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Abschiebungsandrohung nach Spanien, minderjähriges Kind einer in Spanien als schutzberechtigt anerkannten Somalierin, Sachentscheidung zu Somalia, Somalia/Spanien


Metadaten

Gericht VG Cottbus 5. Kammer Entscheidungsdatum 03.01.2025
Aktenzeichen VG 5 K 577/21.A ECLI ECLI:DE:VGCOTTB:2025:0103.5K577.21.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Leitsatz

Einem in Deutschland nachgeborenen Kind einer Drittstaatsangehörigen, die in einem anderen EU-Mitgliedsstaat internationaler Schutz zuerkannt wurde, kann auch bei Ablehnung seines Asylantrages als unbegründet die Abschiebung in diesen anderem EU-Mitgliedsstaat angedroht werden. Orientierungssätze: Ein in Deutschland geborenes Kind einer Mutter mit subsidiären Schutz in Spanien, kann dort Familienasyl beanspruchen. Dass die Mutter für den Unterhalt aufkommen kann, ist keine Voraussetzung des Familienasyls.

Tenor

Soweit die Klage zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Wegen der Kosten ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der somalische Kläger wendet sich gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt), mit dem sein Asylantrag als unbegründet abgelehnt und seine Abschiebung nach Spanien angedroht wurde.

Der am 1_____ in L_____ geborene Kläger ist Sohn der in Spanien als schutzberechtigt anerkannten, in Mogadischu geborenen, somalischen Staatsangehörigen, Frau M_____ deren in Deutschland gestellter Asylantrag mit bestandskräftigem Bescheid vom 18. Juni 2015 wegen des ihr im März 2011 in Spanien gewährten subsidiären Schutzes als unzulässig abgelehnt wurde. Gleichzeitig drohte das Bundesamt eine Abschiebung nach Spanien an.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den angefochtenen Bescheid vom 26. April 2021 Bezug genommen.

Hiergegen hat der Kläger am 14. Mai 2021 Klage erhoben.

Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, dass ihm in Somalia Menschenrechtsverletzungen und die Gefahr drohten, dass er ein ziviles Opfer in einem innerstaatlichen Konflikt würde. Im Übrigen stehe ihm – abgeleitet von seiner Mutter – internationaler Schutz zu.

Bezogen auf Somalia habe er wegen der dortigen Versorgungslage Anspruch auf ein Abschiebungsverbot. Falls der Schutzstatus der Mutter aufgehoben würde, drohe ihm eine Kettenabschiebung von Spanien nach Somalia. Der Rückkehrprognose sei zu Grunde zu legen, dass der Kläger nach Somalia mit seiner Mutter zurückkehren müsste, die alleinerziehend sei. Sein Vater lebe in den Niederlanden. In Somalia gebe es keine Unterstützung für den Kläger. Seine Mutter genieße in Spanien subsidiären Schutz. Sofern verwaltungsgerichtliche Entscheidungen davon ausgehen, dass kein Abschiebungsschutz hinsichtlich Somalias zu gewähren sei, gelte dies nur für arbeitsfähige junge Männer.

Die Abschiebungsandrohung hinsichtlich Spaniens sei aufzuheben. Im Falle eines Asylantrages sei eine Abschiebungsandrohung in einen Staat der Europäischen Union nicht zulässig. Für diese Abschiebungsandrohung, die eine Rückkehrentscheidung i.S.d. Rückkehrrichtlinie sei, fehle es an einer Rechtsgrundlage im AsylG. § 34 AsylG sehe nur Abschiebungen in den Herkunftsstaat vor. Eine andere Sichtweise sei mit dem GEAS nicht vereinbar. Eine Abschiebung nach Spanien wäre nur bei einer Ablehnung auf der Grundlage von § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG möglich, was aber die Aufnahmebereitschaft Spanien voraussetze, die indes nicht feststehe.

Die Trennung zwischen dem Staat der Staatsangehörigkeit und Drittstaat als Zielstaat der Abschiebungsandrohung sei rechtswidrig.

Der Kläger leide an atypischem Autismus. Hierzu legt er sozialpädiatrische Berichte vom 23. August 2021 und vom 8. März 2022 sowie ein Humangenetische Gutachten vom 27. September 2022 vor. Der jüngste sozialpädiatrische Bericht diagnostiziert in erster Linie eine Intelligenzminderung schweren Grandes mit diskreter Autismus-spezifischer Symptomatik.

Nachdem der Kläger ursprünglich beantragt hat, unter Aufhebung der Ziffern 2. sowie 4. bis 7. des Bescheides die Beklagte zu verpflichten, ihm internationalen Schutz zuzuerkennen und die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG festzustellen,

beantragt nurmehr,

Ziffern 5. bis 7. des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 26. April 2021 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des AufenthG hinsichtlich Somalias festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht sie sich auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge Bezug genommen. Die Beteiligten hatten Gelegenheit Einsicht zu nehmen.

Entscheidungsgründe

Soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 VwGO eingestellt. In der oben wiedergegeben Beschränkung des im bereits anwaltlich verfassten Klageschriftsatz angekündigten Klageantrages liegt eine Klagerücknahme.

Die Klage im Übrigen bleibt ohne Erfolg.

Dies gilt zunächst für die auf Aufhebung der Regelungen zu 5. bis 7. im angefochtenen Bescheid gerichtete Anfechtungsklage. Diese Regelungen sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Unter Ziffer 5. stellt der Bescheid fest, dass hinsichtlich Spaniens keine Abschiebungsverbote vorliegen. Dass sich diese Feststellung auf Spanien bezieht, folgt zwar nicht schon aus dem Wortlaut der Regelung selbst. Diese ist jedoch im Lichte ihrer Begründung auszulegen. Die Begründung verhält sich indes ausschließlich zu Verhältnissen in Spanien.

Die für die Feststellung erforderliche Ermächtigungsgrundlage findet sich in § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG. Die negativen Voraussetzungen für die vom Bundesamt getroffene Feststellung liegen vor.

Gem. § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

Im Falle einer Abschiebung nach Spanien droht dem Kläger keine konventionswidrige Behandlung. Auszugehen ist von einer gemeinsamen Ausreise des Klägers mit seiner in Spanien subsidiären Schutz genießenden und über Grundkenntnisse des Spanischen verfügenden Mutter.

§ 60 Abs. 5 AufenthG bewahrt den Ausländer vor der Abschiebung in bestimmte Staaten und vermittelt eine relative Schutzposition. Indes umfasst das normative Vergewisserungskonzept des Art. 16a Abs. 2 GG über die Sicherheit eines Drittstaates die generelle Feststellung, dass einem Ausländer, der diesen Staat als Flüchtling erreicht, der Schutz der Europäischen Menschenrechtskonvention gewährt wird. Soll der in der Bundesrepublik um Schutz nachsuchende Flüchtling daher in diesen Drittstaat zurückgewiesen oder zurückverbracht werden, so entfällt deshalb auch eine gesonderte Prüfung der in 60 Abs. 5 AufenthG geregelten Abschiebungshindernisse, soweit diese aus der Europäischen Menschenrechtskonvention folgen (§ 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK); einer Prüfung bedarf es deshalb vor einer Aufenthaltsbeendigung in sichere Drittstaaten, wozu auch das Königreich Spanien als Mitglied der EU gehört, insoweit nicht (vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 – 2 BvR 1938/93 –, BVerfGE 94, 49-114, Rn. 186 zu § 53 Abs. 1 und 4 AuslG). Eine Prüfung, ob der Zurückweisung oder sofortigen Rückverbringung in den Drittstaat ausnahmsweise Hinderungsgründe entgegenstehen, kann der Ausländer nur erreichen, wenn es sich aufgrund bestimmter Tatsachen aufdrängt, dass er von einem der im normativen Vergewisserungskonzept nicht aufgefangenen Sonderfälle betroffen ist. An diese Darlegung sind strenge Anforderungen zu stellen (BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 – 2 BvR 1938/93 –, BVerfGE 94, 49-114, Rn. 190).

Ein solcher vom Vergewisserungskonzept nicht erfasster Sonderfall liegt nicht vor. Soweit der Kläger zu seinen Erkrankungen vorträgt, ist weder dem Gericht bekannt noch wird dies vom Kläger geltend gemacht, geschweige denn in einer für die Widerlegung des Vergewisserungskonzeptes geeigneten Weise belegt, dass diese Erkrankungen in Spanien nicht angemessen behandelt würden. Dass ihn in Spanien gegen Art. 3 EMRK verstoßende sozio-ökonomische Bedingungen erwarten würden, macht er ebenso wenig geltend. Anhaltspunkte für einen solchen Verstoß sind auch dem Gericht nicht bekannt. Insbesondere bietet die zur Rückkehr von Inhabern internationalen Schutzes und zu Dublin-Überstellungen ergangene Rechtsprechung keinerlei Anlass, an dem Vergewisserungskonzept zu zweifeln (vgl. zur einhelligen Rechtsprechung hinsichtlich Spaniens VG Gera, Beschluss vom 25. November 2024 – 6 E 1399/24 Ge – Juris m.w.N.). Diese Rechtsprechung ist auch im Falle des Klägers von Relevanz, weil für ihn ein Antrag auf Einbeziehung in den seiner Mutter gewährten subsidiären Schutzstatus in Spanien gestellt werden kann (vgl. hierzu weiter unten).

Ebenso wenig greift ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ein. Danach soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Das normative Vergewisserungskonzept des Art. 16a Abs. 2 GG umfasst auch solche Gefährdungen, weshalb sich auch insoweit eine Prüfung erübrigt (vgl. zu § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 – 2 BvR 1938/93 –, BVerfGE 94, 49-114, Rn. 186).

Unbegründet ist die Anfechtungsklage auch, soweit sie sich gegen die unter Ziffer 6 des Bescheides ausgesprochene Abschiebungsandrohung richtet.

Die Abschiebungsandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in § 34 AsylG. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor.

Wie bereits oben dargelegt liegt weder ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG noch ein solches nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG vor.

Gegen die Zielstaatsbestimmung „Königreich Spanien“ bestehen keine Bedenken. Gemäß § 59 Abs. 2 Satz 1 AufenthG soll in der Abschiebungsandrohung der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Für die rechtliche Beurteilung des in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Zielstaates ist es grundsätzlich unerheblich, ob der Ausländer dessen Staatsangehörigkeit besitzt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 1. September 1998 – 1 B 41.98 – Juris Rn. 9). Für die Wahl des Zielstaates genügt es, dass aufgrund der Beziehungen des Ausländers zum Zielstaat eine hinreichende Aussicht auf erfolgreiche Durchführung der Abschiebung besteht. Dann ist dem ausreisepflichtigen Ausländer zuzumuten, sich um eine Einreise (auch) in diesen Staat zu bemühen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 1. September 1998 – 1 B 41.98 – Juris Rn. 10). Im Übrigen ist das Bundesamt selbst in Fällen, in denen aus tatsächlichen Gründen wenig oder keine Aussicht besteht, den Ausländer in absehbarer Zeit abschieben zu können, ermächtigt und regelmäßig gehalten, eine "Vorratsentscheidung" zum Vorliegen von Abschiebungsverboten in Bezug auf bestimmte Zielstaaten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG zu treffen und diese auch in der Abschiebungsandrohung zu bezeichnen. Damit wird dem Asylsuchenden die gerichtliche Überprüfung dieser Entscheidung eröffnet und insoweit eine frühzeitige Klärung herbeigeführt (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Juli 2003 - 1 C 21.02 - BVerwGE 118, 308/311 f.), die aber nur die in dem Bescheid geprüften jeweiligen Zielstaaten erfasst, ohne den Rechtsschutz für andere Zielstaaten auszuschließen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. September 2011 - 10 C 23.10 - NVwZ 2012, 244; BVerwG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 – 10 B 39.12 – Buchholz 402.25 § 34 AsylVfG Nr 11).

Die Zielstaatsbestimmung „Königreich Spanien“ wahrt diese Voraussetzungen. Die Wahl Spaniens als Abschiebezielstaat ist nicht willkürlich. Zwar besitzt der Kläger selbst kein Aufenthaltsrecht in Spanien, wohl aber seine Mutter, die jedenfalls einen Anspruch aus Art. 24 der Richtlinie 2011/93/EU auf einer Erneuerung ihres Aufenthaltstitels habt. Sie ist auch mittlerweile sofort vollziehbar zur Ausreise nach Spanien verpflichtet. Die voraussichtliche Wohnsitznahme seiner Mutter in Spanien begründet auch für ihn eine hinreichende Beziehung dahin.

Dem Kläger ist eine Ausreise dorthin auch zumutbar. Denn nach spanischem Recht (Article 40 Asylum Act: Extensión familiar del derecho de asilo o de la protección subsidiaria) steht ihm ein Anspruch darauf, dass der seiner Mutter zuerkannte subsidiäre Schutz auf ihn erweitert wird. Neben der Option der Familienzusammenführung eröffnet das spanische Recht nämlich die Möglichkeit, den durch spanische Behörden gewährten Schutzstatus auf Familienangehörige zu erweitern (AIDA, Länderbericht Spanien, Stand 2023, Seite 163). Der Rechtsanspruch besteht insbesondere für minderjährige Kinder des Statusinhabers (AIDA, a.a.O. Seite 164). Dem Anspruch steht nicht entgegen, dass die Familie erst nach der Flucht aus dem Herkunftsland entstanden ist. Für die Stellung des entsprechenden Antrages ist auch keine Frist vorgesehen (AIDA, a.a.O. Seite 163). Hinsichtlich der Abkömmlinge des Statusinhabers ist es lediglich erforderlich, den Schutzstatus und die Kindschaft nachzuweisen. Der Nachweis, dass der Statusinhaber den Unterhalt des Kindes sichern kann, ist hingegen entbehrlich (AIDA, a.a.O. Seite 165). Da die Mutter des Klägers sowohl ihren Schutzstatus nachweisen als auch eine Geburtsurkunde für den Kläger vorweisen kann, steht der Erweiterung ihres Schutzstatus auf den Kläger in Spanien nichts entgegen.

Weiteren Anforderung muss die Zielstaatsbestimmung nicht genügen. Insbesondere kommt es auf die in Art. 3 Nr. 3 der Richtlinie 2008/115 als Ziel der Rückkehr genannten Länder nicht an. Denn die Richtlinie 2008/115/EG findet in der vorliegenden Konstellation keine Anwendung. Die mit der Richtlinie geschaffenen gemeinsamen Normen und Verfahren beziehen sich nämlich nur auf den Erlass von Rückkehrentscheidungen und deren Vollstreckung (EuGH, Urteil vom 8. Mai 2018 - C‑82/16 -, Rn. 44; EuGH, Urteil vom 24. Februar 2021 - C-673/​19 - Rn. 43). Die Richtlinie 2008/115 soll indes nicht die Folgen bestimmen, die sich im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aus dem illegalen Aufenthalt Drittstaatsangehöriger ergeben, gegenüber denen keine Entscheidung über die Rückführung in ein Drittland erlassen werden kann (EuGH, Urteil vom 24. Februar 2021 - C-673/19 - Juris Rn. 45), weil es auf Grund der in einem solchen Fall obwaltenden Umstände rechtlich unmöglich ist, dass eines der in Art. 3 Nr. 3 der Richtlinie 2008/115 genannten Länder als Zielort für die Rückkehr in Frage kommt (EuGH, Urteil vom 24. Februar 2021 - C-673/​19 – Rn. 42). Eine solche rechtliche Unmöglichkeit kann sich auch aus der Anwendung des Art. 5 der Richtlinie selbst ergeben (vgl. EuGH, Urteil vom 24. Februar 2021 - C-673/​19 – Rn. 40).

So verhält es sich hier. Vorliegend ist es rechtlich unmöglich, den Kläger in eines der in Art. 3 Nr. 3 der Richtlinie 2008/115 genannten Länder abzuschieben, also eine Rückkehrentscheidung i.S.d. Richtlinie 2008/115 zu treffen. Eine Abschiebung des somalischen Klägers in sein Herkunftsland Somalia oder in ein anderes der in Art. 3 Nr. 3 der Richtlinie 2008/115 genannten Länder verbietet sich bereits wegen des nach Art. 5 a) der Richtlinie 2008/115 zu berücksichtigenden Kindeswohls. Denn der siebenjährige Kläger ist schon wegen seines Alters auf die Fürsorge seiner Mutter angewiesen, weshalb jedwede Rückkehrentscheidung ausscheidet, die eine Trennung von seiner Mutter bewirken würde. Eine Abschiebung nach Somalia wäre indes nur unter Trennung von der Mutter denkbar, weil diese wegen ihres subsidiären Schutzstatus nicht nach Somalia abgeschoben werden darf. Ein Transitland oder ein anderes Land, das ihn und seine Mutter aufnehmen würde, existieren nicht.

Gegen die Abschiebungsandrohung bestehen auch sonst keine Bedenken. Insbesondere stehen die geschriebenen Voraussetzungen des schon wegen der mangels einer Rückkehrentscheidung gebotenen teleologischen Reduktion (vgl. hierzu ausführlich VG Cottbus, Urteil vom 22. August 2024 – 5 K 30/21.A – Juris Rn. 59f) vorliegend nicht anwendbaren § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AsylG der Abschiebungsandrohung nicht entgegen. Das Kindeswohl und die familiären Bindungen werden gewahrt, weil der Kläger nur zusammen mit seiner Mutter nach Spanien abgeschoben werden soll, wo er nach spanischem Recht Aufenthalt nehmen darf. Angesichts dessen, dass davon ausgegangen werden kann und muss, dass dem Kläger in Spanien eine etwa erforderliche medizinische Versorgung in angemessenen Umfang zu Teil werden wird (vgl. zur unionsrechtlichen Vermutung für eine angemessene medizinische Versorgung, die im Falle des Klägers gilt, sobald seine Mutter beantragt, ihren Schutzstatus auf den Kläger zu erstrecken: EuGH, Urteil vom 16. Februar 2017 – C-578/16 PPU – Rn. 70), steht auch sein Gesundheitszustand der Abschiebung nicht entgegen.

Gegen das unter Ziffer 7 des Bescheides verhängte Einreise- und Aufenthaltsverbot ist rechtlich nichts zu erinnern, nachdem feststeht, dass nur eine gemeinsame Ausreise mit seiner Mutter in Betracht kommt und nicht ersichtlich ist, dass der Kläger sonstige im Rahmen der Fristbemessung zu berücksichtigende Bindungen zum Inland hat.

Der Verpflichtungsantrag bleibt ebenfalls ohne Erfolg.

Der Kläger kann eine Prüfung des Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG bezogen auf seinen Herkunftsstaat Somalia nicht beanspruchen.

Der Asylsuchende hat Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungshindernisses nur hinsichtlich der Staaten, für die das Bundesamt verpflichtet ist, eine solche Feststellung zu treffen, für die es eine ihm nachteilige Feststellung bereits getroffen hat oder in die abgeschoben zu werden er aus berechtigtem Anlass sonst befürchten muss (BVerwG, Urteil vom 4. Dezember 2001 – 1 C 11.01 –, BVerwGE 115, 267-274, Rn. 11 - 12).

Vorliegend hat das Bundesamt in seinem Ablehnungsbescheid keine Entscheidungen hinsichtlich einer Abschiebung nach Somalia zu Lasten des Klägers getroffen. Es bestehen auch sonst keine Anhaltspunkte dafür, dass er eine Abschiebung nach Somalia ernsthaft zu befürchten hat. Im vorliegenden Falle rechtfertigt auch seine somalische Staatsangehörigkeit nicht die Annahme, dass er eine Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ernsthaft zu befürchten hat. Der nationale Abschiebungsschutz ist zielstaatsbezogen. Welcher Staat dabei in den Blick zu nehmen ist, hängt vom Ausgang des Asylverfahrens ab (BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2021 – 1 C 6.20 – BVerwGE 172, 356-365, Rn. 16). So scheidet etwa in den Fällen des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG (Gewährung internationalen Schutzes in einem anderen Mitgliedstaat) oder des § 29 Abs. 1 Nr. 4 AsylG (Aufnahmebereitschaft eines sonstigen Drittstaats, in dem der Ausländer vor Verfolgung sicher war) der Herkunftsstaat als Zielland der Abschiebung aus. Vielmehr ist in solchen Fällen dem Ausländer die Abschiebung in den Staat anzudrohen, in dem er vor Verfolgung sicher war (§ 35 AsylG) (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2021 – 1 C 6.20 – BVerwGE 172, 356-365, Rn. 16). Nichts Anderes gilt, wenn die Abschiebung in den Herkunftsstaat nicht etwa wegen des Refoulementverbotes, welchem § 35 AsylG in Verbindung mit § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG nationalrechtlich Geltung verschafft, sondern – wie hier - wegen des nach Art. 5 a) der Richtlinie 2008/115 zu berücksichtigenden Kindeswohls auf unabsehbare Zeit ausgeschlossen ist. Soweit der Kläger den Widerruf des seiner Mutter gewährten subsidiären Schutzes ins Spiel bringt, handelt es sich um eine durch keine greifbaren Tatsachen auch nur ansatzweise gestützte Spekulation. Im Übrigen könnte er dann gegen eine vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu erlassende Abschiebungsandrohung nach Somalia den Rechtsweg beschreiten (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. September 2011 - 10 C 23.10 - NVwZ 2012, 244; BVerwG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 – 10 B 39.12 – Buchholz 402.25 § 34 AsylVfG Nr 11). Im Verhältnis zu spanischen Behörden kann ein vom Bundesamt festgestelltes Abschiebungsverbot ohnehin keine Wirkungen erzeugen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 2 VwGO und § 83 b AsylG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

Rechtsmittelbelehrung: