Gericht | OLG Brandenburg 3. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 27.01.2025 | |
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Aktenzeichen | 3 W 114/24 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2025:0127.3W114.24.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Der Antrag des Gläubigers auf Feststellung der Erledigung seiner sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Cottbus vom 13.08.2024 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Auf die einseitige Erledigungserklärung des Gläubigers ist nicht festzustellen, dass sich die gemäß §§ 793, 567 Abs. 1 Ziffer 1 ZPO zulässige, insbesondere auch fristgerecht eingelegte Beschwerde erledigt hat (ausweislich des Empfangsbekenntnisses wurde dem Gläubigervertreter der angefochtene Beschluss am 02.09.2024 zugestellt, die sofortige Beschwerde ging am 13.09.2024 hier ein).
1.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist nicht abschließend geklärt, ob ein Rechtsmittel schlechthin Gegenstand einer Erledigungserklärung sein kann. Sie ist aber jedenfalls dann möglich, wenn hierfür ein besonderes Bedürfnis besteht, weil nur auf diese Weise eine angemessene Kostenentscheidung zu erzielen ist. Dies gilt auch dann, wenn es sich um eine einseitige Erledigungserklärung handelt (BGH, Beschluss vom 20.01.2009 – VIII ZB 47/08 –, Rn. 4, juris m. w. N.).
Zwar liegt eine Rücknahme der sofortigen Beschwerde nicht im Interesse des Gläubigers, denn dies hätte zur Folge, dass er die Kosten des Beschwerdeverfahrens unabhängig davon zu tragen hätte, ob die Beschwerde ursprünglich begründet war oder nicht. Allerdings besteht hier die Möglichkeit, die Hauptsache - also den Zwangsmittelantrag - für erledigt zu erklären. In solch einem Fall besteht kein Bedürfnis, das Rechtsmittel für erledigt zu erklären (BGH, Beschluss vom 20.01.2009 – VIII ZB 47/08, Rn. 5, juris).
Die einseitig gebliebene klägerische Erledigungserklärung kann hier aber im Wege der Umdeutung auf den Zwangsmittelantrag bezogen werden. Denn eine Umdeutung einer fehlerhaften prozessualen Erklärung oder Handlung kommt in Betracht, wenn diese wegen ihrer Eindeutigkeit und Klarheit einer berichtigenden Auslegung zwar nicht zugänglich ist, aber den Voraussetzungen einer anderen, den gleichen Zwecken dienenden entspricht, die prozessual wirksam ist; die Umdeutung darf erfolgen, wenn ein entsprechender Parteiwille genügend deutlich erkennbar ist und kein schutzwürdiges Interesse des Gegners entgegensteht (BGH, Urteil vom 25.04.1991 – I ZR 134/90, Rn. 17, juris). Das ist hier zu bejahen, weil klar erkennbar ist, dass der Gläubiger die Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens auf den Schuldner begehrt und dies von der Frage abhängt, ob das beantragte Zwangsmittel hätte verhängt werden müssen, wenn es nicht zur Beauftragung eines anderen Notars gekommen wäre.
2.
Die im Klageverfahren anerkannte einseitige Erledigungserklärung ist auch im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens nach § 888 ZPO möglich und auf die Feststellung gerichtet, dass der Vollstreckungsantrag ursprünglich zulässig sowie begründet war und durch ein nachträgliches Ereignis unzulässig oder unbegründet geworden ist. Die damit verbundene Antragsänderung kann noch im Rechtsmittelverfahren erfolgen (BGH, Beschluss vom 03.12.2014 – IV ZB 9/14, Rn. 64, juris).
3.
Der Antrag auf Zwangsmittelverhängung gemäß § 888 ZPO war ursprünglich zulässig, aber unbegründet.
a)
Rechtsgrundlage für die von dem Gläubiger unter dem 16.07.2024 beantragte Festsetzung eines Zwangsgeldes oder Zwangshaft ist § 888 ZPO. Danach ist - sofern der Schuldner seine Verpflichtung, eine Handlung vorzunehmen, deren Vornahme ausschließlich von seinem Willen abhängt und die durch einen Dritten nicht vorgenommen werden kann, nicht erfüllt - auf Antrag des Gläubigers vom Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu erkennen, dass der Schuldner zur Vornahme durch Zwangsgeld anzuhalten sei (§ 888 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Die Verurteilung des Erben zur Erteilung einer Auskunft über den Bestand des Nachlasses des Erblassers durch Vorlage eines durch einen Notar aufgenommenen Bestandsverzeichnisses (§ 2314 Abs. 1 BGB) ist als Verurteilung zur Vornahme einer nicht vertretbaren Handlung gemäß § 888 Abs. 1 Satz 1 ZPO durch Androhung von Zwangsmitteln zu vollstrecken. Zwar handelt es sich bei der für die Aufnahme eines notariellen Verzeichnisses erforderlichen Beauftragung des Notars um eine vertretbare Handlung. Für die Aufnahme des Verzeichnisses ist außerdem das Tätigwerden des beauftragten Notars erforderlich. Jedoch kann der Notar ohne Mitwirkung des Schuldners das Verzeichnis nicht aufnehmen. Er ist vielmehr darauf angewiesen, dass ihm der Schuldner die für die Aufnahme des Verzeichnisses erforderlichen Informationen übermittelt. Deshalb richtet sich die Vollstreckung der Verpflichtung zur Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses insgesamt nach § 888 ZPO (BGH, Beschluss vom 07.03.2024 – I ZB 40/23, Rn. 19, juris). Eine vorherige Androhung der Zwangsmittel findet nicht statt (§ 888 Abs. 2 ZPO)
b)
Die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung lagen zum Zeitpunkt der Antragstellung vor; das Anerkenntnisteilurteil des Landgerichts Cottbus vom 23.05.2023 wurde dem Schuldner am 06.06.2023 zugestellt. Zudem war dem Gläubiger am 21.07.2023 eine vollstreckbare Ausfertigung erteilt worden (§§ 724, 750 ZPO).
c)
Die Zulässigkeit von Zwangsmaßnahmen nach § 888 ZPO setzt weiter voraus, dass die vorzunehmende Handlung ausschließlich von dem Willen des Verpflichteten abhängt. Hieran fehlt es, wenn die Handlung dem Verpflichteten unmöglich ist oder wenn sie von einem dem Einfluss des Verpflichteten entzogenen Willen abhängt, gleichgültig, ob dies auf einem Verschulden des Verpflichteten beruht oder nicht. Hängt die vorzunehmende Handlung - wie hier - nicht nur vom Willen des Schuldners ab, sondern auch von der Bereitschaft eines Dritten, nämlich eines Notars, ist der Schuldner im Vollstreckungsverfahren gemäß § 888 ZPO verpflichtet, die Handlung des (ihm gegenüber) mitwirkungspflichtigen Dritten mit der gebotenen Intensität einzufordern, die ihm zustehenden tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen und den Dritten zu einer Mitwirkung zu bewegen (Saarländisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 02.04.2024 – 5 W 16/24, Rn. 21, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 27.02.2023 – I-5 W 30/22, Rn. 30, juris; OLG Nürnberg, Beschluss vom 26.08.2009 - 12 W 1364/09, juris, Rn. 17; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16.04.2013 – 7 W 20/13, Rn. 7, juris). Verweigert der vom Erben beauftragte Notar die Aufnahme des Nachlassverzeichnisses oder verzögert diese, obliegt es dem Erben, auf die zeitnahe Erledigung hinzuwirken und erforderlichenfalls Rechtsbehelfe gegen den Notar zu ergreifen (BGH, Beschluss vom 19.07.2023 – IV ZB 31/22, Rn. 23, juris). Erst wenn feststeht, dass trotz intensiven Bemühens um die Mitwirkungshandlung des Dritten diese nicht zu erlangen ist, dann ist die titulierte unvertretbare Handlung nicht unmittelbar erzwingbar (OLG Hamm, a. a. O.; OLG Stuttgart, Beschluss vom 18.11.2019 – 19 W 72/18, Rn. 3, juris). Die geschuldete Handlung muss noch im Zeitpunkt der Vollstreckung ausschließlich vom Willen des Schuldners abhängen (BGH, Beschluss vom 18.12.2008 - I ZB 68/08, Rn. 21, juris).
Unter Anwendung dieser Maßstäbe war der für erledigt erklärte Zwangsmittelantrag ursprünglich unbegründet.
Soweit verlangt wird, der Schuldner müsse mittels einer Beschwerde gemäß § 15 Abs. 2 BNotO, einer Dienstaufsichtsbeschwerde nach § 93 Abs. 1 BNotO beim Präsidenten Landgericht und einer Beschwerde nach § 67 Abs. 1 Bundesnotarordnung (BNotO) bei der Notarkammer den Notar zu seiner Tätigkeit anhalten (so OLG Karlsruhe, NJW-RR 2021, 1499 Rn. 21), waren die Voraussetzungen für ein solches Vorgehen bis zum 30.09.2024 - dem Zeitpunkt der Aufgabe des Notaramtes - noch nicht gegeben. Denn anders als in dem vom Oberlandesgericht Hamm entschiedenen Fall, in dem der Notar vom 29.07.2020 bis zum 16.02.2021 keinerlei Mitteilung mehr über das von ihm beabsichtigte weitere Vorgehen gemacht hat, obwohl ihm alle angeforderten Informationen und Unterlagen vorlagen, hat der Notar … mit Schreiben vom 27.12.2023 mitgeteilt, dass teilweise noch Antworten von angeschriebenen Behörden bzw. Banken ausstünden, so dass er noch mindestens vier Wochen für die Fertigstellung des Nachlassverzeichnisses benötige (Anlage 1 zum Schriftsatz vom 31.07.2024). Ausweislich des weiteren Schreibens vom 19.07.2024 kündigte der Notar … eine Fertigstellung des Nachlassverzeichnisses bis zum 30.08.2024 an, wobei er ausführte, dass er die Sachstandsanfragen des Schuldners vom 11.04.2024 und vom 28.05.2024 wiederum unter Berufung auf Hinderungsgründe beschieden habe. Zwar stellte der Notar … das Nachlassverzeichnis auch nicht bis zum 30.08.2019 fertig, er sicherte dem Prozessbevollmächtigten des Schuldners aber am 20.09.2024 mündlich eine Fertigstellung bis zum 30.09.2024 zu, wobei er zugleich über seine anstehende Amtsaufgabe zum 30.09.2024 informierte. Angesichts dessen war eine Einlegung der oben genannten Beschwerden nach der BNotO nicht mehr angezeigt, weil sie nicht mehr zu einer Beschleunigung hätten führen können. Seit dem zweiten Zwangsmittelantrag des Gläubigers vom 16.07.2024 bis zur Aufgabe des Amtes durch den Notar … hat der Schuldner den Notar wiederholt zur Erstellung des Notarverzeichnisses angehalten. Erst mit Schreiben vom 19.07.2024 sah sich der Notar … überhaupt in der Lage, einen konkreten Fertigstellungstermin anzukündigen, zuvor verwies er auf noch ausstehende Auskünfte. Angesichts dessen war es nach Ablauf des 30.08.2024 noch nicht angezeigt, die oben genannten Beschwerden nach der BNotO einzulegen, sondern aufgrund der mündlichen Mitteilung des Notars noch den 30.09.2024 abzuwarten. Nachdem dieser fruchtlos verstrichen war, hat der Schuldnervertreter durch umgehende Nachfrage bei der Notarkammer unter dem 08.10.2024 in Erfahrung gebracht, welcher Notar nunmehr zuständig ist. Seitdem hat die Sache einen für den Gläubiger zufriedenstellenden Fortgang genommen. Soweit der Gläubiger das Schreiben des Notars … vom 19.07.2024 als „Gefälligkeitsschreiben“ bezeichnet und damit offenbar ein irgendwie geartetes kollusives Zusammenwirken zwischen dem Notar … und dem Schuldner zwecks Verzögerung unterstellt, erscheint dies völlig aus der Luft gegriffen.
So der Gläubiger meint, der Schuldner habe den Vertrag mit dem Notar … schon früher kündigen müssen, verhilft ihm dies ebenso wenig zum Erfolg. Da die in § 888 ZPO vorgesehenen Zwangsmittel ausschließlich als Beugemaßnahmen dienen, kann nicht im Nachhinein eine allein zögerliche Leistungserbringung durch Verhängung eines Zwangsgeldes bestraft werden (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16.04.2013 – 7 W 20/13, Rn. 10, juris). Im Übrigen sind Verzögerungen bei der Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses nicht selten. Dabei spielt eine Rolle, dass in der Rechtsprechung gerade in den letzten Jahren erhebliche Anforderungen an die Feststellungen des Notars und an seine Ermittlungstätigkeit aufgestellt worden sind und die Erstellung des Nachlassverzeichnisses in den Notariaten vielfach wohl keine Routinetätigkeit ist, die von Mitarbeitern vorbereitet wird, sondern eine Tätigkeit, die erheblichen eigenen Zeitaufwand des Notars erfordert, wobei dies auch nicht besonders hoch vergütet wird. Vor diesem Hintergrund ist es regelmäßig nicht zielführend, den Auftrag an den Notar zu kündigen und einen anderen Notar zu beauftragen (OLG Karlsruhe, NJW-RR 2021, 1499 Rn. 20). Es mag anders sein, wenn ein Notar ungewöhnlich lange untätig bleibt, ohne dass es dafür nachvollziehbare Gründe gibt. Hier hat der Notar aber auf noch fehlende Auskünfte Dritter verwiesen.
4.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Im Hinblick auf die Festgebühr in KV Nr. 2121 GKG ist die Festsetzung eines Beschwerdewerts entbehrlich.
Anlass zur Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht nicht. Die vorliegende Entscheidung weicht nicht von der Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte ab. Die Frage, ob der vorliegende Zwangsmittelantrag ursprünglich begründet war, ist in erster Linie eine Tatsachenfrage.