Gericht | OLG Brandenburg 1. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 23.12.2024 | |
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Aktenzeichen | 1 U 14/24 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2024:1223.1U14.24.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus vom 29. Februar 2024 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst.
Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, in Bezug auf den Kläger zu behaupten und/oder behaupten zu lassen bzw. zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen,
1. „Zur Zeit ist deshalb durch die Staatsanwaltschaft … (Ort 01) eine Anklage wegen Rechtsbeugung anhängig.“,
2. „(…,) ebenso seine Beziehungen zur rechten Szene.“,
wenn dies geschieht wie in dem offenen Brief des Beklagten an die Kirchengemeinde … (Name, Ort 02), den Gemeindekirchenrat dieser Kirchengemeinschaft, den geschäftsführenden Pfarrer … (Name 01) und nachrichtlich an den Superintendenten … (Name 02) vom 7. Oktober 2022.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu einem Drittel und der Beklagte zu zwei Dritteln.
Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000 € und für den Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Der Gegenstandswert der Berufung beträgt 12.000 €.
I.
Der Kläger ist Richter am Amtsgericht in … (Ort 03) und evangelischer Diplom-Theologe. Der Beklagte ist ein Verein, dessen satzungsmäßiger Zweck die Förderung internationaler Gesinnung, der Toleranz auf allen Gebieten der Kunst und des Völkerverständigungsgedankens ist.
Der Kläger war 2021 beim Amtsgericht … (Ort 03) mit der Bearbeitung von Ordnungswidrigkeitenverfahren befasst. Er sprach in drei Verfahren die jeweils Betroffenen von Verstößen gegen Corona-Verordnungen des Landes Thüringen frei mit der Begründung, dass die für den Ordnungswidrigkeitenvorwurf maßgebenden Regelungen verfassungswidrig und deshalb nichtig seien. Die Urteile führten zur Erhebung von Strafanzeigen wegen des Vorwurfs der Rechtsbeugung. Das dazu bei der Staatsanwaltschaft … (Ort 01) geführte Verfahren wurde ohne eine Anklageerhebung eingestellt.
2022 wurde der Kläger vom Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde … (Name) in … (Ort 02) eingeladen, am XX.XX.2022 in der … (Ort 01, Örtlichkeit, Name) im Rahmen der Predigtreihe „…“ eine Predigt zu halten.
Daraufhin wandte sich der Beklagte mit einem als „Offener Brief“ überschriebenen Schreiben vom 7.10.2022 an die Kirchengemeinde … (Name) in … (Ort 02), deren Gemeindekirchenrat, ihren Pfarrer und den Superintendenten des evangelischen Kirchenkreises … (Ort 02). In dem Schreiben hieß es:
„Sehr geehrte Damen und Herren,
mit Befremden nehmen wir (…) das Ansinnen des Gemeindekirchenrates zur Kenntnis, Herrn … (Name 03) (…) auf der … (Örtlichkeit) (…) predigen zu lassen.
Herr … (Name 03) ist bekannt für seine Haltung gegen die Coronapolitik. Diese persönliche Haltung nutzte er auch in seinem Richteramt bei Urteilen zur Maskenpflicht. Zurzeit ist deshalb durch die Staatsanwaltschaft … (Ort 01) eine Anklage wegen Rechtsbeugung anhängig. Seine Nähe zur Partei „…“ und das Querdenkermilieu sind hinlänglich bekannt, ebenso seine Beziehungen zur rechten Szene (…). Näheres über Herrn … (Name 03) ist in dem Buch „…“ von … (Name 04) nachzulesen.
(…)
(…) Da soll nun also ein Mann auf der Kanzel in der Kirche predigen, der ebenso gut auf der Rednertribüne auf dem … (Örtlichkeit) seine menschenverachtenden Thesen verbreiten könnte. Wir halten das für keine gute Idee und bitten Sie eindringlich von diesem „Prediger“ Abstand zu nehmen.“
Daraufhin wurde der Kläger von seinem Predigtauftrag entbunden.
Der Kläger hat vorgetragen, die Äußerungen, dass durch die Staatsanwaltschaft … (Ort 01) eine Anklage wegen Rechtsbeugung anhängig sei und er Beziehungen zur rechten Szene unterhalte, seien unwahre Tatsachenbehauptungen, die der Beklagte zu unterlassen habe. Bei der Formulierung „menschenverachtenden“ handele es sich um eine unzulässige Schmähkritik, die ebenfalls zu unterlassen sei.
Der Kläger hat – zuletzt – beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, in Bezug auf den Kläger zu behaupten und/oder behaupten zu lassen bzw. zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen,
1. „Zur Zeit ist deshalb durch die Staatsanwaltschaft … (Ort 01) eine Anklage wegen Rechtsbeugung anhängig.“,
2. „(sind hinlänglich bekannt,) ebenso seine Beziehungen zur rechten Szene.“,
3. „Da soll nun ein Mann auf der Kanzel in der Kirche predigen, der ebenso gut auf der Rednertribüne auf dem … (Örtlichkeit) seine menschenverachtenden Thesen verbreiten könnte.“,
wenn dies geschieht wie in dem Offenen Brief des Beklagten an die Kirchengemeinde … (Name, Ort 02), den Gemeindekirchenrat dieser Kirchengemeinschaft, den geschäftsführenden Pfarrer … (Name 01) und nachrichtlich an den Superintendenten … (Name 02) vom 7.10.2022.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
Das Landgericht hat durch Urteil vom 29.2.2024 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass Ansprüche des Klägers gegen den Beklagten aus §§ 1004 Abs. 1 analog, 823 Abs. 1 BGB i. V. m. dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht sowie aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 185 ff. StGB nicht bestünden. Die Äußerung zum Klageantrag zu 1) sei hinzunehmen, da sie keine bewusst unwahre Tatsachenbehauptung darstelle; mit ihr sei, wenn auch sprachlich unscharf, erkennbar die Durchführung eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens gegen den Kläger gemeint gewesen, das unstreitig stattgefunden habe. Die Äußerungen zu den Klageanträgen zu 2) und zu 3) seien zulässige Meinungsäußerungen, ohne dass die Äußerung zum Klageantrag zu 3) eine unzulässige Schmähkritik darstelle.
Das Urteil ist dem Kläger am 5.3.2024 zugestellt worden. Der Kläger hat am 6.3.2024 Berufung eingelegt und diese am 29.4.2024 begründet.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landgerichts abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, in Bezug auf den Kläger zu behaupten und/oder behaupten zu lassen bzw. zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen,
1. „Zur Zeit ist deshalb durch die Staatsanwaltschaft … (Ort 01) eine Anklage wegen Rechtsbeugung anhängig.“,
2. „(sind hinlänglich bekannt,) ebenso seine Beziehungen zur rechten Szene.“,
3. „Da soll nun ein Mann auf der Kanzel in der Kirche predigen, der ebenso gut auf der Rednertribüne auf dem … (Örtlichkeit) seine menschenverachtenden Thesen verbreiten könnte.“,
wenn dies geschieht wie in dem Offenen Brief des Beklagten an die Kirchengemeinde … (Name, Ort 02), den Gemeindekirchenrat dieser Kirchengemeinschaft, den geschäftsführenden Pfarrer … (Name 01) und nachrichtlich an den Superintendenten … (Name 02) vom 7.10.2022.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Von in der Berufungsbegründung angekündigten Hilfsanträgen hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 2.12.2024 Abstand genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache teilweise Erfolg. Denn die Klage ist zulässig und teilweise begründet.
1. Dem Kläger steht ein Unterlassungsanspruch gegen den Beklagten aus §§ 1004, 823 BGB in Bezug auf die in den Klageanträgen zu 1) und zu 2) genannten Äußerungen zu. Für die im Klageantrag zu 3) genannte Äußerung besteht hingegen kein Unterlassungsanspruch.
a) Im rechtlichen Ausgangspunkt ist das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass es der Einordnung der einzelnen Äußerungen als Tatsachenbehauptung oder als Meinungsäußerung bedarf und daran anschließend über deren Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit zu befinden ist.
Dabei ist für die Einordnung der jeweiligen Äußerung als Tatsachenbehauptung oder Meinungsäußerung zunächst deren Aussagegehalt zu ermitteln. Ausgehend vom Wortlaut sind dabei der sprachliche Kontext, in dem die Äußerung steht, und die Begleitumstände, unter denen sie fällt, zu berücksichtigen, soweit diese für die Hörer, Leser oder Zuschauer erkennbar sind. Es ist darauf abzustellen, wie eine Äußerung unter Berücksichtigung des allgemeinen Sprachgebrauchs von einem unvoreingenommenen Durchschnittsrezipienten verstanden wird, wobei eine isolierte Betrachtung eines umstrittenen Äußerungsteils regelmäßig nicht zulässig ist, sondern ebenso der sprachliche Kontext und die sonstigen erkennbaren Begleitumstände zu berücksichtigen sind (vgl. BGH NJW 2009, 1872; 2005, 279, 281; 2004, 598, 599). Während bei Meinungsäußerungen die subjektive Beziehung zwischen der Äußerung und der Wirklichkeit im Vordergrund steht, ist für Tatsachenbehauptungen die objektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Äußerung charakteristisch. Von einer Tatsachenbehauptung ist auszugehen, wenn der Gehalt der Äußerung entsprechend dem Verständnis des Durchschnittsempfängers der objektiven Klärung zugänglich ist und als etwas Geschehenes grundsätzlich dem Beweis offensteht (vgl. BVerfG NJW-RR 2017, 1003; Beschluss vom 4.8.2016, 1 BvR 2619/13, zitiert nach juris; BGH NJW 2005, 279, 281; 2002, 1192, 1193; 1992, 1314, 1316). Meinungsäußerungen sind demgegenüber durch Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt und lassen sich daher nicht als wahr oder unwahr erweisen (vgl. BVerfG a. a. O.; BGH NJW 2009, 1872; 2004, 598, 599). Bei Mischtatbeständen, die sowohl Tatsachenbehauptungen als auch Elemente der Meinungsäußerung oder des Werturteils enthalten, ist ein Herausgreifen einzelner Elemente nicht zulässig. Für die vorzunehmende Abgrenzung ist entscheidend, ob der Tatsachengehalt so substanzarm ist, dass die Äußerung insgesamt durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens und des Meinens geprägt ist, oder ob die Äußerung überwiegend durch den Bericht tatsächlicher Vorgänge ihre Prägung erfährt und beim Adressaten als Darstellung in die Wertung eingekleideter Vorgänge, die als solche einer Überprüfung mit den Mitteln des Beweises zugänglich sind, verstanden wird (Grüneberg/Sprau, BGB, 83. Aufl., § 824, Rn. 4). In Fällen, in denen beide Äußerungsformen miteinander verbunden werden und erst gemeinsam den Sinn einer Äußerung ausmachen, ist der Begriff der Meinung im Interesse eines wirksamen Grundrechtsschutzes weit zu verstehen. Sofern eine Äußerung, in der Tatsachen und Meinungen sich vermengen, durch die Elemente der Stellungnahme des Dafürhaltens oder Meinens geprägt ist, wird sie als Meinung geschützt, und zwar insbesondere dann, wenn eine Trennung der wertenden und der tatsächlichen Gehalte den Sinn der Äußerung aufheben oder verfälschen würde (BVerfG, Beschluss vom 4.8.2016, 1 BvR 2619/13, zitiert nach juris). Die Wahrheit oder Unwahrheit des Tatsachenkerns ist dann im Rahmen der Abwägung der schutzwürdigen Belange der streitenden Parteien zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 16.1.2018, VI ZR 498/16, zitiert nach juris; Grüneberg/Sprau a. a. O.).
Zur Beurteilung der rechtlichen Zulässigkeit von Meinungsäußerungen sind die betroffenen Interessen gegeneinander abzuwägen, wobei alle wesentlichen Umstände und die betroffenen Grundrechte interpretationsleitend zu berücksichtigen sind (BGH NJW 2009, 1872; vgl. auch BVerfG NJW 2008, 1793). Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistet jedermann das Recht, seine Meinung frei zu äußern und zu verbreiten. Dabei genießen Meinungen den Schutz des Grundrechts, ohne dass es darauf ankommt, ob die Äußerung wertvoll oder wertlos, richtig oder falsch, begründet oder grundlos, emotional oder rational ist. Auch scharfe und übersteigerte Äußerungen fallen grundsätzlich in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Erst wenn nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Herabsetzung der Person im Vordergrund steht, hat eine Äußerung als Schmähung regelmäßig hinter dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen zurückzutreten. Unterhalb dieser Schwelle kann eine Meinungsäußerung nur dann rechtswidrig sein, wenn sie entweder die Privatsphäre oder eine andere besonders geschützte Sphäre betrifft oder wenn der betroffenen Person ein besonderer Schaden droht. Stets rechtswidrig sind Formalbeleidigungen und bloße Anprangerungen. Wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts ist der Begriff der Schmähkritik allerdings eng auszulegen. Auch eine überzogene oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Hinzutreten muss vielmehr, dass dabei nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung im Vordergrund steht, die jenseits polemischer und überspitzter Kritik in erster Linie herabsetzen bzw. gleichsam an den Pranger stellen soll (BGH NJW 2009, 1872). Da bei herabsetzenden Äußerungen, die sich als Formalbeleidigungen oder Schmähungen darstellen, ausnahmsweise keine weitergehende Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht angezeigt ist, weil die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter dem Ehrschutz zurückzutreten hat, ist es geboten, hinsichtlich des Vorliegens von Formalbeleidigung und Schmähkritik strenge Maßstäbe anzuwenden (BVerfG NJW 2016, 2870, m. w. N.).
Bei unwahren Tatsachenbehauptungen hat die Meinungsfreiheit des Äußernden regelmäßig hinter dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen zurückzutreten (vgl. BVerfG NJW 2000, 3485, 3486). An der Verbreitung unwahrer Tatsachen besteht grundsätzlich kein schutzwürdiges Interesse (vgl. BVerfG a. a. O.; BGH NJW 2013, 790; 1984, 1102, 1103; Senat NJW-RR 2002, 1269, 1270; Grüneberg/Sprau, a. a. O., § 823, Rn. 102). Die Darlegungs- und Beweislast für die Richtigkeit einer Tatsachenbehauptung trägt nach der über § 823 Abs. 2 BGB in den zivilgerichtlichen Ehrschutz transformierten Beweisregel des § 186 StGB dabei die Prozesspartei, die die Äußerung getätigt hat (vgl. statt vieler: Senat, Urteil vom 19.2.2007, 1 U 17/06, zitiert nach juris).
b) Nach diesen Grundsätzen gilt für die streitgegenständlichen Äußerungen des Beklagten das Folgende.
aa) Die Äußerung, es sei durch die Staatsanwaltschaft … (Ort 01) eine Anklage wegen Rechtsbeugung anhängig, stellt eine vom Kläger nicht hinzunehmende unwahre Tatsachenbehauptung dar.
Dem Landgericht ist darin beizutreten, dass der Wortlaut der Äußerung rechtsterminologisch misslungen ist, da die Staatsanwaltschaft entweder eine Klage zum Strafgericht erhebt oder ein Ermittlungsverfahren ohne eine Anklageerhebung beendet. Aus der Sicht eines unvoreingenommenen Durchschnittsrezipienten ist die Äußerung indes dahingehend zu verstehen, dass im konkreten Fall die Staatsanwaltschaft … (Ort 01) eine Anklage gegen den Kläger beim Strafgericht erhoben habe. Dem Beklagten kann nicht darin gefolgt werden, dass die Äußerung auf eine lediglich interne Befassung der Staatsanwaltschaft abstellt. Denn sowohl mit dem Begriff „Anklage“ als auch mit dem Wort „durch“ wird für den Durchschnittsrezipienten klar und deutlich zum Ausdruck gebracht, dass nicht eine bloße interne Befassung der Staatsanwaltschaft, sondern eine von ihr nach außen getragene Tätigkeit, die in Bezug auf die Anklage nur in deren Erhebung beim Strafgericht liegen kann, in Rede steht.
So verstanden, handelt es sich um eine unrichtige Tatsachenbehauptung. Denn die Erhebung einer Anklage beim Strafgericht ist ein äußerer Vorgang, der uneingeschränkt der Durchführung eines Beweises zugänglich ist. Die so behauptete Tatsache ist auch unwahr, da eine Anklageerhebung gegen den Kläger unstreitig zu keinem Zeitpunkt stattgefunden hat. Demgemäß ist die Äußerung zu unterlassen; Umstände, die trotz ihrer inhaltlichen Unwahrheit ein berechtigtes Interesse des Beklagten an ihrer Vornahme begründen könnten, das die diesbezüglichen Belange des Klägers zurücktreten lassen könnten, lassen sich dem Sachvortrag der Parteien nicht entnehmen.
bb) Die im Klageantrag zu 2) genannte Äußerung stellt ebenfalls eine unwahre Tatsachenbehauptung dar, die der Kläger nicht zu dulden hat.
Für den unvoreingenommenen Durchschnittsrezipienten wird der Kläger durch die Äußerung in eine sympathisierende Nähe zu rechtsextrem oder rechtsradikal gesinnten Personenkreisen gerückt. Der Begriff „rechte Szene“ wird im allgemeinen Strafsprachgebrauch – jedenfalls seit geraumer Zeit – zur Bezeichnung solcher Personenkreise verwendet. Schon die Bezeichnung als „rechts“ bringt dabei eine konservative bis extrem nationalistische Einstellung zum Ausdruck (vgl. Duden, Bedeutungswörterbuch, 3. Aufl., „Rechte“). Dadurch, dass in der Äußerung von einer „rechten Szene“ die Rede ist, wird zum Ausdruck gebracht, dass gerade nicht der in der Klageerwiderung vom 26.4.2023 aufgezeigte parlamentarische Sinnzusammenhang gemeint ist, sondern eine Nähe des Klägers zu einem außerparlamentarischen Personenkreis, der bei der gewählten Formulierung gemeinhin als rechtsextrem verstanden wird.
So verstanden, stellt es sich auch bei dieser Behauptung um eine unwahre Tatsachenbehauptung dar. Der durch die Verwendung des Wortes „Beziehungen“ zum Ausdruck gebrachte Umgang des Klägers mit Personen rechtsextremer Gesinnung stellt – gleichfalls – einen äußeren Vorgang dar, der uneingeschränkt einem Beweis zugänglich ist. Die Behauptung ist ebenfalls als unwahr zu erachten, da sich dem Vortrag der Parteien, dabei insbesondere dem Vortrag des dazu darlegungspflichtigen Beklagten, nichts dafür entnehmen lässt, dass ein solcher Umgang des Klägers tatsächlich besteht oder bestanden hat. Dass der Kläger die während der Corona-Pandemie im Land Thüringen getroffenen Regelungen kritisch hinterfragt hat, lässt dies – noch – nicht erkennen, da dies nichts mit dem Vorliegen einer „rechten“ oder „linken“ Gesinnung zu tun hat, sondern eine davon unabhängige Kritisierung staatlichen Handelns darstellt. Ebenso reicht es für die Annahme einer wahren Tatsachenbehauptung nicht aus, dass der Kläger in anderen Publikationen, etwa in der Buchveröffentlichung „…“ des Journalisten … (Name 04), Erwähnung findet. Insoweit beruft sich der Beklagte lediglich auf die Äußerung eines Dritten, der – worauf er in der Klageerwiderung vom 26.4.2023 abhebt – seine Meinung teilen mag, ohne die streitgegenständliche Äußerung durch einen substantiierten Sachvortrag zur tatsächlichen Wahrheit der behaupteten Tatsache zu untersetzen. Worin also letztlich die „Beziehung“ des Klägers zur „rechten Szene“ bestehen, woraus sich diese ergeben sollte, welche Handlungen oder Verhaltensweisen des Klägers hierauf hindeuten oder dafür Beleg sein sollten, hat der Beklagte nicht dargetan.
cc) Die in Klageantrag zu 3) genannte Äußerung stellt hingegen eine Meinungsäußerung dar, deren Unterlassung der Kläger nicht verlangen kann.
Die Äußerung erhält ihr Gepräge durch die Verwendung des Begriffs „menschenverachtend“, ohne die sie weitgehend inhaltsleer wäre. Ihr einleitender Halbsatz nimmt lediglich im vorangehenden Text des als Anlage zur Klageschrift vom 15.2.2023 zu den Akten gereichten Offenen Briefes vom 7.10.2022 Angesprochenes auf und besitzt insoweit keinen weitergehend eigenständigen Erklärungsgehalt. Dass die Nennung „der Rednertribüne auf dem … (Örtlichkeit)“ eine ins Gewicht fallende – negative – Konnotation der Person des Klägers zum Ausdruck bringen könnte, kann nach dem eigenen Vortrag auf den Seiten 14, 15 der Klageschrift vom 15.2.2023 nicht angenommen werden.
Damit stellt sich die Äußerung als Meinungsäußerung dar, da sie in Ihrem Gepräge nicht einen beweisbaren äußeren Vorgang, sondern eine Bewertung des Klägers und seines Äußerungsverhaltens zum Gegenstand hat. Als solche ist die Äußerung zulässig, da sie nicht mehr als eine pointierte und – wohl schon – polemisch überspitzte Kritik an, wie aus dem Zusammenhang des Offenen Briefes vom 7.10.2022 erkennbar ist, der vom Kläger nach außen getragenen Würdigung der „Corona-Politik“ darstellt, ohne die Grenze zu einer unzulässigen Schmähkritik zu überschreiten. Die Begrifflichkeit „menschenverachtend“ führt, wie der Senat bereits an anderer Stelle entschieden hat, noch nicht zum Vorliegen einer Schmähkritik, weshalb dem Kläger ein diesbezüglicher Unterlassungsanspruch nicht zugebilligt werden kann.
c) Die für das Bestehen der gegebenen Unterlassungsansprüche erforderliche Wiederholungsgefahr ist durch die erfolgte Versendung des Schriftstücks vom 7.10.2022 durch den Beklagten indiziert (vgl. BGH NJW 2012, 3781, 3782; 2004, 1035, 1036; Grüneberg/Herrler, BGB, 83. Aufl., § 1004, Rn. 32, m. w. N.). Entgegen der Sichtweise des Beklagten kann dem nicht entgegengehalten werden, dass es sich seinerzeit um ein einmaliges Geschehen gehandelt habe, das sich nicht wiederholen werde. Es ist keineswegs undenkbar oder auch nur fernliegend, dass der Kläger, der in nicht sehr großer räumlicher Entfernung zu … (Ort 02) in … (Ort 04) wohnt und in … (Ort 03) beruflich wirkt, etwa auch künftig Einladungen zu Veranstaltungen in oder bei … (Ort 02) erhalten oder in anderweitiger Weise dort in Erscheinung treten wird; dass der Beklagte solches dann ohne eine Wiederholung der streitgegenständlichen Äußerungen hinnehmen würde, lässt sich seinem Vorbringen nicht, jedenfalls nicht hinreichend sicher, entnehmen.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß § 709 ZPO.
Eine Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, § 543 Abs. 2 ZPO.