Gericht | LG Cottbus 7. Zivilkammer | Entscheidungsdatum | 13.09.2024 | |
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Aktenzeichen | 7 T 186/24 | ECLI | ECLI:DE:LGCOTTB:2024:0913.7T186.24.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Der Beschluss des Amtsgerichts Königs Wusterhausen vom 26.07.2024 (Az.: 83 XIV 37/24 (B); neues Az.: 2 XIV 15/24 (B)) mit der Anordnung der Zurückweisungshaft für den Betroffenen bis zum Ablauf des …………. wird aufgehoben.
Auf die Beschwerde des Betroffenen vom 01.08.2024 wird festgestellt, dass der vorgenannte Beschluss des Amtsgerichts Königs Wusterhausen vom 26.07.2024 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat.
Von der Erhebung von Gerichtskosten wird abgesehen. Die notwendigen Auslagen des Betroffenen in beiden Instanzen trägt die Bundesrepublik Deutschland.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
I.
Der Betroffene ist syrischer Staatbürger. Nach seinen eigenen Angaben verließ er sein Heimatland im …………………… wegen des dortigen Bürgerkrieges, der schlechten wirtschaftlichen Lage und miserablen Lebensumstände im Lande. Ferner gab der Betroffene an, er habe sich schon seit über …………………… Jahren dem Wehrdienst in Syrien entzogen. Infolge der Wehrdienstverweigerung habe er …………………… Folter erlebt und Verletzungen davongetragen. Bei der Rückkehr nach Syrien drohe ihm und seiner Familie Haft oder Schlimmeres.
Nach mehreren Versuchen glückte dem Betroffenen in …………………… die Flucht aus Syrien in die Türkei. Von dort aus reiste er am …………………… illegal nach Griechenland ein (laut EURODAC Kat.2-Treffer), wo er einen Asylantrag stellte. In Griechenland erwarb er mit Hilfe eines Schleusers einen verfälschten französischen Reisepass. Danach begab er sich nach Frankreich. In Paris bestieg er ein Flugzeug der Air France (Flug ……….) mit dem Ziel des Flughafens Berlin-Brandenburg.
Bei seinem Versuch, auf dem Flughafen Berlin-Brandenburg ausländerrechtlich in die Bundesrepublik Deutschland einzureisen, wurde der Betroffene am ………… um …… Uhr grenzpolizeilich auf dem Flughafen Berlin-Brandenburg kontrolliert. Bei genauerer Inaugenscheinnahme des vorgezeigten französischen Reisepass konnte festgestellt werden, dass keine Personengleichheit zwischen dem Lichtbild und dem Betroffenen vorlag. Die Bundespolizei ging davon aus, dass das Dokument missbräuchlich verwendet wurde, sodass der Betroffene in die Diensträume verbracht und dort durchsucht wurde. Dabei wurde neben einer syrischen Identitätskarte eine griechische Asylkarte gefunden.
Im Zuge seiner bundespolizeilichen Vernehmung stellte der Betroffene ein Schutzersuchen. Infolge erkennungsdienstlicher Maßnahmen wurde festgestellt, dass der Betroffene ein Asylverfahren in Griechenland betreibt. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (nachfolgend BAMF genannt) wurde hinzugezogen und hörte den Betroffenen am …………. zur Zulässigkeit seines in der Bundesrepublik gestellten Asylantrages an (vgl. Anhörungsprotokoll Bl. 12 f. d.A.).
Mit Verfügung vom …………. (Bl. 14 d.A.) verweigerte die Bundespolizeidirektion Berlin dem Betroffenen gemäß § 18 Abs. 2 Nr. 2 AsylG die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland und kündigte an, dass er in die Hellenische Republik rückgeführt werden solle.
Das BAMF stellte am …………. nach Art. 21 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 (nachfolgend Dublin-III-VO genannt) bei den griechischen Behörden einen förmlichen Antrag auf Übernahme des Betroffenen infolge des ermittelten Eurodac Kat.2-Treffers. Eine dringend Antwort Griechenlands wurde nicht angefordert. Im Anschluss an die Entscheidung der griechischen Behörden war der Erlass einer Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG vorgesehen, gegen die der Betroffene noch mit Rechtsmitteln hätte vorgehen können.
Mit Schriftsatz vom …………. (Bl. 1 ff. d.A.) hat die Antragstellerin bei dem Amtsgericht Königs Wusterhausen den Antrag gestellt, gegen den Betroffenen den Verbleib im Transitgewahrsam des Flughafens oder in einer Unterkunft, aus der die Abreise aus der Bundesrepublik möglich ist (§ 15 Abs. 6 AufenthG), bis zum …………. anzuordnen, hilfsweise eine einstweilige Haftanordnung zu treffen.
Zur Begründung ist in dem Antrag unter anderem ausgeführt, dass Rechtsgrundlage für die Freiheitsentziehung Art. 28 Abs. 2 Dublin-III-VO i.V.m. § 2 Abs. 14 AufenthG i.V.m. § 415 FamFG sei. Hiernach dürften die Mitgliedstaaten im Einklang mit der Dublin-III-VO zwecks Sicherstellung von Überstellungsverfahren nach einer Einzelfallprüfung die entsprechende Personen in Haft nehmen, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr bestehe, die Haft verhältnismäßig sei und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden ließen. Insbesondere sei bei dem Betroffenen von einer Fluchtgefahr auszugehen, da er über seine Identität getäuscht habe. Ein weiterer Anhaltspunkt für eine Fluchtgefahr sei, dass der Betroffene zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Schleusen, aufgewendet habe. Auch wenn keine konkreten Angaben vorlägen, so habe der Betroffene doch für die Beschaffung des französischen Reisepasses erhebliche Mittel aufgewandt, die Verwandte bereitgestellt hätten. Aller Erfahrung nach handele es sich um eine Summe zwischen 5.000 und 10.000 €. Eine derartige Geldsumme stelle einen nicht unerheblichen Anteil zum Bestreiten der Existenz des Betroffenen dar. Zudem habe der Betroffene keine sozialen Bindungen in Deutschland. Der weitere Aufenthalt des Betroffenen im Gebäude 3___ werde bis zur geplanten Rückführungsmaßnahme notwendig sein. Diese werde alle Voraussicht nach aufgrund der bestehenden Rechtsmittelfrist nicht vor dem …………. durchführbar sein.
Das Amtsgericht Königs Wusterhausen hat den Betroffenen am …………. persönlich angehört (vgl. Anhörungsprotokoll Bl. 195 f. d.A.). An dem Anhörungstermin hat der zwischenzeitlich wieder von seiner Aufgabe entbundene Rechtsanwalt ………….……. als Verfahrenspfleger des Betroffenen teilgenommen.
Mit Beschluss vom 26.07.2024 (Az.: 83 XIV 37/24 (B); neues Az.: 2 XIV 15/24 (B)), Bl. 21 ff. d.A.) hat das Amtsgericht Königs Wusterhausen gegen den Betroffenen gemäß „§ 15 Abs. 6 des AufenthG, § 18 Abs. 2 Nr. 2 AsylG, Art. 28 Abs. 2 Dublin-III-VO Zurückweisungshaft bis zum Ablauf des …………. angeordnet“. Das Amtsgericht hat außerdem die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung bestimmt. In den Gründen ist das Amtsgericht dem Antrag der Antragstellerin gefolgt. Der Beschluss ist im Anhörungstermin vom …………. verkündet und unter anderem dem Betroffenen in Papierform übergeben und an Gerichtsstelle übersetzt worden.
Mit anwaltlichem Schreiben vom …………. (Bl. 29 d.A.) hat der Betroffene gegen den die Zurückweisungshaft anordnenden Beschluss des Amtsgerichts Königs Wusterhausen vom 26.07.2024 Beschwerde eingelegt und beantragt festzustellen, dass ihn der angefochtene Beschluss in seinen Rechten verletzt hat. Mit weiterem Schreiben vom …………. (Bl. 38 f. d.A.) hat der Betroffene zur Begründung seiner Beschwerde ausgeführt, dass seine Inhaftierung allein deshalb rechtswidrig sei, weil Griechenland im Dublinverfahren – soweit bekannt – gegenwärtig ausschließlich Staatsangehörige aus Algerien, Marokko, Tunesien, Pakistan und Bangladesch akzeptiere. Eine entsprechende Auskunft habe das BAMF am 27.02.2024 schriftlich gegenüber Pro Asyl erteilt. Außerdem habe das BAMF – soweit ersichtlich – fehlerhaft und entgegen Art. 21 Abs. 2 Dublin-III-VO kein sogenanntes Dringlichkeitsverfahren eingeleitet, obwohl er sich in Haft befunden habe.
Der Betroffene hat mit Schriftsatz vom …………. ferner Klage beim Verwaltungsgericht Potsdam erhoben und beantragt, den Bescheid der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Bundespolizeidirektion Berlin, Bundespolizeiinspektion Flughafen Berlin-Brandenburg, mit dem ihm die Einreise verweigert worden ist, aufzuheben. Das Verfahren wird bei dem Verwaltungsgericht Potsdam unter dem Aktenzeichen VG 12 K 2347/24.A geführt und ist nach Kenntnis der Kammer noch nicht abgeschlossen.
Das Amtsgericht Königs Wusterhausen hat der Beschwerde des Betroffenen mit Beschluss vom 27.08.2024 (Az.: 2 XIV 15/24 (B), Bl. 46 d.A.) nicht abgeholfen.
Die Antragstellerin und das BAMF haben ihre Behördenakte auf Aufforderung der Kammer zur Gerichtsakte gereicht.
Die Kammer hat mit Beschluss vom 04.09.2024 (Bl. 85 d.A.) Rechtsanwalt ………..……. als Verfahrenspfleger entlassen und Rechtsanwalt …………………. als Bevollmächtigten des Betroffenen bestellt. Zudem ist der Antragstellerin und dem BAMF mit den Verfügungen des Kammervorsitzenden vom …………. und …………. Gelegenheit gegeben worden, zu der Beschwerde und konkret zu den darin erhobenen Einwendungen gegen die Freiheitsentziehung des Betroffenen - zuletzt bis zum …………. - Stellung zu nehmen.
Mit E-Mail vom …………. hat die Bundespolizeiinspektion Flughafen Berlin-Brandenburg mitgeteilt, dass der Betroffene am …………. mit einer Anlaufbescheinigung (gültig bis ………….) für die Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenhüttenstadt (aus dem richterlich angeordneten Transitgewahrsam) entlassen worden sei. Grund hierfür sei die Ablehnung Griechenlands gewesen, den Betroffenen im Rahmen des angestrebten Dublin-Verfahrens zu übernehmen.
Das BAMF hat keine Stellungnahme abgegeben.
II.
1. Die Beschwerde des Betroffenen vom 01.08.2024 ist nach § 106 Abs. 2 S. 1 AufenthG i.V.m. §§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 1, 63 Abs. 1, 64 Abs. 1 und 2, 62 FamFG statthaft und zulässig.
Im Beschwerdeverfahren sind neben dem in § 106 Abs. 2 S. 1 AufenthG genannten 7. Buch des FamFG notwendigerweise auch die allgemeinen Regelungen des 1. Buches des FamFG anwendbar, insbesondere die Vorschriften zum Beschwerdeverfahren nach §§ 58 ff. FamFG (vgl. BeckOK AuslR/Brinktrine, Stand: 01.07.2024, § 106 AufenthG, Rn. 6; Keßler in Hofmann, Ausländerrecht, 3. Aufl., § 106 Rn. 11; Winkelmann/Broscheit in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 14. Aufl., § 106 AufenthG, Rn. 7).
Der mit der Beschwerde vom 01.08.2024 angegriffene richterlich angeordnete Gewahrsam des Betroffenen im Transitbereich des Flughafens Berlin-Brandenburg nach § 15 Abs. 6 S. 2 AufenthG hat sich mit der Entlassung des Betroffenen aus dem Transitbereich des Flughafens Berlin-Brandenburg am …………. tatsächlich erledigt. Insoweit hat die Kammer den angefochtenen Beschluss des Amtsgerichts Königs Wusterhausen vom 26.07.2024 klarstellend im Tenor dieses Beschlusses aufgehoben. Zu entscheiden hatte die Kammer damit nur noch über den ebenfalls gestellten Feststellungsantrag des Betroffenen hinsichtlich einer Verletzung von Rechten durch den angefochtenen Beschluss des Amtsgerichts Königs Wusterhausen und über die Kosten des Verfahrens insgesamt.
Bei dem gegen den Betroffenen mit dem angefochtenen Beschluss richterlich angeordneten Aufenthalt in einem Transitbereich handelt es sich um eine einer Freiheitsentziehung gleichgestellte Maßnahme (vgl. BGH NVwZ-RR 2011, 875). Damit liegt mit der Anordnung und deren Vollziehung ein schwerwiegender Grundrechtseingriff im Sinne von § 62 Abs. 2 Nr. 1 FamFG vor, sodass der auf die nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit des Beschlusses gerichtete Beschwerdeantrag des Betroffenen statthaft ist. Jede mit einer Freiheitsentziehung verbundene Maßnahme stellt einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff dar (vgl. Göbel in Sternal, FamFG, 21. Aufl., § 62 Rn. 15 mwN.).
2. Die auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit des amtsgerichtlichen Beschlusses vom 26.07.2024 gerichtete Beschwerde des Betroffenen ist begründet.
Das Beschwerdegericht hat die Rechtssache in tatsächlicher und rechtlicher Beziehung von Amts wegen vollständig und unabhängig von den erhobenen Rügen sowie den vertretenen Rechtsansichten als echte zweite Tatsacheninstanz zu prüfen (Sternal in Sternal, a.a.O., § 68 Rn. 89).
Im vorliegenden Fall hat die ausweislich des angefochtenen Beschlusses vom 26.07.2024 nach § 15 Abs. 6 AufenthG, § 18 Abs. 2 Nr. 2 AsylG, Art. 28 Abs. 2 Dublin-III-VO erfolgte Anordnung des Amtsgerichts von Zurückweisungshaft bis zum Ablauf des …………. den Betroffenen in seinem Grundrecht nach Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG verletzt, weil zum Zeitpunkt des Erlasses des entsprechenden Beschlusses bereits mit Gewissheit zu erwarten war, dass Griechenland nicht bereit sein würde, den Betroffenen im Rahmen eines Dublin-III-Verfahrens einreisen zu lassen. Die Anordnung des Amtsgerichts war damit unverhältnismäßig, wobei es für die Entscheidung über den Feststellungsantrag nicht darauf ankommt, ob die Vorinstanz diesen Umstand erkennen konnte.
Dabei kann die Kammer offenlassen, ob der Antrag der Antragstellerin vom …………. bereits nicht den Anforderungen des § 417 FamFG genügte, weil die Art des beantragten Gewahrsams bzw. der Haft nicht hinreichend klar wird. Die gleiche Unklarheit ergibt sich allerdings auch aus dem angefochtenen amtsgerichtlichen Beschluss vom 26.07.2024.
In Betracht kommt zum einen eine Auslegung des Antrages vom …………. in der Weise, dass die Antragstellerin, wie dies auch im formulierten Antrag dargestellt ist, die Anordnung eines richterlich bestimmten Transitgewahrsams (“Flughafenhaft“) nach § 15 Abs. 6 AufenthG gegen den nicht freiwillig zur Abreise bereiten Betroffenen begehrt. Dabei handelt es sich um eine der Zurückweisungshaft nach § 15 Abs. 5 AufenthG ähnliche Regelung, die allerdings den speziellen Fall des Einreiseversuchs eines Ausländers auf dem Luftweg betrifft (vgl. BeckOK AuslR/Dollinger, Stand: 01.07.2020, § 15 AufenthG, Rn. 50; Frankel in Hofmann, Ausländerrecht, 3. Aufl., § 15 AufenthG, Rn. 24). Im vorliegenden Fall des Betroffenen besteht zudem die Besonderheit, dass gleichzeitig eine sogenannte Dublin-III-Konstellation vorlag. Der Betroffene hatte vor dem Einreiseversuch nach Deutschland bereits in Griechenland einen Asylantrag gestellt. Dementsprechend hat das BAMF an Griechenland zur Person des Betroffenen ein Aufnahmeersuchen gerichtet.
Im Rahmen der Prüfung der richterlichen Anordnung von Flughafengewahrsam bei einer Dublin-III-Konstellation ist es nicht erforderlich, einen Haftgrund wie zum Beispiel das Vorliegen einer Fluchtgefahr, festzustellen. Bereits die Einreiseverweigerung und die Zurückweisung rechtfertigen die Anordnung des Gewahrsams (BGH NVwZ-RR 2016, 518; 2011, 875; Hailbronner in Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: 01.03.2020, § 15 AufenthG, Rn. 79b; Grotkopp, Abschiebungshaft, München 2020, Rn. 301). Dabei hat der Haftrichter deren Rechtmäßigkeit auch nicht inzident zu überprüfen. Dies ist vielmehr die Aufgabe der Verwaltungsgerichte (vgl. BGH a.a.O.).
Es kam allerdings zum anderen in Betracht, den Antrag auf Freiheitsentziehung der Antragstellerin vom …………. als Antrag auf Anordnung von Überstellungshaft nach Art. 28 Abs. 2 Dublin-III-VO auszulegen. Dafür spricht insbesondere die Begründung des Antrages mit der Darlegung des Haftgrundes der Fluchtgefahr, welche für den richterlichen Transitgewahrsam nach § 15 Abs. 6 AufenthG nicht erforderlich ist.
Das Amtsgericht hat wiederum die von ihm angeordnete „Zurückweisungshaft“ sowohl auf § 15 Abs 6 AufenthG als auch auf Art. 28 Abs. 2 Dublin- III-VO gestützt.
Letztlich kann die Kammer aber offenlassen, welcher Hafttatbestand beantragt und angeordnet wurde, denn beiden Hafttatbeständen ist gemein, dass die Freiheitsentziehung nach allgemeinen verfassungsmäßigen Grundsätzen verhältnismäßig sein muss (vgl. Grotkopp, a.a.O., Rn. 137 mwN.). Im vorliegenden Fall kann die Verhältnismäßigkeit der Anordnung von Freiheitsentziehung bzw. einer dieser gleichstehenden Maßnahme aus mehreren Gründen nicht bejaht werden.
Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist abzuleiten, dass die angeordnete Freiheitsentziehung bzw. eine vergleichbare Anordnung auf die kürzestmögliche Dauer zu beschränken ist. Damit ist der Zeitraum gemeint, in dem unter Berücksichtigung des an die Behörde gerichteten Beschleunigungsgebotes diese die Ab- oder Zurückschiebung bzw. die Überstellung aller Wahrscheinlichkeit nach durchführen kann (vgl. Grotkopp, a.a.O., Rn. 138).
Für die Anordnung von richterlich bestimmtem Transitgewahrsam ist als Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bereits in § 15 Abs. 6 S. 4 AufenthG festgelegt, dass die Anordnung des Gewahrsams nur geschehen darf, wenn die Abreise innerhalb der Anordnungsdauer zu erwarten ist. Das ist vorliegend aber nicht der Fall gewesen. Die Annahme der Antragstellerin, Griechenland sei bereit, den Betroffenen im Rahmen eines Dublin-III-Verfahrens aufzunehmen, war nach den durch die Kammer zugrundezulegenden aktuellen Sachstand von Anfang an unrealistisch. Der Betroffene hat in der Beschwerdebegründungsschrift vom …………. darauf hingewiesen, dass Griechenland in Dublin-III-Verfahren auch gegenwärtig ausschließlich Staatsangehörige aus Algerien, Marokko, Tunesien, Pakistan und Bangladesch akzeptiert. Eine entsprechende Auskunft hatte das BAMF gegenüber Pro Asyl mit Schreiben vom …………. erteilt. Dort heißt es, dass der Mitgliedstaat Griechenland die allgemeine Vorgabe gegeben habe, dass nur Überstellungen von Einzelpersonen aus den Herkunftsländern Algerien, Marokko, Tunesien, Pakistan und Bangladesch akzeptiert würden, die einen EURODAC-Treffer GRC aufwiesen. Es sind keine Umstände erkennbar, die der Antragstellerin Veranlassung zu der Annahme gegeben haben, dass Griechenland von der dargelegten Praxis im Einzelfall des Betroffenen oder nunmehr allgemein abweichen würde. Die Antragstellerin und das BAMF haben im Beschwerdeverfahren auch nichts Abweichendes vorgetragen; sie hatten mehrfach Gelegenheit zur Stellungnahme zu der Beschwerdebegründung, haben sich jedoch nicht konkret zu dieser geäußert.
Für eine Anordnung von Überstellungshaft nach Art. 28 Abs. 2 Dublin-III-VO gilt im Ergebnis nichts anderes. Wenn schon keine realistische Aussicht auf die Aufnahme des Betroffenen durch Griechenland im Rahmen des Dublin-III-Verfahrens bestanden hat, ist es angesichts des tiefgreifenden Eingriffs, der mit einer Freiheitsentziehung verbunden ist, auch hier unverhältnismäßig, Haft anzuordnen.
Im Übrigen ist die Anordnung von Überstellungs- bzw. Flughafenhaft auch schon deswegen unverhältnismäßig gewesen, weil das BAMF im Rahmen des Dublin-III-Verfahrens bei dem Aufnahmegesuch an Griechenland kein Dringlichkeitsverfahren nach Art. 21 Abs. 2 Dublin-III-VO eingeleitet und deswegen den Beschleunigungsgrundsatz verletzt hat.
Die Ausländerbehörden haben bei der Anordnung von Haft oder vergleichbaren Maßnahmen ohne unnötige Verzögerungen alle notwendigen Anstrengungen zu unternehmen, um die Freiheitsentziehung bzw. die vergleichbare Maßnahme so kurz wie möglich zu halten (BGH, Beschluss vom 28.02.2023, Az.: XIII ZB 68/21, vom 12.10.2016, Az.: V ZB 29/15 sowie vom 07.04.2011, Az.: V ZB 111/10; Grotkopp, a.a.O., Rn. 572; Kolber in Bergmann/Dienelt, a.a.O., § 15 AufenthG, Rn. 58; BeckOK AuslR/Dollinger, a.a.O., § 15 AufenthG, Rn. 58). Dieses Beschleunigungsgebot gilt für alle Haftsachen, aber auch für den Aufenthalt eines Betroffenen im Transitbereich eines Flughafens, der – trotz der Möglichkeit auf dem Luftweg abzureisen – einer Freiheitsentziehung gleichsteht (vgl. BGH Beschluss vom 12.10.2016, Az.: V ZB 29/15; BGH NVwZ-RR 2011, 875; BeckOK AuslR/Dollinger, a.a.O., § 15 AufenthG, Rn. 60). Insbesondere müssen alle für die Zurückweisung erforderlichen Maßnahmen unverzüglich in die Wege geleitet werden.
Liegen die Voraussetzungen für die Anwendung der Dublin-III-VO vor, kann der ersuchende Mitgliedsstaat nach § 21 Abs. 2 Dublin-III-VO in dem Ausnahmefall der Einreiseverweigerung eine dringende Antwort des ersuchten Staates anfordern. Diese Kann-Regelung verdichtet sich zu einer Verpflichtung, wenn im Zusammenhang mit der Einreiseverweigerung auch Überstellungs- bzw. Flughafenhaft und damit eine freiheitsentziehende oder gleichartige Maßnahme angeordnet worden ist oder werden soll.
Indes hat das BAMF im vorliegenden Fall keine dringende Antwort erbeten, denn nach der Darlegung der Antragstellerin im Antrag auf Freiheitsentziehung vom …………. hatten die griechischen Behörden bis zum …………. Zeit, über den Antrag des BAMF vom ................ auf Übernahme des Betroffenen zu entscheiden. Die zweimonatige Frist entspricht der Regelung des Art. 21 Abs. 1 S. 2 Dublin-III-VO für einen „Normalfall“. So ist auch in dem vom BAMF im Fall des Betroffenen verwendeten einheitlichen Formular zur Bestimmung des für die Prüfung eines Antrages auf internationalen Schutz zuständigen Mitgliedstaates weder das Feld „Dringende Antwort erbeten Bis spätestens (TT/MM/JJJJ)“ noch ein Grund („Artikel 28 (Haft)“ bzw. „Artikel 21 Absatz 2 (sonstige Gründe)“) markiert. Damit hat das BAMF eine dringende Antwort des ersuchten Staates nach § 21 Abs. 2 Dublin-III-VO nicht abgefordert und damit nicht mit der gebotenen Beschleunigung gehandelt. Diese Handhabung des BAMF ist der Antragstellerin zuzurechnen (vgl. BGH NVwZ-RR 2011, 875 mwN.).
Weder die Antragstellerin noch das BAMF haben im Beschwerdeverfahren Gründe angegeben, weshalb Griechenland nicht um eine dringende Antwort ersucht worden ist.
III.
Die Entscheidung zur Nichterhebung der Gerichtskosten beruht auf § 81 Abs. 1 S. 2 FamFG. Es wäre unbillig, den im Beschwerdeverfahren erfolgreichen Betroffenen mit den Gerichtskosten zu belasten.
Soweit die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Bundesrepublik Deutschland als Körperschaft, der die antragstellende Verwaltungsbehörde angehört, auferlegt worden sind, beruht diese Entscheidung auf § 430 FamFG. Das Verfahren hat ergeben, dass ein begründeter Anlass zur Stellung des Antrages nicht vorgelegen hat, so dass aus Gründen der Billigkeit die Regelung des § 430 FamFG Anwendung findet (vgl. Göbel in Sternal, FamFG, a.a.O., § 430 Rn. 14 mwN.).
IV.
Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar. Ein Fall der zulassungsfreien Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 3 S. 3 FamFG liegt nicht vor, weil die Entscheidung eine solche nach der Erledigung der Hauptsache nach § 62 FamFG ist und daher nicht eine freiheitsentziehende Maßnahme ablehnt oder zurückweist (vgl. BGH, Beschluss vom 16.10.2015, Az.: V ZB 194/14; Göbel in Sternal, a.a.O., § 62 Rn. 55). Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Zulassung auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zu der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
V.
Die Entscheidung zur Wertfestsetzung beruht auf § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG.