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Entscheidung 134 BRs 32/22


Metadaten

Gericht AG Zossen Einzelrichter Entscheidungsdatum 10.09.2024
Aktenzeichen 134 BRs 32/22 ECLI ECLI:DE:AGZOSSE:2024:0910.134BRS32.22.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Der Antrag, den Beschluß vom 15. Mai 2023 aufzuheben, wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Der Verurteilte begehrt die Aufhebung des Beschlusses vom 15. Mai 2023, mit dem die Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen worden ist.

Er war mit Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 25. Mai 2021 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Bei den Betäubungsmitteln handelte es sich unter anderem um MDMA, Amphetamin und Kokain. Das Urteil ist seit dem 2. Juni 2021 rechtskräftig.

Am 14. Juni 2022 beging er eine Körperverletzung, wegen der er vom Amtsgericht Tiergarten zu einer Geldstrafe von fünfzig Tagessätzen verurteilt wurde, rechtskräftig seit dem 19. Januar 2023. Ferner wurde er am 1. März 2023 durch das Amtsgericht Tiergarten wegen des unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln (4,3 Gramm Marihuana) zu einer Geldstrafe von fünfzig Tagessätzen verurteilt; die Verurteilung ist seit dem 10. März 2023 rechtskräftig.

Wegen der letztgenannten Verurteilung hat das Amtsgericht Zossen die mit dem Urteil vom 25. Mai 2021 gewährte Strafaussetzung zur Bewährung nach § 56f Abs. 1 Nr. 1 StGB widerrufen.

II.

An dem Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung ist festzuhalten.

Die Verurteilung, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist, unterfällt nicht dem Anwendungsbereich der Artt. 316q, 313 EGStGB. Die gegenständliche Verurteilung beruht nur zu einem äußerst untergeordneten Anteil auf das Handeltreiben mit Cannabis.

Zwar beruht die zum Widerruf geführt habende Verurteilung vom 1. März 2023 auf einem nunmehr nicht mehr nach dem BtMG strafbaren Erwerb von Marihuana, gleichwohl ist am Widerruf festzuhalten. Zum einen sieht Art. 313 EGStGB nur den Erlaß der Strafe vor, nicht aber die Aufhebung des Schuldspruchs. Mit dem rechtskräftigen Schuldspruch ist indes belegt, daß der Verurteilte die Erwartung, er werde fürderhin ein Leben ohne Straftaten führen, enttäuscht hat. Zum anderen wäre der Erwerb von Cannabis auch nach der aktuellen Rechtslage als Geldwäsche nach § 261 Abs. 1 Nr. 3 oder Nr. 4 StGB strafbar, da der Verurteilte einen Gegenstand - Marihuana - sich verschafft oder verwahrt hat, der aus einer rechtswidrigen Tat herrührt. Der Erwerb und der Besitz von Betäubungsmitteln oder Cannabis, die aus einem strafbaren Anbauen oder Herstellen herrühren, verwirklichen den Tatbestand der Geldwäsche nach § 261 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 bzw. Nr. 4 Alt. 1 StGB. Ein legaler Erwerb außerhalb einer zum Tatzeitpunkt nicht existierenden Anbauvereinigung ist weder nach früherem noch nach heutigem Recht möglich. Bis zum Inkrafttreten des KCanG am 1. April 2024 war die Strafbarkeit nach § 261 Abs. 1 StGB insoweit ohne Bedeutung, weil aufgrund der Konkurrenzregel des § 261 Abs. 7 StGB eine Bestrafung wegen Geldwäsche ausgeschlossen und allein nach den §§ 29 ff. BtMG zu bestrafen war (LSK 2024, 23811979, beck-online; El-Ghazi, Cannabis-Konsumenten droht Verfolgung wegen Geldwäsche, LTO 29.4.2024).

Einer teleologischen Reduktion (vgl. hierzu Jarass/Pieroth/Jarass, 18. Aufl. 2024, GG Art. 20 Rn. 65 ff., beck-online) des Anwendungsbereichs des § 261 Abs. 1 StGB nach dem Sinn und Zweck des KCanG vermag das Gericht nicht näherzutreten. Sinn und Zweck erschließen sich aus dem Regelungsgefüge des KCanG nicht. Zwar erscheint es prima facie widersprüchlich, eine Strafbarkeit wegen Geldwäsche zu bejahen, die sich aus dem KCanG nicht ergibt. Das KCanG entzieht sich jedoch dem Auslegungskriterium der Widerspruchsfreiheit, denn es handelt sich beim KCanG seinerseits um ein in bemerkenswert hohem Maße inkohärentes Regelungsgefüge voller Widersprüchlichkeiten. Widerspruchsfreiheit war offensichtlich nicht der Wunsch des Gesetzgebers. Einem Gesetz, das dem Austrocknen des Schwarzmarkts dienen soll, aber eine Legalisierung des Besitzes zunächst ohne Existenz legaler Bezugsquellen ausspricht; nach dem wegen § 35a KCanG ein Besitz von 58 Gramm Cannabis im Zweifel härter geahndet wird (Geldbuße bis 30.000,- €), als ein Besitz von 61 Gramm (Absehen von Strafe); das den Besitz von drei lebenden Cannabispflanzen erlaubt, nicht aber deren Abernten; das den Besitz von drei lebenden Cannabispflanzen erlaubt, nicht aber den Besitz des zu erwartenden Ernteertrags nach dem Trocknen von regelmäßig mehr als 50 Gramm; das trotz des erheblich unterschiedlichen Wirkstoffgehalts nicht danach unterscheidet, ob die erlaubte Menge Cannabis aus Pflanzen, Blüten, sonstigen Pflanzenteilen oder Cannabisharz besteht; das die Beurteilung einer Gefährdung des Wohls von Kindern und Jugendlichen der Polizei und den Ordnungsbehörden auferlegt; das eine umfängliche Regelungsmaterie schafft, die wegen § 261 Abs. 1 StGB weitgehend gegenstandslos ist, kann Sinn und Zweck ebenso wenig entnommen werden, wie ein gesetzgeberischer Wunsch nach Widerspruchsfreiheit.

Doch unabhängig von der Beantwortung der obigen Rechtsfrage käme die Aufhebung des den Widerruf aussprechenden Beschlusses nicht in Betracht. Der Angeklagte hat die mit der Strafaussetzung verbundene Erwartung in mehrfacher Weise enttäuscht. Bereits ein Jahr nach der Verurteilung, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist, hat der Verurteilte eine Körperverletzung begangen, wegen der er rechtskräftig verurteilt werden mußte. Zudem sah er die Erfüllung der Bewährungsauflage offensichtlich nicht als erforderlich an. Auch unter Hinwegdenken der Verurteilung vom 1. März 2023 war es daher erforderlich, die Strafaussetzung zu widerrufen.