rechtzeitig anhalten zu können. Das Sichtfahrgebot beruht auf der Erwägung, dass es dem Fahrer zugemutet werden kann, seine Geschwindigkeit dem vorausberechneten Anhalteweg anzupassen. An dieser Möglichkeit fehlt es aber, wenn sich der geschätzte Anhalteweg durch nicht voraussehbare und damit nicht einkalkulierbare Umstände verkürzt (BGH, Urteil vom 23. April 2020 – III ZR 251/17 –, NJW 2020, 3106, Rdnr. 37).

Der Kläger entsprach entweder nicht dem so verstandenen Gebot, oder widmete der ihm erkennbaren Fahrstrecke nicht die nötige Aufmerksamkeit. Die bereits bei der Anfahrt an die Raststätte deutlich ausgeschilderte Baustellensituation musste ihn zu erhöhter Sorgfalt und Umsicht anhalten und ihn veranlassen, die Geschwindigkeit auf die letztlich unklare Verkehrslage einzustellen, das heißt sie deutlich zu reduzieren.

Der Kläger handelte allerdings nicht mit einer besonderen, ganz außergewöhnlichen, seinen Anspruch ganz ausschließenden Sorglosigkeit. Zu berücksichtigen ist in erster Linie und ganz wesentlich die von ihm betonte und aus den Lichtbildern deutlich werdende Unübersichtlichkeit der Verkehrsführung und -regelung im Baustellenbereich. Wie erwähnt war die Ausschilderung der Fahrbahn mehrdeutig, mit Blick auf das hinter dem Arbeitsbereich angebrachte Einbahnstraßenschild sogar irreführend. Leitbaken waren in diesem Bereich nicht aufgestellt. Eine temporäre gelbe Fahrbahnmarkierung fehlte. Es ist nicht im Sinne einer besonderen Leichtsinnigkeit vorwerfbar, dass der Kläger sich in dieser nicht nur für ihn unübersichtlichen Lage in erster Linie auf die Verkehrsführung konzentrierte und nicht auch den Boden nach nicht zu vermutenden Hindernissen und Gräben der hier in Rede stehenden Art absuchte. Dass er besonders schnell fuhr, ist nicht festgestellt. Im Ergebnis kann sein Haftungsanteil mit zwei Fünfteln bemessen werden.

e)

Dem entsprechend steht dem Kläger nur ein anteiliger Schadensersatz in Höhe von (3.432,54 € Reparaturkosten + 15,00 € Unfallpauschale + 257,04 € Schadensgutachten + 210,00 € Wertminderung + 1.989,00 € Nutzungsausfall =) 5.903,58 € zu. Der verbleibende Freistellungsanspruch hinsichtlich der Gutachterkosten reduziert sich entsprechend.

Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten können nur nach einem Gegenstandswert von bis zu 3.500 € Ansatz finden (BGH, Urteil vom 18. Juli 2017 – VI ZR 465/16 –, NJW 2017, 3588; Türpe ebd. Rdnr. 211). Die weiteren Schadensposten Wertminderung und Nutzungsausfall waren nicht Gegenstand der Forderungsanmeldung und damit augenscheinlich auch nicht des Mandats (vgl. BGH ebd. Rdnr. 15).

Der Zinsausspruch beruht auf § 286 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Nr. 3, § 288 Abs. 1 BGB. Es ist aus der Akte nicht erkennbar, dass der klageerweiternde Schriftsatz vom 25. August 2023 vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung vom 10. April 2024 zugestellt wurde.

2.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1 Satz 1 und 101 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, 713, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung folgt §§ 43, 47, 48 GKG.

Die Revisionszulassung ist nicht veranlasst, § 543 Abs. 2 ZPO.