Gericht | OLG Brandenburg 1. Strafsenat | Entscheidungsdatum | 23.12.2024 | |
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Aktenzeichen | 1 OAus 40/24 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2024:1223.1OAUS40.24.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Auslieferung des Verfolgten an die Ukraine zum Zwecke der Strafverfolgung wegen der im Beschluss des Untersuchungsrichters des Salisnytschnyj Bezirksgerichts der Stadt L... vom 11. Dezember 2023 (Az. 462/4733/22) über die Anordnung der vorbeugenden Maßnahme in Form einer Inhaftierung bezeichneten strafbaren Handlungen wird für zulässig erklärt.
Die Fortdauer der Auslieferungshaft wird angeordnet; der Antrag des Verfolgten auf Aufhebung bzw. Außervollzugsetzung des Auslieferungshaftbefehls des Senats wird zurückgewiesen.
I.
1. Mit einer Interpol-Fahndung (Red Notice) ersuchten die ukrainischen Justizbehörden unter Bezugnahme auf den Haftbefehl des Bezirksgerichts Zaliznychnyi in L... (Lemberg) vom 11. Dezember 2023 (Az. 462/4733/22) um Festnahme und Auslieferung des Verfolgten … … … zum Zweck der Strafverfolgung wegen des Vorwurfs des schweren Betruges in vier Fällen gemäß Art. 190 Abs. 3 und Art. 190 Abs. 4 des ukrainischen Strafgesetzbuches.
Nach der deutschen Übersetzung des Ausschreibungstextes wird dem Verfolgten zur Last gelegt, in L... im Zeitraum vom 27. Februar 2021 bis zum 10. Februar 2022 folgende Straftaten begangen zu haben:
(1.) Vom 06. Januar 2022 bis zum 14. Januar 2022 soll der Verfolgte … … … die wahrheitswidrige Erklärung, Kraftfahrzeuge, insbesondere einen Renault und einen Volkswagen, im Ausland erwerben zu können, von dem Geschädigten R. S... Geldmittel in Höhe von 59.100,00 USD erhalten haben, die er für eigene Zwecke verwendete.
(2.) Am 27. Februar 2021 soll der Verfolgte im Restaurant "… … " in L... Stadt dem Geschädigten R. S... wahrheitswidrig mitgeteilt haben, ein Kfz der Marke BMW X5 im Ausland erwerben zu können und infolge dessen von dem Getäuschten Geldmittel in Höhe von 17.000,00 USD erhalten haben, die er für eigene Zwecke verwendete.
(3.) Am 01. Februar 2022 soll der Verfolgte an der Anschrift 34, Z… Str., Region L..., unter der Vorspiegelung ein Kfz der Marke BMW X3 im Ausland erwerben zu können, von dem Geschädigten I. T… Geldmittel in Höhe von 13.400,00 USD erhalten haben, die er für eigene Zwecke verwendete.
(4.) Am 10. Februar 2022 soll der Verfolgte … an der Anschrift …, L… Str., Region L... unter wahrheitswidriger Angabe, ein Kfz der Marke Volkswagen Tiguan im Ausland zu erwerben, von dem Geschädigten K. V. H… Geldmittel in Höhe von 15.500,00 USD erhalten haben, die er für eigene Zwecke verwendete.
Infolge der vorgenannten Interpol-Ausschreibung hat der Senat am 16. September 2024 gegen den Verfolgten, der am 12. September 2024 gegen 1:45 Uhr im Zuge der Einreisekontrolle in die Bundesrepublik Deutschland auf der Bundesautobahn …, Kontrollstelle … (Forst), festgenommen worden war, gemäß § 16 IRG einen vorläufigen Auslieferungshaftbefehl erlassen.
Bei seiner richterlichen Vernehmung vor dem Amtsgericht Cottbus am 12. September 2024 hat sich der Verfolgte nach Belehrung mit einer Auslieferung im vereinfachten Verfahren nicht einverstanden erklärt und auch nicht auf die Einhaltung des Spezialitätsgrundsatzes verzichtet.
2. Die Generalstaatsanwaltschaft der Ukraine in Kiew übermittelte per E-Mail (BI. 138 f. d. A.) mit dem förmlichen Auslieferungsersuchen vom 3. Oktober 2024 die Auslieferungsunterlagen (BI. 140 ff. d. A.) an das Bundesamt für Justiz, namentlich (a) den Beschluss des Untersuchungsrichters des Zalisnytschnyj Bezirksgerichts der Stadt L... vom 11. Dezember 2023 (Az. 462/4733/22) über die Anordnung der vorbeugenden Maßnahme in Form einer Inhaftierung (b) mit Festlegung des Haftortes in der staatlichen Anstalt „Strafvollzugsanstalt Nr. … L...“ (BI. 169 ff. d. A., Übersetzung BI. 195 ff. d. A.), (c) die Verdachtsmeldung der Nationalpolizei im Gebiet L... vom 12. Juli 2024 (BI. 174 ff. d. A., Übersetzung BI. 202 ff d. A.), (d) die von der Bezirksstaatsanwaltschaft der Stadt L... genehmigte Entscheidung der Nationalpolizei vom 3. August 2023, die vorgerichtliche Untersuchung im Strafverfahren gegen den Verfolgten einzustellen und diesen zur Fahndung auszuschreiben (BI. 179 ff. d. A., Übersetzung BI. 207 ff. d. A.), (e) den Inhalt der angewendeten Bestimmungen des StGB der Ukraine (BI. 183 ff. d. A., Übersetzung BI. 210 f. d. A.) sowie (f) eine Auskunft über die Beweismittel (BI. 186 ff. d. A., Übersetzung BI. 212 ff. d. A.).
Der Sachverhalt, den der Senat seinem vorläufigen Haftbefehl vom 16. September 2024 auf der Basis der deutschen Übersetzung der Interpol-Ausschreibung zu Grunde gelegt hat, findet in dem Inhalt des Beschlusses des Untersuchungsrichters des Zalisnytschnyj Bezirksgerichts der Stadt L... vom 11. Dezember 2023 (Az. 462/4733/22) über die Anordnung der vorbeugenden Maßnahme in Form einer Inhaftierung mit einigen Konkretisierungen seine Bestätigung. Der Senat hat dementsprechend am 16. Oktober 2024 auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg einen unbeschränkten Auslieferungshaftbefehl gegen den Verfolgten erlassen, auf dessen Inhalt zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird.
Zu dem von der Generalstaatsanwaltschaft der Ukraine übermittelten Auslieferungsersuchen ist der Verfolgte am 8. November 2024 gemäß § 28 IRG vor dem Amtsgericht Cottbus richterlich vernommen worden (Bd. II BI. 361ff d. A.). Hierbei hat er sich erneut mit seiner Auslieferung an die Ukraine im vereinfachten Verfahren nicht einverstanden erklärt; ein Verzicht auf die Beachtung des Spezialitätsgrundsatzes erfolgte ebenfalls nicht.
Mit dem per E-Mail übersandten weiteren Schreiben vom 21. November 2024 (Bd. II BI. 374ff d. A.) sichert die Generalstaatsanwaltschaft der Ukraine ferner zu, dass der Verfolgte im Falle seiner Auslieferung während der vorgerichtlichen Untersuchung in der Strafvollzugsanstalt L... (Nr. …) untergebracht werden wird und im Falle der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe in eine der Haftanstalten D... (Nr. …) oder K... (Nr. …) eingewiesen werden wird, die sich im Westen der Ukraine befinden. In dem Schreiben werden Ausstattung und Lage der einzelnen Strafanstalten näher beschrieben.
Der nachgereichte Scan des Originalschreibens wurde am 4. Dezember 2024 durch die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg übersandt.
Mit Schreiben vom 28. November 2024 hat die Generalstaatsanwaltschaft die Akten mit den Anträgen vorgelegt, die Auslieferung zum Zwecke der Strafverfolgung in die Ukraine für zulässig zu erklären und die Fortdauer der Auslieferungshaft anzuordnen. Dem Verfolgten wurde über seine Rechtsbeistände rechtliches Gehör zu den Anträgen der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg vom 28. November 2024 gegeben.
Der Beistand des Verfolgten, Rechtsanwalt R…, beantragt mit am 12. Dezember 2024 bei Gericht eingegangenem Schreiben vom 4. Dezember 2024, die Auslieferung des Verfolgten an die Ukraine aus humanitären Gründen für unzulässig zu erklären und den Auslieferungshaftbefehl des Senats vom 16. Oktober 2024 aufzuheben, hilfsweise außer Vollzug zu setzen. Die Westukraine sei entgegen der Ansicht der ukrainischen Justiz kein sicheres Gebiet. Die dort gelegene Justizvollzugsanstalt in L... stelle ein „legitimes Kriegsziel für die russische Armee“ da, da zumindest die verurteilten Häftlinge ihre Haftstrafe „wohl“ in den Kriegsdienst für die ukrainische Armee umwandeln könnten. Außerdem dürften die Keller der Justizvollzugsanstalt L... keinen ausreichenden Schutz vor modernen Waffensystemen für die dort inhaftierten Häftlinge bieten, da es sich „vermutlich“ um ehemalige Vorratskeller für landwirtschaftliche Produkte handele. Im Übrigen befinde sich die Familie des Verfolgten in der Bundesrepublik Deutschland. Die in … lebende Verwandtschaft könne eine Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000 Euro für den Verfolgten hinterlegen.
Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg ist dem Antrag des Verfolgten mit Stellungnahme vom 11. Dezember 2024 entgegengetreten.
Mit weiterem Anwaltsschriftsatz vom 19. Dezember 2024 hat der Verfolgte erneut beantragt, seine Auslieferung an die Ukraine für unzulässig zu erklären sowie den Auslieferungshaftbefehl des Senats vom 16. Oktober 2024 aufzuheben, hilfsweise außer Vollzug zu setzen. Der Beistand des Verfolgten bringt hierzu vor, dass er persönlich am 19. Dezember 2024 für seinen Mandanten einen schriftlichen Asylantrag beim Bundesamt für Migration in Eisenhüttenstadt eingereicht habe. Eine Begründung des Antrags enthält jedoch weder der in Kopie vorliegende Asylantrag noch der Anwaltsschriftsatz vom 19. Dezember 2024.
II.
Auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg ist die Auslieferung des Verfolgten zur Strafverfolgung an die Ukraine für zulässig zu erklären und die Fortdauer der Untersuchungshaft anzuordnen.
1. Der Auslieferungsverkehr mit der Ukraine findet nach dem Europäischen Auslieferungsübereinkommen vom 13. Dezember 1957 i. V. m. dem Zweiten Zusatzprotokoll vom 17. März 1978 statt, wobei die Auslieferungsersuchen zwischen dem Bundesamt für Justiz einerseits und dem Justizministerium der Ukraine oder der Generalstaatsanwaltschaft der Ukraine andererseits übermittelt werden (Anlage II Länderteil zur RiVASt).
Die Auslieferungsunterlagen wurden vorliegend auf dem vorgeschriebenen Geschäftsweg durch die ukrainischen Behörden übermittelt. Diese belegen schlüssig die gegen den Verfolgten erhobenen Tatvorwürfe. Zweifel an der Authentizität der vorgelegten Dokumente bestehen nicht.
2. Die Auslieferungsfähigkeit ist - wie die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg in ihrer umfassenden Stellungnahme vom 28. November 2024 zutreffend darlegt - nach § 3 Abs. 1 und 2 IRG gegeben. Die beiderseitige Strafbarkeit der Taten (nach deutschem Recht Betrug und Betrug im besonders schweren Fall gem. §§ 263 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, 53 StGB) ist ausweislich der im Wortlaut übermittelten Strafvorschriften zu bejahen. Die Taten sind sowohl nach Art. 190 Abs. 3, Abs. 4 des StGB der Ukraine als auch nach § 263 Abs. 1 StGB mit einer Höchststrafe von mehr als einem Jahr bedroht (Art. 2 Abs. 1 EuAlÜbk).
Anlass für eine vertraglich nicht vorgesehenen Tatverdachtsprüfung besteht nicht. Im Auslieferungsverfahren findet eine Prüfung des Tatverdachts gern. § 10 Abs. 2 IRG nur ausnahmsweise statt, wenn besondere Umstände hierzu Anlass geben. Solche Umstände sind hier nicht ersichtlich. Sie ergeben sich weder aus der vorliegenden Tatbeschreibung noch aus der pauschalen Behauptung des Verfolgten, er sei 2022 nicht mehr in der Ukraine gewesen (Bd. I BI. 124 d. A.). Letztere wird im Übrigen widerlegt durch den Inhalt des Haftbefehls. Danach beging der Verfolgte die ihm vorgeworfenen Taten am 27. Februar 2021 sowie in der Zeit vom 6. Januar 2022 bis zum 10. Februar 2022 (Bd. II BI. 304ff d. A.). Erst am 22. Februar 2022 verließ er die Ukraine (Bd. II BI. 307 d. A.).
3. Auslieferungshindernisse sind nicht ersichtlich.
a) Die dem Ersuchen zugrundeliegenden Taten sind nicht verjährt.
Die Auslieferung wird nach Art. 10 EuAlÜbk nicht bewilligt, wenn nach den Rechtsvorschriften des ersuchenden oder des ersuchten Staates die Strafverfolgung oder Strafvollstreckung verjährt ist. Die Strafverfolgung ist weder nach deutschem noch nach ukrainischem Recht verjährt. Nach deutschem Recht beträgt die Verjährungsfrist fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB). Nach Art. 190 Abs. 3 und 4 des ukrainischen StGB drohen dem Verfolgten Freiheitsstrafen bis zu acht bzw. bis zu zwölf Jahren, so dass die Verjährung gern. Art. 49 Abs. 1 Nr. 4, 5 des ukrainischen StGB zehn bzw. 15 Jahre beträgt.
b) Ferner handelt es sich bei den Taten, die Gegenstand des Haftbefehls sind, weder um politische noch um militärische Straftaten (Art. 3, 4 EuAlÜbk).
4. Der Zulässigkeit der Auslieferung steht auch kein Auslieferungshindernis nach § 73 IRG i. V. m. Art. 3 EMRK entgegen.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts haben die deutschen Gerichte im Auslieferungsverfahren zu prüfen, ob die Auslieferung und die ihr zugrundeliegenden Akte mit dem nach Art. 25 GG in der Bundesrepublik Deutschland verbindlichen völkerrechtlichen Mindeststandard und mit den unabdingbaren verfassungsrechtlichen Grundsätzen ihrer öffentlichen Ordnung vereinbar sind (vgl. BVerfGE 63, 332; 75, 1; BVerfG, 1. Kammer des 2. Senats, Beschluss vom 8. April 2004, StV 2004, 440). Grenzen werden einer Auslieferung hiernach sowohl hinsichtlich der Ausgestaltung des Strafverfahrens als auch des Vollstreckungsverfahrens gesetzt. Die deutschen Gerichte sind gehindert, an der Auslieferung eines Verfolgten mitzuwirken, dem im ersuchenden Staat eine grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung und Strafe droht (BVerfG, a. a. O.; OLG Köln, Beschluss vom 18. September 2014 - AuslA 39/14 - 31, juris Rn. 22).
b) Eine solche Gefahr ist - wie die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg in ihrer umfangreichen Stellungnahme vom 28. November 2024 ebenfalls zutreffend darlegt - vorliegend zu verneinen.
Die Generalstaatsanwaltschaft der Ukraine hat im Zuge des Auslieferungsersuchens zugesichert (Bd. II BI. 269ff d. A.), dass der Verfolgte im Falle der Verhängung einer Freiheitsstrafe entsprechend der EMRK und den Europäischen Strafvollzugsgrundsätzen untergebracht werden wird. Es wird garantiert, dass Amtspersonen der diplomatischen bzw. konsularischen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland die Möglichkeit haben werden, den Verfolgten während seiner Inhaftierung zu besuchen. Im Falle der Auslieferung sollen die vorgerichtliche Untersuchung und die Gerichtsverhandlung gegen ihn in einem Gebiet durchgeführt werden, das von der Zone aktiver Feindseligkeiten infolge der Invasion der Russischen Föderation in die Ukraine weit entfernt liegt, und zwar im Territorium L... in der Nähe der polnischen Grenze. Während der Untersuchungshaft wird der Verfolgte in einer staatlichen Anstalt im Gebiet L... untergebracht, die dem Ort des Strafverfahrens am nächsten liegt, die mit einem Schutzraum ausgestattet ist und in der die Haftbedingungen ukrainischen und internationalen Standards entsprechen.
Mit dem per E-Mail übersandten weiteren Schreiben vom 21. November 2024 (Bd. II BI. 374ff d. A.) sichert die Generalstaatsanwaltschaft der Ukraine ferner zu, dass der Verfolgte im Falle seiner Auslieferung während der vorgerichtlichen Untersuchung in der Strafvollzugsanstalt L... (Nr. …) untergebracht werden wird, die sich im Westen der Ukraine in der Stadt L... unweit der Grenze zu Polen befindet und mehr als 720 km von den Regionen entfernt ist, in denen Feindseligkeiten stattfinden. Die Anstalt war von dem laufenden bewaffneten Konflikt nie betroffen. Außerdem verfügt sie über zwei mit allen notwendigen Mitteln ausgestattete Schutzräume. Die Anstalt ist mit einer autonomen Stromquelle ausgestattet. Der Verfolgte wird in einer renovierten Zelle untergebracht, die für drei Personen ausgelegt ist und deren Fläche 17,4 qm beträgt (13,9 qm für den Wohnraum, 3,5 qm für einen separaten Sanitärraum). Der Verfolgte wird die erforderlichen Produkte für den Hygienebedarf erhalten. Er hat das Recht auf einen täglichen Spaziergang an der frischen Luft von mindestens einer Stunde Dauer.
Ausweislich des vom Bundesamtes für Justiz übersandten Berichts der deutschen Botschaft in Kiew vom 6. September 2024 (Bd. I BI. 220ff d. A.) ist eine menschenrechtskonforme Unterbringung des Verfolgten in der Haftanstalt L... gegeben, so dass die Zusicherungen der Ukrainischen Justizbehörden als belastbar einzuschätzen sind.
Im Falle der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe wird der Verfolgte in einer der Haftanstalten D... (Nr. …) oder K... (Nr. …) eingewiesen. Beide Anstalten verfügen über Schutzräume und befinden sich jeweils weit entfernt vom Kriegsgebiet. Die Generalstaatsanwaltschaft der Ukraine sichert auch für den Fall, dass der Verfolgte zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wird, zu, dass ihm während der Strafhaft eine Wohnfläche von mindestens 4 qm, den Sanitärraum nicht eingerechnet, zur Verfügung stehen wird und dass die Zelle über einen separaten Sanitärraum mit Dusche verfügt. Die medizinische Grundversorgung wird in den Untersuchungshaft- und Strafvollzugsanstalten durch medizinische Einheiten gewährleistet. Bei Bedarf einer fachärztlichen Untersuchung wird diese ebenfalls erbracht.
Angesichts dieser ausführlichen und konkreten Auskünfte ist gesichert, dass der Verfolgte im Falle seiner Auslieferung die Untersuchungshaft und eine etwaige sich anschließende Strafhaft unter Bedingungen verbüßen wird, die den Anforderungen der Europäischen Konvention für Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 und den Europäischen Strafvollzugsgrundsätzen bzw. Mindestgrundsätzen für die Behandlung Gefangener vom 11. Januar 2006 entsprechen (vgl. auch OLG Nürnberg, Beschluss vom 22. Oktober 2024, Ausl OAus 43/24, zit. n. juris; OLG Köln, Beschluss vom 29. Oktober 2024, 3 OAus 66/24, zit. n. juris).
Auch mit Blick auf die russische Militäroffensive ist für eine sichere Unterkunft des Verfolgten Sorge getragen. Nach der Mitteilung der Staatsanwaltschaft der Ukraine vom 21. November 2024 verfügt die Strafvollzugsanstalt L... (Nr. …), die sich im Westen der Ukraine nicht weit von der polnischen Grenze befindet und mehr als 720 km von den Regionen entfernt ist, in denen Feindseligkeiten stattfinden, über zwei Schutzräume, die die Sicherheit der Gefangenen und des Personals gewährleisten.
Der von dem Beistand des Verfolgten erwähnte Raketenbeschuss auf die Stadt L... im September 2024 zeigt zwar, dass theoretisch jeder Ort in der Ukraine von dem Angriffskrieg Russlands betroffen sein kann. Indes dürften Fälle, in denn Orte, die – wie L... – von der Frontlinie weit entfernt liegen, tatsächlich von russischen Raketen getroffen werden, vereinzelt bleiben. Tatsächliche Anhaltspunkte für die Behauptung des Beistands, bei der JVA L... handele es sich um ein „legitimes Kriegsziel für die russische Armee“ liegen – wie die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg in ihrer Stellungnahme vom 11. Dezember 2024 zutreffend ausgeführt hat – nicht vor. Vielmehr war die Anstalt nach Auskunft der Generalstaatsanwaltschaft der Ukraine von dem laufenden Konflikt nicht betroffen. Dass es sich bei den Schutzräumen um Vorratskeller handele, die keinen ausreichenden Schutz bieten, ist lediglich eine Vermutung des Beistands des Verfolgten. Angesichts der ausführlichen Informationen der Generalstaatsanwaltschaft der Ukraine zu den getroffenen Vorkehrungen für den Fall eines Angriffs ist davon auszugehen, dass ein hinreichendes Notfallmanagement existiert.
c) Anhaltspunkte für ein Auslieferungshindernis wegen drohender politischer Verfolgung sind ebenfalls nicht vorhanden. Gem. Artikel 3 Abs. 2 EuAlÜbK ist die Auslieferung unzulässig, wenn ernstliche Gründe für die Annahme bestehen, dass der Verfolgte aus rassischen, religiösen, nationalen oder politischen Erwägungen verfolgt oder bestraft werden würde bzw. dass er der Gefahr einer Erschwerung seiner Lage aus den vorgenannten Gründen ausgesetzt wäre. Dafür ist hier nichts ersichtlich oder von dem Verurteilten vorgetragen worden.
Soweit der Verfolgte im Rahmen seiner haftrichterlichen Vernehmung am 8. November 2024 angegeben hat, er habe erst in der vergangenen Woche einen Asylantrag gestellt (Bd. II BI. 361ff, 362 d. A.), ergab eine Nachfrage beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, dass der Verfolgte bisher keinen wirksamen Asylantrag gestellt habe (Bd. II BI. 366 d. A.). Konkrete Gründe, die ein solches Schutzgesuch rechtfertigen könnten, hat er ebenfalls nicht vorgetragen. Hinsichtlich des jüngsten Vorbringens des Verfolgten, sein Beistand habe am 19. Dezember 2024 für ihn einen Asylantrag beim Bundesamt für Migration in Eisenhüttenstadt persönlich abgegeben, handelt es sich nach Überzeugung des Senats um ein ausschließlich taktisches Vorgehen, um das Verfahren zu verzögern. Denn Gründe für eine politische Verfolgung des Verfolgten in der Ukraine oder sonstige Gründe, die einen Asylantrag rechtfertigen könnten, enthält weder der Asylantrag vom 19. Dezember 2024 noch der Anwaltsschriftsatz ebenfalls vom 19. Dezember 2024.
Die von dem Verfolgten geäußerte Befürchtung, er würde gleich eingezogen werden, sowie der Einwand, der Auslieferungsantrag sei vorgeschoben, um die Einziehung des Verfolgten zum Wehrdienst sicherzustellen (Bd. II BI. 362, 364 d. A.), lassen gleichfalls nicht auf die Unzulässigkeit der Auslieferung schließen. Die Möglichkeit, dass der Verfolgte im Falle seiner Auslieferung zum Militärdienst eingezogen würde, begründet für sich kein Auslieferungshindernis. Allein die pauschale Behauptung des Verfolgten, er habe den Kriegsdienst verweigert, führt insoweit zu keiner anderen Bewertung. Der von dem Beistand beantragten Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs über die Vorlagefrage des OLG Dresden (Beschluss vom 9. August 2024, OAus 174/24) bedarf es daher nicht.
III.
Bezüglich der Auslieferungshaft sind seit der letzten oberlandesgerichtlichen Entscheidung keine neuen Umstände hinzugetreten, die zu einer anderen Beurteilung der Haftfrage Anlass geben könnten. Es besteht weiterhin der Haftgrund der Fluchtgefahr. Dass der Verfolgte im Jahr 2022 mit seiner Familie in Frankfurt am Main wohnhaft gewesen sein soll, rechtfertigt keine andere Bewertung, da der Verfolgte zuletzt nach seinen Angaben in Polen seinen festen Wohnsitz hatte. Seine Ehefrau und die Kinder hat er erstmals im Rahmen der richterlichen Vernehmung am 8. November 2024 erwähnt (Bd. II Bl. 259f d.A.). In der ersten richterlichen Vernehmung am 12. September 2024 erklärte er auf die Frage nach seinen persönlichen Verhältnissen lediglich, dass seine Tante in Deutschland lebe (Bd. I Bl. 41 R). Selbst wenn man unterstellt, dass die Familie nunmehr in Frankfurt am Main lebt, ist dieser erst seit wenigen Wochen bestehende Aufenthalt nicht geeignet, der angesichts der dem Verfolgten drohenden Freiheitstrafen von bis zu acht Jahren in drei Fällen und bis zu zwölf Jahren in einem Fall bestehenden erheblichen Fluchtgefahr ausreichend entgegenzuwirken.
Die Fortdauer der Auslieferungshaft erscheint bei der gegebenen Sachlage auch nicht unverhältnismäßig.
Eine Außervollzugsetzung des Auslieferungshaftbefehls kommt aus den genannten Gründen nicht in Betracht. Mildere Maßnahmen sind nicht geeignet, die Auslieferung des Verfolgten sicherzustellen. Aus den vorgenannten Gründen ist der Antrag des Verfolgten vom 4. Dezember 2024 auf Aufhebung des Auslieferungshaftbefehls bzw. auf dessen Außervollzugsetzung zurückzuweisen.