Gericht | OLG Brandenburg 3. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 13.09.2024 | |
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Aktenzeichen | 15 UF 130/24 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2024:0913.15UF130.24.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
I.
Die Eltern streiten wegen des Umgangs des Vaters mit den gemeinsamen Kindern E… A…, geboren am ….2013, und P… A…, geboren am ….2017. Für E… steht den Eltern die gemeinsame elterliche Sorge zu. Für P… ist die Mutter allein sorgeberechtigt. Die Familie lebt in F… Die Kinder besuchen die Schule bzw. die Kindertagesstätte in S…/Polen (…).
Nach der Trennung im Herbst 2021 betreuten die Eltern zunächst die Kinder im paritätischen Wechselmodell. Nachdem Anfang 2023 in der Wohnung des Vaters ein größerer Wasserschaden entstanden war, reduzierte die Mutter während der Bauarbeiten in der Wohnung des Vaters den Umgang der Kinder mit dem Vater auf Besuche an den Wochenenden. Auch nach Instandsetzung der Wohnung des Vaters will die Mutter die Betreuung der Kinder im paritätischen Wechselmodell nicht wiederaufnehmen. Sie will, dass die Kinder ihren Lebensmittelpunkt in ihrem Haushalt haben und 14-tägige Wochenendumgänge mit dem Vater wahrnehmen. Der Vater lehnt eine Wochenendregelung ab und erstrebt wieder die Betreuung der Kinder im paritätischen Wechselmodell.
Nach Anhörung aller Beteiligter und der Einholung eines Sachverständigengutachtens hat das Amtsgericht die Umgänge 14-tägig von Freitag nach der Schule bis Montagfrüh zur Schule sowie die hälftige Teilung der Schulferien in Polen angeordnet. Wegen der tatsächlichen Feststellungen und der Begründung wird auf jenen Beschluss Bezug genommen.
Hiergegen wendet sich der Vater mit der Beschwerde. Er strebt weiterhin die Anordnung der Betreuung der Kinder im paritätischen Wechselmodell an. In dem angegriffenen Beschluss werde der Wille der Kinder nicht ausreichend gewürdigt. Im Übrigen werde E… im Haushalt der Mutter nicht ausreichend schulisch gefördert; seine schulischen Leistungen würden immer schlechter. Die Mutter lehne das Wechselmodell nur aus finanziellen Gründen ab.
Die Mutter verteidigt den Beschluss des Amtsgerichts. Die Anordnung des paritätischen Wechselmodells entspreche nicht dem Kindeswohl. Insbesondere fehle es an der dafür notwendigen Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit der Eltern.
Sowohl der Verfahrensbeistand als auch das Jugendamt sprechen sich ausdrücklich gegen die Anordnung des Wechselmodells aus. Die Konflikte zwischen den Eltern seien unverändert ebenso wie die dadurch bedingten Belastungen der Kinder.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 58 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde des Vaters gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 25.06.2024 hat lediglich hinsichtlich der Ferienregelung insoweit Erfolg, als diese zu konkretisieren ist. Im Übrigen hat die Beschwerde in der Sache keinen Erfolg.
Der Senat entscheidet nach schriftlicher Anhörung sämtlicher Beteiligter ohne erneute mündliche Erörterung, § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG. Im ersten Rechtszug sind sämtliche Beteiligten ausführlich persönlich gehört worden. Deren erneute Anhörung im Beschwerdeverfahren lässt zusätzliche Erkenntnisse nicht erwarten.
1.
Die Voraussetzungen für die vom Vater beantragte Anordnung des paritätischen Wechselmodells gegen den Willen der Mutter liegen nicht vor.
Grundsätzlich entscheiden primär die Eltern über Ausmaß, Art und Weise des Umgangs, da das Umgangsrecht auf dem Elternrecht nach Artikel 6 Abs. 2 GG beruht (Erman/Döll, BGB, 17. Aufl., § 1684,Rn. 15). Das Gericht entscheidet erst, wenn die Eltern keine einvernehmliche Regelung treffen können (Grüneberg/Götz, BGB, 83. Aufl., § 1684, Rn. 9). In dem Fall kann das Familiengericht gemäß § 1684 Abs. 3 S. 1 BGB über den Umfang des Umgangsrechts entscheiden und seine Ausübung näher regeln. Die Vorschrift des § 1684 Abs. 3 S. 1 selbst enthält keinen Entscheidungsmaßstab. Die Kriterien für die Regelung des Umgangsrechts und seiner Modalitäten gemäß § 1684 Abs. 3 BGB sind daher der Generalklausel des § 1697a BGB zu entnehmen (BGH, Beschluss vom 01.02. 2017 - XII ZB 601/15 -, FamRZ 2017, 584, Rn. 24). Dabei sind sowohl die beiderseitigen Grundrechtspositionen der Eltern als auch das Wohl des Kindes und dessen Individualität als Grundrechtsträger zu berücksichtigen. Maßgebend für die Regelung des Umgangs ist daher das Wohl des Kindes (BVerfG, Beschluss vom 23.03.2007 - 1 BvR 156/07 -, FamRZ 2007, 1078, Rn. 10 m.w.N.). Hierbei sind insbesondere die Persönlichkeitsrechte des Kindes zu beachten (MüKo/Hennemann, BGB, 9. Aufl., § 1684, Rn. 56).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das Amtsgericht zu Recht abgelehnt, die Betreuung der Kinder E… und P… im paritätischen Wechselmodell anzuordnen und 14-tägige Wochenendumgänge mit dem Vater geregelt. Das Amtsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass dies dem Wohl der Kinder am besten entspricht und aufgrund der Meinungsverschiedenheiten der Eltern über die Umgänge des Vaters mit den Kindern geboten ist. Die Voraussetzungen für die Anordnung des Wechselmodells gegen den Willen eines Elternteils liegen nicht vor.
Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs in seinem Beschluss vom 01.02.2017 – XII ZB 601/15 – (FamRZ 2017, 532 ff.) kann grundsätzlich im Rahmen einer Umgangsregelung auch gegen den Willen eines Elternteils das Wechselmodell angeordnet werden. Danach kommt die hoheitliche Anordnung des Wechselmodells gegen den Willen eines Elternteils jedoch nur bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen in Frage. Dabei hat insbesondere die Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit beider Eltern besonderes Gewicht. Denn beim Wechselmodell kommt neben dem Umstand, dass der Umgang des Kindes mit beiden Elternteilen zum Wohl des Kindes gehört, hinzu, dass dieses gegenüber den herkömmlichen Umgangsmodellen höhere Anforderungen an die Eltern und das Kind stellt, das bei doppelter Residenz zwischen zwei Haushalten pendelt und sich auf zwei Lebensumgebungen ein- beziehungsweise umzustellen hat. Die Anordnung des Wechselmodells, insbesondere gegen den Willen eines Elternteils, erfordert daher neben einer auf sicherer Bindung beruhenden tragfähigen Beziehung zu beiden Elternteilen auch bei der praktischen Verwirklichung der geteilten Betreuung einen erhöhten Abstimmungs- und Kooperationsbedarf, was neben geeigneten äußeren Rahmenbedingungen auch eine entsprechende Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit der Eltern voraussetzt. Bei bestehender hoher elterlicher Konfliktbelastung wird das Wechselmodell in der Regel nicht dem Kindeswohl entsprechen. Denn das Kind wird durch vermehrte oder ausgedehnte Kontakte auch mit dem anderen Elternteil verstärkt mit dem elterlichen Streit konfrontiert und gerät durch den von den Eltern oftmals ausgeübten “Koalitionsdruck” in Loyalitätskonflikte (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 31, m. w. Nachw.).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze entspricht die Anordnung der Betreuung von E… und P… durch die Eltern im paritätischen Wechselmodell nicht dem Kindeswohl. Dies folgt aus dem erstinstanzlich eingeholten Sachverständigengutachten sowie dem Eindruck, den der Senat von den Eltern in ihren schriftlichen Stellungnahmen hat, der von den Berichten des Jugendamts und des Verfahrensbeistands gestützt wird.
Den nachvollziehbaren, überzeugenden und in sich stimmigen Ausführungen der Sachverständigen Dr. N…B…, in ihrem Gutachten vom 21.02.2024 und im Termin vor dem Amtsgericht vom 28.05.2024 schließt der Senat sich an. Danach haben beide Kinder zu beiden Eltern eine positive Bindungsqualität und einen sicheren, vertrauten und angstfreien Umgang.
Die Sachverständige macht aber auch deutlich, dass beide Eltern nur über eine deutlich eingeschränkte Bindungstoleranz verfügen, was ein wichtiges Kriterium der Erziehungsfähigkeit ist. Die Bindungstoleranz bezieht sich dabei auf die Wertschätzung und Anerkennung des jeweils anderen Elternteils sowie die Gewährung der Umgangskontakte, die positive Bewertung dieser Kontakte und das emotionale Einverständnis dazu. Beide Eltern sind hier nicht in der Lage, die Paar- von der Elternebene zu trennen. Ihre eigenen Befindlichkeiten und Bedürfnisse überlagern die der Kinder. Dies wird auch deutlich in den zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätzen, in denen eigene Interessen besonders stark im Vordergrund stehen.
Nach den überzeugenden Feststellungen in dem Gutachten ist davon auszugehen, dass der Vater für die Durchsetzung seiner Bestrebung, das Wechselmodell zu implementieren, die Kinder instrumentalisiert, indem er beispielsweise die Kinder vor der Anhörung durch den Verfahrensbeistand telefonisch angewiesen hat, was sie diesem gegenüber sagen sollen. Auch das Verhalten des Vaters, nachdem die Mutter das Wechselmodell beendet hatte und ihm nur noch 14-tägig Wochenendumgänge gewährte, führte laut Gutachten zu einem massiven Loyalitätskonflikt, verbunden mit vermehrtem Stress und Belastungserleben der Kinder. Denn statt im Interesse der Kinder, die ihren Vater lieben und Umgang mit ihm haben möchten, bis zu einer Klärung zumindest die Wochenendumgänge wahrzunehmen, entschied der Vater sich ausdrücklich dafür, gar keinen Umgang mehr wahrzunehmen. Vor diesem Hintergrund ist plausibel, wenn die Sachverständige ausführt, der Vater habe dadurch die Mutter unter Druck setzen und eine erneute Praktizierung des Wechselmodells erzwingen wollen. Die Sachverständige führt dazu weiter aus, dass der Vater dabei die Auswirkungen auf die Kinder nicht erkennen könne. Dadurch könne insbesondere bei E…die Angst ausgelöst worden sein, den Vater gar nicht mehr zu sehen, wenn er sich positiv über die Mutter äußere. Auch äußere sich der Vater gegenüber den Kindern immer wieder negativ über die Mutter, indem er angebe, dass sie das Wechselmodell nur aus finanziellen Gründen ablehne. Während der gesamten Begutachtung hat sich der Vater nach Angaben der Sachverständigen stark impulsiv und reizbar gezeigt und sich stets negativ über die Mutter geäußert. Er könne seine eigenen dysfunktionalen Anteile an der negativen Beeinflussung der gemeinsamen Kinder nicht erkennen und gebe der Mutter die volle Verantwortung dafür. Dass er auf diese Weise seine Kinder in eine massive emotionale Verunsicherung bringe, könne er nicht angemessen reflektieren.
Aber auch die Mutter äußert sich nach den Feststellungen der Sachverständigen in Gegenwart der Kinder negativ über den Vater. Trotz Aufklärung über die charakteristische Folgesymptomatik von Loyalitätskonflikten sei es auch der Mutter nicht gelungen, ihre Kinder aus den elterlichen Konflikten herauszuhalten. Sie sei nicht ausreichend in der Lage, die Auswirkungen der konfliktbelasteten Paar- und Elternebene auf die Kinder zu reflektieren.
Auch fehlt es beiden Eltern an jeglicher Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit, um den erhöhten Abstimmungs- und Kooperationsbedarfs im Rahmen eines Wechselmodells zu bewältigen.
Die Kooperationsbereitschaft des Vaters mit der Mutter bewertet die Sachverständige als eingeschränkt. Seine rigiden Denkstrukturen, Affektdurchbrüche und seine allgemeine Aversion gegenüber der Mutter seien für ihn handlungsleitend. Eine konstruktive Zusammenarbeit mit der Mutter sei ihm aufgrund seiner starken Aversion gegen sie nicht möglich. Sogar während der Übergabe der Kinder in Gegenwart der Sachverständigen habe er einen Konflikt mit der Mutter provoziert und - ohne seine eigenen Anteile zu reflektieren - die Schuld allein auf die Mutter abgewälzt.
Auch der Verfahrensbeistand und das Jugendamt schätzen die Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit der Eltern als hochkonflikthaft ein und raten von der Anordnung der Betreuung der beiden Kinder im paritätischen Wechselmodell ab.
Darüber hinaus ist erkennbar, dass beide Kinder bereits aktuell in den Konflikt der Eltern involviert sind und zu erwarten ist, dass sich der bereits bestehende Loyalitätskonflikt durch die Anordnung des Wechselmodells für beide Kinder noch weiter verschärfen könnte. Beide wissen, dass die Eltern voneinander keine positive Meinung haben und sich gegenseitig nicht schätzen. Nicht nur die Mutter vermag gegenüber den Kindern kein positives Bild des Vaters zu zeichnen. Der Sachverständige hat auch sehr deutlich die offene Austragung von Konflikten durch den Vater aufgezeigt.
Soweit der Vater mit seiner Beschwerde einwendet, dass in dem angefochtenen Beschluss der Wille der Kinder nicht ausreichend berücksichtigt worden sei, gibt dies keine Veranlassung für eine anderweitige Bewertung. Es ist zutreffend, dass sich die Kinder im Verfahren vor dem Amtsgericht und auch im Rahmen der Begutachtung durchgehend dafür ausgesprochen haben, von beiden Eltern in gleichem Umfang betreut zu werden. Allerdings hat die Sachverständige nachvollziehbar ausgeführt, dass sich E… und P… durch die komplette Unterbrechung des Umgangs durch den Vater stark verunsichert fühlen, so dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass sie nach wie vor unter einer starken Verlustangst in Bezug auf den Vater litten und diese sich in der Willensbildung der Kinder niederschlage. Auch befinden sich beide Kinder nach den Feststellungen bereits aktuell in einem erheblichen Loyalitätskonflikt, was durch die Anordnung des Wechselmodells noch weiter verstärkt werden könnte, was nicht dem Kindeswohl entsprechen würde.
2.
Die vom Amtsgericht getroffene Entscheidung zur Feiertags- und Ferienregelung enthält keine konkreten Bestimmungen zu Beginn und Ende der jeweiligen Umgangszeiten und ist somit nicht vollstreckbar (vgl. BGH, FamRZ 2012, 533). Angesichts des erheblichen Elternstreits ist nicht davon auszugehen, dass zwischen den Eltern ausnahmslos eine konfliktfreie Verständigung über die rechtzeitige Besprechung zukünftiger konkreter Ferienumgangstermine möglich sein wird, sodass es dem Wohl der beiden Kinder entspricht, auch den Ferienumgang so zu regeln, dass die Umgangszeiten jedenfalls bestimmbar sind.
Der Senat ist hierbei von einer hälftigen Betreuung der Kinder durch die Eltern ausgegangen. Dies entspricht der Entscheidung des Amtsgerichts und ist von den Eltern nicht beanstandet worden. Dabei richtet sich der Senat nach den Ferienzeiten in Polen (…), wo die Kinder die Schule besuchen (vgl. www.Schulferien.org, Schulferien …, Polen).
3.
Der Hinweis auf Ordnungsmittel im Falle einer Zuwiderhandlung gegen die Umgangsregelung beruht auf § 89 Abs. 2 FamFG.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG.
Die Entscheidung über den Wert des Beschwerdeverfahrens ergibt sich aus §§ 40 Abs. 1, § 45 Abs. 1 Nr. 2 FamGKG.
Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.