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Entscheidung 6 U 1/24


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 6. Zivilsenat Entscheidungsdatum 09.07.2024
Aktenzeichen 6 U 1/24 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2024:0709.6U1.24.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Gründe

I.

Von einer Darstellung der tatsächlichen Feststellungen im Berufungsurteil wird gemäß § 540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

II.

Die Berufung des Verfügungsklägers ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere gemäß §§ 511, 517, 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Der Verfügungsantrag ist begründet. Zu Unrecht hat das Landgericht den von dem Verfügungskläger im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung geltend gemachten Anspruch auf Unterlassung heilmittelwerbegesetzwidriger Werbung nach § 8 Abs. 1, 3 Nr. 2, § 3 Abs. 1, § 3a UWG in Verbindung mit § 3 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 HWG, § 5 UWG verneint.

1, Der Verfügungsantrag ist zulässig, insbesondere kommt dem Verfügungskläger die notwendige Prozessführungsbefugnis nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG zu, die von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen ist (st. Rechtsprechung, vgl. BGH, Urteil vom 16.11.2006 - I ZR 218/03, GRUR 2007, 610 - Sammelmitgliedschaft V; Urteil vom 01.03.2007 - I ZR 51/04, GRUR 2007, 809 - Krankenhauswerbung; Urteil vom 07.05.2015 - I ZR 158/14, GRUR 2015, 1240 - Der Zauber des Nordens; Urteil vom 07.04.2022 - I ZR 143/19, GRUR 2022, 930 - Knuspermüsli II). Für die Feststellung der Voraussetzungen gelten die Grundsätze des Freibeweises (vgl. BGH, Urteil vom 14.12.2000 - I ZR 181/99, GRUR 2001, 846, 847 - Metro V).

Nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG sind prozessführungsbefugt diejenigen rechtsfähigen Verbände zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen, die in der Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b UWG eingetragen sind, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmen angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben und die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt. Dass der Verfügungskläger in die beim Bundesamt für Justiz geführte Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände eingetragen ist, hat er durch Vorlage der Anlage 1 glaubhaft gemacht.

Dem Verfügungskläger gehört auch eine seine Prozessführungsbefugnis begründende ausreichende Zahl von Unternehmen als Mitglieder an, die Dienstleistungen auf demselben Markt vertreiben, wie der Verfügungsbeklagte. Diese Voraussetzung ist nicht Gegenstand der Prüfung der Eintragungsvoraussetzungen durch das Bundesamt für Justiz und muss im Einzelfall festgestellt werden (Köhler/Feddersen, in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 42. Aufl., § 8 Rn. 3.36). Abzustellen ist dabei auf solche Mitgliedsunternehmen des jeweiligen Klägers, die dem auf Unterlassung in Anspruch Genommenen auf demselben sachlich und räumlich relevanten Markt als Wettbewerber begegnen, also mit diesem um Kunden konkurrieren können (BGH, Urteil vom 13.07.2000 - I ZR 203/97, GRUR 2000, 1084, 1085 - Unternehmenskennzeichnung; Urteil vom 06.04.2017 - I ZR 33/16, GRUR 2017, 926 - Anwaltsabmahnung II). Es kommt dabei darauf an, ob sich die betreffenden Waren oder Dienstleistungen ihrer Art nach so gleichen oder nahe stehen, dass der Absatz des einen Unternehmers durch irgendein wettbewerbswidriges Handeln des anderen beeinträchtigt werden kann (BGH, Urteil vom 07.05.2015 - I ZR 158/14, aaO - Der Zauber des Nordens). Dabei reicht aus, dass die Mitgliedsunternehmen durch die Wettbewerbsmaßnahme mit einer gewissen, wenn auch nur geringen Wahrscheinlichkeit eine zumindest nicht gänzlich unbedeutende Beeinträchtigung zu befürchten haben (BGH, Urteil vom 24.11.1999 - I ZR 189/97, GRUR 2000, 438, 440 - Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge; Köhler/Feddersen aaO Rn. 3.36 m.w.N). Ein entsprechendes Wettbewerbsverhältnis wird durch die Zugehörigkeit zur selben oder zu angrenzenden Branchen begründet. Wird, wie hier, die Werbung für eine Ware oder Dienstleistung beanstandet, ist deshalb der Branchenbereich maßgeblich, dem die beanstandete Wettbewerbsmaßnahme zuzurechnen ist. Nicht erforderlich ist, dass der Mitbewerber gerade bei den Waren oder Dienstleistungen, die mit den beanstandeten Werbemaßnahmen beworben worden sind, mit den Mitgliedsunternehmen im Wettbewerb steht (BGH, Urteil vom 01.03.2007 - I ZR 51/04, aaO - Krankenhauswerbung).

Eine solche Tätigkeit auf dem sachlich relevanten Markt muss zudem einen örtlichen Mitbewerber betreffen. Die Abgrenzung des örtlich relevanten Marktes hat ausgehend von der Geschäftstätigkeit des werbenden Unternehmens zu erfolgen (BGH, Urteil vom 05.10.2000 - I ZR 237/98, GRUR 2011, 260 - Vielfachabmahner; Urteil vom 23.10.2008 - I ZR 197/06, GRUR 2008, 392 Rn. 8 - Sammelmitgliedschaft VI). Maßgeblich ist, ob sich die Werbemaßnahme zumindest auch auf den potentiellen Kundenkreis der Mitgliedsunternehmen auswirken kann. Auch insoweit genügt es, wenn eine gewisse, sei es auch nur geringe Wahrscheinlichkeit einer nicht gänzlich unbedeutenden potentiellen Beeinträchtigung besteht (BGH, Urteil vom 24.11.1999 - I ZR 189/97, GRUR 2000, 438 - Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge). Ob das der Fall ist, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalles, wobei abzustellen ist auf die Marktstellung des werbenden Unternehmens, die Attraktivität seines Angebots, die Reichweite seiner Werbung sowie die Vertriebsart. Letztlich kommt es darauf an, ob trotz der räumlichen Entfernung des Kunden zum Anbieter noch ein Vertragsschluss möglich erscheint.

Der Verfügungskläger hat glaubhaft gemacht, dass er über eine erhebliche Zahl von Mitgliedern auf dem relevanten sachlichen und örtlichen Markt verfügt, die die genannten Voraussetzungen erfüllen. Die inkriminierte Werbung betrifft das Heil- bzw. Gesundheitswesen. Nach der vom Verfügungskläger eingereichten Mitgliederliste gehören zu seinen Mitgliedern mit Sitz in B…, O… oder sonst im …nahen Br… sechs Unternehmen aus dem Bereich Gesundheitswesen, ferner aus dem Bereich Heilwesen zwei Ärzte und sechs Heilpraktiker sowie sechs Medizinproduktehersteller und vier Arzneimittelhersteller. Dem ist der Verfügungsbeklagten nicht entgegengetreten. Diese aus der vorgelegten Mitgliederliste des Verfügungsklägers mit Name und Anschrift ersichtlichen Unternehmen stellen eine erhebliche Zahl von Mitbewerbern i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG dar, sie sind nach Zahl und Leistungsangebot geeignet, den Kreis der Mitbewerber des Verfügungsbeklagten repräsentativ zu vertreten, so dass ein missbräuchliches Vorgehen des Verfügungsklägers ausgeschlossen werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 16.11.2006 - I ZR 218/03, aaO - Sammelmitgliedschaft V; Urteil vom 01.03.2007 - I ZR 51/04, aaO - Krankenhauswerbung). Dass deren Angebot fachlich durch die behauptete Werbung des Verfügungsbeklagten beeinträchtigt werden kann, hat dieser nicht in Zweifel gezogen.

Entgegen der Ansicht des Verfügungsbeklagten stehen ihm die genannten Mitgliedsunternehmen auch auf dem örtlich relevanten Markt gegenüber. Als praktischer Arzt ist der Beklagte zwar typischerweise vor allem lokal tätig. Mitglieder in der Stadt F…, in der der Verfügungsbeklagte als Arzt niedergelassen ist, hat der Verfügungskläger allerdings nicht benannt. Vielmehr haben die von ihm angeführten Mitgliedsunternehmen ihren Sitz insgesamt entweder in B… oder in …nahen Teilen Br…, also in einer Entfernung von ca 60 - 80 Km zur Praxis des Verfügungsbeklagten in F…. Dies ist allerdings in der vorliegenden Sachverhaltskonstellation ausreichend. Denn bei dem von der inkriminierten Werbung umfassten Angebot der Magnetfeldtherapie handelt es sich nicht um die typische Leistung eines durchschnittlichen Hausarztes, sondern um eine besondere, nicht weit verbreitete Behandlungsmethode. Diese bietet der Beklagte im Internet, also überregional an. Es erscheint deshalb nicht von vornherein ausgeschlossen, dass Kunden der Mitgliedsunternehmen des Verfügungsklägers, die entsprechende Leistungen suchen, auf das Angebot des Verfügungsbeklagten aufmerksam werden und für diese besondere Leistung auch einen längeren Weg zu dem Verfügungsbeklagten in Kauf nehmen. Dass dies im Hinblick darauf, dass üblicherweise Patienten aus einer kleineren Stadt eher einen Arztbesuch in der Großstadt erwägen als umgekehrt, nicht sehr wahrscheinlich ist, wie der Verfügungsbeklagte in der mündlichen Verhandlung hat vortragen lassen, steht nicht entgegen, denn, wie gezeigt, genügt es für die Begründung einer maßgeblichen Mitbewerberstellung, dass eine auch nur geringe Wahrscheinlichkeit einer nicht ganz unbedeutenden potentiellen Beeinträchtigungen besteht. Eine solche lässt sich im Hinblick auf die weit über den lokalen Einzugsbereich der Hausarztpraxis in F… hinaus wirkende Werbung mit einer außergewöhnlichen Behandlungsmethode nicht ausschließen.

2. Der Verfügungsantrag ist auch begründet.

Dem Verfügungskläger steht ein Anspruch auf Unterlassung der angeführten Äußerungen im Kontext der beanstandeten Verletzungsform nach § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, § 3 Abs. 1, § 3a UWG in Verbindung mit § 3 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 HWG, § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG zu.

a) Die inkriminierten Aussagen stellen eine nach § 3 Satz 1 HWG unzulässige und zugleich i.S.d. § 5 Nr. 1 UWG irreführende und damit nach §§ 3, 3a UWG unlautere Werbung auf dem Gebiet des Heilmittelwesens dar, deren Verbreitung der Verfügungskläger untersagen lassen kann.

aa) Dem Verfügungskläger kommt als Verband zur Förderung gewerblicher Interessen die notwendige Aktivlegitimation zu, die sich nach den auch für die Prozessführungsbefugnis maßgeblichen Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG bestimmt und nach den Ausführungen zu Ziff 1) ebenfalls zu bejahen ist.

bb) Die Werbung ist nach § 3 Satz 1 Nr. 1 HWG unzulässig, weil sie irreführend der Anwendung der Magnetfeldtherapie gesicherte Wirkung zuschreibt, die diese nicht hat. § 3 HWG stellt ein auf bestimmte Waren oder Dienstleistungen bezogenes Werbeverbot auf, und dient damit typischerweise dem Schutz der Verbraucher. Es stellt damit eine Marktverhaltensregelung i.S.d. § 3a UWG dar (vgl. BGH, Urteil vom 30.04.2009 - I ZR 117/07, BGH GRUR 2009, 1189 - Blutspendedienst); ein Verstoß macht die Werbung unlauter und damit unzulässig i.S.d. § 3 UWG.

(1) Die Leistungsbeschreibung auf der Homepage des Verfügungsbeklagten im Internet ist als Werbung zu qualifizieren. Werbung wird definiert als jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs, die das Ziel verfolgt, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen zu fördern (Köhler, in Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O., § 6 Rn. 59). Mit der Beschreibung der in seiner Praxis angebotenen Leistungen setzt der Verfügungsbeklagte als Arzt potentielle Patienten davon in Kenntnis, welche Behandlungen sie bei ihm abrufen können; dies dient zugleich der Förderung des Absatzes der von ihm erbrachten Dienstleistungen und stellt damit Werbung dar.

(2) Die angegriffenen Aussagen sind irreführend i.S.d. § 3 S. 2 Nr. 1 HWG.

(2.1) Die Vorschriften des Heilmittelwerbegesetzes kommen zur Anwendung. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 HWG findet das Gesetz u.a. Anwendung auf die Werbung für Verfahren bzw. Behandlungen, soweit sich die Werbeaussagen auf die Erkennung, Beseitigung oder Linderung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden beziehen. Das ist in Bezug auf die angegriffenen Teilaussagen der Fall, mit denen der Magnetfeldtherapie positive Wirkungen zur Behandlung von Schmerzen und diverser Krankheiten, zur Förderung der Durchblutung und des Zellstoffwechsels, der Behandlung von Entzündungen und Schmerzen sowie unterstützender Therapie bei Wund- und Knochenverletzungen, der Stärkung des Immunsystems, der Verbesserung der Knochen- und Knorpelstruktur, der Aktivierung des Hormonhaushalts und bei Wirbelsäulenverletzungen, Migräne und anderen Kopfschmerzen, Rheuma und Störungen des Blutdrucks beigemessen werden. Positive Wirkungen werden der Magnetfeldtherapie auch zugesprochen, soweit die Aussage getroffen wird: „Die Magnetfeldtherapie ist ein schon seit ca 2000 Jahren in der chinesischen Medizin bekanntes naturheilkundliches Verfahren zur Behandlung von Schmerzen und diverser Krankheiten“ und „Die Therapie basiert auf der Annahme, dass magnetische Impulse tief in das Körpergewebe eindringen und dort positiv auf Entzündungen und Verletzungen wirken können“.

(2.2) Diese Aussagen sind als irreführende Werbung nach § 3 Satz 2 Nr. 1 HWG unzulässig. Sie legen dem Verfahren der Magnetfeldtherapie eine gesundheitsfördernde Wirkung als objektiv richtig zu, obwohl seine Wirksamkeit fachlich nicht belegt ist. Nach § 3 Satz 2 Nr. 1 HWG ist die Werbung für eine Behandlung irreführend, wenn dem Verfahren eine therapeutische Wirksamkeit beigelegt wird, die es nicht hat. Bei gesundheitsbezogener Werbung sind strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Werbeaussage zu stellen, da mit irreführenden gesundheitsbezogenen Angaben erhebliche Gefahren für das hohe Schutzgut der Gesundheit des Einzelnen sowie der Bevölkerung insgesamt verbunden sein können (BGH, Urteil vom 06.02.2013 - I ZR 62/11, Basisinsulin mit Gewichtsvorteil, jew. zit. nach juris). Irreführend sind solche Werbeaussagen, die geeignet sind, im konkreten Fall eine Divergenz zwischen der Vorstellung des Adressaten und der Wirklichkeit herbeizuführen. Das kann auch die Werbung mit unzureichend wissenschaftlich gesichertem Wirkungsaussagen erfassen (Senat, Urteil vom 28.04.2015 - 6 U 6/14, Rn. 80 m.w.N., juris), denn im Interesse des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung gilt für Angaben mit fachlichen Aussagen auf dem Gebiet der gesundheitsbezogenen Werbung generell, dass die Werbung nur zulässig ist, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht (BGH, Urteil vom 07.03.1991 - I ZR 127/89, Rheumalind II; vom 7.12.2000 - I ZR 260/98, Eusovit; juris). Dies ist dann der Fall, wenn dem Werbenden jegliche wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse fehlen, die die werbliche Behauptung stützen können oder auch dann, wenn mit einer fachlich umstrittenen Meinung geworben wird, ohne die Gegenmeinung zu erwähnen (Senat aaO.).

Die Beweislast für die Richtigkeit der Werbebehauptung trägt der Verfügungsbeklagte. Allerdings hat zunächst der Verfügungskläger als Unterlassungsgläubiger den Nachweis zu führen, dass die von ihm in Zweifel gezogenen gesundheitsbezogene Angaben nicht gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entsprechen (Senat aaO). Dieser Obliegenheit ist der Verfügungskläger nachgekommen, indem er eine Reihe von Publikationen und Urteilen vorgelegt hat, aus denen sich ergibt, dass der Magnetfeldtherapie in der medizinischen Fachwelt keine gesicherte Wirkung beigemessen wird. Dem ist der Verfügungsbeklagte nicht entgegengetreten.

cc) Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist die beanstandete Werbung auch geeignet, den Wettbewerb spürbar zu beeinträchtigen.

(1) Die Spürbarkeitsklausel hat den Zweck, solche Fälle des Verstoßes gegen eine Marktverhaltensregelung von der Verfolgung auszunehmen, die keine nennenswerte Auswirkung auf andere Marktteilnehmer haben, denn daran besteht kein Interesse der Allgemeinheit. Ein Verbot ist nur dann erforderlich, wenn dies der Schutz der Verbraucher, der Mitbewerber oder der sonstigen Marktteilnehmer erfordert, wenn sich die unlautere geschäftliche Handlung tatsächlich auf die anderen Marktteilnehmer auswirkt oder auswirken kann (Köhler aaO § 3a Rn. 1.96). Es muss also eine objektive Wahrscheinlichkeit für eine solche Wirkung bestehen, nicht nur eine theoretische Chance (Köhler aaO Rn. 1.99). Ob eine Eignung zur spürbaren Interessenbeeinträchtigung anzunehmen ist, beurteilt sich nach dem jeweiligen Schutzzweck der verletzten Marktverhaltensregelung. Bei Verstößen gegen Vorschriften, die dem Schutz der Gesundheit oder der Sicherheit des Verbrauchers dienen, ist allerdings davon auszugehen, dass diese grundsätzlich geeignet sind, die Interessen der Verbraucher spürbar zu beeinträchtigen. Die Spürbarkeit wird in solchen Fällen vermutet und ist nur ganz ausnahmsweise zu verneinen (BGH, Urteil vom 12.02.2015 - I ZR 213/13 - Fahrdienst zur Augenklinik).

(2) Das Landgericht hat die Spürbarkeit des inkriminierten Verstoßes verneint, seiner Wertung dabei allerdings unzutreffende tatsächliche Feststellungen zugrunde gelegt. Es hat zur Begründung ausgeführt, die inkriminierte Werbung für die Magnetfeldtherapie werde den durchschnittlichen Verbraucher/Patienten nicht mehr erreichen, weil sie nur eingesehen werden könne, wenn konkret die Unterseite der Homepage des Beklagten unter …http://a...de.leistungen aufgerufen werde. Der durchschnittliche Patient werde allerdings den Weg über die allgemeine Homepage des Beklagten http://a....de wählen und sich von dort über das Menü zu der Unterseite „Leistungen“ durchklicken; auf diesem Weg sei die inkriminierte Werbung allerdings nicht wahrnehmbar.

Von diesem Sachverhalt ist nach dem wechselseitigen Parteivortrag und den von beiden Parteien zur Glaubhaftmachung vorgelegten Eidesstattlichen Versicherungen allerdings nicht auszugehen. Der Kläger hat in der Berufungsinstanz seinen Vortrag nochmals dahin klargestellt, dass bei Einsichtnahme der Webseite des Beklagten am 21.09.2023 nicht die Unterseite der Homepage des Beklagten http://a....de/leistungen unmittelbar aufgerufen worden ist, sondern zunächst die Homepage http://a....de und von dort über den betreffenden Link die Rubrik „Leistungen“. Dieser Vortrag ist glaubhaft gemacht durch die Eidesstattliche Versicherung der Mitarbeiterin des Verfügungsklägers Dr. B… vom 05.02.2024.

Der Verfügungsbeklagte hat zwar bestritten, dass das Angebot der Magnetfeldtherapie auf diese Weise einzusehen war. Der Inhalt der von ihm dazu vorgelegten Eidesstattlichen Versicherungen ist allerdings nicht geeignet, erhebliche Zweifel an der Darstellung der Mitarbeiterin des Verfügungsklägers Dr. B… zu begründen. In seiner eigenen Eidesstattlichen Versicherung vom 13.11.2023 führt der Verfügungsbeklagte zu dem zu diesem Zeitpunkt, also im November 2023, abrufbaren Inhalt des auf seiner Homepage unter der Rubrik Leistungen enthaltenen Katalogs von Behandlungen aus und erläutert, der Internetauftritt sei vor etwa fünf Jahren überarbeitet und wie dargelegt aufgestellt worden. Er werbe seit diesem Zeitpunkt bewusst nicht für Magnetfeldtherapie und wende diese nicht an. Die Eidesstattliche Versicherung seiner Mitarbeiterin N… W… vom 13.11.2023 bestätigt dies wortgleich und ergänzt, nach Eingang der Abmahnung durch den Verfügungskläger habe sie den Internetauftritt der Praxis überprüft und festgestellt, dass eine Werbung mit Magnetfeldtherapie nicht erfolge. Nach dem Inhalt dieser beiden Erklärungen kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Mitarbeiterin des Verfügungsklägers Dr. B… die inkriminierte Werbung auf dem von ihr dargestellten Weg aufgefunden hat, weil weder der Verfügungsbeklagte selbst noch seine Mitarbeiterin darstellen, auf welchem Weg sie den Leistungskatalog jeweils abgerufen haben. Es kann nach dem Inhalt der Eidesstattlichen Versicherungen des Verfügungsbeklagten und seiner Mitarbeiterin W… auch die Vermutung des Verfügungsklägers nicht als ausgeräumt gelten, dass der Internet-Auftritt des Beklagten nach Zugang der Abmahnung angepasst worden ist, so dass die Mitarbeiterin W… den von der Mitarbeiterin des Verfügungsklägers Dr. B… beschriebenen Auftritt nicht mehr nachvollziehen konnte. Dass eine entsprechende kurzfristige Anpassung nicht erfolgt ist, ist weder Gegenstand der Eidesstattlichen Versicherung des Verfügungsbeklagten noch seiner Mitarbeiterin. Dies kann auch nicht der Erklärung des von ihm mit der Umgestaltung der Homepage beauftragten Medien-Designers M… L… vom 23.10.2023 entnommen werden. Denn dort gibt dieser an (Anlage A7), dass er als Verantwortlicher für die technische und inhaltliche Pfleger der Website des Verfügungsbeklagten am 10.10.2023 die Löschung des Artikels zum Thema Magnetfeldtherapie unter https://a....de/leistungen vorgenommen habe. Dies spricht eher für die Behauptung des Verfügungsklägers, wonach die Werbung mit Magnetfeldtherapie tatsächlich am 21.09.2023 noch abrufbar war, denn sonst wäre eine Löschung im nachfolgenden Oktober nicht mehr in Betracht gekommen. Jedenfalls lässt diese Erklärung keinen Rückschluss darauf zu, dass, wie der Verfügungsbeklagte behauptet, die Löschung der inkriminierten Werbung mit Erfolg bereits „vor fünf Jahren“ vorgenommen worden sei. Es ist danach auch nicht auszuschließen, dass die Homepage des Beklagten am 21.09.2023 noch in der von dem Verfügungskläger vorgetragenen Form technisch abrufbar war.

Bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände ist deshalb der rechtlichen Würdigung die Behauptung des Verfügungsklägers zugrunde zu legen, dass jedenfalls am 21.09.2023 noch eine Version der Homepage des Beklagten aufgerufen werden konnte, von der aus man in der Rubrik „Leistungen“ Werbung für eine von dem Beklagten angebotene Magnetfeldtherapie wahrnehmen konnte. Für diesen durch den ihm zuzurechnenden Internet-Auftritt (vgl. BGH, Urteil vom 03.03.2016 - I ZR 110/15 - Herstellerpreisempfehlung bei Amazon, juris) begangenen Verstoß, der die - bei Verstößen gegen gesundheitsbezogene Vorschriften grundsätzlich sehr niedrig anzusetzende - Spürbarkeitsschwelle ohne Weiteres überschreitet, haftet der Verfügungsbeklagte, ohne dass es dabei auf ein etwaiges Verschulden ankäme.

2. Der Verstoß gegen § 3 Satz 1 Nr. 1 HWG stellt zugleich einen Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG dar. Es ist regelmäßig unlauter, wenn in der Werbung Vorschriften verletzt werden, die, wie das HWG, zum Schutz der Bevölkerung erlassen worden sind (BGH, Urteil vom 26.06.1997 - I ZR 53/95 - Fachliche Empfehlung III; Senat, a.a.O.). Da die inkriminierte Handlung aus den angeführten Gründen auch geeignet ist, das Verbraucherverhalten zu beeinflussen, ist auch der Anwendungsbereich des § 5 Abs. 2 Satz 1 UWG betroffen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist nicht angezeigt, weil das vorliegende Urteil mit seiner Verkündung Rechtskraft erlangt, § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO.