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Entscheidung 1 Ws 148/24 (S)


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 1. Strafsenat Entscheidungsdatum 06.01.2025
Aktenzeichen 1 Ws 148/24 (S) ECLI ECLI:DE:OLGBB:2025:0106.1WS148.24S.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss der 4. großen Strafkammer des Landgerichts Potsdam vom 27. August 2024 wird als unbegründet verworfen.

Der Verurteilte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.

Die 4. große Strafkammer des Landgerichts Potsdam erkannte mit Urteil vom 10. Februar 2023 (Az.: 24 KLs 8/22) wegen bandenmäßiger Einfuhr von Betäubungsmitteln in vier Fällen, jeweils in Tateinheit mit Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Eberswalde vom 11. August 2021 (Az.: 11 Ds 122/21) auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und drei Monaten gegen den Verurteilten. Das Urteil ist, nachdem der Bundesgerichtshof die Revision des Angeklagten mit Beschluss vom 01. November 2023 als unbegründet verworfen hatte (Az.: 6 StR 455/23), seit dem 02. November 2023 rechtskräftig.

Das Landgericht verhängte folgende Einzelstrafen gegen den Verurteilten: Für die Tat zu 1) fünf Jahre und drei Monate, für die Tat zu 2) sechs Jahre, für die Tat zu 3) sechs Jahre und zwei Monate und für die Tat zu 4) fünf Jahre und zehn Monate. Das Amtsgericht Eberswalde, dessen Strafe die Kammer einbezog, hatte den Verurteilten wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit Urkundenfälschung und Fälschung beweiserheblicher Daten zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt.

Der Verurteilte verbüßt die Gesamtfreiheitsstrafe derzeit in der Justizvollzugsanstalt …. Das Strafende ist auf den 18. November 2029 notiert.

Unter dem 05. Mai 2024 beantragte der Verurteilte, diese Gesamtfreiheitsstrafe aufzulösen, die Einzelstrafen neu festzusetzen und eine neue Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, mit Inkrafttreten des KCanG seien die Strafrahmen der von ihm verwirklichten Delikte im Verhältnis zum früher geltenden BtMG erheblich reduziert worden. Das unterfalle dem Anwendungsbereich des Art. 313 Abs. 3 S. 2 und 3 EGStGB, zudem sei ein Erst-Recht-Schluss aus Art. 313 Abs. 4, Art. 316p EGStGB zu ziehen.

Die zunächst mit dem Antrag befasste Strafvollstreckungskammer bei dem Landgericht Cottbus gab das Verfahren am 22. August 2024 gemäß § 462a Abs. 1 S. 3 StPO an die 4. große Strafkammer des Landgerichts Potsdam als das erkennende Gericht ab.

Mit Beschluss vom 27. August 2024 wies die 4. große Strafkammer des Landgerichts Potsdam den Antrag des Verurteilten als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, ein Anwendungsfall von Art. 313 Abs. 3 EGStGB liege nicht vor. Von dieser Vorschrift seien allein Fälle erfasst, in denen Verurteilungen wegen tateinheitlicher Begehung einer nach neuem Recht nicht mehr strafbaren Handlung und einer weiterhin strafbaren erfolgt seien – ein solcher Fall liege nicht vor, denn gegen den Verurteilten seien ausschließlich Einzelstrafen wegen solcher Taten verhängt worden, die sowohl nach dem früheren BtMG als auch nach dem nunmehrigen KCanG strafbar seien. Ein Anwendungsfall von Art. 313 Abs. 4 EGStGB sei ebenfalls nicht gegeben, da in die gegen den Verurteilten erkannten Gesamtfreiheitsstrafe keine Einzelstrafe für eine Tat einbezogen worden sei, die nach Einführung des KCanG nicht mehr strafbewehrt sei. Mangels Anwendbarkeit der genannten Vorschriften sei ein Eingriff in die rechtskräftige Verurteilung nicht erlaubt. Eine nachträgliche Strafmilderung oder Amnestie, die über den Erlass von nicht vollstreckten Strafen für nach neuem Recht nicht mehr strafbares Verhalten hinausgehe, sähen Art. 316p, 313 EGStGB nicht vor. Insgesamt fehle es sonach für das Begehren des Verurteilten an einer Rechtsgrundlage.

Gegen diesen ihm am 28. August 2024 formlos übersandten Beschluss wendet sich der Verurteilte mit seiner am 05. September 2024 bei dem Landgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde.

Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg beantragt mit ihrer Stellungnahme vom 02. Oktober 2024, die sofortige Beschwerde aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zu verwerfen.

Der Verurteilte hat hierzu mit Anwaltsschriftsatz vom 23. Oktober 2024 Stellung genommen. Er macht geltend, die Kammer habe den Anwendungsbereich des Art. 313 Abs. 3 EGStGB verkannt, die Vorschrift gelte auch für einen milderen Strafrahmen. Art. 316p EGStGB stelle klar, dass Art. 313 EGStGB auch dann gelte, wenn das neue KCanG eine mildere Strafe vorsehe. Zudem beinhalte die Sichtweise des Landgerichts einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

II.

1. Die sofortige Beschwerde ist gemäß Art. 316p, 313 Abs. 5 EGStGB, § 462 Abs. 3 S. 1 StPO statthaft. Sie ist, ausgehend davon, dass die angefochtene Entscheidung den Verurteilten frühestens am 29. August 2024 erreichte, innerhalb der Wochenfrist des § 311 Abs. 2 StPO formgerecht im Sinne des § 306 Abs. 1 StPO bei Gericht angebracht worden und sonach zulässig.

2. In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.

a) Die 4. große Strafkammer des Landgerichts Potsdam war als erkennendes Gericht für die nach Art. 316p, 313 EGStGB zu treffende Entscheidung zuständig. Den Gegenstand des Verfahrens bildet der Antrag des Verurteilten auf (nachträgliche) Neubildung einer Gesamtfreiheitsstrafe, Art. 313 Abs. 4 S. 1 EGStGB. Dies begründet im Verfahren über die zu treffende gerichtliche Entscheidung nach Art. 313 Abs. 5 EGStGB, § 462 StPO die Zuständigkeit nicht der Strafvollstreckungskammer, sondern des Gerichts des ersten Rechtszugs (§§ 462a Abs. 3 S. 1, 460 StPO).

Hiervon abgesehen, hat die Strafvollstreckungskammer bei dem Landgericht Cottbus das Verfahren am 22. August 2024 mit Bindungswirkung für diese (§ 462a Abs. 1 S. 3 2. Hlbs. StPO) an die erkennende Strafkammer abgegeben.

b) Zutreffend hat die Kammer den Antrag des Verurteilten als unbegründet zurückgewiesen.

Eine Aufhebung und Neufestsetzung rechtskräftig verhängter Strafen für Taten, die – wie hier – sowohl nach dem BtMG in seiner früheren Fassung als auch nach dem nunmehr geltenden § 34 Abs. 4 Ziff. 3 KCanG strafbar sind, ist selbst dann nicht veranlasst, wenn sie noch nicht (vollständig) vollstreckt sind. Die Regelungen des Art. 313 Abs. 3 EGStGB betreffen lediglich Verurteilungen wegen einer Handlung, die eine nach neuem Recht nicht mehr anwendbare Strafvorschrift und zugleich eine andere Strafvorschrift verletzt hat, also Fallgestaltungen, in denen – anders als hier – bei vorliegender Tateinheit gemäß § 52 StGB ein nicht mehr strafbares Verhalten Gegenstand der Bildung der Einzelstrafe war. Eine darüber hinausgehende Amnestieregelung lässt sich weder dem Wortlaut oder der Systematik des Gesetzes noch dem Willen des Gesetzgebers entnehmen (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 155), sie ist auch von Verfassungs wegen nicht geboten (vgl. Engel ZRP 2024, 50), entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers auch nicht im Lichte des Art. 3 Abs. 1 GG. Der Senat schließt sich hierzu der Rechtsprechung des 2. Strafsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts an (Beschluss vom 21. Mai 2024, 2 Ws 54/24 [S]; vgl. auch OLG Hamm, Beschluss vom 20. August 2024, III-5 Ws 230/24, juris). Das zum 01. April 2024 in Kraft getretene KCanG gibt zu einer Neubewertung des rechtskräftig festgestellten Tatunrechts keine Veranlassung. Eine über den Erlass von nicht vollstreckten Strafen für nach neuem Recht nicht mehr strafbares Verhalten hinausgehende Amnestieregelung ist in Art. 316p, 313 EGStGB nicht vorgesehen, eine analoge Anwendung von Art. 313 Abs. 3 und 4 EGStGB nicht angezeigt (vgl. OLG Hamm a. a. O.). Eine Neubewertung bereits rechtskräftig verhängter Strafen wegen nach neuem Recht ebenfalls strafbarer Handlungen kommt deshalb nicht in Betracht.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 S. 1 StPO.