Gericht | FG Cottbus 8. Senat | Entscheidungsdatum | 05.11.2024 | |
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Aktenzeichen | 8 K 8046/23 | ECLI | ECLI:DE:FGBEBB:2024:1105.8K8046.23.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | 152 Abs. 1 AO § |
Die in § 152 Abs. 2 Satz 2 AO a.F. genannten Kriterien (Dauer der Fristüberschreitung, Höhe des sich ergebenden Zahlungsanspruchs, gezogene Vorteile, Verschulden und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit) sind beim Entschließungsermessen des § 152 Abs. 1 AO n.F. nicht zu berücksichtigen, da die Kriterien nach dem Wortlaut des § 152 Abs. 8 AO nur noch bei der Bemessung der Höhe des Verspätungszuschlages in den dort geregelten Ausnahmefällen Anwendung finden. Ein nicht von der Körperschaftsteuer befreiter eingetragener Verein (e.V.) ist auch dann zur elektronischen Übermittlung einer jährlichen Körperschaftsteuererklärung verpflichtet, wenn er behauptet lediglich Mitgliedsbeiträge im Sinne des § 8 Abs. 5 KStG zu vereinnahmen und sonst kein Einkommen zu erzielen.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Die B… e. V. ist eine internationale im Jahr 1… gegründete Organisation, deren Zweck die Förderung und Vernetzung der B… ist. Der Kläger wurde … als deutschsprachiger Zweig der B… e. V. gegründet und vertritt die Länder Deutschland, Österreich und die Schweiz. Der Kläger ist nicht als gemeinnützig anerkannt.
Der Prozessbevollmächtigte war nach Aktenlage mit der Erstellung der Steuererklärungen für den Kläger beauftragt. Der Beklagte forderte mit einer Frist bis zum 8.4.2022 die Körperschaftsteuererklärung für 2020 vorzeitig an.
Da der Kläger dieser Aufforderung nicht nachgekommen war, schätzte der Beklagte die Besteuerungsgrundlagen und erließ am 8.7.2022 einen Körperschaftsteuerbescheid, mit dem er die Körperschaftsteuer auf null € festsetzte. Gleichzeitig setzte er einen Verspätungszuschlag in Höhe von 100 € fest. Zum Verspätungszuschlag führte der Beklagte im Bescheid aus: „Der Verspätungszuschlag wurde wegen Nichtabgabe / verspäteter Abgabe der Steuererklärung / Steueranmeldung festgesetzt.“ Bei der Bemessung des Verspätungszuschlags ging der Beklagte von 4 Monaten á 25 € aus. Gegen den Bescheid legte der Kläger Einspruch ein und machte geltend, dass er nicht über ausreichende steuerrechtliche Kenntnisse, insbesondere nicht über das Körperschaftsteuer- und Einkommensteuerrecht, verfüge, die es ihm ermöglichen würden, die Steuererklärungen und -anmeldungen form- und fristgerecht abzugeben. Die Rechtsnormen seien nicht allgemeinverständlich. Es verstoße gegen Art. 1 GG, wenn der Steuerpflichtige auf die Inanspruchnahme professioneller Hilfe verwiesen werde. Er werde faktisch entmündigt. Es fehlten zudem Hinweise, Arbeitshilfen und ähnliches. Zudem seien die deutschen Steuergesetze nicht verständlich, so dass eine Sanktionierung in Form eines Verspätungszuschlages nicht gerechtfertigt sei. Nach alter Rechtslage sei ein Verspätungszuschlag in Höhe 0,00 € festzusetzen gewesen. Die Norm verstoße daher gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot. Sie entstamme vorkonstitutionellem Recht und sei mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Der Mensch schulde dem Staat keinen Gehorsam. Der Verspätungszuschlag sei als Strafe anzusehen und verstoße gegen das Verhältnismäßigkeits- und Übermaßverbot. § 152 AO sei nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, weil das Steuerfestsetzungsverfahren der Finanzbehörden keiner Frist unterliege. Gründe für diese Ungleichbehandlung gebe es nicht. In Urteilen der finanzgerichtlichen Rechtsprechung werde zur Verfassungsmäßigkeit der Rechtsnorm des § 152 AO (vormals § 168 Reichsabgabenordnung – RAO) wiederholt auf den Beschluss des BVerfG vom 19.10.1966 – 2 BvR 652/66 Bezug genommen. Der Beschluss des BVerfG vom 19.10.1966 – 2 BvR 652/66 entbehre hinsichtlich einer Privilegierung und Bevorrechtigung des Staates gegenüber den Menschen einer Begründung aus den Grundnormen der Verfassung, nicht im Verhältnis der Menschen zueinander, sondern im Verhältnis zwischen Mensch und Staat. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 19.10.1966 – 2 BvR 652/66 gebe die Replikation einer vorkonstitutionellen Gesinnung durch „die Verhängung von Geldbußen und die Auferlegung ähnlicher Ungehorsamsfolgen“ zu erkennen, indem der Staat den Menschen Pflichten auferlege, die er sich selbst zu unterwerfen nicht bereit ist. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 19.10.1966 – 2 BvR 652/66 sei unter Mitwirkung von Willi Geiger ergangen. Willi Geiger sei Mitglied der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) und der Sturmabteilung (SA) gewesen. Er sei zwischen 1941 und 1943 als Staatsanwalt am Sondergericht Bamberg tätig gewesen und habe in dieser Zeit nachweislich in fünf Fällen Todesurteile gefällt. Herr Geiger sei ausweislich seiner juristischen Dissertationsschrift bekennender Antisemit.
Die Körperschaftsteuererklärung reichte der Kläger am 22.8.2022 beim Beklagten ein.
Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 2.2.2023 als unbegründet zurück. Er führte aus, dass die Vorabanforderung zulässig gewesen sei, weil der Kläger bereits 2019 seiner Pflicht zur fristgerechten Abgabe der Steuererklärungen nicht nachgekommen sei und die Besteuerungsgrundlagen hätten geschätzt werden müssen. Die Festsetzung des Verspätungszuschlags sei auch ermessensgerecht, da der Kläger die Steuererklärung für 2019 nicht eingereicht habe und der Kläger damit seine Steuererklärungspflicht mehrfach verletzt habe.
Im Klageverfahren wiederholt und vertieft der Kläger sein Vorbringen. Er führt aus, er vereinnahme jährlich zwischen 2.500 € und 3.500 € an Mitgliedsbeiträgen, das Vereinsvermögen belaufe sich auf insgesamt 3.568,17 €. Er sei demnach offenkundig nicht in der Lage, eine berufsmäßige Steuerberatung in Anspruch zu nehmen. Dem Urteil des Finanzgerichts Hamburg (3 K 27/21) liege ein anderer Sachverhalt zugrunde und sei daher im Streitfall nicht anwendbar.
In der mündlichen Verhandlung hat der Klägervertreter die Auffassung vertreten, der Kläger sei im Veranlagungszeitraum 2019 nicht zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet gewesen, da er nur Mitgliedsbeiträge vereinnahme und demzufolge keine steuerpflichtigen Einkünfte erziele. Zudem entspreche die Ermessensausübung in der Einspruchsentscheidung nicht den Anforderungen der BFH-Rechtsprechung.
Der Kläger beantragt,
- den Bescheid über einen Verspätungszuschlag zur Körperschaftsteuer 2020 vom 08.07.2022 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.02.2023 aufzuheben,
- die Kosten des Verfahrens einschließlich des Vorverfahrens dem Beklagten aufzuerlegen und festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten auch für das Vorverfahren notwendig war,
- für den Fall der vollen oder teilweisen Ablehnung des Klageantrags die Revision zum Bundesfinanzhof zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er wiederholt und vertieft seine Ausführungen aus der Einspruchsentscheidung. Ergänzend hat der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung die Auffassung vertreten, dass der Kläger zur Abgabe der Steuererklärung verpflichtet sei, auch wenn er keine steuerpflichtigen Einkünfte erziele. Die Ermessensausübung entspreche den Anforderungen der BFH-Rechtsprechung.
Der Senat hat einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung mit Beschluss vom 6.6.2023 als unbegründet abgewiesen.
Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet. Die Festsetzung des Verspätungszuschlags in Höhe von 100 € ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten.
1. Nach § 152 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) kann gegen denjenigen, der seiner Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung nicht oder nicht fristgemäß nachkommt, ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden. Von der Festsetzung eines Verspätungszuschlags ist abzusehen, wenn der Erklärungspflichtige glaubhaft macht, dass die Verspätung entschuldbar ist; das Verschulden eines Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen ist dem Erklärungspflichtigen zuzurechnen.
a) Der Kläger hat die Körperschaftsteuererklärung nicht fristgerecht abgegeben. Der Kläger war gemäß § 149 Abs. 4 AO aufgefordert worden, die Steuererklärungen bis zum 8.4.2022 abzugeben. Er übermittelte sie erst am 22.8.2022 an den Beklagten und damit mehr als 4 Monate nach Ablauf der durch die Vorabanforderung gesetzten Frist. Die Vorabanforderung im Sinne des § 149 Abs. 4 AO ist ein Verwaltungsakt (Klein/Rätke, AO, § 149 Rdnr. 33). Da der Kläger die Vorabanforderung nicht angefochten hat, ist sie in Bestandkraft erwachsen und einer gerichtlichen Überprüfung im vorliegenden Verfahren entzogen. Gründe, die die Fristversäumnis als entschuldbar erscheinen lassen, hat der Kläger nicht substantiiert vorgetragen. Die Einlassung des Klägers, er sei mangels steuerrechtlicher Kenntnisse nicht in der Lage, den Steuererklärungspflichten form- und fristgerecht nachzukommen, rechtfertigt nicht die Annahme einer unverschuldeten Verspätung, da der Kläger steuerlich vertreten war.
b) Die Festsetzung des Verspätungszuschlags ist nicht ermessensfehlerhaft.
aa) § 152 Abs. 1 AO regelt nicht, welche Kriterien bei der Ausübung des Entschließungsermessens zu berücksichtigen sind. Aus der Begründung des Gesetzentwurfs ergibt sich lediglich, dass eine pflichtgemäße Ermessensentscheidung nach § 5 AO zu treffen ist (BT-Drucks. 18/7457, Seite 51). Bei Nullfestsetzungen oder in Erstattungsfällen (§ 152 Abs. 3 Nr. 2 und 3 AO) soll die Festsetzung eines Verspätungszuschlags insbesondere dann ermessensgerecht sein, wenn der Erklärungspflichtige seine Steuererklärungspflichten in der Vergangenheit wiederholt verletzt hat (BT-Drucks. 18/8434, Seite 113; vgl. auch AEAO zu § 152 Nr. 2 Abs. 1 und Nr. 5.2).
bb) Nach Auffassung des Finanzgerichts des Landes Sachsen-Anhalt gelten die in § 152 Abs. 2 Satz 2 AO a.F. genannten Ermessenskriterien (Dauer der Fristüberschreitung, die Höhe des sich aus der Steuerfestsetzung ergebenden Zahlungsanspruchs, die aus der verspäteten Abgabe der Steuererklärung gezogenen Vorteile, sowie das Verschulden und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen) weiter. Auch soll die bisherige Rechtsprechung des BFH, wonach das Finanzamt alle maßgeblichen Kriterien gegeneinander abzuwägen habe (BFH-Urteile vom 14.06.2000 X R 56/98, BStBl II 2001, 60 und 18.08.1988 V R 19/83, BStBl II 1988, 929), weiterhin zu beachten sein. In Erstattungsfällen bedürfe es – auch mit Blick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz – einer besonderen Prüfung und Begründung. So könne etwa bei erheblicher Fristüberschreitung oder schwerwiegendem Verschulden – insbesondere bei vorausgegangenen jahrelangen erheblichen Fristüberschreitungen – ein Verspätungszuschlag aus erzieherischen Gründen gerechtfertigt sein (Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 27.04.2023 4 K 394/21, EFG 2024, 257, Rev. eingelegt, Az. des BFH: V R 13/23).
cc) Das Hessische Finanzgericht vertritt dagegen die Auffassung, dass in die Ermessensentscheidung nach § 152 Abs. 1 AO – jedenfalls bei Festsetzung des Mindestverspätungszuschlags von 25 € für jeden angefangenen Monat der Verspätung (§ 152 Abs. 5 Satz 2 AO) – nicht einfließen müsse, ob ein Steuerbescheid ein Guthaben oder einen Nachzahlungsbetrag aufweise (Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 19.02.2021 9 K 939/20, rkr., juris).
dd) Der 7. Senat des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg führt aus, dass nicht sämtliche in § 152 Abs. 2 Satz 2 AO a.F. genannten Ermessenskriterien zu berücksichtigen seien (Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24.04.2024 7 K 7123/23, juris). Zu würdigen seien allerdings die für den konkreten Sachverhalt bedeutsamen Tatsachen und damit ggf. auch die wirtschaftlichen Folgen, welche sich aus der Steuerfestsetzung (Erstattung oder Nachzahlung) und der Festsetzung des Verspätungszuschlags für den Steuerpflichtigen ergeben, sowie die Schwere des Fehlverhaltens (Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.03.2024 7 K 7067/22, juris).
ee) Nach Auffassung des Finanzgerichts Münster hat die Finanzbehörde die in § 152 Abs. 8 Satz 2 AO genannten Kriterien (Dauer und Häufigkeit der Fristüberschreitungen sowie die Höhe der Steuer) zu berücksichtigen. In den Blick zu nehmen sind bei der Ausübung des Entschließungsermessens der Finanzbehörde einerseits die Folgen, die sich aus der verspäteten Abgabe für das Veranlagungsverfahren und den Steuerpflichtigen ergeben und andererseits die Schwere des Pflichtverstoßes des Steuerpflichtigen und dabei insbesondere die Dauer und Häufigkeit der Fristüberschreitung (FG Münster, Urteil vom 14. Juni 2024 – 4 K 2351/23 –, juris)
ff) Die Fachliteratur geht zum Teil davon aus, dass auch nach neuem Recht die in § 152 Abs. 2 AO a.F. genannten Kriterien zu berücksichtigen seien (Haselmann in Koenig, § 152 AO Rn. 33). Teilweise wird unter Hinweis auf die Regelung zur Bemessung des Verspätungszuschlags in § 152 Abs. 8 Satz 2 AO einschränkend vertreten, dass nach der Neufassung nur noch die Kriterien „Dauer und Häufigkeit der Fristüberschreitung“ sowie „Höhe der Steuer“ sowie ggf. dazu zu bildende Unterkriterien maßgeblich seien. Insbesondere auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen komme es nicht mehr an (BeckOK AO/Rosenke, 28. Ed. 15.04.2024, AO § 152 Rn. 240 ff.; ebenso Schober in: Gosch, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 185. Ergänzungslieferung, August 2024, § 152 AO 1977, Rn. 23).
gg) Der Senat schließt sich im Ergebnis der Auffassung der Finanzverwaltung und der teilweise auch in der Literatur vertretenen Auffassung an. Mangels besonderer ermessensleitender Regelungen sind die Anforderungen an die Ausübung des Ermessens nach § 152 Abs. 1 AO gemäß § 5 AO aus dem Zweck der Ermächtigungsnorm abzuleiten. Zweck der Ermächtigung zur Festsetzung des Verspätungszuschlags ist zum einen ein präventiver, der darin besteht, den Steuerpflichtigen durch die Festsetzung des besonderen Druckmittels zukünftig zur rechtzeitigen Abgabe der Steuererklärung anzuhalten und so ein ordnungsgemäßes Veranlagungsverfahren sicherzustellen. Außerdem sollen beim Steuerpflichtigen Vorteile aus der verspäteten Abgabe der Steuererklärung abgeschöpft werden, die Festsetzung des Verspätungszuschlags hat insoweit auch repressiven Charakter (Schober in: Gosch, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 185. Ergänzungslieferung, August 2024, § 152 AO 1977, Rn. 23). Die in § 152 Abs. 2 Satz 2 AO a.F. genannten Kriterien (Dauer der Fristüberschreitung, Höhe des sich ergebenden Zahlungsanspruchs, gezogene Vorteile, Verschulden und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit) sind dagegen nicht beim Entschließungsermessen zu berücksichtigen, da diese nach dem Wortlaut des § 152 Abs. 8 AO nur noch bei der Bemessung der Höhe des Verspätungszuschlages in den dort geregelten Ausnahmefällen Anwendung finden (ebenso Schober in: Gosch, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 185. Ergänzungslieferung, August 2024, § 152 AO 1977, Rn. 23). Soweit – wie im Streitfall – die Abschöpfung eines Vorteils ausgeschlossen ist und der Verspätungszuschlag nur präventiven Charakter hat, ist daher nach Auffassung des Senats die Festsetzung eines Verspätungszuschlags in der Regel ermessensfehlerfrei, wenn die Festsetzung wegen wiederholter Verletzung der Erklärungspflichten erfolgt. Nur wenn besondere Umstände des Einzelfalls hinzutreten, die die Festsetzung eines Verspätungszuschlages unverhältnismäßig erscheinen lassen, kann ein Ermessensfehler anzunehmen sein. Die Auslegung entspricht dem Willen des Gesetzgebers, der mit der Neufassung des § 152 AO die Finanzverwaltung entlasten wollte (vgl. die Gesetzesbegründung BT-Drucks. 18/7457, 50 f).
hh) Nach diesen Grundsätzen ist es unter Berücksichtigung des eingeschränkten gerichtlichen Prüfungsmaßstabs bei Ermessensentscheidungen nach § 102 FGO nicht zu beanstanden, dass der Beklagte sein Entschließungsermessen auf die Nichtabgabe der Körperschaftsteuererklärung für 2019 und die verspätete Abgabe der Körperschaftsteuererklärung für 2020 gestützt hat.
Die Auffassung des Klägers, er sei mangels Erzielung von Einkommen im Sinne des § 8 KStG nicht zur Abgabe einer Steuererklärung für 2019 verpflichtet gewesen, teilt der Senat nicht. Der Kläger ist als sonstige juristische Person im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig. Er ist nicht nach § 5 KStG von der Körperschaftsteuer befreit und war demnach nach § 31 Abs. 1 KStG i.V.m. § 25 Abs. 3 Satz 1 EStG und § 31 Abs. 1a Satz 1 KStG als steuerpflichtige juristische Person zur Abgabe einer Körperschaftsteuererklärung für das Jahr 2019 verpflichtet. Soweit die Finanzverwaltung in KStR R 31.1 eine Billigkeitsregelung erlassen hat und die Möglichkeit eröffnet hat, von der Steuerfestsetzung bei kleinen Körperschaften abzusehen (§ 156 Abs. 2 AO), entbindet dies den Kläger nicht vor der Verpflichtung zur Abgabe der Steuererklärung. Soweit der Kläger vertreten hat, dass sich eine Einschränkung der Erklärungspflicht aus § 56 EStDV ergebe, weil er lediglich über Mitgliedsbeiträge im Sinne von § 8 Abs. 5 KStG verfüge, die bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz blieben und darüber hinaus der Freibetrag des § 24 Satz 1 KStG zu berücksichtigen sei, ist dem nicht zu folgen. Die Wertgrenzen des § 56 EStDV betreffen ausdrücklich nur natürliche Personen (Grundfreibetrag).
Anhaltspunkte dafür, dass die Festsetzung des Verspätungszuschlags unverhältnismäßig und deswegen ermessensfehlerhaft ist, sind nicht ersichtlich. Der Einwand des Klägers, er nehme entsprechend dem Satzungszweck nur Mitgliedsbeiträge ein, lässt die Festsetzung des Verspätungszuschlags nicht unverhältnismäßig erscheinen, da der Finanzverwaltung nur anhand der Steuererklärung prüfen kann, ob der Kläger ausschließlich Einnahmen nach § 8 Abs. 5 KStG erzielt. Auch die erstmals im Klageverfahren vorgetragenen Vermögensverhältnisse des Klägers lassen die Festsetzung des Verspätungszuschlags nicht unverhältnismäßig erscheinen.
b) Der Verspätungszuschlag begegnet auch der Höhe nach keinen Bedenken. Gemäß § 152 Abs. 5 Satz 2 AO beträgt der Verspätungszuschlag im Fall von Jahressteuererklärungen für jeden angefangenen Monat der eingetretenen Verspätung 0,25 Prozent der um die festgesetzten Vorauszahlungen und die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge verminderten festgesetzten Steuer, mindestens jedoch 25 € für jeden angefangenen Monat der eingetretenen Verspätung.
Die Körperschaftsteuererklärung des Klägers für 2018 war gemäß § 149 Abs. 4 AO bis zum 8.4.2022 abzugeben, die Abgabe erfolgte am 22.8.2022, so dass der für die Bemessung der Höhe des Verspätungszuschlags maßgebliche Zeitraum 4 Monate beträgt. Zu Recht wurde daher der Betrag von (4 mal 25 € =) 100 € festgesetzt.
c) Die vom Kläger genannten verfassungsrechtlichen Bedenken teilt der Senat nicht.
Soweit der Kläger ausführt, der Mensch schulde dem Staat keinen Gehorsam, verkennt er bereits, der es sich bei dem Kläger um eine juristische Person handelt. Im Übrigen ist der Staat nach der Konzeption des Grundgesetzes im öffentlichen Recht dem Bürger übergeordnet ist (Subordinationsprinzip). Das Grundgesetz trägt diesem Über- Unterordnungsverhältnis durch eine Vielzahl von Regelungen (Grundechte als Abwehrrechte gegen staatliches Handeln, Rechtsstaatsprinzip, Gewaltenteilung) Rechnung, um den Bürger vor unverhältnismäßigen, unrechtmäßigen oder willkürlichen staatlichen Handeln zu schützen.
Ohne Erfolg rügt der Kläger einen Verstoß gegen Art. 1 GG; Art. 1 GG ist nicht auf juristische Personen wie den Kläger anwendbar (Zippelius in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 226. Lieferung, 8/2024, Art. 1 GG, Rn. 56).
Dem Einwand, die Steuerrechtsnormen seien nicht allgemeinverständlich und deshalb verfassungswidrig, ist ebenfalls nicht zu folgen. Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Klarheit von Normen ist nicht die Allgemeinverständlichkeit, sondern der Bestimmtheitsgrundsatz. Nach dem aus Art. 20 Abs. 3 GG abgeleiteten Bestimmtheitsgrundsatz ist der Gesetzgeber verpflichtet, seine Vorschriften so zu fassen, dass sie den aus dem Rechtstaatsprinzip abgeleiteten Anforderungen der Bestimmtheit, der Normenklarheit und der Justitiabilität entsprechen (BVerfG, Beschluss vom 12. Januar 1967 - 1 BvR 169/63 -, juris Rn. 17).
Das Gebot der hinreichenden Bestimmtheit und Klarheit der Norm fordert vom Normgeber, seine Regelungen grundsätzlich widerspruchsfrei und so genau zu fassen, dass die Normadressaten die Rechtslage in zumutbarer Weise erkennen und ihr Verhalten danach ausrichten können. Dabei dienen die Anforderungen an die Bestimmtheit und Klarheit der Norm zum einen dazu, die Verwaltung zu binden und ihr Verhalten nach Inhalt, Zweck und Ausmaß zu begrenzen (BVerfG, Beschluss vom 8. Januar 1981 - 2 BvL 3/77 -, Rn. 42; Beschluss vom 3. März 2004 - 1 BvF 3/92 -, juris Rn. 105). Zum anderen gewährleistet der Bestimmtheitsgrundsatz, dass die Gerichte in der Lage sind, die Anwendung der betreffenden Rechtsvorschrift durch die Verwaltung zu kontrollieren (BVerfG, Urteil vom 27. Juli 2005 - 1 BvR 668/04 -, Rn. 118-121, juris; Beschluss vom 8. Januar 1981 - 2 BvL 3/77 -, BVerfGE 56, 1-22). Der Grad der von Verfassungs wegen geforderten Bestimmtheit einer Norm hängt sowohl von der Eigenart des geregelten Sachverhalts und den jeweiligen (Grundrechts-)Auswirkungen der Regelung für die Betroffenen als auch von der Art und Intensität des zugelassenen behördlichen Eingriffs ab (BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2013 - 3 C 7/12 -, juris Rn. 16). Es reicht aus, dass sich mit Hilfe juristischer Auslegungsmethoden, insbesondere durch Heranziehung anderer Vorschriften des Gesetzes, der Berücksichtigung des Normzusammenhangs sowie der Begründung eine zuverlässige Grundlage für die Auslegung und Anwendung der Vorschrift gewinnen lässt.
Der Kläger hat keine konkreten steuerrechtlichen Normen benannt, die nach seiner Auffassung betreffend den konkreten Steuerfall nicht verständlich sind. Nach der Rechtsprechung des BVerfG genügen die einkommensteuerrechtlichen Gewinnermittlungsvorschriften den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Bestimmtheit eines Steuergesetzes (BVerfG, Kammerbeschluss vom 20. Mai 1988 – 1 BvR 273/88 –, Rn. 2, juris). Auch die für den Kläger relevanten Vorschriften des Körperschaftsteuerrechts, die für die Gewinnermittlung auf das Einkommensteuerrecht verweisen, sind daher hinreichend bestimmt im Sinne des Bestimmtheitsgrundsatzes.
Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, die Regelung sei verfassungswidrig, weil dem Bürger eine Pflicht zur fristgerechten Abgabe der Steuererklärung auferlegt werde, der Staat aber keine Verpflichtung zur zeitnahen Veranlagung habe. Der Sinn und Zweck des Verspätungszuschlags besteht als Druckmittel eigener Art in einem zugleich repressiven und präventiven (erzieherischen) Charakter. Es soll die Störung der Veranlagungsarbeit durch den verzögerten oder unterbliebenen Eingang der Steuererklärung sanktioniert und der Steuerpflichtige für die Zukunft zur pünktlichen Abgabe der Steuererklärung angehalten werden (FG Hamburg, Beschluss vom 13. August 2018, 2 V 110/18, juris, m.w.N.). Es ist aufgrund des Präventivcharakters des Verspätungszuschlags anerkannt, dass es unerheblich ist, wenn die Finanzbehörde an einer alsbaldigen Bearbeitung der verspätet eingereichten Steuererklärung gehindert war (BFH, Urteil vom 19. Juni 2001 – X R 83/98 –, Rn. 12, juris). Da die Festsetzung des Verspätungszuschlages im (Entschließungs)Ermessen der Finanzbehörde steht, ist es in besonderen Einzelfällen, wie beispielsweise bei einer ungewöhnlich späten Bearbeitung bei nur geringfügig verspäteter Abgabe, geboten und möglich, von einem Verspätungszuschlag abzusehen (Klein/Rätke, AO, § 152 Rdnr. 32).
Schließlich ist der Auffassung des Klägers, bei § 152 AO handle es sich um eine strafrechtliche Norm, nicht zu folgen. Durch die Auferlegung einer zusätzlichen Geldleistungspflicht sollen einerseits eine präventive, erzieherische Wirkung für die Zukunft erzielt und ein gewisser Ausgleich der durch die Verzögerung erwachsenen Vorteile erreicht werden. Andererseits soll auch eine repressive Wirkung erzielt werden, also eine gewisse Ahndung der Pflichtverletzung mit einer spezifischen Verwaltungssanktion erfolgen. Eine Missbilligung wird durch die Festsetzung des Verspätungszuschlags allerdings nicht ausgesprochen. Der Verspätungszuschlag stellt ein Druckmittel dar, ist aber kein Zwangsmittel (§ 329 AO) und auch keine Strafe für die verspätete Abgabe bzw. Nichtabgabe (Schwarz/Pahlke/Keß, AO § 152 Rn. 1¸ Schober in: Gosch, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 185. Ergänzungslieferung, August 2024, § 152 AO 1977, Rn. 1)
Der Kläger ist durch die Festsetzung eines Verspätungszuschlags auch nicht in seinem Grundrecht aus Art. 2 GG verletzt. Die Festsetzung eines Verspätungszuschlags in Höhe von 25 € pro Monat der Verspätung ist verhältnismäßig. Es ist nicht ersichtlich, dass der verfolgte Zweck durch andere, mildere Mittel gleich wirksam zu erreichen ist. Im maßgeblichen Normalfall ist der festgelegte, seiner absoluten Größe nach eher geringe Mindestbetrag auch im engeren Sinn nicht unverhältnismäßig, weder im Hinblick auf den zusätzlichen Aufwand, der der Finanzverwaltung durch die Nichtabgabe oder die verspätete Abgabe von Steuererklärungen entsteht, noch in Anbetracht der Verantwortung, die dem Steuerpflichtigen für die Erfüllung seiner Steuererklärungspflichten obliegt.
d) Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Frage, welche Anforderungen an die Ermessensausübung nach § 152 Abs. 1 AO zu stellen sind, bedarf angesichts sich widersprechender erstinstanzlicher Entscheidungen einer Klärung durch den Bundesfinanzhof. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Revision zu.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof schriftlich einzulegen. Die Revisionsschrift muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Eine Abschrift oder Ausfertigung des Urteils soll ihr beigefügt werden. Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Auch die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. Die Begründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit das Urteil angefochten und seine Aufhebung beantragt wird. Sie muss ferner die bestimmte Bezeichnung der Umstände enthalten, aus denen sich eine Rechtsverletzung durch das Urteil ergibt; soweit Verfahrensmängel gerügt werden, muss sie auch die Tatsachen angeben, aus denen sich der Mangel ergibt.
Bei der Einlegung und Begründung der Revision vor dem Bundesfinanzhof muss sich jeder Beteiligte durch einen Steuerberater, einen Steuerbevollmächtigten, einen Rechtsanwalt, einen niedergelassenen europäischen Rechtsanwalt, einen Wirtschaftsprüfer oder einen vereidigten Buchprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen. Zur Vertretung berechtigt sind auch Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften sowie Partnerschaftsgesellschaften, die durch einen der in dem vorherigen Satz aufgeführten Berufsangehörigen tätig werden. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst oder durch entsprechend befähigte Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Bundesfinanzhof hat die Postanschrift: Postfach 86 02 40, 81629 München, und die Hausanschrift: Ismaninger Str. 109, 81675 München, sowie den Telefax-Anschluss: 089/ 9231-201.
Rechtsmittel können auch über den elektronischen Gerichtsbriefkasten des Bundesfinanzhofs eingelegt und begründet werden, der über die vom Bundesfinanzhof zur Verfügung gestellte Zugangs- und Übertragungssoftware erreichbar ist. Die Software kann über die Internetseite „www.egvp.de“ lizenzkostenfrei heruntergeladen werden. Hier finden Sie auch weitere Informationen über die Einzelheiten des Verfahrens.
Nach Maßgabe von § 52d FGO sind Rechtsanwälte, Behörden und die übrigen in dieser Vorschrift genannten Personen verpflichtet, vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument zu übermitteln.