Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 6. Senat | Entscheidungsdatum | 04.02.2025 | |
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Aktenzeichen | OVG 6 N 2/25 | ECLI | ECLI:DE:OVGBEBB:2025:0204.OVG6N2.25.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 124 Abs 2 Nr 1 VwGO , § 2 Abs 3 TKBG , § 5 Abs 3 Satz 2 TKBG , § 7 Abs 2 TKBG , § 50 SGB X , § 52 SGB X , § 195 BGB |
Zur Verjährung von Ansprüchen auf Kostenbeteiligung für die Kindertagesbetreuung nach dem TKBG.
Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 13. November 2024 wird abgelehnt.
Die Kläger tragen die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens.
Die Kläger wenden sich gegen Kostenbeteiligungsbescheide nach dem Tagesbetreuungskostenbeteiligungsgesetz - TKBG -. Der Beklagte bewilligte ihnen auf entsprechende Anträge Basisgutscheine für eine Kindertagesbetreuung und setzte hierfür Kostenbeteiligungen durch jeweils bestandskräftige Bescheide antragsgemäß nach § 2 Abs. 3 TKBG vorläufig fest, da ihr maßgebliches Einkommen für die fraglichen Zeiträume ab August 2014 bzw. ab August 2016 jeweils noch nicht feststand. Nachdem die Kläger im April 2023 die entsprechenden Einkommensteuerbescheide vorgelegt hatten, setzte der Beklagte mit zwei Bescheiden vom 4. Mai 2023 eine höhere monatliche Kostenbeteiligung für die Zeit ab August 2014 bzw. ab August 2016 endgültig und mit weiterem Bescheid vom selben Tag den sich aufgrund der Änderung des Kostenbeteiligungsbetrages ergebenden Gesamtbetrag der Nachforderung auf 2.332 Euro fest. Das Verwaltungsgericht hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen.
Der auf ernstliche Richtigkeitszweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung hat auf der allein maßgeblichen Grundlage ihres Vorbringens im Berufungszulassungsverfahrens (vgl. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) keinen Erfolg.
Mit ihrem Antrag wenden die Kläger ausschließlich ein, die mit den angefochtenen Bescheiden geltend gemachten Forderungen seien verjährt. Der vom Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf einschlägige Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Senatsbeschluss vom Februar 2016 - OVG 6 S 53.15 -, LKV 2016, 233 f.) herangezogene § 52 Abs. 2 SGB X sei nicht einschlägig.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 4. März 2021 - B 11 AL 5/20 R - juris Rn. 27) greife die dreißigjährige Verjährungsfrist nach § 52 Abs. 2 SGB X nur ein, wenn ein Verwaltungsakt im Sinne des Absatzes 1 unanfechtbar geworden sei. Ein Verwaltungsakt in diesem Sinne sei nur ein solcher, der zur Feststellung oder Durchsetzung dieses Anspruchs und - in zeitlicher Hinsicht - zugleich während einer bereits laufenden Verjährung dieses Anspruchs erlassen werde. Der Verwaltungsakt zur Feststellung oder Durchsetzung hemme nach § 52 Abs. 1 Satz 1 SGB X die Verjährung „dieses Anspruchs“. Diese Rechtsfolge könne nur bei einer bereits in Gang gesetzten Verjährungsfrist erreicht werden. Vorausgesetzt werde ein Anspruch, der schon der Verjährung unterliege. Ein solcher Verwaltungsakt im Sinne des § 52 Abs. 1 SGB X liege im hiesigen Fall nicht vor, es fehle damit an einer aus verfassungsrechtlichen Gründen notwendigen Verjährungsregelung, weil das TKBG in § 7 Abs. 2 lediglich auf das SGB X verweise, selbst aber keine Verjährungsregelung für die Kostenbeteiligung enthalte. Daher sei wahlweise von einer vierjährigen Verjährungsfrist nach § 50 Abs. 4 Satz 1 SGB X analog oder einer dreijährigen Verjährungsfrist nach § 195 BGB analog auszugehen. Diese Argumentation verhilft dem Begehren der Kläger nicht zum Erfolg.
Der Sache nach machen die Kläger geltend, die endgültige Festsetzung der Kostenbeteiligung unterliege einer (Festsetzungs-) Verjährung. Diese Annahme, einmal als zutreffend unterstellt, verkennt, dass eine etwaige Frist zur Geltendmachung der endgültigen Kostenbeteiligung nicht bereits mit Erlass des Bescheides über die vorläufige Kostenbeteiligung, sondern frühestens ab dem Zeitpunkt liefe, zu dem die (endgültige) Höhe des Anspruchs auf Kostenbeteiligung feststünde. Das ist erst mit Vorliegen der für den fraglichen Zeitraum einschlägigen Einkommensunterlagen der Fall. Die Schaffung dieser Voraussetzung haben die Kostenbeteiligungspflichtigen indessen selbst in der Hand, indem sie diese Unterlagen bei der Behörde einreichen. Anderenfalls könnten sie durch bloße Nichtvorlage der fraglichen Einkommensunterlagen eine endgültige Festsetzung der Kostenbeteiligung und damit eine Heranziehung zur Kostenbeteiligung in der an sich gesetzlich vorgesehenen Höhe verhindern.
Da der Beklagte die endgültige Kostenbeteiligung durch die hier streitgegenständlichen Bescheide vorliegend nur weniger als einen Monat nach Übersendung der einschlägigen Einkommensteuerbescheide festgesetzt hat, kommt es auf Verjährungsfristen und die Frage, ob für den Kostenbeteiligungsanspruch eine „primäre Verjährungsregelung“ existieren müsse, nicht an. Dasselbe gilt für den Einwand der Kläger, das Fehlen einer Verjährungsregelung sei mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht vereinbar, das in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor schütze, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden könnten, wozu auch Verjährungsregelungen dienten. Dieses Vorbringen geht daran vorbei, dass es sich in solchen Fällen zum einen nicht um in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge handelt und dass die Kostenbeteiligungspflichtigen des Weiteren auch nicht unbegrenzt zu neuen Lasten herangezogen werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).