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Entscheidung 2 U 60/24


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 2. Zivilsenat Entscheidungsdatum 06.12.2024
Aktenzeichen 2 U 60/24 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2024:1206.2U60.24.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 27. September 2024, Az. 11 O 96/24, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt Schadensersatz nach einem Unfall, den sie auf die geltend gemachte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagte zurückführt. Diese habe auf einer etwa 80 cm breiten Grünfläche entlang der Straße N… in N… einen der wohl zur Fernhaltung von Fahrzeugen eingebrachten Holzpfähle entfernt, ohne das dadurch entstandene ca. 15 cm weite Loch zu verfüllen oder zumindest kenntlich zu machen. Dadurch habe sie, die Klägerin, eine Fraktur des linken Sprunggelenks erlitten, die schmerzhaft gewesen sei und umfangreiche Behandlungen erfordert hätte. Sie sei arbeitsunfähig und nicht in der Lage gewesen, ihren Haushalt zu führen. Ihr sei letztlich Invalidität bescheinigt worden.

Das Landgericht – Einzelrichter – hat die Klage abgewiesen. In dem Urteil, auf dessen tatsächlichen Feststellungen im Übrigen gemäß § 522 Abs. 2 Satz 4 ZPO Bezug genommen wird, heißt es: Die Beklagte sei für die Grünfläche nicht verkehrssicherungspflichtig. Zwar sei sie verpflichtet, die öffentlichen Verkehrsflächen in einem dem Verkehrsbedürfnis entsprechenden möglichst gefahrlosen Zustand zu halten, was sich auch auf das sogenannte Straßenbegleitgrün beziehe. Eine völlige Gefahrlosigkeit des Wegenetzes könne allerdings nicht erwartet werden. Die Grünfläche sei nicht zur regelmäßigen Benutzung von Fußgängern bestimmt. Sie müsse sich nicht in einem vergleichbaren Zustand befinden wie ein befestigter Gehweg. Sie sei auch nicht deshalb für den Fußgängerverkehr freigegeben, weil ein Gehweg in diesem Bereich der Straße nicht vorhanden sei. Es handele sich nicht um einen begehbaren Seitenstreifen im Sinne des § 25 Abs. 1 S. 1 StVO. Er sei weder für den Fußgängerverkehr bestimmt noch dazu brauchbar. Hiergegen sprächen insbesondere die dort eingebrachten Pfähle, die sich dort befindlichen Hindernisse wie Stromkästen und Straßenlampen sowie die erkennbare Unebenheit. Zudem habe sich die Klägerin ein anspruchsminderndes oder anspruchsausschließendes Mitverschulden anrechnen zu lassen. Sie habe in dem Bereich der Grünfläche nach allgemeiner Lebenserfahrung mit Unebenheiten rechnen müssen. Eine befestigte Straße befinde sich unmittelbar daneben. Sie hätte sie am Rand problemlos benutzen können.

Das am 27. September 2024 verkündete Urteil ist der Klägerin am 1. Oktober 2024 zugestellt worden. Sie hat am 1. November 2024 Berufung eingelegt und diese am Montag, dem 2. Dezember 2024 begründet.

Die Klägerin ist der Auffassung, es komme nicht auf die originäre Verkehrssicherungspflicht der Beklagten an. Sie habe mit dem Entfernen der Poller eine eigenständige Gefahr gesetzt. Die Fläche sei zur Benutzung von Fußgängern bestimmt. Sie sei nicht eingefriedet gewesen. An der Straße sei kein Fußgängerweg vorhanden. Die Fläche sei immer schon von Anwohnern und Fußgängern benutzt und dies von der Beklagten geduldet worden. Die Pflöcke seien gesetzt worden, um allein die Nutzung durch Fahrzeuge zu verhindern. Das von der Beklagten geschaffene Loch sei nicht mit einer auf Grünflächen üblichen Unebenheit gleichzusetzen, sondern eine vorsätzlich geschaffene und ersichtlich erhebliche Gefahrenquelle. Das schließe ein Mitverschulden der Klägerin aus.

Die Klägerin hat angekündigt zu beantragen,

das angefochtene Urteil abzuändern und

1.    die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 5.269 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2023 zu zahlen,

2.    die Beklagte zu verurteilen, an Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld, jedoch mindestens in Höhe von 20.000 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2023 zu zahlen,

3.    festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche materiellen und immateriellen Schäden – letztere, soweit sie nach der letzten mündlichen Verhandlung entstehen – aus dem Unfall vom 29.10.2021 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen,

4.    die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin von einer Forderung ihres Prozessbevollmächtigten über 1.728,48 € freizustellen.

Die Beklagte hat angekündigt zu beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

II.

Die Berufung ist offensichtlich unbegründet im Sinne des § 522 Abs. 2 ZPO.

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Sie ist unbegründet.

Die Beklagte hat die ihr als Amtspflicht obliegende (§§ 9a Abs. 1 Satz 3, 10 Abs. 1 BbgStrG) Pflicht, nach ihrer Leistungsfähigkeit die Gemeindestraßen in einem den regelmäßigen Verkehrsbedürfnissen genügenden Zustand zu bauen und zu unterhalten, nicht verletzt. Zwar beschränkt sich diese nicht auf die eigentliche Fahrbahn des N…, unstreitig einer Gemeindestraße in diesem Sinne. Die Verkehrssicherungspflicht erstreckt sich vielmehr auf sämtliche Bestandteile, Zubehöre und Einrichtungen der Straßen (vgl. Tassarek-Schröder/Rönsberg in: Rotermund/Krafft, Kommunales Haftungsrecht, 5. Auflage 2013, Rdnr. 590). Hierzu gehören nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 und 3 BbgStrG auch Dämme, Gräben, Entwässerungsanlagen und Böschungen, sowie Trenn-, Seiten-, Rand- und Sicherheitsstreifen ebenso wie Bankette, und damit auch der hier in Rede stehende Grünstreifen neben der Fahrbahn (zum Begriff des Seiten- bzw. Randstreifens siehe etwa Häußler, in: Zeitler, Bayerisches Straßen- und Wegegesetz, 32. Ergänzungslieferung Januar 2023, Art. 2 Rdnr. 35 f).

Der Grünstreifen zeigt aber weder eine die Verkehrssicherheit auf der Gemeindestraße selbst beeinträchtigende Gestaltung, noch begründet er für sich eine Gefahr für den Verkehr. Das gilt auch mit Blick auf das nach der Auffassung der Klägerin unzureichend verfüllte bzw. gekennzeichnete Loch, das nach dem Entfernen des Pfostens verblieb. Hierbei kann dahinstehen ob, wie die Klägerin behauptet aber die Beklagte bestreitet, es Bedienstete der Beklagten waren, die den Pfosten entfernten. Denn der Grünstreifen war nicht für den Fußgängerverkehr eröffnet und musste daher nicht den Sicherheitsanforderungen an einen Gehweg genügen.

Der Grünstreifen ist kein Gehweg. Hierunter ist im Straßenverkehrsrecht ein von der Fahrbahn räumlich getrennter, in der Regel durch einen Bordstein abgegrenzter, deutlich durch Pflasterung oder auf sonstige Weise erkennbarer, für die Fußgänger eingerichteter und bestimmter Teil der Straße zu verstehen. Eine teilweise Bepflanzung etwa mit Bäumen steht dieser Einordnung ebenso wenig entgegen wie seine gelegentliche Überquerung durch eine Grundstückszufahrt. Einer Beschilderung durch Zeichen 239, 240 oder 241 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 2 StVO bedarf es nicht (vgl. Jahnke, in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 28. Auflage 2024, § 25 StVO Rdnr. 10; Rogler, in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Auflage mit Stand 26. November 2024, § 25 StVO Rdnr. 29, je m. w. N.). Im sich hieran anlehnenden Haftungsrecht (vgl. BGH, Urteil vom 30. Oktober 1980 – III ZR 116/79 –, VersR 1981, 335, Rdnr. 13) bestimmt die offensichtliche Nutzung der Verkehrsfläche das Ausmaß der den Verantwortlichen treffenden Verkehrssicherungspflicht. Diese bemisst sich weder nach der verkehrspolizeilichen Regelung zur Benutzung eines öffentlichen Weges, die in aller Regel durch eines der genannten Verkehrszeichen gemäß der Anlage zur Straßenverkehrsordnung deutlich gemacht wird, noch nach dem Inhalt eines förmlichen Widmungsaktes. Vielmehr ergibt sich der Umfang der üblichen Nutzung und damit die maßgebliche Verkehrsbedeutung der Fläche nach ihrem äußeren Befund, das heißt nach den äußerlich erkennbaren Merkmalen der Verkehrsfläche unter Berücksichtigung der örtlich gegebenen Verhältnisse und der allgemeinen Verkehrsauffassung (BGH, Urteil vom 15. Dezember 1988 – III ZR 112/87, NVwZ-RR 1989, 456; Urteil vom 12. Juli 1971 – III ZR 126/68, VersR 1971, 1061).

Das Landgericht hat diese Maßstäbe zutreffend zugrunde gelegt und angewandt. Der Grünstreifen war in diesem Sinne weder für den Fußgängerverkehr bestimmt noch durch ihn genutzt. Nach den durch die Parteien eingereichten Lichtbildern der Anlagen K11 und B2 ist die asphaltierte Straße auf beiden Seiten mit einer mehr oder weniger mit Gras bewachsenen Fläche eingefasst, die auf der einen Seite leicht zur Straße hin abfällt und auf der anderen einen Graben bildet, der offenbar der Wasserableitung dient. Die Oberfläche ist, abgesehen von gepflasterten Grundstückseinfahrten, auf beiden Seiten naturbelassen. Das Gras wird anscheinend gelegentlich gemäht. Zur Verhinderung des Parkens von Kraftfahrzeugen sind zur asphaltierten Straßenfläche hin Holzpfosten eingesetzt. Zwischen diesen und den durch Hecken und / oder Zäune markierten Grundstücksgrenzen präsentiert sich die Fläche als Wiese oder – mehr oder minder vertrocknete – Grasfläche. Sie kann begangen werden, wird dies aber augenscheinlich nicht regelmäßig. Der Grünstreifen zeigt keine Anzeichen eines Trampelpfades. Seine Oberfläche erscheint nirgendwo durch häufigere Nutzung verdichtet, der Grasbewuchs nicht niedergetreten. Unregelmäßige Bodenunebenheiten lassen diese Nutzung auch nicht attraktiv erscheinen. Ganz offenbar nutzen Fußgänger die in diesem Wohngebiet weniger befahrene Asphaltstraße. Ein Nutzer kann damit nicht in gleicher Weise von einer gefahrlosen Nutzbarkeit des Grünstreifens ausgehen. Er muss im Gegenteil von der Grundannahme ausgehen, dass dieser Bereich nicht in gleicher Weise dem öffentlichen Verkehr dient und damit auch nicht besonders gesichert wird und werden muss. Dieser Bereich kann daher ganz augenscheinlich nur mit äußerster Sorgfalt und ohne jegliche Gewähr für die Tragfähigkeit und Sicherheit des Untergrundes betreten werden. Wer den sicheren Weg verlässt, um ein wild bewachsenes und naturbelassenes Gelände zu betreten, hat ein erhöhtes Maß an Sorgfalt walten zu lassen. Er hat mit unterschiedlichen Bepflanzungen, Bodenunebenheiten, auf dem Boden liegenden Ästen, Maulwurfshügeln etc. zu rechnen und daher besonders darauf zu achten, wohin er seinen Fuß setzt. Eine besondere Absicherung oder gar ein Hinweis auf diesen Umstand ist nicht erforderlich (vgl. Senat, Beschluss vom 3. Februar 2021, – 2 U 3/21 –; OLG Hamm, Hinweisbeschluss vom 24. November 2017 – I-9 U 105/17, NJW 2018, 1890).