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Baugenehmigung, Nachbarwiderspruch, vorläufiger Rechtsschutz, "Stadtvilla"/Einfamilienhaus neben Wochenendhaus, Abstandsflächen, Rücksichtnahmegebot, erdrückende Wirkung, Verschattung, Wertminderung/Nachteil, Einsichtsmöglichkeiten


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 10. Senat Entscheidungsdatum 30.01.2025
Aktenzeichen OVG 10 S 39/24 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2025:0130.OVG10S39.24.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 34 Abs 1 BauGB , § 6 BbgBO , § 146 Abs 4 VwGO

Tenor

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 19. November 2024 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerde tragen die Antragsteller mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsteller wenden sich gegen eine Baugenehmigung, die der Antragsgegner der Beigeladenen für den Umbau eines Nebengebäudes zu einem zweigeschossigen Wohnhaus auf dem Nachbargrundstück erteilt hat. Das Verwaltungsgericht hat ihr Begehren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt. Dagegen richtet sich ihre Beschwerde.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Soweit sie den Darlegungsanforderungen nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO gerecht wird, nach denen sie sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen muss, statt nur auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen oder der Bewertung des Verwaltungsgerichts lediglich die eigene Bewertung gegenüberzustellen, ist sie jedenfalls unbegründet. Die in der Beschwerdebegründung gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO dargelegten Gründe, auf deren Überprüfung das Oberverwaltungsgericht nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine Aufhebung oder Änderung des erstinstanzlichen Beschlusses.

Nach dem Prüfungsmaßstab des vorläufigen Rechtsschutzes eines Dritten gegen eine Baugenehmigung oder eine sonstige bauaufsichtliche Zulassung (vgl. § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO, § 212a Abs. 1 BauGB) ist es im Kern maßgeblich, ob die Antragsteller als Dritte dargelegt haben, dass sie ein Abwehrrecht gegen das genehmigte Bauvorhaben haben, es also gegen eine drittschützende Norm verstößt. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfes eines Dritten gegen die Baugenehmigung kommt in Betracht, wenn bei summarischer Prüfung zumindest gewichtige Zweifel an der rechtlichen Unbedenklichkeit der angefochtenen Genehmigung oder bauaufsichtlichen Zulassung mit Blick auf die Rechte des Dritten bestehen (stRsp., vgl. OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 9. Juni 2017 – OVG 10 S 34.17 –, juris Rn. 3; Beschluss vom 26. Oktober 2018 – OVG 10 S 41.17 –, juris Rn. 2; näher OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 19. August 2014 – OVG 10 S 57.12 –, juris Rn. 3 m.w.N.). Zu Recht hat es deshalb das Verwaltungsgericht als für die gerichtliche Prüfung maßgebend erachtet, ob die Genehmigung gegen Normen verstößt, die zumindest auch dem Schutz des Dritten dienen, d. h. ihn in dessen eigenen subjektiven Rechten im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO verletzen.

Sollten die Antragsteller mit ihrer eingangs gewählten Formulierung eines „umfassend zu wertenden Vortrags“ demgegenüber eine umfassende rechtliche Prüfung der Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung begehren, so ist dies schon im Ansatz verfehlt. Sie verkennen, dass die Nachbaranfechtung einer Baugenehmigung kein objektives Beanstandungsverfahren ist.

Das Verwaltungsgericht ist im Ergebnis davon ausgegangen, dass der Widerspruch der Antragsteller gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 24. Juli 2023 voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, weil es nach der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung nicht offensichtlich oder überwiegend wahrscheinlich sei, dass die Baugenehmigung Nachbarrechte der Antragsteller verletze. Das Beschwerdevorbringen der Antragsteller gibt keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung oder Bewertung. Dazu im Einzelnen:

Die Antragsteller rügen erfolglos, dass sich das Bauvorhaben nicht im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB in die vorhandene Umgebungsbebauung einfüge. Es ist in der Rechtsprechung geklärt, dass § 34 Abs. 1 BauGB nicht stets und generell drittschützend ist. Ein Nachbar, der sich auf der Grundlage des § 34 Abs. 1 BauGB gegen ein Vorhaben im unbeplanten Innenbereich wendet, kann mit seiner Klage oder – hier – mit seinem vorläufigen Rechtsschutzbegehren nur durchdringen, wenn die angefochtene Baugenehmigung gegen das im Tatbestandsmerkmal des Einfügens enthaltene Gebot der Rücksichtnahme verstößt (BVerwG, Urteil vom 19. März 2015 – BVerwG 4 C 12.14 –, juris Rn. 9; Beschluss vom 13. November 1997 – BVerwG 4 B 195.97 –, juris Rn. 6 m.w.N.; OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 11. März 2014 – OVG 10 S 13.12 –, juris Rn. 11). Das hat das Verwaltungsgericht zu Recht verneint.

1. Die rechtliche Würdigung des Verwaltungsgerichts wird nicht dadurch in Zweifel gezogen, dass es auf die im erstinstanzlichen Verfahren geäußerte „Anregung und Bitte“, einen Ortstermin anzuberaumen, nicht eingegangen ist. Entgegen dem Vorbringen der Antragsteller im Beschwerdeverfahren ist es nicht geboten gewesen, sich zur Problematik nach § 34 Abs. 1 BauGB sowie auch den thematisierten Verstößen gegen das Rücksichtnahmegebot vor Ort einen Überblick und Eindruck zu verschaffen. Grundsätzlich gilt im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO zwar der Untersuchungsgrundsatz des § 86 Abs. 1 VwGO, die Prüfungsdichte ist aber wegen der Eilbedürftigkeit eingeschränkt (OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 17. November 2015 – OVG 10 S 24.14 –, juris Rn. 19). Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht seine Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren Dritter gegen eine Baugenehmigung auf in der Akte vorhandene präsente Beweismittel gestützt hat (OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 7. Juli 2016 – OVG 10 S 15.16 –, juris Rn. 19). Abgesehen davon legt die Beschwerde, soweit sie ausführt, „ob ein Verstoß nach § 34 Abs. 1 BauGB, insbesondere betreffend die Bauweise und auch Art und Maß der baulichen Nutzung vorliegt, lässt sich meist nicht dem beschriebenen Papier und irgendwelchen Luftbildern entnehmen“ nicht konkret dar, welche zusätzlichen entscheidungserheblichen Erkenntnisse ein Ortstermin erbracht hätte.

2. Soweit das weitere Vorbringen der Antragsteller, das genehmigte Bauvorhaben der Beigeladenen stelle sich als eine für die örtlichen Verhältnisse sehr große, aus zwei Vollgeschossen bestehende Stadtvilla dar, die alle anderen Bauwerke in dem zur Wertung heranzuziehenden unmittelbaren Bereich übertreffe, der als dörfliches Siedlungsgebiet von ländlicher Lebensweise geprägt sei dahin zu verstehen sein sollte, durch die Dimensionierung der baulichen Anlage werde der Gebietserhaltungsanspruch verletzt, greift dies nicht durch. Dabei kann unentschieden bleiben, ob im hier vorliegenden Fall, in dem sich das Vorhabengrundstück im unbeplanten Innenbereich nach § 34 Abs. 1 BauGB befindet und das Grundstück der Antragsteller im unmittelbar angrenzenden Plangebiet (Bebauungsplan Nr. 1 Wohnbebauung Gemeinde L_____), zugunsten letzterer ein baugebietsübergreifender Gebietserhaltungsanspruch anzuerkennen ist, wie die Antragsteller offenbar meinen, wenn sie ausführen, die aus dem Bebauungsplan resultierenden Maßstäbe vermittelten sich über § 34 Abs. 1 BauGB (vgl. zur Rechtsfigur des baugebietsübergreifenden Gebietserhaltungsanspruchs Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 12. Juli 2010 – 1 B 111/10 –, juris Rn. 8). Denn jedenfalls beschränkt sich der Gebietserhaltungsanspruch in einem festgesetzten wie auch in einem faktischen Baugebiet auf Umstände, die sich auf die Art der baulichen Nutzung beziehen (OVG Bln-Bbg, Urteil vom 30. Juni 2017 – OVG 10 B 10.15 – juris Rn. 47; OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 7. Dezember 2018 – OVG 10 S 4.18 – juris Rn. 12 sowie vom 16. August 2022 – OVG 10 S 17/22 – juris Rn. 12). Da die Antragsteller hingegen nur das Maß der baulichen Nutzung rügen, scheidet ein Rückgriff auf die Grundsätze des Gebietserhaltungsanspruchs schon deswegen aus. Auch Gründe des Nachbarschutzes rechtfertigen es nicht, den Gebietserhaltungsanspruch der Sache nach systemwidrig auf Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung zu erweitern (vgl. OVG Bln-Bbg, Urteil vom 30. Juni 2017, a.a.O., Rn. 47).

Soweit die Antragsteller darüber hinaus anführen, das Vorhaben wäre nach den Maßgaben des angrenzenden Bebauungsplanes nicht genehmigungsfähig gewesen ist dies ohne Bedeutung, weil es nicht im Plangebiet belegen ist.

3. Soweit die Antragsteller unter Verweis auf die Größe und die zwei Vollgeschosse des Vorhabens einen selbständigen Verstoß gegen das nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB zulässige Maß der baulichen Nutzung rügen wollen, gehen ihre Ausführungen schon deshalb ins Leere, weil dieses bauplanungsrechtliche Merkmal grundsätzlich keine nachbarschützende Wirkung entfaltet. Insoweit kann der Nachbar, der sich auf Grundlage des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB gegen ein Vorhaben im unbeplanten Innenbereich wendet, mit seinem Begehren nur dann durchdringen, wenn die angefochtene Baugenehmigung gegen das im Tatbestandsmerkmal des Einfügens enthaltene Gebot der Rücksichtnahme verstößt. Eine isolierte Rüge des Verstoßes gegen das zulässige Maß der baulichen Nutzung im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB reicht daher nicht (OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 27. November 2018 – OVG 10 S 57.17 – juris Rn. 10 m.w.N.).

4. Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe rechtfertigen auch insoweit keine Änderung des erstinstanzlichen Beschlusses, als das Verwaltungsgericht zu der Würdigung und Bewertung gelangt ist, dass das genehmigte Vorhaben der Beigeladenen nicht das nachbarschützende Rücksichtnahmegebot verletze. Ziel des Rücksichtnahmegebots ist es, einander abträgliche Nutzungen in rücksichtsvoller Weise zuzuordnen sowie Spannungen und Störungen zu vermeiden. Welche Anforderungen sich hieraus ergeben, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab, namentlich davon, was dem Rücksichtnahmebegünstigten einerseits und dem Rücksichtnahmeverpflichteten andererseits nach Lage der Dinge zuzumuten ist (stRsp., BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2012 - BVerwG 4 C 11.11 -, juris Rn. 32 m.w.N.). Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung derer ist, denen die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugutekommt, umso mehr kann an Rücksichtnahme verlangt werden. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen (BVerwG, Beschluss vom 15. Juni 2016 – 4 B 52/15 –, juris Rn. 12).

a) Dies zugrundegelegt wenden die Antragsteller ohne Erfolg sinngemäß ein, die Kammer habe bei der Abwägung der Interessen der Beigeladenen, des öffentlichen Interesses an der Verwirklichung des Bauvorhabens und ihrer betroffenen Interessen unzureichend berücksichtigt, dass das Vorhabengrundstück ursprünglich 3.000 m² Fläche umfasst habe, der Baugrund hieraus abgetrennt und das Wohnhaus auf der verbleibenden hälftigen Fläche unter Ausnutzung der zur Verfügung stehenden Abstandsfläche geradezu direkt vor ihre „Nase“ gesetzt worden sei, wobei es der Beigeladenen darum gegangen sei, die südlich belegene größtmögliche Grundstücksfläche für eigene Erholungszwecke zur Verfügung zu haben.

Die Beigeladene war angesichts der Größe des Grundstücks nicht gehalten, ihr Vorhaben weiter südlich zu realisieren. Sie hat im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht nachvollziehbar vorgetragen, dass sie angesichts der sprunghaft gestiegenen Baupreise kostengünstig unter Nutzung der Bestandsbebauung habe bauen wollen. Zur Wahrung dieses schutzwürdigen Interesses war es nicht anders möglich als das Vorhaben mit dem geringsten noch zulässigen Abstand zum Nachbargrundstück zu realisieren. Darauf kommt es aber auch nicht entscheidungserheblich an, denn die Antragsteller verkennen das „Verbot der Alternativprüfung“. Die Frage, ob ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot darin liegt, dass das Vorhaben auf dem Baugrundstück ohne Schwierigkeiten in einem größeren Abstand von dem Grundstück der Antragsteller hätte errichtet werden können, geht schon im Ansatz fehl. Die baurechtliche Prüfung ist an das aus dem Bauantrag ersichtliche Vorhaben gebunden (BVerwG, Beschluss vom 26. Juni 1997 – 4 B 97/97 –, juris Rn. 6); ist dieses wie hier nicht zu beanstanden, stellt sich die Frage einer alternativen Bebauung nicht.

b) Ohne Erfolg machen die Antragsteller geltend, besonders rücksichtslos erscheine, dass die Beschattung ihres Grundstücks nicht nur durch den zu Wohnzwecken gedachten Baukörper an sich, sondern die unstreitige Verlängerung des Baukörpers mittels Sichtschutzwand zur Abgrenzung der eigenen Terrassenfläche mit rund 100 m² errichtet worden sei. Abzuwägen sei, dass es beim Vorhaben der Beigeladenen mit der Bewirkung dieser großflächigen Sichtschutzmauer bei gut einem Drittel dieser Fläche darum gehe, lediglich eine Windschutz- oder Sichtschutzwand als Abgrenzung der eigenen Terrasse zu erhalten. Für allein diesen Zweck das Wohnhaus und die Terrasse auf ihrem Grundstück komplett zu verschatten, sei rücksichtslos. Es stelle sich die Frage, ob es nicht andere Möglichkeiten gebe, die Terrasse zu begrenzen. Der Schutz vor Einsicht wirke nur zu ihren Lasten und zu Gunsten der Beigeladenen. Selbst wenn das Rücksichtnahmegebot nicht so weit gehe, sei es dennoch Ausfluss dieses Gebotes, dass die Art und Weise der Bebauung in die Abwägung der Interessen mit einzubeziehen sei und dass eine Sichtschutzwand zur Begrenzung einer Terrasse zu versagen gewesen wäre, wenn damit eine für dörfliche Verhältnisse untragbare Situation der großflächigen Beschattung der Terrasse und des Wohnhauses auf dem Nachbargrundstück bewirkt werde.

Für eine Verletzung des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots aus § 34 Abs. 1 BauGB genügt es nicht, wenn ein Vorhaben die Situation für den Nachbarn lediglich nachteilig verändert. Die hier unstreitig eingehaltenen landesrechtlichen Abstandsflächenvorschriften zielen im Interesse der Wahrung sozial verträglicher Verhältnisse nicht zuletzt darauf ab, eine ausreichende Belichtung und Besonnung von Gebäude- und von sonstigen Teilen des Nachbargrundstücks sicherzustellen. Der Nachbar kann unter diesem Blickwinkel grundsätzlich keine Rücksichtnahme verlangen, die über den Schutz des Abstandsflächenrechts hinausgeht (BVerwG, Beschluss vom 6. Dezember 1996 – 4 B 215/96 –, juris Rn. 9). Eine Rechtsverletzung ist vielmehr erst dann anzunehmen, wenn dargelegt wird, aufgrund welcher besonderen Umstände im konkreten Einzelfall das Bauvorhaben trotz Beachtung der bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften in qualifizierter und individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen des Nachbarn keine Rücksicht nimmt (vgl. OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 25. Januar 2023 – OVG 10 N 78/22 – juris Rn. 15). Von solchen besonderen Ausnahmefällen abgesehen kann ein Nachbar nicht beanspruchen, dass ein Grundstück nicht oder nur so bebaut wird, dass er keine dahingehenden Einschränkungen erfährt (OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 31. Mai 2021 – OVG 10 S 23/20 – juris Rn. 17).

Das Verwaltungsgericht hat nicht unbeachtet gelassen, dass sich die Grundstückssituation durch die genehmigte Bebauung des bisher in diesem Bereich nur mit einem Nebengebäude geringeren Ausmaßes bebauten Nachbargrundstück nachteilig verändert hat, ist aber zutreffend davon ausgegangen, dass sich das genehmigte Vorhaben der Beigeladenen für das Grundstück der Antragsteller nicht als erdrückend erweist. Der Einwand der Antragsteller, das Interesse der Beigeladenen an einer Außenwand in Massivbauweise sei nur insoweit schutzwürdig, als diese nicht lediglich als Wind- und Sichtschutzwand diene, wird vom erkennenden Senat nicht geteilt. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Sichtschutz, den die Massivbauwand bietet, nicht nur zu Lasten, sondern auch zu Gunsten der Antragsteller wirkt, die dadurch auf ihrer Veranda den Blicken der Beigeladenen entzogen sind. Insofern wirkt alles, was dem Interesse der Antragsteller an Vermeidung von Verschattung dient, wie etwa eine Terrassenbegrenzung in Glasbauweise, gleichzeitig zu ihren Lasten, weil es auch die Einsichtnahme auf ihr Grundstück erleichtert. Die Antragsteller hatten mit dem Vortrag im Widerspruchsverfahren, ein im Obergeschoss geplantes Fenster in Richtung ihrer Terrasse wirke störend und führe zum Verlust jeglichen Sichtschutzes als Mindestmaß der Wahrung der Privatsphäre, bereits zum Ausdruck gebracht, dass sie auch in dieser Hinsicht keine Einschränkung ihrer rechtlichen Interessen zu dulden bereit sind. Eine durchbrochene Begrenzung wird wiederum dem – auch von den Antragstellern nicht in Frage gestellten – Interesse der Beigeladenen an Windschutz nicht gerecht. Auch die Antragsteller legen nicht konkret dar, welche anderen Möglichkeiten es gäbe, die Terrasse zu begrenzen. Insofern ist zur Lösung des Konfliktes und im Ergebnis mit dem Verwaltungsgericht davon auszugehen, dass durch die Einhaltung der Abstandsflächen und die verbleibende Freifläche im Osten das Grundstück der Antragsteller hinreichend vor Verschattung geschützt ist.

c) Erfolglos bleibt die Beschwerde auch, soweit sie dem Verwaltungsgericht vorwirft, es habe dem Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme insbesondere unter den zu berücksichtigenden Grundsätzen dörflicher Bebauung eine zu geringe Rolle beigemessen. Nach Auffassung der Antragsteller endet das Rücksichtnahmegebot im städtisch dicht bebauten Wohnbereich in aller Regel schon dort, wo die bauordnungsrechtlichen Abstandsvorschriften und sonstigen Mindestnormen eingehalten sind. Anders sei die Bewertung allerdings vorzunehmen, wenn keinerlei Not gegeben sei, wenn echte Rücksichtnahme zwischen Grundstücksnachbarn dadurch möglich sei, dass eigentlich demjenigen, der zur vorhandenen Bestandsbebauung noch ein zusätzliches weiteres Vorhaben errichten möchte, keinerlei Nachteile entstünden und wenn dann auch angemessen die Belange der Eigentümer der bereits vorhandenen Bebauung mitberücksichtigt würden. So läge der Fall hier. Es wäre zu keinerlei Nachteilen gekommen, wenn das neue Wohnhaus entweder 2 oder 3 m weiter weg von der Grundstücksgrenze oder seitlich versetzt etwas weiter links oder rechts errichtet worden wäre, damit nicht der gesamte Süd- und Terrassenbereich auf dem Antragstellergrundstück durch die überdimensionierte Wand verschattet werde.

Wie bereits unter a) ausgeführt, war die Beigeladene aus nachvollziehbaren und schutzwürdigen Interessen sowie auch nach rechtlichen Maßstäben (Verbot der Alternativprüfung) nicht gehalten, das Wohnhaus versetzt zu errichten. Die Beigeladene hatte im verwaltungsgerichtlichen Verfahren darauf verwiesen, man habe bereits darauf geachtet, dass die Belästigungen für die Antragsteller geringgehalten würden. Insofern ist davon auszugehen, dass auch ein geringfügig versetzter Bau nicht mehr unter Einbeziehung der Bestandsbebauung realisierbar gewesen wäre. Abgesehen davon ist bei umliegender dörflicher Bebauung im Vergleich zu städtisch dicht bebauten Wohnbereichen auch nicht grundsätzlich gesteigert auf die Belange des Nachbarn Rücksicht zu nehmen. Eine weitergehende Rücksichtnahme als die Beachtung des Abstandsflächenrechts kann in aller Regel nicht gefordert werden (BVerwG, Beschluss vom 27. März 2018 – 4 B 50/17 –, juris Rn. 3). Auf die Belange des Nachbarn nimmt das Abstandsflächenrecht insofern Rücksicht, als sich die Tiefe der Abstandsfläche nach der Wandhöhe bemisst (vgl. § 6 Abs. 4 Satz 1 1. HS BbgBO). Sofern die Antragsteller meinen, der dörfliche Charakter sei durch aufgelockerte Bebauung zu erhalten und dem widerspräche das Vorhaben der Beigeladenen, so sind sie darauf zu verweisen, dass es sich beim Schutz des Ortsbildes um einen städtebaulichen Belang handelt, der allein objektivrechtlich geschützt ist (vgl. OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 16. August 2022 – OVG 10 S 17/22 – juris Rn. 12), dessen Beeinträchtigung also ein Nachbar nicht geltend machen kann.

d) Erfolglos bleibt auch das Vorbringen, das Bauvorhaben der Beigeladenen hätte unter energetischen Gesichtspunkten entweder weiter entfernt von der Grundstücksgrenze oder nicht so überdimensioniert mit beschattender Terrassenabschlusswand genehmigt und ausgeführt werden dürfen. Die Antragsteller tragen insoweit vor, der solare Wärmeeintrag auf ihr Haus werde durch die Beschattung von zwei Fenstern und einer Doppeltür wesentlich behindert. Unter energetischen Gesichtspunkten sei zu berücksichtigen gewesen, dass mittels Verschattung der Energiebedarf für Beheizung und das Bewohnen des Hauses deutlich steige.

Dieser Nachteil genügt nicht, um eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots zu begründen. Im Übrigen bilden Wertminderungen als Folge der Ausnutzung der einem Dritten erteilten Baugenehmigung nicht für sich genommen einen Maßstab dafür, ob Beeinträchtigungen im Sinne des Rücksichtnahmegebots zumutbar sind oder nicht. Einen allgemeinen Rechtssatz des Inhalts, dass der einzelne einen Anspruch darauf hat, vor jeglicher Wertminderung – bzw. hier vor jeglichem Nachteil – bewahrt zu werden, gibt es nicht (BVerwG, Beschluss vom 13. November 1997 – 4 B 195/97 –, juris Rn. 6). Der ohne weitere Substantiierung pauschal bleibende Hinweis eines Nachteils oder einer Wertminderung des Hauses aufgrund steigender Energiekosten ist vor diesem Hintergrund nicht geeignet, die Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung zu begründen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Da die Beigeladene im Beschwerdeverfahren keinen Antrag gestellt hat und sich keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO), entspricht es der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt (§ 162 Abs. 3 VwGO).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziffern 1.5.; 9.7.1. des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 18. Juli 2013 (http://www.bverwg.de/informationen/streit-wertkatalog.php), wobei der Senat der erstinstanzlichen Wertfestsetzung folgt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).