Gericht | OLG Brandenburg 5. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 08.01.2025 | |
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Aktenzeichen | 5 W 116/24 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2025:0108.5W116.24.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Senftenberg – Grundbuchamt – vom 21. November 2024, Gz. („Ort 01“) Blatt …, aufgehoben.
I.
Eingetragener Eigentümer des im Grundbuch von („Ort 01“) Blatt … verzeichneten Grundbesitzes ist der am 22. April 2024 verstorbene („Name 01“). Er wurde gemäß dem am 31. Juli 2024 eröffneten gemeinschaftlichen und notariell beurkundeten Testament vom 24. April 2006 (Urkundenrolle Nr. … der Notarin („Name 02“) in („Ort 02“)) von der Antragstellerin, seiner Ehefrau, alleine beerbt. Am 18. Juli 2016 hatte er der Antragstellerin eine notariell beurkundete Generalvollmacht erteilt (Urkundenrolle Nr. … der Notarin („Name 03“) in („Ort 02“)), die diese insbesondere auch zur Veräußerung von Grundbesitz bevollmächtigt.
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 24. Juli 2024 (Urkundenrolle Nr. … des Notars („Name 04“) in („Ort 03“)) verkaufte die Antragstellerin unter Berufung auf die ihr erteilte Generalvollmacht namens ihres bereits verstorbenen Ehemanns das im verfahrensgegenständlichen Grundbuch gebuchte Grundstück zu einem Kaufpreis von 1.344,70 € an die Firma („Firma 01“) in („Ort 04“). Am 5. September 2024 beantragte der beurkundende Notar unter Vorlage des notariellen Vertrages die Eintragung einer Auflassungsvormerkung zu Gunsten der Erwerberin.
Das Grundbuchamt hat zunächst mit Zwischenverfügung vom 12. September 2024 darauf hingewiesen, dass die Vormerkung nicht eingetragen werden könne, weil die vorgelegte Vollmacht aufgrund Konfusion erloschen sei. Das Handeln als Stellvertreter setze Personenverschiedenheit von Vertretenem und Vertreter voraus. Nach dem vorliegenden notariellen Testament sei die Antragstellerin die Alleinerbin des am 22. April 2024 verstorbenen („Name 01“). Die Erklärungen hätten daher als Erbin und Eigentümerin von ihr abgegeben werden müssen.
Nachdem die Antragstellerin, vertreten durch ihren Verfahrensbevollmächtigten, mit Schreiben vom 9. Oktober 2024, an ihrer Rechtsauffassung festgehalten hat, dass ein Erbe auch aufgrund einer transmortalen Vollmacht Veräußerungen auf der Grundlage dieser Vollmacht vornehmen könne, hat das Grundbuchamt mit Beschluss vom 21. November 2024 den Antrag auf Eintragung einer Auflassungsvormerkung zurückgewiesen. Der Antrag des Notars auf Eintragung der Auflassungsvormerkung sei am 6. September 2024 bei Gericht eingegangen. Zu diesem Zeitpunkt sei dem Grundbuchamt bereits bekannt gewesen, dass der Eigentümer verstorben sei.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde vom 27. November 2024, der das Grundbuchamt durch weiteren Beschluss vom 2. Dezember 2024 nicht abgeholfen hat.
II.
Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig (§§ 71 Abs. 1, 73 GBO); sie hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung des Zurückweisungsbeschlusses vom 21. November 2024.
Entgegen der Auffassung des Grundbuchamtes ist der von der Antragstellerin am 24. Juli 2024 namens des eingetragenen Eigentümers mit der Erwerberin abgeschlossene Grundstückskaufvertrag wirksam und damit ein durch die Vormerkung sicherbarer Anspruch auf Übertragung des Eigentums an dem verkauften Grundstück entstanden.
Die Antragstellerin hat diesen Kaufvertrag unter Bezugnahme auf die ihr am 18. Juli 2016 erteilte Generalvollmacht ihres Ehemanns, des eingetragenen Eigentümers, abgeschlossen. Die Vollmacht berechtigte sie nach § 2 Ziffer 1 ausdrücklich auch zur Veräußerung von Grundstücken und sollte nach § 5 Ziffer 2 auch über den Tod des Vollmachtgebers hinaus gelten. Entgegen der Auffassung des Grundbuchamtes steht der Wirksamkeit des Vertrages nicht entgegen, dass der Vollmachtgeber bei Abschluss des Vertrages bereits verstorben war und die Antragstellerin aufgrund des notariellen Testaments vom 24. April 2006 dessen Alleinerbe geworden ist.
Aus der vom Grundbuchamt zur Begründung seiner Auffassung in Bezug genommenen Entscheidung des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 25. März 2024, Az. 15 Wx 2176/23, die sich wiederum auf Entscheidungen des Oberlandesgerichts Hamm vom 10. Januar 2013 (FGPrax 2013 148 f.) und des Oberlandesgerichts München vom 31. August 2016 (NJW 2016, 3381) stützt, ergibt sich für den konkreten Sachverhalt nichts anderes.
Das Oberlandesgericht Nürnberg hatte einen Sachverhalt zu entscheiden, bei dem die Alleineierbenstellung des als Vertreter Handelnden nicht in der Form des § 35 GBO nachgewiesen war, und hat für diesen Fall ein wirksames Handeln auf Grundlage der erteilten transmortalen Vollmacht angenommen. Das Oberlandesgericht München und das Oberlandesgericht Hamm hatten wiederum die Wirksamkeit von notariellen Verträgen zu entscheiden, bei denen, wie vorliegend, zwar die Alleinerbenstellung des Bevollmächtigten in der Form des § 35 GBO nachgewiesen war, dieser aber zumindest auch als Alleinerbe des eingetragenen Berechtigten den jeweiligen Vertrag abgeschlossen hatte, der Erbennachweis aber nicht erbracht werden konnte. Für diese Konstellationen hatten das Oberlandesgericht München und das Oberlandesgericht Hamm entschieden, dass damit die Vollmacht infolge Zerstörung des ihr innewohnenden Rechtsscheins als Urkundennachweis untauglich sei (OLG München NJW 2016, 3381 Rn. 19; OLG Hamm FGPrax 2013, 148).
Um eine solche Konstellation handelt es sich indes vorliegend nicht. Die Antragstellerin hat nach dem Inhalt der notariellen Urkunde vom 24. Juli 2024 unter Berufung auf die ihr erteilte notarielle Vollmacht allein und ausschließlich namens des eingetragenen Eigentümers als Verkäufer gehandelt und sich in der Urkunde in keiner Weise zusätzlich auf ihre Alleinerbenstellung und damit Eigentümerin des Grundstücks berufen.
Durch den Tod des Vollmachtgebers erlischt weder das der Vollmachterteilung zugrundeliegende Rechtsverhältnis (§§ 672, 675 BGB) – mangels anderslautender Anordnung des Vollmachtgebers – noch die Vollmacht selbst (transmortale Vollmacht). Ob die Legitimationswirkung einer notariellen Vollmacht grundbuchverfahrensrechtlich entfällt, wenn die Alleinerbenstellung des Bevollmächtigten nach § 35 GBO nachgewiesen ist, etwa weil der Verfügende behauptet, (alternativ) als Alleinerbe des eingetragenen Eigentümers zu handeln bzw. aufgrund einer ihm vom Verstorbenen erteilten Vollmacht, oder der Bevollmächtigte erklärt, Alleinerbe des Vollmachtgebers zu sein und als solcher zu handeln, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Die Antragstellerin hat sich weder alternativ noch ausschließlich bei Abschluss des Vertrages auf ihre Alleinerbenstellung berufen, sondern ausschließlich auf die ihr erteilte notarielle Vollmachtsurkunde. Die Vorlage der Vollmachtsurkunde hat die gleichen Rechtswirkungen wie ihre Kundgabe nach § 171 Abs. 1 BGB. Es bedarf weder einer Kenntnisnahme des Geschäftsgegners vom Urkundeninhalt noch eines Nachweises der Ursächlichkeit des Rechtscheins der Urkunde für den Geschäftsabschluss. Die Rechtsscheinvollmacht entfaltet Wirkung, wenn die Vollmacht nicht oder nicht in dem Umfang besteht, der in der Vollmachtsurkunde dokumentiert ist. Etwas anderes gilt, wenn sich Einwendungen gegen die Vollmacht aus der Urkunde entnehmen lassen (Münchener Kommentar/Schubert, BGB § 172 Rn. 24 m. w. Nachw.). Zur Beseitigung des Rechtsscheins bedarf es wie bei § 171 Abs. 2 BGB eines gleichwertigen actus contrarius. Das ist die Rückgabe der Vollmachtsurkunde an den Vollmachtgeber (§ 175 BGB) oder ihre Kraftloserklärung (§ 176 BGB; Münchener Kommentar/Schubert, a. a. O. Rn. 26).
Danach durfte jedenfalls die Erwerberin bei Abschluss des Vertrages uneingeschränkt auf den Fortbestand der notariellen Vollmacht nach § 172 BGB vertrauen, weil diese weder zurückgegeben noch für kraftlos erklärt worden war, so dass ein vormerkungsfähiger Anspruch auf Übertragung des Eigentums zu ihren Gunsten entstanden ist.
Im Ergebnis liegt auch eine wirksame Bewilligung für die beantragte Eintragung der Vormerkung zu Gunsten der Erwerberin vor.
Die Eintragungsbewilligung wird nicht schon mit der Ausstellung der in der vorgeschriebenen Form errichteten Urkunde wirksam in dem Sinn, dass sie verfahrensrechtlich Grundlage einer Eintragung durch das Grundbuchamt sein kann, sondern erst dann, wenn die Urkunde mit dem Willen des Erklärenden dem Grundbuchamt oder zur Vorlage bei diesem demjenigen, zu dessen Gunsten die Eintragung erfolgen soll, in Urschrift, Ausfertigung oder beglaubigter Abschrift zugeht (m. w. Nachw. Demharter, GBO, § 19 Rn. 21). Stirbt der Bewilligende vor dem Zugang beim GBA oder verliert er (teilweise) seine Geschäftsfähigkeit, so kann die Erklärung dennoch wirksam werden, wenn der Aussteller der Erklärung sie nicht nur abgefasst, sondern auch an den „Adressaten“ (hier: Begünstigter oder GBA) abgesandt oder ihm übergeben hat oder sie in anderer Weise derart in den Rechtsverkehr gebracht hat, dass er mit ihrem Zugehen rechnen konnte, also insbesondere den Notar mit der Weiterleitung beauftragt hat (Bauer/Schaub/Kilian, 5. Aufl. 2023, GBO § 19 Rn. 97).
Danach ist die von der Antragstellerin in der notariellen Urkunde vom 24. Juli 2024 erklärte Bewilligung gegenüber der Erwerberin als der Begünstigten wirksam geworden. Sie hat unter Ziffer V Abs. 2 dieses Vertrages die Eintragung der Vormerkung bewilligt. Nach Ziffer V Abs. 5 des Vertrages ist der Notar ohne Beschränkung bevollmächtigt, namens der Urkundsbeteiligten Anträge aus dieser Urkunde zu stellen. Da damit der Notar bevollmächtigt war, auch namens der Erwerberin den Antrag auf Eintragung der Auflassungsvormerkung beim Grundbuchamt zu stellen, ist die Bewilligung damit der Erwerberin als der Begünstigten im Zeitpunkt der Urkundserrichtung zugegangen. Damit war aber im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Eintragungsbewilligung der Rechtsschein aus der notariellen Vollmachtsurkunde nicht aufgehoben.
Darauf, dass möglicherweise dem Grundbuchamt bei Eingang des Antrags auf Eintragung der Vormerkung bekannt war, dass die Antragstellerin den eingetragenen Berechtigten allein beerbt hatte und damit der Rechtsschein der Vollmachtsurkunde nach § 173 BGB zu diesem Zeitpunkt aufgehoben gewesen sein könnte, kommt es danach nicht mehr an. Es bedarf auch keiner Entscheidung der Frage, ob die vom Erblasser abgeleitete Befugnis als fortbestehend zu behandeln ist, wenn dies berechtigte Interessen gebieten (vgl. zur Konfusion BGH NJW-RR 2009, 1059, 1060; Palandt/Grüneberg, BGB, vor § 362 Rn. 4). Das wird etwa für den Fall angenommen, dass die Vollmacht dem Bevollmächtigten materiell- oder verfahrensrechtlich weitergehende Befugnisse und Handlungsmöglichkeiten eröffnet, als sie dem Alleinerben zur Verfügung stehen, und keine schutzwürdigen Interessen Dritter oder des Rechtsverkehrs gegen das Fortbestehen der Vollmacht sprechen (m. w. Nachw. Kammergericht FGPrax 2021, 99).
Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Gerichtskosten beruht auf § 25 Abs. 1 GNotKG; eine Entscheidung über die Erstattung außergerichtlicher Kosten ist nicht veranlasst.