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Erweiterte Kürzung bei Grundstücksunternehmen, Grundstücksgesellschaft


Metadaten

Gericht FG Cottbus 8. Senat Entscheidungsdatum 05.11.2024
Aktenzeichen 8 K 8179/22 ECLI ECLI:DE:FGBEBB:2024:1105.8K8179.22.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG §

Leitsatz

Eine nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG begünstigte Tätigkeit (ausschließliche Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes) liegt dann nicht vor, wenn das wirtschaftliche Eigentum am Grundbesitz erst nach Beginn des Erhebungszeitraums erlangt wird, selbst wenn zuvor erhebliche (mit Vollmacht des Veräußerer) Maßnahmen in Bezug auf den Grundbesitz erfolgt sind (hier: Beginn eines Umnutzungsverfahren, Inanspruchnahme von Architekturleistung, Antragstellung bei Behörden) und Verhandlungen mit potentiellen neuen Mietern geführt wurden. Im Streitfall lag auch keine unschädliche grundbesitzlose Zeit vor, weil es nicht zu einer bloße Umschichtung im Grundbesitzbestand kam, sondern die Klägerin ihre Grundbesitzverwaltung erstmals aufgenommen hatte.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die erweiterte Gewerbesteuerkürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 Gewerbesteuergesetz -GewStG- des Erhebungszeitraums 2019.

Die Klägerin ist eine mit Gesellschaftsvertrag vom 5. November 2018 gegründete GmbH mit Sitz in C…. Eingetragener Geschäftsgegenstand ist die Entwicklung, der An- und Verkauf von bebauten und unbebauten Grundstücken, Wohnungs- und Teileigentumseinheiten, die Verwaltung eigenen Vermögens, die Projektentwicklung, die Verwaltung sowie die Verwertung von wohnwirtschaftlichen und gewerblichen Immobilien, Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten. Einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer ist seit der Gründung B…. Alleinige Gesellschafterin der Klägerin war im Streitzeitraum die D… GmbH mit Sitz in C…. Die Klägerin ist Teil der im Immobilienbereich tätigen Unternehmensgruppe „E… Group“.

Mit notariellen Kaufverträgen vom 9. November 2018 erwarb die Klägerin die folgenden Grundstücke in F…:

Grundstück Kaufpreis Nutzen-Lasten-Wechsel
G…-straße 180.000,00 € 8. Mai 2019
H…-straße 1 370.000,00 € 10. Mai 2019
H…-straße 2 30.0000,00 € 10. Mai 2019

Die Grundstücke in der G…-straße und in der H…-straße 1 waren jeweils mit mehrstöckigen Mehrfamilienhäusern bebaut. Das Grundstück H…-straße 2 war unbebaut.

Gleichzeitig erwarb die Klägerin alle 21 Sondereigentumseinheiten der Eigentümergemeinschaft „I…-straße / J…-straße …“ zum Gesamtkaufpreis von 2.065.000,00 €. Der Übergang von Besitz, Gefahr, Nutzen und Lasten erfolgte am 9. Mai 2019.

Den Erwerb finanzierte die Klägerin mittels zweier Darlehen aus März 2019 bei der K… Bank mit fünfjähriger Laufzeit über Beträge von 1.690.000,00 € und 410.000,00 €. Zudem nahm die Klägerin im November 2019 ein weiteres Darlehen bei der L… Bank über einen Betrag von 350.000,00 € mit einer Laufzeit von ursprünglich 3 Jahren sowie einer Verlängerung der Laufzeit um 2 Jahre für die Finanzierung des Objekts in der G…-straße auf. Im Übrigen erfolgte die Finanzierung aus Eigenmitteln.

Die Klägerin aktivierte in ihrer Bilanz zum 31.12.2019 erstmals Grundstücke als Anlagevermögen mit 200.384,00 €.

Mit notariellem Vertrag vom 18. Juli 2019 veräußerte die Klägerin die Grundstücke H…-straße 1 und 2 sowie sämtliche Sondereigentumseinheiten in der I…-straße / J…-straße an die M… GmbH zu folgenden Verkaufspreisen:

Grundstück / Sondereigentum Kaufpreis
H…-straße 1 und 2 600.000,00 €
I…-straße /J…-straße 2.650.000,00 €.

Mit gleicher notarieller Urkunde veräußerten weitere vier Objektgesellschaften der E… Group sowie die N… GmbH und die O… GmbH Grundbesitz an die M… GmbH zu einem Gesamtkaufpreis in Höhe von xx.xxx.000,00 €. Dabei bestand eine Identität der Geschäftsführung aller verkaufenden Gesellschaften, vertreten durch Herrn B….

Die Klägerin erklärte für das Streitjahr 2019 einen Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 301.391,00 € und begehrte die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG in dieser Höhe.

Am 25. April 2022 erließ das Finanzamt P… Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag für 2019 und setzte den Gewerbesteuermessbetrag ohne Berücksichtigung der beantragten erweiterten gewerbesteuerlichen Kürzung auf xx.xxx € fest. Dies begründete er damit, dass die Klägerin einen gewerblichen Grundstückhandel betrieben habe. Die Grundstücke seien zu keinem Zeitpunkt im Anlagevermögen gehalten worden, so dass nicht von einer beabsichtigten langfristigen Nutzung ausgegangen werden könne. Vielmehr seien die Grundstücke im Umlaufvermögen bilanziert, was eine kurzfristige Nutzungsdauer bestätige.

Mit dem hiergegen fristgerecht eingelegten Einspruch vertrat die Klägerin die Auffassung, dass ein gewerblicher Grundstückshandel bei ihr nicht vorliege. Die sogenannte Drei-Objekt-Grenze sei nicht überschritten. Zum Zeitpunkt des Erwerbs sei geplant gewesen, die Objekte langfristig zu halten und zu vermieten. Daher sei auch die Finanzierung langfristig erfolgt. Die Objekte seien auch zunächst als Anlagevermögen erfasst und erst mit Abschluss des Verkaufsvertrages kurzzeitig in das Umlaufvermögen umgebucht worden. Dies sei aus rein handelsbilanziellen Gründen erfolgt, da sich die Grundstücke weniger als ein Jahr im Vermögen der Einspruchsführerin befunden hätten.

Nach dem Wechsel der örtlichen Zuständigkeit wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 11. Oktober 2022 den Einspruch als unbegründet zurück. Er verwies darauf, dass dahingestellt bleiben könne, ob die Tätigkeit der Klägerin als gewerblicher Grundstückshandel zu beurteilen sei. Die Klägerin habe im Erhebungszeitraum 2019 nicht – wie für § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG erforderlich – ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet und genutzt. Die vorgenannte Ausschließlichkeit sei nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs -BFH- qualitativ, quantitativ und zeitlich zu verstehen. Die nach dem Wortlaut des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG erforderliche Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes liege nur vor, wenn während des gesamten Erhebungszeitraums eine Nutzung des Grundstücks im Sinne einer Fruchtziehung erfolge. Eine solche Fruchtziehung aus eigenem Grundbesitz könne nach dem Verlust des wirtschaftlichen Eigentums an dem Grundstück nicht mehr vorliegen. Folgerichtig könne dann jedoch auch vor dem Erwerb des wirtschaftlichen Eigentums mit Lastenwechsel eine solche Fruchtziehung nicht vorliegen. Dementsprechend stelle nach der Rechtsprechung des BFH die Vorbereitung oder Anbahnung eines Grundstückserwerbs noch keine Grundstücksnutzung in diesem Sinne dar. Die Klägerin sei erst im Mai 2019 wirtschaftliche Eigentümerin eines Grundstücks geworden. Erst ab diesem Zeitpunkt habe sie überhaupt eigenen Grundbesitz verwaltet und genutzt. Die Vorbereitungshandlungen stellten indes noch keine Verwaltung und Nutzung von Grundbesitz dar.

Mit der fristgerechten Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren fort.

Sie habe während des gesamten Erhebungszeitraums ausschließlich grundbesitzverwaltende Tätigkeiten ausgeübt. Nutzen und Lasten der Objekte seien zwar erst Anfang Mai 2019 auf sie übergegangen. Allerdings habe sie die Objekte nicht erst während des Erhebungszeitraumes gekauft, sondern den schuldrechtlichen Kaufvertrag bereits im November 2018 abgeschlossen. In dem kurzen Zeitraum zwischen Abschluss des Kaufvertrages und dem Eigentumsübergang habe sie mit den Banken verhandelt, um eine möglichst günstige Finanzierung zu erhalten. Schon im November 2018 habe sie einen Maklervertrag über die Vermarktung des Grundstücks I…-straße / J…-straße geschlossen. Zum Nachweis hierfür hat die Klägerin den Entwurf eines Maklerauftrags vom 16. November 2018 über die Vermittlung vakanter Flächen unter anderem in dem Objekt I…-straße / J…-straße eingereicht. Darüber hinaus habe sie bereits vor Übergang des wirtschaftlichen Eigentums das Genehmigungsverfahren für eine Umnutzung der Erdgeschosseinheit von Einzelhandel in Gastronomie geführt und sich hierfür eine Vollmacht des Eigentümers eingeholt. In diesem Zusammenhang habe sie schon zu Beginn des Erhebungszeitraums 2019 die Planung umfassender Umbaumaßnahmen beauftragt und sei hierüber in Abstimmung mit bestehenden und zukünftigen Mietern getreten. Als Nachweis hat sie E-Mailverkehr aus den Monaten Januar und Februar 2019 zwischen Mitarbeitern der Q… GmbH, einem Architekturbüro sowie einer Maklerfirma vorgelegt, welcher sich auf das Umnutzungsverfahren sowie die Vermietung von Gewerbeflächen bezieht. Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt das Gericht Bezug auf den Inhalt dieser mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2022 eingereichten Unterlagen (BI. 95 – 100 d. Gerichtsakte).

Angesichts dessen sei sie, die Klägerin, bereits vor Eintragung des Objektes I…-straße / J…-straße im Grundbuch wie ein Vermieter tätig gewesen. Die Verwaltung dieses Grundstücks sei ausschließlich vor dem Hintergrund erfolgt, dass bereits ein rechtsverbindlicher Kaufvertrag über die Immobilie abgeschlossen worden sei. Insofern sei vorliegend die begünstigte Verwaltung von eigenem Grundbesitz bereits zu Beginn des Erhebungszeitraumes angelegt gewesen. Dies müsse jedenfalls dann gelten, wenn die das Grundstück erwerbende GmbH im Erhebungszeitraum des Erwerbs keine für die erweiterte Grundstückskürzung generell schädliche Vorbereitungs- oder Nebentätigkeit ausübe. Die Versagung der erweiterten Kürzung führe ansonsten zu einer erheblichen Ungleichbehandlung von grundstücksverwaltenden Kapitalgesellschaften gegenüber vermögensverwaltenden Personengesellschaften oder Einzelpersonen.

Ergänzend verweist die Klägerin auf Urteile des Finanzgerichts München vom 29. Februar 2016 (7 K 1109/14) und des BFH vom 27. Oktober 2021 (III R 7/19). Aus diesen ergebe sich, dass auch Zeiträume während eines Erhebungszeitraums, in denen eine GmbH grundbesitzlos sei, kürzungsunschädlich sein könnten.

Ferner habe sie im Erhebungszeitraum keinen gewerblichen Grundstückshandel betrieben. Vielmehr habe sich ihre Tätigkeit auf die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes beschränkt. Als Objekt im Sinne der Drei-Objekt-Grenze gelte zwar jedes einzelne Immobilienprojekt, welches selbständig veräußert und genutzt werden könne. Daraus folge aber nicht, dass auch jede einzelne Eigentumswohnung jeweils ein Objekt im Sinne der Drei-Objekt-Grenze darstelle.

Indes verkenne der Beklagte, dass eine Überschreitung dieser Grenze nur indizielle Bedeutung zukomme. Sie habe ursprünglich beabsichtigt, die Immobilien I…-straße / J…-straße sowie H…-straße 1 und 2 langfristig zu vermieten. Dies ergebe sich schon aus dem Umstand, dass der Erwerb der Objekte mittels langfristiger Darlehen finanziert worden sei.

Zudem sei sie nicht nachhaltig tätig gewesen. Dies setze eine Wiederholungsabsicht voraus. Sie habe jedoch nie die Absicht gehabt, weitere Grundstücksverkäufe zu tätigen. Außerdem sei die Veräußerung nur an einen Erwerber erfolgt. Nach der Rechtsprechung des BFH stehe dies der Gewerblichkeit entgegen. Es lägen auch keine weiteren Umstände vor, die auf eine nachhaltige Tätigkeit deuteten. Dass sie einem Immobilienkonzern mit zum Teil identischen Führungsorganen angehöre, könne nicht dazu führen, dass hierdurch eine Nachhaltigkeit begründet werde. Eine solche Betrachtung widerspreche dem Trennungsprinzip und missachte, dass sie – als juristische Person – eine Abschirmwirkung entfalte. Eine Konzernbetrachtung müsse auch in subjektiver Hinsicht bei der Prüfung der Wiederholungsabsicht ausscheiden, wenn die Objektgesellschaft eine juristische Person ist. Eine konzernweite Wiederholungsabsicht allein aufgrund bestehender Identität in den Führungsorganen anzunehmen, würde de-facto zu einer Konzernbetrachtung führen.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag 2019 vom 25. April 2022 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 11. Oktober 2022 dahingehend zu ändern, dass die erweiterte Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG berücksichtigt und der Gewerbesteuermessbetrag auf € 0,00 herabgesetzt wird,

die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Begründend führt er aus, dass die erweiterte Kürzung aufgrund der fehlenden Ausschließlichkeit vermögensverwaltender Tätigkeit im Streitjahr zu versagen sei. Diesbezüglich nimmt der Beklagte auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung Bezug. Die von der Klägerin angeführten Tätigkeiten zwischen dem Beginn des Erhebungszeitraums am 1. Januar 2019 und dem Lastenwechsel des ersten Grundstücks im Mai 2019 stellten keine Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung erfordere der Wortlaut des Gesetzes ausdrücklich, dass während des gesamten Erhebungszeitraums eine Nutzung des Grundstücks im Sinne einer Fruchtziehung erfolge. Die Maßnahmen zur Vorbereitung oder Anbahnung des Erwerbs und der Vermietungstätigkeit stellten noch keine Grundstücksnutzung, also auch keine Verwaltung und Nutzung in diesem Sinne dar. Im Übrigen könne dahingestellt bleiben, ob eine Verwaltung vorliege, weil das Gesetz gleichzeitig die Verwaltung und Nutzung des Grundbesitzes voraussetze. Bereits das Fehlen der Nutzung eines Grundstücks im Sinne der Fruchtziehung führe somit zur Versagung der erweiterten Kürzung. Auch grundbesitzlose Zwischenzeiträume seien schädlich für die erweiterte Kürzung.

Im Übrigen sei von einer gewerblichen Tätigkeit der Klägerin auszugehen, da diese mehr als drei Objekte innerhalb des Fünfjahreszeitraums veräußert habe. Zwar sei die Überschreitung der sog. Drei-Objekt-Grenze nur ein Indiz für die Annahme des gewerblichen Grundstückshandels. Es lägen indes keine eindeutigen Anhaltspunkte vor, die gegen eine von Anfang an bestehende Veräußerungsabsicht sprächen. Angesichts der Tatsache, dass die Drei-Objekt-Grenze nicht nur knapp, sondern vorliegend mit mehr als zwanzig Objekten in weniger als einem Jahr ganz deutlich überschritten worden sei, seien an die Umstände zur Entkräftung dieses Indizes höchste Anforderungen zu stellen.

Die von der Klägerin vorgetragene langfristige Fremdfinanzierung sei jedenfalls dann nicht geeignet die Indizwirkung zu entkräften, wenn die an die finanzierende Bank zu leistende Vorfälligkeitsentschädigung geringer sei als der durch den Verkauf erzielte Gewinn beziehungsweise die schon bei Erwerb absehbare Wertsteigerung. Hierzu habe die Klägerin keine Angaben gemacht. Daneben umfasse die grundsätzlich indizierte bedingte Veräußerungsabsicht regelmäßig auch den Abschluss unverhoffter Gelegenheitsgeschäfte. Auch die bilanzielle Zuordnung der angeschafften Grundstücke zum Umlaufvermögen könne ein entsprechendes Indiz sein, denn nach der Rechtsprechung des BFH seien Wirtschaftsgüter, die dazu bestimmt sind, dem Betrieb dauerhaft zu dienen, dem Anlagevermögen zuzuordnen.

Im Übrigen sei von durchgehenden gesellschaftsrechtlichen und personellen Verflechtungen zwischen allen an dem Vertrag vom 18. Juli 2019 beteiligten verkaufenden Gesellschaften auszugehen. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg (8 K 8008/21) sei daher von einer nachhaltigen gewerblichen Tätigkeit der Klägerin auszugehen. Angesichts dieser Verflechtungen mit mehreren dem Immobiliensektor zuzurechnenden Schwester- und Muttergesellschaften dürfte auch die Branchennähe ein weiteres Indiz für einen gewerblichen Grundstückshandel sein.

Entscheidungsgründe

I. Die Klage ist zulässig. Insbesondere richtet sie sich zulässigerweise gegen das beklagte Finanzamt für R…, da dieses die Einspruchsentscheidung erlassen hat (§ 63 Abs. 2 Nr. 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-). Die während des gerichtlichen Verfahrens eingetretene Zuständigkeitsänderung von dem Finanzamt R… auf das Finanzamt P… führt auch nicht zu einem gesetzlichen Beteiligtenwechsel auf der Beklagtenseite. Der Beklagte hat allerdings zulässigerweise dem Finanzamt P… eine Prozessvollmacht erteilt.

II. Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags für 2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Berücksichtigung der sog. erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG, da sie nicht während des gesamten Erhebungszeitraums ausschließlich eigenen Grundbesitz (oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen) verwaltet oder genutzt hat.

a) Die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen wird nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG um 1,2 % des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen des Unternehmers gehörenden Grundbesitzes gekürzt. Nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG tritt an die Stelle der Kürzung nach Satz 1 auf Antrag bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen errichten und veräußern, die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrags, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt. Zweck dieser erweiterten Kürzung ist es, die Erträge aus der bloßen Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes der kraft ihrer Rechtsform gewerbesteuerpflichtigen Kapitalgesellschaften von der Gewerbesteuer aus Gründen der Gleichbehandlung mit Steuerpflichtigen freizustellen, die nur Grundstücksverwaltung betreiben (vgl. BFH, Urteil vom 18. April 2000 – VIII R 68/98 –, BFHE 192, 100, BStBl II 2001, 359, m.w.N.).

Der Anwendungsbereich der gesetzlichen Regelung ist jedoch insoweit eingeschränkt, als ein Steuerpflichtiger die begünstigte Tätigkeit der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes „ausschließlich“ ausüben muss, abgesehen von den in § 9 Nr. 1 Satz 2 und 3 GewStG zugelassenen Ausnahmen (BFH, Urteil vom 18. Dezember 2019 – III R 36/17 –, BFHE 267, 406, BStBl II 2020, 405, m.w.N.).

Der Begriff der Ausschließlichkeit ist gleichermaßen qualitativ, quantitativ sowie zeitlich zu verstehen (vgl. BFH, Beschluss vom 12. Juli 1999 – I B 5/99 –, BFH/NV 2000, 79; BFH, Beschluss vom 14. April 2000 – I B 104/99 –, BFH/NV 2000, 1497; BFH, Beschluss vom 27. Oktober 2021 – III R 7/19 –, BFH/NV 2022, 242-244; BFH, Urteil vom 19. Oktober 2010 – I R 1/10 –, BFH/NV 2011, 841; BFH, Urteil vom 26. Februar 2014 – I R 6/13 –, BFH/NV 2014, 1400).

In zeitlicher Hinsicht hat dies zur Folge, dass der Unternehmer während des gesamten Erhebungszeitraums der gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG begünstigten Tätigkeit nachgehen muss (BFH, Beschluss vom 27. Oktober 2021 – III R 7/19 –, BFH/NV 2022, 242-244). Zwar ist es nicht erforderlich, dass die Grundstücksverwaltung während des gesamten Erhebungszeitraums bestanden haben muss. Aber solange das Unternehmen während des Erhebungszeitraums überhaupt tätig ist, muss seine Haupttätigkeit in der schlichten Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes durchgängig bestehen, um begünstigt zu sein (BFH-Urteil vom 29. März 1973 – I R 199/72 –, BStBl II 1973, 563; BFH, Urteil vom 20. Januar 1982 – I R 201/78 –, BStBl II 1982, 477; BFH, Urteil vom 26. Februar 2014 – I R 6/13 –, BFH/NV 2014, 1400). Dies folgt aus dem Wesen der Gewerbesteuer als Jahressteuer. Die erweiterte Kürzung kann nicht zeitanteilig gewährt werden. Am Erfordernis einer ausschließlichen Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes fehlt es daher, wenn ein Unternehmer das letzte und einzige Grundstück vor Ablauf des Erhebungszeitraums veräußert und anschließend nur noch anderweitige Tätigkeiten ausübt (BFH, Urteil vom 26. Februar 2014 – I R 6/13 –, BFH/NV 2014, 1400-140). Eine „technisch bedingte“ Ausnahme wird bei einer Veräußerung zum 31. Dezember, 23:59 Uhr, zugelassen (BFH, Urteil vom 11. August 2004 – I R 89/03 –, BFHE 207, 40, BStBl II 2004, 1080). Ebenso wenig ist das Erfordernis der Ausschließlichkeit gewahrt, wenn in dem Unternehmen im Laufe des Erhebungszeitraums erstmals eine solche Tätigkeit ausgeübt wird (BFH, Urteil vom 27. Oktober 2021 – III R 7/19 –, BFH/NV 2022, 242-244).

Der Wortlaut des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG erfordert ausdrücklich, dass während des gesamten Erhebungszeitraums eine Nutzung des Grundstücks – im Sinne einer Fruchtziehung – erfolgt (vgl. BFH, Urteil vom 26. Februar 2014 – I R 6/13 –; BFH, Beschluss vom 27. Oktober 2021 – III R 7/19 –, BFH/NV 2022, 242-244). Maßnahmen zur Vorbereitung oder Anbahnung eines Grundstückserwerbs stellen nach höchstrichterlicher Rechtsprechung noch keine Grundstücksnutzung, also auch keine Verwaltung und Nutzung in diesem Sinne dar (BFH, Urteil vom 26. Februar 2014 – I R 6/13 –, BFH/NV 2014, 1400).

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen war der Klägerin die erweiterte Kürzung zu versagen, weil sie bis zum Wechsel von Nutzen und Lasten an dem Objekt in der G…- straße am 8. Mai 2019 – und damit mehr als vier Monate nach Beginn des Erhebungszeitraums (§ 14 Abs. 2 GewStG) – keinen eigenen Grundbesitz genutzt hat, aber werbend tätig war.

Daran ändert auch der Einwand der Klägerin nichts, dass sie bereits kurz nach Abschluss des notariellen Kaufvertrages im November 2018, gestützt auf eine Vollmacht des Veräußerers, mit dem Umnutzungsverfahren für das Objekt in der I…-straße / J…-straße begonnen hatte, indem sie ein Architekturbüro mit der Erstellung der Planung für eine Umnutzung der Erdgeschosseinheit sowie mit der entsprechenden Antragstellung auf Umnutzung beauftragt und zu diesem Zeitpunkt auch schon Verhandlungen mit potentiellen Mietern geführt hat. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG ist als Ausnahmevorschrift eng auszulegen. Die im Vorfeld des Nutzen-Lasten Wechsels durchgeführten Maßnahmen stellen nach Auffassung des erkennenden Senats keine Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes im Sinne dieser Vorschrift dar. Die Fruchtziehung, welche nach höchstrichterlicher Rechtsprechung Voraussetzung für die geltend gemachte Steuerermäßigung ist, begann erst mit dem Erwerb des wirtschaftlichen Eigentums an dem Grundbesitz und nicht bereits mit vorbereitenden Maßnahmen.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist auch unerheblich, dass sie tatsächlich die Absicht hatte, das Eigentum an den Objekten zu erwerben und schon im November 2018 entsprechende notarielle Kaufverträge abgeschlossen wurden. Das Bestreben, eine Grundstücksnutzung aufzunehmen, ist der tatsächlichen Grundstücksnutzung nicht gleichzustellen (vgl. BFH, Urteil vom 26. Februar 2014 – I R 6/13 –, BFH/NV 2014, 1400-140).

Offenlassen kann das Gericht, ob der Entscheidung des Finanzgerichts München (Urteil vom 29. Februar 2016 – 7 K 1109/14 –) zu folgen ist und eine grundbesitzlose Zeit unschädlich sein kann, wenn der schuldrechtliche Erwerb des Ersatzgrundstücks vor der Veräußerung des vormals letzten Grundstücks erfolgt ist und nur der Nutzen- und Lastenwechsel zu einer grundbesitzlosen Zeit führte. Im Streitfall befanden sich vor dem Erwerb der streitgegenständlichen Objekte keine Grundstücke im Bestand der Klägerin. Vielmehr nahm sie mit Übergang von Nutzen und Lasten im Mai 2019 ihre grundstücksverwaltende Tätigkeit zum ersten Mal auf. Damit unterscheidet sich der hier strittige Sachverhalt von der Konstellation des Finanzgerichts München, denn in diesem Fall erfolgte der schuldrechtliche Erwerb des neuen Grundstücks 25 Tage vor der schuldrechtlichen Veräußerung des letzten Grundstücks. Hierin hat das Finanzgericht München eine unschädliche bloße Umschichtung in dem Grundbesitzbestand gesehen.

Soweit die Bevollmächtigte der Klägerin ausführt, dass die Versagung der erweiterten Kürzung in Fällen wie diesen zu einer erheblichen Ungleichbehandlung von grundstücksverwaltenden Kapitalgesellschaften gegenüber vermögensverwaltenden Personengesellschaft oder Einzelperson führen würde, kann das Gericht dem zwar folgen. Dies führt indes nicht zu einer abweichenden Auslegung der strittigen Norm. Die Vorschrift macht die Begünstigung von engen tatbestandlichen Erfordernissen abhängig. Sind diese nicht in vollem Umfang erfüllt, ist sie nicht zu gewähren. Der Gesetzgeber ist grundsätzlich darin frei, tatbestandliche Voraussetzungen und Erfordernisse zu normieren, die erfüllt sein müssen, um in den Genuss einer steuerlichen Begünstigung, wie hier der erweiterten Kürzung des Gewerbeertrags, zu gelangen (vgl. BFH, Urteil vom 26. Februar 2014 – I R 6/13 –, BFH/NV 2014, 1400-140).

Von dem Ausschließlichkeitserfordernis des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG sind auch keine Ausnahmen wegen Geringfügigkeit aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz -GG-) geboten. Die enge Ausgestaltung der Tatbestandsvoraussetzungen der erweiterten Kürzung entspricht dem verfassungsrechtlichen Gebot der Folgerichtigkeit. Dem würden Geringfügigkeitsgrenzen zuwiderlaufen. Solche Grenzen sind daher auch nicht aufgrund des verfassungsrechtlich gewährleisteten Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes geboten (BFH, Urteil vom 11. April 2019 – III R 36/15 –, BFHE 264, 470, BStBl II 2019, 705; BFH, Urteil vom 15. Juni 2023 – IV R 6/20 –, NV). Unabhängig davon lagen im Streitfall die tatbestandlichen Voraussetzungen für vier Monate des Erhebungszeitraums nicht vor, was weder absolut noch relativ als geringfügig anzusehen ist.

2. Ob die Tätigkeit der Klägerin, insbesondere unter Berücksichtigung der Senatsrechtsprechung im Urteil vom 18. Januar 2022 (8 K 8008/21), im Erhebungszeitraum gewerblichen Charakter hatte und sich somit nicht mehr als Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes darstellte kann für die Entscheidung im Streitfall dahinstehen.

3. Eine einfache Grundbesitzkürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG war durch das Gericht nicht zu berücksichtigen.

Hiernach ist die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um 1,2 % des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen des Unternehmers gehörenden und nicht von der Grundsteuer befreiten Grundbesitzes zu kürzen. Maßgebend ist der Einheitswert, der auf den letzten Feststellungszeitpunkt (Hauptfeststellungs-, Fortschreibungs- oder Nachfeststellungszeitpunkt) vor dem Ende des Erhebungszeitraums lautet, weshalb der Erwerb eines Grundstücks im Laufe des Erhebungszeitraums keine Kürzung des Gewinns nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG ermöglicht (§ 20 Abs. 1 Satz 2 Gewerbesteuerdurchführungsverordnung -GewStDV-).

Die Klägerin hat das Eigentum an dem Grundbesitz erst im Laufe des Erhebungszeitraums 2019 erworben, so dass ihr ein Anspruch auf Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG nicht zusteht.

III. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) sowie zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) zuzulassen. Der Fall bietet die Möglichkeit zu klären, ob Tätigkeiten eines Grundstückserwerbers zwischen Abschluss des schuldrechtlichen Kaufvertrages und dem Übergang des wirtschaftlichen Eigentums bereits Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes darstellen und deshalb als Grundstücksnutzung im Sinne des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG zu qualifizieren sind.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Revision zu.

Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Eine Abschrift oder Ausfertigung des Urteils soll ihr beigefügt werden. Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Auch die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. Die Begründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit das Urteil angefochten und seine Aufhebung beantragt wird. Sie muss ferner die bestimmte Bezeichnung der Umstände enthalten, aus denen sich eine Rechtsverletzung durch das Urteil ergibt; soweit Verfahrensmängel gerügt werden, muss sie auch die Tatsachen angeben, aus denen sich der Mangel ergibt.

Bei der Einlegung und Begründung der Revision vor dem Bundesfinanzhof muss sich jeder Beteiligte durch einen Steuerberater, einen Steuerbevollmächtigten, einen Rechtsanwalt, einen niedergelassenen europäischen Rechtsanwalt, einen Wirtschaftsprüfer oder einen vereidigten Buchprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen. Zur Vertretung berechtigt sind auch Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften sowie Partnerschaftsgesellschaften, die durch einen der in dem vorherigen Satz aufgeführten Berufsangehörigen tätig werden. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst oder durch entsprechend befähigte Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

Der Bundesfinanzhof hat die Postanschrift: Postfach 86 02 40, 81629 München, und die Hausanschrift: Ismaninger Str. 109, 81675 München, sowie den Telefax-Anschluss: 089/ 9231-201.

Rechtsmittel können auch über den elektronischen Gerichtsbriefkasten des Bundesfinanzhofs eingelegt und begründet werden, der über die vom Bundesfinanzhof zur Verfügung gestellte Zugangs- und Übertragungssoftware erreichbar ist. Die Software kann über die Internetseite „www.egvp.de“ lizenzkostenfrei heruntergeladen werden. Hier finden Sie auch weitere Informationen über die Einzelheiten des Verfahrens.