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Entscheidung 9 UF 3/13


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 1. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 16.02.2015
Aktenzeichen 9 UF 3/13 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die Beschwerde des weiteren Beteiligten zu 3. wird der Beschluss des Amtsgerichts Cottbus – Familiengericht – vom 17. Dezember 2012 – Az.: 97 F 44/12 - unter Zurückweisung der Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 1. teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Kindesmutter wird die elterliche Sorge für die Kinder J… P…, geboren am …. April 2004, M… P…, geboren am …. August 2008, A… P…, geboren am …. Februar 2011 und C… P…, geboren am …. Februar 2012, entzogen.

Die elterliche Sorge für M… P… wird dem Kindesvater T… R… (weiterer Beteiligter zu 3.) übertragen.

Für die Kinder J… P…, A… P… und C… P… wird Vormundschaft angeordnet. Zum Vormund wird das Jugendamt der Stadt … bestellt.

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben; die Erstattung außergerichtlicher Kosten wird nicht angeordnet.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Der Gegenstandswert wird auf 3.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beteiligte zu 1. ist die allein sorgeberechtigte Mutter von vier Kindern, die von drei Vätern abstammen. Die Mutter war nicht verheiratet, Sorgeerklärungen gemäß § 1626 a BGB sind nicht abgegeben worden. Seit Juni 2010 erhielt die Mutter Hilfen zur Erziehung in Form einer flexiblen Hilfe gemäß § 27 Abs. 2 SGB VIII.

Bis November 2010 wohnte die Mutter in …, … Straße 89. Nach einem Wasserschaden war die Wohnung unbewohnbar. Im Zuge der Renovierungsarbeiten kam es zu einem Zerwürfnis mit dem Vermieter. Die Mutter zog daraufhin Anfang 2011 zu dem Beteiligten zu 4. in dessen 2-Zimmer-Wohnung. Das Kind J… wurde bei der Großmutter mütterlicherseits und bei einer Freundin, das Kind M… überwiegend bei seinen Großeltern väterlicherseits untergebracht. Am …. Februar 2011 wurde der Sohn A… geboren.

Wegen häuslicher Gewalt kam es am 6. Juni 2011 zu einem Polizeieinsatz in der Wohnung der Mutter und ihres Lebensgefährten. Es lag zudem ein Haftbefehl des Amtsgerichts Lübben gegen die Mutter wegen eines Verkehrsdelikts vor, der vollstreckt werden sollte (StA Cottbus, Az.: 1521 Js 9566/09). Auf Antrag der Mutter wurden A… in einer Pflegefamilie und J… in einer Wohngruppe untergebracht. M… blieb bei ihren Großeltern. Die Vollstreckung des Haftbefehls konnte die Mutter durch Zahlung der Geldstrafe abwenden.

Im Sommer 2011 bezog die Mutter eine geräumige Wohnung in …. Die für den 4. November 2011 geplante Rückführung der Kinder in ihren Haushalt scheiterte, weil die Wohnung noch nicht eingerichtet war. Mit Hilfe ihres Vaters richtete die Mutter anschließend die Wohnung ein. Ihre Eltern beglichen auch aufgelaufene Schulden für Elektrizität. Als Termin für die Rückführung der Kinder wurde der 1. April 2012 geplant. Zur Vorbereitung waren seit November 2011 zwei Familienhelfer im Einsatz. Bewilligt waren 30 Fachleistungsstunden in der Woche. Ziel war die Begleitung der Mutter bei Behördengängen, Herstellung einer Tagesstruktur und Hilfestellung bei der Erziehung. Das Angebot einer gemeinsamen Unterbringung mit den Kindern in einer Mutter-Kind-Einrichtung lehnte die Mutter wiederholt ab.

Mit Schreiben vom 6. Februar 2012 zeigte das Jugendamt bei dem Amtsgericht eine Kindeswohlgefährdung an. Die Mutter sei psychisch instabil und halte Absprachen aus Schutzplänen nicht ein. Die Zusammenarbeit mit den Familienhelfern verlaufe zunehmend schwierig, da die Mutter unstrukturiert und das Arbeiten an Zielen kaum möglich sei. Eine Rückführung der Kinder in den mütterlichen Haushalt entspreche nicht deren Wohl.

Am 3. Februar 2012 wurde die Mutter im Rahmen einer Verkehrskontrolle positiv auf Amphetamine getestet. Das Ergebnis wurde durch eine Blutprobe bestätigt (StA Cottbus, Az.: 1260 Js 10530/12). Im Fahrzeug befand sich auch die Tochter M…. Die Mutter war nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis, weil ihr diese wegen einer Trunkenheitsfahrt entzogen worden war (StA Cottbus, Az.: 1521 Js 9566/09).

Am …. Februar 2012 wurde die Tochter C… geboren, die zunächst bei der Mutter lebte.

Das Amtsgericht hat das vorliegende Verfahren eingeleitet und ein schriftliches Gutachten eingeholt. Die Diplom Psychologin I… L… kam zu dem Ergebnis, dass die Mutter aufgrund von Drogenkonsum nicht erziehungsgeeignet sei. Es fehle ihr an Feinfühligkeit und Förderkompetenz. Drogenbedingt könne sie die Bedürfnisse ihrer Kinder nicht erkennen. Sie könne weder für sich selbst noch für ihre Kinder Kontinuität und Stabilität in den grundlegenden Strukturen des Lebens herstellen.

Mit Beschluss vom 17. Dezember 2012 hat das Amtsgericht der Mutter die elterliche Sorge für sämtliche Kinder entzogen und das Jugendamt zum Vormund bestellt.

Am 8. Januar 2013 wurde C… auf Veranlassung des Vormunds in derselben Pflegefamilie untergebracht, in der ihr Bruder A… bereits lebte. Aus dieser Kurzzeitpflegestelle wechselten beide Kinder in die Vollzeitpflegestelle der Beteiligten zu 5. Am 11. Januar 2013 wurde M… in der Wohngruppe bei ihrer Schwester J… untergebracht, aber regelmäßig zu den Großeltern beurlaubt. Zwischen den Großeltern R… und der Kindesmutter kam es zu erheblichen Spannungen.

Gegen den ihnen am 21. Dezember 2012 zugestellten (Kindesmutter) bzw. formlos übersandten (Kindesvater R…) Beschluss haben die weiteren Beteiligten zu 1. und 3. Beschwerde eingelegt.

Der Kindesvater R… wendet sich gegen die Bestellung des Jugendamts zum Vormund für seine Tochter M… und begehrt, ihm die elterliche Sorge zu übertragen.

Die Kindesmutter wendet sich gegen die Entziehung des Sorgerechts für alle vier Kinder und rügt das Gutachten als grob fehlerhaft. Sie habe Drogen lediglich zwischen Dezember 2009 und Ende Mai 2010 konsumiert, nicht jedoch während der Schwangerschaft mit A…. Sie habe lediglich gewisse Probleme mit der Pünktlichkeit. Hilfe sei ihr nicht im ausreichenden Umfang angeboten, weniger einschneidende Maßnahmen nicht geprüft worden.

Der Senat hat am 23. Januar 2014 die Kinder J… und M… sowie die Kindesmutter, die Kindesväter R… und Sc… sowie das Jugendamt mündlich angehört. Die übrigen Beteiligten haben sich schriftlich geäußert. Der Verfahrensbeistand hat mitgeteilt, eine Rückführung der Kinder zur Mutter würde eine erhebliche Gefährdung für deren Wohl bedeuten; es möge bei der Entziehung des Sorgerechts bleiben. Gleichlautend haben sich der Amtsvormund und das Jugendamt geäußert. Der Senat hat das Jugendamt vorsorglich um Prüfung gebeten, ob im Rahmen einer engmaschig zu gewährenden Hilfe entweder in der Wohnung der Mutter oder in einer Mutter-Kind-Einrichtung eine Befähigung der Mutter erreicht werden könne, die eine Rückführung der/einzelner Kinder möglich machen würde. Das Jugendamt berichtete unter dem 6. März 2014, dass auch eine engmaschige ambulante Hilfe im Haushalt der Mutter angesichts der massiven Probleme und der mangelnden Kooperation nicht angeboten werden könne. Eine Aufnahme in eine Mutter-Kind-Einrichtung setze (mindestens) den Nachweis der Drogenfreiheit voraus, den die Mutter nicht erbracht habe. Der Senat hat sodann durch Beschlüsse vom 17. März 2014 und 21. Juli 2014 nach erklärtem Einverständnis der Mutter die Einholung eines Gutachtens der Sachverständigen Sch… (Fachpsychologin für Rechtspsychologie, Psychologische Psychotherapeutin) angeordnet und der Mutter aufgegeben, sich bei dem Institut für Rechtsmedizin der Charité einem Alkohol-, Drogen- und Medikamentenscreening zu unterziehen, wobei die Probeentnahme wohnortnah durch das Gesundheitsamt in … erfolgen sollte. Die Kindesmutter hat weder eine Haarprobe nehmen lassen, noch ist sie bei der Sachverständigen – trotz mehrerer Terminvereinbarungen - erschienen. Auch telefonisch war sie für die Sachverständige nicht mehr erreichbar. Der Senat hat sodann den Beteiligten mitgeteilt, dass im schriftlichen Verfahren entschieden werden solle. Für die Kindesmutter erfolgte trotz antragsgemäßer Fristverlängerung keine Äußerung mehr. Das Jugendamt teilte unter dem 28. November 2014 mit, die Kindesmutter habe (auch) in der letzten Zeit Termine entweder gar nicht oder stark verspätet wahrgenommen. Selbst zur Einschulungsfeier für M… sei sie mit deutlicher Verspätung gekommen. Die Wohnung habe Frau P… nicht so herrichten können, dass Gefahren für die Kinder ausgeräumt wurden, so dass Beurlaubungen der Kinder in den mütterlichen Haushalt nicht hätten stattfinden können. Außerdem habe sie einen bevorstehenden Umzug mitgeteilt. Am 18. September 2014 sei die bisherige Wohnung der Kindesmutter zwangsgeräumt worden. Einen neuen Wohnsitz hat die Mutter nicht angemeldet. Sie hat bei dem Jugendamt mitgeteilt, sich entweder bei einem Bekannten oder bei ihren Eltern vorübergehend aufzuhalten.

Das Jugendamt hat empfohlen, den angefochtenen Beschluss im Wesentlichen aufrecht zu erhalten, jedoch dem Kindesvater R… das Sorgerecht für seine Tochter zu übertragen.

II.

Die Beschwerde der Kindesmutter ist gemäß § 58 Abs. 1 FamFG statthaft und gemäß §§ 59 Abs. 1, 2; 63 Abs. 1; 64 Abs. 1, 2 FamFG zulässig, jedoch unbegründet (1). Auch die Beschwerde des weiteren Beteiligten zu 3. ist zulässig. Insbesondere ist der Kindesvater von M… in eigenen Rechten beschwert (§ 59 Abs. 1 FamFG). Wie er bei seiner persönlichen Anhörung durch den Senat klargestellt hat, geht er nicht gegen die Entziehung des Sorgerechts der Kindesmutter vor, sondern beanstandet, dass ihm das Amtsgericht nicht an deren Stelle die elterliche Sorge für seine Tochter übertragen hat. Seine Beschwerde ist auch begründet (2).

1.

Nach § 1666 Abs. 1 BGB kann dem Sorgeberechtigten die elterliche Sorge entzogen werden, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes gefährdet wird, sofern der Sorgeberechtigte nicht willens oder in der Lage ist, die zur Gefahrenabwehr erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Dabei sind Maßnahmen, die zu einer Trennung des Kindes von der elterlichen Familie führen, allerdings nur zulässig, wenn der Gefahr nicht auf andere Weise begegnet werden kann, § 1666 a BGB. Es kommt dabei nicht darauf an, ob die sorgeberechtigten Eltern gemessen an den Fähigkeiten des Kindes in der Lage sind, für eine bestmögliche Erziehung zu sorgen, da die Eltern und deren sozioökonomische Verhältnisse grundsätzlich zum Schicksal und Lebensrisiko eines Kindes gehören. Dem Staat kommt das Recht, den leiblichen Eltern das Sorgerecht zu entziehen, nicht schon deshalb zu, weil ein Kind bei Pflegeeltern oder in einer Einrichtung besser aufgehoben ist als in der Herkunftsfamilie. Selbst einer nicht optimalen Elternbetreuung ist grundsätzlich der Vorrang vor einer – auch qualifizierten – Fremdbetreuung einzuräumen; dabei ist in Kauf zu nehmen, dass Kinder durch das elterliche Verhalten Nachteile erleiden (BVerfGE 60, 79; BVerfG, FamRZ 2010, 713; 2008, 2185; 2006, 1593). Nicht jedes Versagen oder jede Nachlässigkeit berechtigt den Staat, Eltern von der Pflege des Kindes auszuschließen. Das hierfür vorausgesetzte elterliche Fehlverhalten muss ein solches Ausmaß erreichen, dass das Kind bei einem Verbleiben in der Familie in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet ist. Es muss eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit zu erwarten sein (BVerfGE 60, 79; 72, 122; jüngst: BVerfG, FamRZ 2014, 1266; 2012, 419; 1127). Wenn mit der Entziehung des Sorgerechts die Aufrechterhaltung der Trennung von Eltern und Kindern einhergeht, darf dies zudem nur unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen. Es muss nach Möglichkeit versucht werden, durch unterstützende, auf Herstellung eines verantwortungsgerechten Verhaltens der leiblichen Eltern gerichtete Maßnahmen das Ziel des gebotenen Schutzes von Kindern zu erreichen.

Begehren Eltern die Rückführung eines in einer Pflegefamilie lebenden Kindes, so ist es geboten, bei der Kindeswohlprüfung die Tragweite einer Trennung des Kindes von der Pflegefamilie einzubeziehen und die Erziehungsfähigkeit der Ursprungsfamilie auch im Hinblick auf ihre Eignung zu berücksichtigen, die negativen Folgen einer eventuellen Trennung von der Pflegefamilie gering zu halten (BVerfG, FamRZ 2014, 1266).

Gemessen an diesen Maßstäben kam im Streitfall keine mildere Maßnahme als die Entziehung des elterlichen Sorgerechts der Kindesmutter für alle vier Kinder in Betracht. Aufgrund der Anhörung durch den Senat und der danach eingetretenen Entwicklung muss festgestellt werden, dass die Rückführung der Kinder zu ihrer Mutter eine nachhaltige Kindeswohlgefährdung zur Folge haben würde.

Die Trennung der Tochter M… von der Mutter erfolgte bereits mit deren Einverständnis infolge beengter räumlicher Verhältnisse Ende 2010/Anfang 2011. M…, die sich bereits zuvor oft bei den Großeltern väterlicherseits aufgehalten hatte, übersiedelte zunächst dauerhaft dorthin und wurde von ihrem Vater und den Großeltern versorgt. Auch in der Zeit zwischen Januar 2013 und Dezember 2014, in der M… sich in einer Einrichtung befand, hatte sie ausgedehnt Kontakt zur väterlichen Familie.

Im Juni 2011 erfolgte für J…, die zuvor bereits teilweise durch ihre Großeltern bzw. eine Freundin der Mutter betreut worden war, auf Antrag der Mutter die Unterbringung in einer Wohngruppe. Gleichzeitig wurde, ebenfalls auf Antrag der Mutter, der erst 4 Monate alte A… in eine Pflegefamilie aufgenommen. Seit dem Scheitern der geplanten Rückführung der Kinder in ihren Haushalt zum 1. April 2012 ist die Mutter mit der Fremdunterbringung der drei älteren Kinder nicht mehr einverstanden. Die Fremdunterbringung der jüngsten Tochter C… erfolgte gegen den Willen der Mutter nach der Entziehung des Sorgerechts durch das Amtsgericht, als C… 10 Monate alt war.

Demnach stellt sich die Situation für M… so dar, dass sie aufgrund der Entziehung des Sorgerechts der Mutter seit nunmehr über 4 Jahren nicht bei ihrer Mutter, sondern überwiegend bei ihrem leiblichen Vater und dessen Eltern lebt, während sie bei ihrer Mutter (mit Unterbrechungen) nur die ersten 2 Jahre und 3 Monate gelebt hat. Mit der Rückführung zur Mutter würde für dieses Kind mithin eine Trennung von der väterlichen Familie einhergehen, in der sie zu Hause ist und umfänglich gut versorgt wird. Dies belegen die Berichte des Jugendamts und die Anhörung des Kindesvaters durch den Senat. M… wird umfangreich gefördert und ihr wird regelmäßig die Möglichkeit zum Zusammensein mit den Geschwistern gegeben. Auch die Mutter hat nicht nachvollziehbar in Abrede gestellt, dass es M… bei ihrem Vater und den Großeltern gut geht. M… selbst hat bei ihrer Anhörung deutlich ausgesprochen, dass sie sehr gerne bei ihrem Vater und den Großeltern ist. Ihre Bindungen bestehen vorrangig zum Vater und zur väterlichen Familie.

A… hat den weitaus größten Teil seines jungen Lebens bei einer Pflegefamilie verbracht, davon die zurückliegenden 1 Jahr und 10 Monate gemeinsam mit seiner Schwester C… in der Pflegefamilie Ri…. A… hat nur die ersten 4 Lebensmonate, C… die ersten 10 Monate bei der Mutter gelebt. Beide Kinder entwickeln sich gut und sind in der Pflegefamilie gut und sicher aufgehoben, die zu ihrem Zuhause geworden ist, wie sich aus den Stellungnahmen der Pflegeeltern und den Berichten des Jugendamts ergibt. Auch für diese beiden Kinder bestehen allenfalls unsichere Bindungen an die Mutter und festere Bindungen zu den Pflegeeltern.

J… ist als einziges der Kinder deutlich länger in Obhut ihrer Mutter gewesen, nämlich gut 7 Jahre lang, in denen sie deutliche Bindungen zur Mutter entwickelt hat. Sie lebt zudem nicht in einer Familie, sondern in einer Wohngruppe und äußert den Wunsch, zur Mutter nach Hause zu dürfen.

Die Mutter ist nach Überzeugung des Senats nicht in der Lage, auch nur eines der Kinder angemessen zu versorgen und zu betreuen, ohne dass es an Leib und Seele Schaden nimmt. Die entsprechenden Feststellungen können ohne Verwertung des Gutachtens der Sachverständigen L… getroffen werden. Deren Gutachten ist in wesentlichen Teilen unverwertbar. Aussagen zur Kindesmutter beruhen in erheblichem Umfang auf der Annahme fehlender kognitiver Fähigkeiten wegen massiven Drogenkonsums. Für die entsprechenden und an vielen Stellen des Gutachtens wiederholten Feststellungen fehlt es der Sachverständigen allerdings an der fachlichen Kompetenz. Als Psychologin stellt sie Thesen auf, die medizinische und speziell psychiatrische Fachkompetenz voraussetzen. Auszüge aus wikipedia ersetzen fehlendes Fachwissen nicht. Außerdem hat sie in größerem Umfang ungesicherte Tatsachen und Angaben Dritter zugrunde gelegt, die von der Mutter bestritten wurden.

Eine fachgerechte Begutachtung scheiterte an der fehlenden Mitwirkung der Kindesmutter. Aber auch ohne Heranziehung eines Gutachtens konnte die Überzeugung gewonnen werden, dass die Kindesmutter erziehungsunfähig ist, wobei es auf den Grund dafür (anlage-, krankheits- oder drogenbedingt) nicht ankommt. Ihr fehlt es an der Erziehungsfähigkeit, weil sie schon die Verantwortung für sich selbst kaum - und zunehmend in geringerem Umfang - übernehmen kann. Sie ist nicht in der Lage, selbst mit umfangreichster Unterstützung Dritter auch nur eine Grundstruktur für ihr Leben zu organisieren, geschweige denn für Kinder. Es fehlt ihr an Einfühlungsvermögen in die Bedürfnisse der Kinder; soweit sie Grundbedürfnisse erkennt, vermag sie nicht (mehr) entsprechend zielgerichtet zu handeln. So konnte und kann die Mutter nicht einmal das grundlegende Bedürfnis nach gesichertem Wohnraum erfüllen. Selbst mit der festen Aussicht auf Rückführung der Kinder und tatkräftiger Unterstützung durch das Jugendamt (vom 1. November 2011 bis zum 31. Oktober 2012 wurden allein wöchentlich durchschnittlich 27,4 Helferstunden geleistet) ist es ihr zunächst nicht gelungen, die neu angemietete Wohnung einzurichten und für die notwendige Stromversorgung (die seit Monaten aufgrund von Zahlungsrückständen abgeschaltet war) zu sorgen. Nur mit Hilfe ihrer Eltern, die die Einrichtung übernommen und die Schulden bezahlt haben, ist ihr dies schließlich annähernd gelungen. Warum sie nicht rechtzeitig um Hilfe gebeten hat statt den geplanten Rückführungstermin verstreichen zu lassen, hat sie nicht erklären können. Als dann Besuchstage der Kinder im mütterlichen Haushalt bevorstanden, war die Mutter wieder nicht in der Lage, Gefahren, die von geplanten Renovierungsarbeiten ausgingen (etwa herumliegende Cuttermesser) zu beseitigen. Inzwischen ist sie trotz der vehement geforderten Rückführung aller vier Kinder aufgrund einer Zwangsräumung seit 5 Monaten ohne eigene Wohnung und ohne erkennbare Perspektive, daran etwas zu ändern. Angesichts ihrer derzeit desolaten Lebensumstände hat sie aber auch nicht etwa erkennen lassen, dass sie mit einer Fortführung der Fremdunterbringung der Kinder wenigstens für die Zeit ihrer Wohnungslosigkeit einverstanden ist.

Die Kindesmutter hat die Gesundheit ihrer Kinder mehrfach erheblich in Gefahr gebracht. So hat sie während der Schwangerschaft mit A… Alkohol und Psychopharmaka zu sich genommen. Im Urin des Kindes wurden am ersten Lebenstag Amphetamine nachgewiesen. Das Kind wurde unmittelbar nach der Geburt wegen der Gefahr eines neonatalen Drogenentzugssyndroms überwacht (Bericht des …-Klinikums … vom 7. März 2011). Am 3. Februar 2012, mithin im 9. Schwangerschaftsmonat mit C… wurde sie erneut positiv auf Amphetamine getestet.

Nachdem die Mutter zunächst eingeräumt hatte, in der Frühschwangerschaft Alkohol und Tabletten (Tilidin, Katadolon und Ergenyl) zu sich genommen zu haben, stellte sie dies wieder in Abrede. Positive Tests bei A… und bei ihr nach Mai 2010 stritt sie ab. Die Ergebnisse sind jedoch aufgrund des in den Ermittlungsakten befindlichen Ergebnisses der Blutprobe sowie der Auskunft des …-Klinikums positiv festzustellen. Die Behauptung, vor der Verkehrskontrolle wegen ADHS das (nicht ärztlich verordnete) Medikament „Ergenol“ eingenommen zu haben, ist zum einen eine unzutreffende Schutzbehauptung. Das Medikament Ergenyl enthält keine Amphetamine; im Übrigen wäre die Einnahme unverordneter (so das Eingeständnis der Mutter vor dem Senat) rezeptpflichtiger Medikamente in der Schwangerschaft auch eine erhebliche und sorglose Gefährdung des ungeborenen Kindes. Die ihr auf ausdrücklichen Wunsch eingeräumte Möglichkeit, durch einen rechtsmedizinischen Test auf Alkohol und Drogen zumindest die aktuelle Drogenfreiheit nachzuweisen, hat sie ohne Angabe von Gründen versäumt.

Im Hinblick auf die Betreuung der Kinder hat die Mutter auch weitere grundlegende Vorsorge versäumt. So war für die Versorgung des Kindes C… kurz vor deren Geburt nach Mitteilung des Jugendamts nichts im Haushalt vorbereitet. Das Kind wurde durch die Mutter auch trotz mehrfacher schriftlicher Aufforderung mit dem Hinweis, dass ohne Anmeldung weder Kindergeld noch Elterngeld bezogen werden könne, nicht beim Standesamt angemeldet. Auch die Androhung von Zwangsgeld fruchtete nicht. Die fälligen U-Untersuchungen nahm sie nicht wahr; Impfungen wurden unterlassen. Für M… sorgte der Großvater väterlicherseits für die Eingewöhnung des Kindes in der Kita und für die Nachholung der medizinischen Untersuchungen. Der Vater M…s übernahm zeitweise die Betreuung auch für J… und brachte beide Kinder in Schule und Kita und holte sie wieder ab. Die Anmeldung der Tochter J… zur Schule versäumte die Mutter trotz mehrfacher Aufforderungen. Die Versuche der Mutter im Anhörungstermin, alle Unterlassungen auf Dritte zu schieben, deuten nicht darauf hin, dass sie bereit ist, Verantwortung selbst zu übernehmen.

Die Kindesmutter ist völlig unstrukturiert und nur ausnahmsweise in der Lage, auch wichtige Termine halbwegs pünktlich wahrzunehmen. Die Familienhelfer mussten vor wichtigen Termin mit erheblichem Vorlauf bei der Mutter erscheinen, diese vorbereiten und drängen, um die Terminswahrnehmung zu gewährleisten. Zu den Umgängen mit den Kindern kommt die Mutter überwiegend stark (teils über eine Stunde) verspätet oder gar nicht ohne wahrzunehmen, dass sie die Kinder damit stark verunsichert. Nicht einmal zu den Einschulungsfeiern J…s oder M…s, deren Wichtigkeit auf der Hand liegt, kam sie annähernd pünktlich. Bei J… verspätete sie sich um 45 Minuten, bei M… „deutlich“.

Die Bedürfnisse der fremd untergebrachten Kinder erfasst die Mutter nicht. In Bezug auf Umgänge ist sie äußerst unzuverlässig. Kontakt zur Pflegefamilie der beiden jüngeren Kinder hält die Mutter seit Monaten nicht mehr.

Die Mutter beeinflusst insbesondere J… zu deren Schaden massiv und verspricht ihr immer wieder und trotz anderer Absprachen im Hilfeplan, dass sie demnächst wieder bei der Mutter wohnen wird, wenn sie (und die Geschwister) dies nur deutlich sagen würden. So verunsichert sie die Tochter immer aufs Neue, so dass J… in einen massiven Loyalitätskonflikt gerät, weil sie sich einerseits in der Wohngruppe wohl fühlt, andererseits ihrer Mutter aber immer wieder versichern muss, lieber bei ihr zu wohnen. Dieses Dilemma trat auch bei der Anhörung der Kinder deutlich zutage. J… erkennt teilweise die Defizite der Mutter und versucht, selbst die Verantwortung zu übernehmen, um die Mutter zu entlasten. So findet sie Gründe für das unzuverlässige Verhalten der Mutter und erklärte dem Senat, selbst dafür sorgen zu wollen, dass alle wieder zu Hause wohnen können, indem sie sich um die kleinen Geschwister kümmern wolle. Damit ist bereits eine Schädigung der kindlichen Entwicklung J…s eingetreten, der die Mutter nicht ermöglicht, sich kindgerecht zu verhalten und zu entwickeln (Parentifizierung). Mit den Großeltern M…s verharrt die Mutter in Streit und Vorwürfen und vermittelt der Tochter ihre Ablehnung. Dass es ihre Aufgabe wäre, die Kinder zu entlasten statt zu belasten, ist der Mutter offenbar nicht klar. Es fehlt ihr in der Fixierung auf eigene Wünsche die Empathiefähigkeit.

A… und C… waren bei ihrer Aufnahme in die Pflegefamilie entwicklungsverzögert, zeigten distanzloses Verhalten als Ausdruck unsicherer Bindungen und kannten keinen geregelten Tagesablauf. Die 10 Monate alte C… kannte keinen Tag-Nacht-Rhythmus. Sie musste heilpädagogisch und logopädisch behandelt werden. A… zeigte eine starke kognitive Entwicklungsverzögerung, die psychotherapeutisch behandelt wird (sozialpädiatrische Berichte des …-Klinikums …, Bl. 176 ff GA). Soweit Umgänge stattfinden, verhält sich die Mutter nicht, wie es für die Kinder altersgerecht wäre, sondern trägt C… wie ein Baby herum und spricht nicht altersgerecht mit A…, was darin zum Ausdruck kommt, dass er im Anschluss immer wieder in Kleinkindverhalten verfällt. Außerdem hat sie den Kindern wiederholt angekündigt, dass sie demnächst bei ihr leben würden, was beide erheblich verunsichert, wie die Pflegeltern schildern.

Aus den festgestellten erheblichen Versäumnissen und Unzulänglichkeiten der Kindesmutter ergibt sich die Gefahr einer erheblichen weiteren Schädigung aller Kinder bei einer Rückführung zur Mutter, der auch nicht mit (weiteren) Hilfen begegnet werden kann. Die massive aufsuchende Familienhilfe hat zu keiner Verbesserung der Verhältnisse geführt, die Möglichkeit der Unterbringung in einer Mutter-Kind-Einrichtung scheidet schon mangels Mitwirkung der Mutter aus, kann aber ohnehin mangels Einsicht der Mutter nicht als erfolgversprechend angesehen werden und hätte insbesondere für die drei jüngeren Kinder einen Kontaktabbruch mit den Familien zur Folge, in denen sie nunmehr behütet aufwachsen. Angesichts des erheblichen Risikos bei der Mutter kann ihnen eine solche Maßnahme nicht zugemutet werden. Es muss deshalb insgesamt bei der Fremdunterbringung bleiben.

Da die Mutter nicht in der Lage ist, die berechtigten Belange ihrer Kinder zuverlässig wahrzunehmen, kommt nur der Entzug des gesamten Sorgerechts in Betracht.

2.

Das Sorgerecht für M… war gemäß § 1680 Abs. 2, 3 BGB auf ihren Vater zu übertragen. Anhaltspunkte dafür, dass die Übertragung dem Kindeswohl M…s widersprechen könnte, liegen nicht (mehr) vor. Zwar gab es zunächst Hinweise, dass der Vater die Tendenz zur Unselbständigkeit haben könnte und nur mit Hilfe seiner Eltern die Versorgung des Kindes übernehmen könnte. Allerdings hat er bereits bei seiner Anhörung vor dem Senat überzeugend geschildert, dass er seine Tochter weitgehend selbst betreut und versorgt, auch wenn er im Haus seiner Eltern lebt. Dass er gelegentlich auf die Hilfe seiner Eltern, die dem Kind von klein an vertraut sind, zurückgreift, ist völlig unbedenklich. Er verfügt auch über die nötige Bindungstoleranz und hat versichert, den Kontakt des Kindes zur Mutter zu unterstützen. Geschwistertreffen sind bisher problemlos und regelmäßig durch den Vater realisiert worden. Zwischenzeitlich hat auch das Jugendamt von einer zunehmend positiven Entwicklung des Herrn R… in seiner Vaterrolle berichtet. Der Amtsvormund hat daraufhin den Aufenthalt des Kindes M… seit Weihnachten 2014 bei dem Vater bestimmt und ausgeführt, Herr R… sei fähig, die elterliche Sorge künftig allein auszuüben. Angesichts dieser Entwicklung hat der Senat es nicht mehr als erforderlich angesehen, ein Gutachten zur Erziehungsfähigkeit des Herrn R… einzuholen, wie dies zunächst noch beabsichtigt war.

3.

Die – von keinem Beteiligten gewünschte - Übertragung des Sorgerechts auf die Väter der drei anderen Kinder kam nicht in Betracht, weil dies dem Wohl der Kinder deutlich widersprechen würde. Der Vater J…s hat vor dem Amtsgericht erklärt, er habe wenig Kontakt zu seiner Tochter und sei in seinen Bemühungen eher „faul“. Am Beschwerdeverfahren hat er sich nicht beteiligt. Aufgrund des offenbar völlig fehlenden Interesses an der Tochter kann von einer Erziehungseignung nicht ausgegangen werden.

Der Vater Sc… nimmt zwar oberflächlich Anteil an seinen Kindern, wobei das Interesse nach Berichten der Pflegefamilie eher dem Sohn gilt. Er zeigt aber keine Einsicht in Bedürfnisse der Kinder und ist aufgrund eines selbst (mehr oder weniger) eingestandenen Alkohol-problems, das auch vom Jugendamt und den Pflegeltern beschrieben wird, und der damit einher gehenden Aggressionen nicht erziehungsgeeignet. Er selbst beansprucht für sich auch keine Erziehungskompetenz und meint, die Kinder seien bei der Mutter gut aufgehoben.

III.

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 81 Abs. 1 FamFG.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 70 Abs. 2 FamFG) bestehen nicht.

Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf §§ 40 Abs. 1 S. 1; 45 Nr. 1 FamGKG.