Gericht | OLG Brandenburg 4. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 06.01.2025 | |
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Aktenzeichen | 13 UF 177/24 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2025:0106.13UF177.24.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
I.
Die beschwerdeführende Antragsgegnerin wendet sich gegen die Übertragung des Sorgerechts für das eingangs genannte Kind auf den Vater des Kindes, den Antragsteller, zur gemeinsamen Ausübung mit ihr.
Mit dem angefochtenen Beschluss, auf den der Senat wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist (7 ff. eAkte AG), hat das Amtsgericht dem Antrag des Antragstellers auf Installierung des gemeinsamen Sorgerechts im schriftlichen Verfahren gemäß §§ 1626 a Abs. 2 Satz 2 BGB, 155 Abs. 3 FamFG ohne Anhörungstermin stattgegeben.
Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, die elterliche Sorge sei den Eltern gemeinsam zu übertragen, denn die Antragsgegnerin habe weder der Begründung der gemeinsamen Sorge widersprochen noch sonst dem Kindeswohl entgegenstehende Gründe vorgetragen. Solche seien auch sonst nicht ersichtlich.
Hiergegen richtet sich die Beschwerdeführerin mit ihrer Beschwerde mit der sie rügt, zwar habe sie nicht innerhalb der ihr gesetzten Frist zur möglichen Stellungnahme Gründe vorgetragen, die gegen die Herstellung der gemeinsamen elterlichen Sorge sprächen, diese seien jedoch auch und gerade für das Gericht in Ansehung des Inhalts der Antragsschrift des Antragstellers sonst ersichtlich gewesen.
Die Antragsgegnerin macht zudem geltend, dass die Voraussetzungen für die Begründung der gemeinsamen elterlichen Sorge mangels Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit nicht gegeben seien. Sie traue dem Antragsteller in Ansehung eines von ihr behaupteten Konsums von Alkohol und Drogen sachgerechte Entscheidungen für das Kind nicht zu, zumal der Antragsteller seit längerer Zeit keinen Kontakt zum Kind habe.
Die Beschwerdeführerin beantragt,
den Beschluss des Amtsgerichts Strausberg vom 30.10.2024 und das Verfahren, auf dem er beruht, aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht Strausberg zurückzuverweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist der Senat auf den Schriftsatzwechsel im Beschwerdeverfahren sowie auf seinen Hinweis vom 20.11.2024 (Bl. 3 eAkte OLG). Er entscheidet ohne mündliche Verhandlung (§ 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG), von der ein weiterer Erkenntnisgewinn nicht zu erwarten war. Eine erneute Anhörung der Beteiligten ist zudem entbehrlich, wenn der angefochtene Beschluss in jedem Fall aufzuheben ist (vgl. Schulte-Bunert/Weinreich/Unger/Roßmann, FamFG, 5. Aufl., § 68 Rn. 41 m.w.N.).
II.
Die gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht. Das Verfahren des Amtsgerichts leidet an einem wesentlichen Mangel, zu dessen Behebung ein erheblicher Aufklärungsaufwand zu betreiben ist (§ 69 Abs. 1 Satz 3 FamFG).
Das Familiengericht hätte nicht nach § 155a Abs. 3 FamFG im vereinfachten Verfahren ohne Anhörung der Beteiligten entscheiden dürfen, sondern hätte das Verfahren nach §§ 155a Abs. 4 Satz 1,155 Abs. 2 und 3 FamFG führen müssen.
Der Entscheidung im schriftlichen Verfahren stand entgegen, dass dem Familiengericht Gründe bekannt waren, die gegen die Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge auf die Mutter und den Antragsteller sprechen können (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 24. 08.2022, 10 UF 19/22, Rn. 7 - 17, juris).
In den Fällen des § 1626 a Abs. 2 Satz 2 BGB soll das Gericht im schriftlichen Verfahren ohne Anhörung des Jugendamtes und ohne persönliche Anhörung der Eltern entscheiden, § 155a Abs. 3 Satz 1 FamFG. Voraussetzung für das vereinfachte Verfahren ist, dass der andere Elternteil keine Gründe vorträgt, die der Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge entgegenstehen können und solche Gründe auch nicht sonst ersichtlich sind. Werden dem Gericht jedoch durch Vortrag der Beteiligten oder auf sonstige Weise Gründe bekannt, die der gemeinsamen elterlichen Sorge entgegenstehen können, ist ein Erörterungstermin zu bestimmen, § 155a Abs. 4 Satz 1 FamFG. Eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren kommt dann nicht in Betracht.
An die Darlegung der Gründe sind keine hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt, wenn - jedenfalls im Ansatz - Gründe vorgetragen werden, die im Bezug zum gemeinsamen Kind, zum Eltern-Kind-Verhältnis und/oder konkret zum Verhältnis der beteiligten Eltern und somit im Zusammenhang mit der Einrichtung des Sorgerechts stehen können (OLG Brandenburg aaO.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14.12.2021, 5 UF 204/21, Rn. 11, 12, juris).
So liegt der Fall hier. Dem Familiengericht war aus der Antragsschrift des Antragstellers vom 01.10.2024 bekannt, dass sich die Mutter seit der Geburt des Kindes gegen ein gemeinsames Sorgerecht wehrt. Auch hat der Antragsteller mit seinem Sorgerechtsantrag zugleich die Regelung des Umgangs durch das Gericht begehrt, weil die Antragsgegnerin die gemeinsame Tochter gegen ihn aufhetze und den Kontakt zu dieser boykottiere, weshalb er bereits erfolglos das Jugendamt um Unterstützung gebeten und einen Rechtsanwalt eingeschaltet habe. Diese Umstände sind in der Gesamtschau ausreichend, um vor der Übertragung der gemeinsamen Sorge weitere Ermittlungen und eine Anhörung der Beteiligten und des Kindes erforderlich zu machen.
Darüber hinaus trägt die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde Gründe vor, die der Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge im Wege des vereinfachten Verfahrens nach §§ 1626 a Abs. 2 Satz 2 BGB, 155 a Abs. 3 FamFG entgegen stehen können (vgl. Senat, Beschluss vom 13.01.2022, 13 UF 150/21, Rn. 9, juris). Eine Fortsetzung des vereinfachten schriftlichen Verfahrens im Beschwerderechtszug kommt mithin nicht in Betracht (vgl. MüKoFamFG/Schumann, 4. Aufl. 2025, FamFG § 155 a Rn. 34). Vielmehr ist eine umfangreiche Ermittlung notwendig, nämlich die persönliche Anhörung der Antragsbeteiligten und des Kindes, die Bestellung eines Verfahrensbeistands, da bei Sorgerechtsstreitigkeiten der Eltern stets von gegensätzlichen Interessen des Kindes zumindest zu einem Elternteil auszugehen ist, § 158 Abs. 3 Ziffer 1 FamFG (Senat, aaO. m.w.N.), sowie die Beteiligung des Jugendamts, § 162 FamFG.
Dies führt, wie von der Beschwerdeführerin beantragt, und um den Beteiligten keine Tatsacheninstanz zu entziehen, zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht, damit dieses die notwendigen, einer Beweiserhebung im Sinne § 69 Abs. 1, 3 FamFG hier jedenfalls gleichstehenden (vgl. MüKoFamFG/A. Fischer, 4. Aufl. 2025, § 69 Rn. 86; Zöller/Feskorn, ZPO, 35. Aufl. 2022, § 69 FamFG Rn. 10 m.w.N.), Ermittlungen (§ 26 FamFG) nachholt (vgl. Senat, BeckRS 2019, 1109).
Die Nichterhebung der Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 20 Abs. 1 Satz 1 FamGKG. Die übrige Kostenentscheidung über das Beschwerdeverfahren ist dem Amtsgericht vorzubehalten (Zöller/Feskorn, a.a.O. § 69 FamFG Rn. 12).
Die Wertfestsetzung beruht auf den §§ 55 Abs. 2, 45 Abs. 1 Ziffer 1 FamGKG. Eine Wertkorrektur (§ 45 Abs. 3 FamGKG) ist nicht veranlasst (vgl. BeckOK Kostenrecht/Neumann, 47. Ed. 1.10.2024 FamGKG § 45 Rn. 43).
Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, besteht nicht, § 70 Abs. 2 FamFG.