Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 9. Senat | Entscheidungsdatum | 07.01.2025 | |
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Aktenzeichen | OVG 9 B 13/22 | ECLI | ECLI:DE:OVGBEBB:2025:0107.OVG9B13.22.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | Art 3 GG, § 5 KonsG, § 6 KonsG, § 46 VwVfG |
Die Berufung der Kläger wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Beschluss ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird für die zweite Instanz auf 3.000 Euro festgesetzt.
I.
Die Klägerseite wendet sich gegen drei Bescheide, mit dem das Auswärtige Amt Auslagenersatz für die Durchführung eines Rückholfluges aus dem Ausland verlangt.
Anfang 2020 schränkten die meisten Staaten vor dem Hintergrund der weltweiten Verbreitung der Viruserkrankung COVID-19 zunehmend das öffentliche Leben und insbesondere auch den internationalen Reiseverkehr ein, um eine Überlastung ihres Gesundheitssystems zu verhindern. Im März 2020 kam der reguläre internationale Luftverkehr zum Erliegen. Mehrere zehntausend Deutsche und deren Familienangehörige befanden sich noch im Ausland. Am 17. März 2020 begann eine durch das Auswärtige Amt organisierte Rückholaktion. Das Auswärtige Amt charterte 270 Flüge von kommerziellen Fluggesellschaften ganz oder teilweise, mit denen im Verlauf der folgenden Wochen ca. 67.000 Personen zurückgeholt wurden.
Die Kläger sind deutsche Staatsangehörige. Der Kläger zu 1 und die Klägerin zu 2 sind die Eltern der Klägerin zu 3. Die Familie hielt sich in Neuseeland auf. Am 11. April 2020 unterschrieben die Kläger zu 1 und 2 jeweils für sich und für die Klägerin zu 3 eine „Erklärung gemäß § 6 Konsulargesetz", in der u. a. der Antrag enthalten ist, „in die von der Bundesregierung zum Schutz vor Katastrophenfolgen organisierten Betreuungsmaßnahmen eingeschlossen zu werden". Die Teilnahme sei freiwillig. Die gesetzliche Verpflichtung zur Erstattung anteiliger Kosten der Katastrophenmaßnahmen erkannte die Klägerseite an.
Mit einem Flugzeug der D. flog die Klägerseite an demselben Tage von Auckland nach Frankfurt am Main. Als Gesamtkosten für den Flug stellte die Fluggesellschaft dem Auswärtigen Amt 995.000 Euro in Rechnung. Auf die Kläger entfielen davon rechnerisch jeweils 3.361,49 Euro.
Mit den angegriffenen Bescheiden setzte das Auswärtige Amt die von der Klägerseite für die Rückbeförderung nach Deutschland noch zu erstattenden Auslagen auf jeweils 1.000 Euro fest. Zur Begründung wurde ausgeführt, durch die Corona-Pandemie habe eine erhebliche Gefahr für Leben und Gesundheit bestanden. Rückholflüge seien eine typische und durch die Einstellung des regulären Flugverkehrs erforderliche Hilfsmaßnahme gemäß § 6 Abs. 1 KonsG. Aus verwaltungspraktischen Erwägungen seien die tatsächlich pro Flug angefallenen Auslagen nicht auf die einzelnen Reisenden umgelegt, sondern mittels regional gestufter Pauschalen berechnet worden. Die Pauschalen entsprächen näherungsweise einem durchschnittlichen Ticketpreis in der Economy-Klasse. Besondere Umstände, derentwegen auf die Erstattung zu verzichten sei, seien nicht ersichtlich. Die Lage vor Ort habe eine geordnete Rückführung erlaubt. Es sei davon auszugehen, dass Personen, die finanziell in der Lage seien, Auslandsreisen zu bestreiten, auch bestimmte Kosten unvorhergesehener Ereignisse auf der Reise tragen könnten. Dies gelte insbesondere für die Rückreise ins Heimatland. Von einer vorherigen Anhörung sei abgesehen worden, weil der Bescheid mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen worden und die Anhörung nicht geboten gewesen sei. Eine vorherige Anhörung hätte aufgrund der Vielzahl der Fälle einen unverhältnismäßigen Aufwand verursacht. Außerdem seien die den Bescheid begründenden Tatsachen bereits bekannt. Der festgesetzte Betrag stelle der Höhe nach keine besondere Belastung dar.
Die Klägerseite hat am 15. Januar 2021 Klage erhoben. Die angefochtenen Bescheide sei mangels Anhörung (§ 28 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG ) bereits formell rechtswidrig. Sie seien auch materiell rechtswidrig. Dem Bestimmtheitsgebot werde im Hinblick auf Höhe und Berechnung des Auslagenbetrages und der Angabe der beauftragten Fluggesellschaft und des Kostenschuldners nicht Rechnung getragen. Auslagenersatz könne nicht nach dem Konsulargesetz (KonsG), sondern nur im Rahmen der abschließend geregelten Erstattungstatbestände in § 7 Abs. 2 Auslandskostengesetz (AKostG) geltend gemacht werden. Darüber hinaus lägen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 6 KonsG nicht vor. Insbesondere sei kein „vergleichbares Ereignis“ gegeben. Der Rückholflug sei keine geeignete und erforderliche Maßnahme zum Schutz vor Erkrankungsgefahren gewesen. Die Höhe des Kostenersatzes sei mangels Einholung von Vergleichsangeboten, wegen der zu erwartenden EU-Gelder in Höhe von ca. 35 % der Kosten der Rückholaktion und auch im Hinblick darauf nicht gerechtfertigt, dass die Klägerseite ohnehin Steuern zahle. Pauschalen seien unzulässig.
Die Klägerseite hat beantragt,
die Bescheide der Beklagten vom 11. Dezember 2020 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Bescheide seien formell rechtmäßig. Das Auswärtige Amt sei für den Erlass zuständig und eine Anhörung gemäß § 28 VwVfG entbehrlich gewesen. Sie seien auch materiell rechtmäßig. § 6 KonsG sei einschlägig, da es sich bei der weltweiten Verbreitung des Coronavirus um ein mit Naturkatastrophen, kriegerischen oder revolutionären Verwicklungen „vergleichbares Ereignis“ handele, wobei es nicht auf eine regionale Eingrenzbarkeit der Geschehnisse ankomme. Die Rückholflüge seien zum Schutz der zurückbeförderten Personen geeignet und erforderlich gewesen. Die Hilfeleistung sei von der Klägerseite aufgrund des schriftlichen Antrags freiwillig in Anspruch genommen worden. Aus Klägersicht sei eine Versorgung im deutschen Gesundheitssystem vorzugswürdig gewesen. Hilfsmaßnahmen gemäß § 6 KonsG beschränkten sich nicht nur auf die unmittelbare Hilfe vor dem schädigenden Ereignis, sondern umfassten auch Schutz vor den mittelbaren Folgen wie etwa Obdachlosigkeit infolge von Hotelschließungen. Die Höhe des Auslagenersatzes sei nicht zu beanstanden. Die festgelegte Pauschale wirke sich nicht nachteilig auf die Klägerseite aus und sei im Vergleich zu den tatsächlich angefallenen Kosten die günstigere Variante und entspreche näherungsweise den Kosten eines kurzfristig gebuchten Flugtickets. Auf ihre Steuerzahlungen könne sich die Klägerseite nicht berufen.
Mit Urteil vom 17. Dezember 2021 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Bescheide seien formell und materiell rechtmäßig. Eine Anhörung sei gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG entbehrlich gewesen. Unabhängig davon sei ein etwaiger Anhörungsmangel gemäß § 46 VwVfG unerheblich. Die Bescheide genügten dem Bestimmtheitsgebot des § 37 VwVfG. Die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 1 KonsG lägen vor. Bei der Corona-Pandemie handele es sich um ein mit Naturkatastrophen, kriegerischen oder revolutionären Verwicklungen „vergleichbares Ereignis“. Bei dem Rückholflug habe es sich um eine erforderliche und geeignete Maßnahme zur Hilfe- und Schutzgewährung gehandelt. Die Klägerseite habe die Hilfe freiwillig angenommen. Die Höhe der geltend gemachten Kosten sei nicht zu beanstanden. Gründe für ein Absehen von der Geltendmachung des Auslagenersatzes lägen nicht vor.
Mit ihrer Berufung wiederholt und vertieft die Klägerseite ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Die Klägerseite beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts abzuändern und die Bescheide der Beklagten vom 11. Dezember 2020 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Streitakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang Bezug genommen.
II.
Der Senat entscheidet über die Berufung gemäß § 130a Satz 1 VwGO ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss, weil er sie einstimmig für zulässig und unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind zuvor gehört worden.
Die Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten vom 11. Dezember 2020 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerseite nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Das Auswärtige Amt ist für den Erlass des Kostenbescheides zum Ersatz der Auslagen für den Rückflug nach Deutschland gemäß §§ 5, 6 KonsG zuständig. Zu Recht führt das Verwaltungsgericht aus, dass die Erfüllung der im Konsulargesetz geregelten Aufgaben gemäß § 1 Abs. 2 und 4, § 2 GAD dem Auswärtigen Dienst als einheitlicher Behörde obliegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2009 - 7 C 13/08 , juris Rn. 24; Lenz, Der konsularische Schutz, 2017, S. 235).
Die Bescheide sind hinreichend bestimmt gemäß § 37 Abs. 1 VwVfG. Sie weisen die Kläger als Kostenschuldner in Bezug auf die Zahlung eines Betrages von 1.000 Euro (Pauschale) für die Inanspruchnahme des Rückholfluges von Auckland nach Frankfurt/Main aus.
Die Bescheide finden ihre Rechtsgrundlage in § 6 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 5 Abs. 5 Satz 1 KonsG.
Die Konsularbeamten sollen, wenn im Konsularbezirk Naturkatastrophen, kriegerische oder revolutionäre Verwicklungen oder vergleichbare Ereignisse, die der Bevölkerung oder Teilen von ihnen Schaden zufügen, eintreten oder einzutreten drohen, die erforderlichen Maßnahmen treffen, um den Geschädigten oder den Bedrohten, soweit sie Deutsche sind, Hilfe und Schutz zu gewähren (§ 6 Abs. 1 Satz 1 KonsG). Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 KonsG gilt § 5 Abs. 5 KonsG entsprechend, wonach der Empfänger der Hilfe oder des Schutzes zum Ersatz der Auslagen verpflichtet ist.
Die Hilfeleistung in Gestalt eines Rückholfluges ist rechtmäßig gewesen. Der Tatbestand des § 6 Abs. 1 KonsG setzt erstens voraus, dass ein Ereignis eintritt oder einzutreten droht, dass der Bevölkerung oder Teilen von ihnen Schaden zufügt, und zweitens, dass es sich bei dem Ereignis um eine Naturkatastrophe, kriegerische oder revolutionäre Verwicklungen oder vergleichbare Ereignisse handelt. Beides ist zu bejahen.
§ 6 Abs. 1 Satz 1 KonsG ist nicht nur eine objektiv-rechtliche Handlungsanweisung an die Konsularbeamten, sondern gibt unter bestimmten Voraussetzungen einen regelmäßigen Anspruch („soll“) auf Schutz und Hilfe für Deutsche. Ungeachtet der in § 6 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 5 Abs. 5 KonsG geregelten grundsätzlichen Pflicht zur Auslagenerstattung (vgl. aber § 6 Abs. 2 Satz 2 KonsG) sind die Tatbestandsmerkmale des § 6 Abs. 1 Satz 1 KonsG nicht wie die Tatbestandsmerkmale einer Ermächtigungsgrundlage für einen belastenden Verwaltungsakt tendenziell eng auszulegen. Vielmehr hat die Auslegung mindestens gleich-, wenn nicht vorrangig der Schutz- und Hilfeintention der Bestimmung Rechnung zu tragen und im Blick zu behalten, dass eine Verneinung des Vorliegens des Tatbestandes bedeutet, dass die Konsularbeamten die im Konsularbezirk befindlichen Deutschen grundsätzlich auf ihre Eigenverantwortung und damit auf Selbsthilfe verweisen könnten. § 6 KonsG umfasst allgemein Ereignisse höherer Gewalt mit gemeingefährlichem Charakter (vgl. Rausch in: Hecker/Müller-Chorus, Handbuch der konsularischen Praxis, 2. Aufl. 2007, § 3 Rn. 8). Bei einer Pandemie handelt es sich jedenfalls um ein „vergleichbares Ereignis“ im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 KonsG (vgl. dies voraussetzend Bals/Kuhn, GesR 2020, 213 [219]; Tonner, MDR 2020, 519 [523]). Denn auch Seuchen bzw. ansteckende Krankheiten können eine Gemeingefahr für viele Menschen darstellen. Bereits in der Überschrift der Vorschrift ist allgemein von „Katastrophenfällen“ die Rede, was für eine weite Auslegung der Norm spricht (vgl. Lenz, Der konsularische Schutz, 2017, S. 189 f.). Für ein weites Verständnis des § 6 Abs. 1 Satz 1 KonsG spricht auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift. In der Begründung zum Gesetzentwurf wird der Begriff des vergleichbaren Ereignisses nicht näher definiert. Dort heißt es, dass die Norm generell Fälle umfassen soll, „wo ein im Ausland eintretendes Ereignis Gefahren oder Schäden für eine größere Anzahl von Menschen, unter ihnen auch für Deutsche, mit sich bringt“ (vgl. BT-Drucks. 7/131, S. 21). Weiterhin wird klargestellt, dass die Aufzählung in § 6 Abs. 1 Satz 1 KonsG beispielhaft und nicht abschließend ist. Dies lässt auf die gesetzgeberische Intention schließen, den sachlichen Anwendungsbereich der Norm auf möglichst viele Ereignisse zu erstrecken. Sinn und Zweck der Norm ist die schnelle und unkomplizierte Hilfeleistung für eine Vielzahl von Personen, die unvorhergesehen in Not geraten sind oder in Not zu geraten drohen. Dem steht schon begrifflich insbesondere nicht entgegen, dass diese sich nicht auf den Konsularbezirk beschränkt und ggf. auch in Deutschland vorliegt.
Soweit in der Literatur (vgl. Hoffman/Glietsch, Konsularrecht, Bd. 1, 76. Ergänzungslieferung, Stand 1. März 2011, § 6 Rn. 1.2) die Auffassung vertreten wird, das „vergleichbare Ereignis“ beziehe sich lediglich auf die Variante der „kriegerischen und revolutionären Entwicklungen“, überzeugt dies nicht. Diese Ansicht wird nicht näher begründet. Ein solches Verständnis der Vorschrift entspricht auch nicht der grammatikalischen Auslegung des Gesetzeswortlauts, der eine gleichberechtigte Aufzählung aller Tatbestandsvarianten vornimmt, was an der Konjunktion „oder“ zu erkennen ist. Des Weiteren könnte ein beschränktes Verständnis des vergleichbaren Ereignisses auf kriegerische und revolutionäre Verwicklungen zu Rechtsunsicherheiten führen. Denn bei Ereignissen wie Großbränden oder Verkehrsunglücken wäre stets zu fragen, ob diese das Ergebnis einer Naturkatastrophe, wie zum Beispiel schlechter Wetterbedingungen, und somit von § 6 Abs. 1 Satz 1 KonsG erfasst wären oder auf einen technischen Defekt oder ein menschliches Versagen zurückzuführen wären und somit außerhalb des Anwendungsbereichs der Norm lägen (vgl. Lenz, Der konsularische Schutz, 2017, S. 189 f.).
Was die durch das jeweilige Ereignis drohenden oder bereits verursachten Schäden angeht, kommt es nicht darauf an, ob diese unmittelbar auf das Ereignis zurückzuführen sind oder mittelbarer Natur sind. Vielmehr stellt die Formulierung „mit sich bringen“ in der Gesetzesbegründung klar, dass jegliche (drohende) Schäden, also auch Folgeschäden, ausreichen, um ein Tätigwerden der Konsularbeamten im Rahmen des § 6 Abs. 1 Satz 1 KonsG zu rechtfertigen, vgl. BT-Drucks. 7/131, S. 21. Damit waren nicht allein drohende gesundheitliche Schäden infolge einer COVID-19-Infektion in den Blick zu nehmen. Die weltweite Pandemie führte zu Beschränkungen bzw. Einstellung des zivilen Flugverkehrs, Grenzschließungen sowie zu Ausgangssperren und strikten Quarantäneregeln. Auch war mit Hotelschließungen zu rechnen, sodass im Ausland aufhältlichen Deutschen neben potentiell tödlichen Gesundheitsgefahren auch Obdachlosigkeit drohte. Daneben bestand die Gefahr wirtschaftlicher Not, etwa durch eine Einstellung der Geldversorgung. Zum damaligen Zeitpunkt war ein Ende der pandemiebedingten Einschränkungen in den jeweiligen Staaten nicht absehbar. Es musste sogar noch mit weiteren freiheitsbeschränkenden Maßnahmen gerechnet werden.
Der bei Erfüllung des Tatbestandes des § 6 Abs. 1 Satz 1 KonsG regelmäßig ("soll") bestehende Hilfeanspruch erstreckt sich auf eine geeignete und erforderliche Hilfe. Mit erkennbar ungeeigneten Maßnahmen darf der Konsularbeamte den Bürger nach Sinn und Zweck der Bestimmung nicht "abspeisen", während der Bürger umgekehrt auch nicht mehr als das Erforderliche verlangen kann. Mit Blick auf den Umstand, dass es bei § 6 Abs. 1 Satz 1 KonsG um Hilfeleistung in einer Ausnahmesituation geht und insoweit eine grundsätzliche Kostenerstattungspflicht vorgesehen ist, hat der Konsularbeamte im Rahmen des Möglichen zwar auch im Interesse des Bürgers - mit - darauf zu achten, dass die Hilfeleistung das Erforderliche nicht überschreitet und damit dem Bürger unnötige Kosten verursacht. Allerdings ist insoweit nur eine ex-ante- und nicht eine ex-post-Betrachtung anzustellen. Überdies ist die Wahrung der eigenen Interessen in erster Linie Sache des mündigen Bürgers. Vor diesem Hintergrund ist regelmäßig davon auszugehen, dass eine freiwillig angenommene Hilfe aus der maßgeblichen seinerzeitigen Sicht nicht nur geeignet, sondern auch erforderlich gewesen ist.
So liegt der Fall auch hier. Die Annahme der angebotenen Hilfe (Rückholflug) belegt, dass die Klägerseite die Hilfe seinerzeit selbst als geeignet und erforderlich angesehen hat, um den oben aufgezeigten Gefahren zu entgehen. Daran muss sie sich grundsätzlich festhalten lassen. Für eine Ausnahme ist nichts ersichtlich. Im Übrigen bestehen auch sonst keine Zweifel an der Geeignetheit und Erforderlichkeit der Hilfemaßnahme.
Die Klägerseite ist nicht durch Drohung oder Täuschung des Konsularbeamten genötigt worden, den Rückholflug in Anspruch zu nehmen. Soweit der Konsularbeamte auf die Folgen der Nichtannahme des Angebots hingewiesen haben sollte, etwa darauf, dass es bei Nichtannahme u. U. auf längere Zeit keine Rückkehrmöglichkeit geben werde, und soweit für die Annahme des Angebots nur ein kurzer Zeitraum zur Verfügung gestanden hat, ist das der seinerzeitigen Situation geschuldet gewesen und hat sich in einem Rahmen bewegt, in dem eine eigenverantwortliche Entscheidung über die Annahme des Rückholangebots jedenfalls nicht ausgeschlossen gewesen ist.
Die Höhe der geltend gemachten Kosten ist nicht zu beanstanden. Unstreitig liegt die veranschlagte Pauschale unter den anteilig tatsächlich entstandenen Kosten. Insoweit liegt ein partieller Forderungsverzicht durch die Beklagte vor. Dagegen, dass der Forderungsverzicht bei den Begünstigten unterschiedlich hoch ausfällt, weil die Fluggesellschaften der Beklagten unterschiedlich hohe Charterkosten berechnet haben, ist auch mit Blick auf den Gleichbehandlungsanspruch (Art. 3 Abs. 1 GG) nichts zu erinnern. Der Forderungsverzicht ist in seiner Wirkung mit einer Zuwendung vergleichbar. Die öffentliche Hand ist als Zuwendungsgeberin vor allem bei der Ordnung von Massenerscheinungen zugunsten eines praktikablen Verwaltungsverfahrens berechtigt, in erheblichem Umfang zu typisieren und zu generalisieren, auch wenn dies zulasten der Einzelfallgerechtigkeit geht, insbesondere wenn es sich um eine Leistung handelt, auf die – wie hier beim (partiellen) Forderungsverzicht – weder ein verfassungsrechtlicher noch einfachgesetzlicher Anspruch besteht. Generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen müssen aber sach- und realitätsgerecht sein. Sie müssen sich am tatsächlich typischen und nicht am atypischen Fall orientieren (vgl. OVG Münster, Urteil vom 5. März 2024 21 A 1986/21 -, juris Rn. 72 ff.; OVG Lüneburg, Urteil vom 24. März 2021 - 10 LC 203/20 -, juris Rn. 47). Diese Vorgaben hat die Beklagte bei der Pauschalierung und deren Stufung beachtet. Sie hat sich am durchschnittlichen Ticketpreis für einen Economy-Platz orientiert und bei der Stufung den unterschiedlichen Ticketpreisen bei verschieden langen Flugstrecken Rechnung getragen. Die Pauschalierung dient der verwaltungspraktikablen und damit zeitnahen Abwicklung der Vielzahl der Fälle. Mit dem (partiellen) Forderungsverzicht hat sie sichergestellt, dass sie in jedem Einzelfall keinen höheren Betrag erhebt, als ihr jeweils an Kosten entstanden sind, und sie mehr verlangt, als ihr als Auslagenersatz zusteht.
Ticketpreise, die vor der Rückholaktion oder im Frühjahr 2021 zu zahlen waren, spielen angesichts des am 9. April 2020 durchgeführten Fluges keine Rolle. Auch war die Kostenforderung in Anbetracht der zu erwartenden EU-Mittel in Höhe von 35 % der Kosten der Rückholaktion nicht überhöht. Insoweit wird gemäß § 130b VwGO auf die zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Der Umstand, dass die Beklagte die Klägerseite vor Erlass des Auslagenersatzbescheides nicht angehört hat, ist auch dann, wenn die Beklagte entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts nicht nach § 28 Abs. 2 VwVfG von der Anhörung hätte absehen dürfen und das Unterlassen der Anhörung nicht durch Wechseln der Schriftsätze nach § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG ausgeglichen worden sein sollte, nicht erheblich. Die Aufhebung eines Verwaltungsakts, der nicht nach § 44 VwVfG nichtig ist, kann nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat (§ 46 VwVfG). Eine erforderliche, aber unterbliebene Anhörung ist ein derartiger Verfahrensfehler (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2009 - 7 C 13/08 -, juris Rn. 28). Sie führt in der Regel nicht gemäß § 44 Abs. 1 VwVfG zur Nichtigkeit des Bescheids, wie daraus ersichtlich ist, dass sie gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG nachgeholt werden kann (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. November 2018 - OVG 12 B 51.18 -, juris Rn.42). Die unterbliebene Anhörung rechtfertigt die Aufhebung des Auslagenersatzbescheids jedenfalls deshalb nicht, weil offensichtlich ist, dass sie die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Umstände, die eine Heranziehung der Klägerseite zu den Kosten des Rückholflugs unverhältnismäßig erscheinen lassen, insbesondere ein Absehen von der Kostenerstattung erfordern (§ 6 Abs. 2 Satz 2 KonsG), hat die Klägerseite auch im Gerichtsverfahren nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich. Insoweit wird auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen (§ 130b Satz 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.
Die Streitwertfestsetzung für das Verfahren zweiter Instanz beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 3 GKG; sie entspricht dem geforderten Kostenersatz.
Rechtsmittelbelehrung
Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.
Die Beschwerde ist bei dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Hardenbergstraße 31, 10623 Berlin, innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen.
Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist bei dem oben genannten Gericht schriftlich oder in der bezeichneten elektronischen Form einzureichen.
Rechtsanwälte, Behörden, juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie Vertretungsberechtigte, die über ein elektronisches Postfach nach § 55a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 VwGO verfügen, sind zur Übermittlung elektronischer Dokumente nach Maßgabe des § 55d VwGO verpflichtet.
Im Beschwerdeverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde und für die Begründung. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschulen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. In Angelegenheiten, die ein gegenwärtiges oder früheres Beamten-, Richter-, Wehrpflicht-, Wehrdienst- oder Zivildienstverhältnis betreffen, und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen einschließlich Prüfungsangelegenheiten, sind auch die in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 VwGO bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß § 67 Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 VwGO als Bevollmächtigte zugelassen; sie müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Ein als Bevollmächtigter zugelassener Beteiligter kann sich selbst vertreten. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt vertreten lassen; das Beschäftigungsverhältnis kann auch zu einer anderen Behörde, juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem der genannten Zusammenschlüsse bestehen. Richter dürfen als Bevollmächtigte nicht vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören.
Die Streitwertfestsetzung ist unanfechtbar.