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Entscheidung 4 C 3889/23


Metadaten

Gericht AG Königs Wusterhausen Einzelrichter Entscheidungsdatum 29.08.2024
Aktenzeichen 4 C 3889/23 ECLI ECLI:DE:AGKOEWU:2024:0829.4C3889.23.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

  1. Das Versäumnisurteil vom 20.11.2023 bleibt im Tenor zu 2) vollumfänglich und im Tenor zu 1) mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 790,80 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 07.10.2023 zu zahlen.

    Im Übrigen wird das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

  2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits, einschließlich der Kosten der Säumnis, zu tragen.

  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 812,10 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin macht gegen die Beklagte aus eigenem und abgetretenem Recht um Ausgleichsansprüche nach der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 (Fluggastrechteverordnung) und Kosten der Ersatzbeförderung sowie Verpflegung.

Die Kläger buchten beim Reiseveranstalter eine Pauschalreise nach Kalabrien.

Die Klägerin und der Zedent sollten gemäß vom Reisevermittler trendtours Touristik GmbH ausgegebener Buchungsbestätigung 3960.447 am 01.10.2022 von Lamezia Terme (SUF) über Rom (FCO) nach Berlin (BER) befördert werden. Der Flug von Lamezia Terme nach Rom mit der Flugnummer ___ sollte planmäßig am 01.10.2022 um 15:20 Uhr Ortszeit starten und am 01.10.2022 um 16:30 Uhr Ortszeit landen. Der Flug von Rom nach Berlin (BER) mit der Flugnummer ___ sollte planmäßig am 01.10.2022 um 20:25 Uhr Ortszeit starten und am 01.10.2022 um 22:30 Uhr Ortszeit landen. Der Flug AZ 1178 wurde jedoch annulliert.

Durch die Verspätung konnte die anschließende Verbindung mit ____ nicht erreicht werden.

Den Fluggästen wurde vom Reiseveranstalter eine Ersatzbeförderung nach Köln organisiert. Die Klägerin und der Zedent gelangten sodann über von Köln über Hamburg nach Berlin, wofür sie 265,80 € zahlten.

Die Klägerin und der Zedent haben von der Beklagten einen schriftlichen Hinweis über die Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen gem. Art. 14 Abs. 2 FluggastrechteVO nicht erhalten.

Der Zeuge ______ hat seine Ansprüche aus dem streitgegenständlichen Flug an die Klägerin abgetreten.

Durch anwaltliches Schreiben vom 27.01.2023 forderte die Klägerin die Beklagte mit Fristsetzung binnen 14 Tagen erfolglos zur Zahlung von 812,10 € sowie zur Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten auf.

Die Klägerin hat zunächst beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 812,10 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.10.2023 sowie außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 91,87 € zuzüglich 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz seit dem 07.10.2023 zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Gegen das antragsgemäß ergangene Versäumnisurteil vom 20.11.2023, der Beklagten zugestellt am 29.11.2023 hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 28.12.2023 Einspruch eingelegt.

Die Klägerin macht die Ausgleichsleistung nach der Fluggastrechteverordnung in Höhe von jeweils 250,00 € sowie Kosten für die Ersatzbeförderung in Höhe von 265,80 € und Verpflegungskosten in Höhe von 46,30 € geltend.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass das hiesige Amtsgericht als Erfüllungsort für den Rechtsstreit örtlich und sachlich zuständig sei, da es sich bei der durch die (Reiseveranstalter) organisierte Reise um eine einheitliche Buchung im Sinne der Fluggastrechteverordnung handele und Start- und Endpunkt der Reise am BER liegen würde. Bei den Flügen handele es sich jeweils um durch den Reiseveranstalter zusammengefassten Flüge, die jeweils als direkter Anschlussflug zu qualifizieren seien.

Die Klägerin beantragt,

das Versäumnisurteil vom 20.11.2023 aufrechtzuerhalten.

Die Beklagte beantragt,

das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, es fehle an der internationalen und örtlichen Zuständigkeit des angerufenen Amtsgerichts.

Sie meint, es fehle an einem einheitlich geschlossenen Beförderungsvertrag, da die Kläger nicht über eine einheitliche Buchung im Sinne der Fluggastrechteverordnung verfügten, sodass es sich bei dem Weiterflug von Rom nach Berlin nicht um direkte Anschlussflüge handelte. Die Beklagte sei auch nicht das ausführende Flugunternehmen für den Weiterflug nach Berlin gewesen.

Die Beklagte behauptet, jedenfalls habe sie die Klägerin von der Annullierung durch E-Mail vom 16.09.2022 informiert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch gegen das Versäumnisurtei ist zulässig, hat aber in der Sache überwiegend keinen Erfolg.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Ausgleichsleistungen in Höhe von insgesamt 500,00 € wegen der Verspätung des streitgegenständlichen Fluges gemäß Art. 5, 7 Abs. 1 der EG-Verordnung Nr. 261/2004 und der entsprechenden Abtretung an sie, §§ 398 f. BGB.

Die Voraussetzungen des Anspruchs aufgrund vorgenannter Vorschriften liegen vor.

Der streitgegenständliche Flug wurde annulliert. Die durch den Reiseveranstalter organisierten Ersatzbeförderung erfolgte außerhalb der in VO (EG) Nr. 261/2004 vorgesehenen Zeitfenster. Der Flug ______ am 16.06.2022 wurde von der Beklagten durchgeführt.

Soweit die Beklagte allein einwendet, das Gericht sei weder international noch örtlich zuständig, da Endziel vorliegend nicht Berlin, sondern Rom gewesen sei und es sich bei der Flugverbindung nicht um direkte Anschlussflüge im Sinne VO (EG) Nr. 261/2004 gehandelt habe, da sie nicht Gegenstand einer einzigen Buchung gewesen seien und sie vom Anschlussflug keine Kenntnis gehabt habe, hat ihre Rechtsverteidigung keinen Erfolg.

Der EuGH (vgl. Entscheidung vom 06.10.2022, C-436/21 = RRa 2022, 289-292) hat hierzu jüngst entschieden, dass Art. 2 lit. h) der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen ist, dass der Begriff „direkte Anschlussflüge“ einen Beförderungsvorgang erfasst, der aus mehreren Flügen besteht, die von unterschiedlichen, nicht durch eine besondere rechtliche Beziehung miteinander verbundenen ausführenden Luftfahrtunternehmen durchgeführt werden, wenn diese Flüge von einem Reisebüro zusammengefasst wurden, das für diesen Vorgang einen Gesamtpreis in Rechnung gestellt und einen einheitlichen Flugschein ausgegeben hat, so dass einem Fluggast, der auf einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaats einen Flug angetreten hat und bei der Ankunft am Zielort des letzten Fluges mit großer Verspätung gelandet ist, der Ausgleichsanspruch nach Art. 7 dieser Verordnung zusteht.

So liegt es hier. Der Reisevermittler als Reisebüro in diesem Sinne hat unter der Buchungsnummer _______ einen einheitlichen Flugschein zu einem einheitlichen Preis ausgegeben. Hiervon ist das Gericht überzeugt, nachdem die Klägerin in Anlage K12 die vollständigen Buchungsunterlagen vorgelegt hat.

Darauf, ob dem ausführenden Luftfahrtunternehmen Kenntnis von der Zusammenfassung der Flüge hatte, kommt es nicht an, denn der Anspruch ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Beklagte nicht unmittelbar an der Buchung des Fluges beteiligt war. Ein Fluggast hat auch dann einen Ausgleichsanspruch gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen, wenn dieses zwar nicht an der einzelnen Buchung und deren Bestätigung beteiligt war, aber einem Vermittler oder einem Reiseunternehmen die Möglichkeit einräumte, solche Buchungen entgegenzunehmen und zu bestätigen. Das Luftfahrtunternehmen muss sich in diesen Fällen die Buchungsbestätigung des Vermittlers oder Reiseunternehmens wie eine eigene Erklärung zurechnen lassen. Einer besonderen rechtlichen Beziehung zwischen diesen Luftfahrtunternehmen bedarf es nicht.

Ein ausführendes Luftfahrtunternehmen haftet nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs auch dann, wenn der Beförderungsvertrag über einen Dritten geschlossen wurde, zum Beispiel über eine elektronische Plattform (EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2021 - C-263/20, RRa 2022, 86 Rn. 52 f. - Laudamotion; Urteil vom 11. Mai 2017 - C-302/16, RRa 2017, 172 Rn. 26 - Krijgsman).

In der im Streitfall ergangenen Entscheidung hat der Gerichtshof bestätigt, dass dies auch für den Fall einer Buchung durch ein Reisebüro gilt. Dies führt auch nicht zu unbilligen Ergebnissen, denn das ausführende Luftfahrtunternehmen, das die von der Verordnung vorgesehene Ausgleichszahlung hat leisten müssen, ist nach der Verordnung nicht gehindert, sich zwecks Ausgleich dieser finanziellen Belastung namentlich an die Person zu halten, über die die Flugscheine ausgegeben wurden, wenn diese Person gegen ihre Verpflichtungen verstoßen hat (EuGH, NJW 2022, 3343 Rn. 30; BGH, MDR 2023, 1033).

Der Anspruch ist auch nicht aufgrund von Art. 5 Abs. 1 c) lit. i) ausgeschlossen. Die Klägerin hat bestritten, am 16.09.2022 über die Annullierung informiert worden zu sein. Die diesbezüglich darlegungs- und beweisbelastete Beklagte ist beweisfällig geblieben.

Der Anspruch auf Erstattung der durch die selbst organisierte Ersatzbeförderung folgt aus Art. 8 der EG-Verordnung Nr. 261/2004 in Verbindung mit §§ 280 Abs. 1, 398 BGB. Erbringt das Luftfahrtunternehmen nach Annullierung des Fluges eine vom Fluggast nach Art. 8 Abs. 1 lit. b VO (EG) 261/20 gewünschte Ersatzbeförderung zum Endziel nicht, erstreckt sich die Verpflichtung aus Art. 8 der Verordnung auch auf die Erstattung der Kosten einer vom Fluggast organisierten Ersatzbeförderung. Die Klägerin war auch nicht gehalten, eine Hotelübernachtung in Köln in Anspruch zu nehmen, da der Anspruch aus Art. 8 auf die schnellstmögliche Ersatzbeförderung gerichtet ist.

Die Kosten für die Verpflegung sind gem. Art. 9 Abs. 1 a) FluggastrechteVO, wie bereits durch gerichtlichen Hinweis im Termin vom 11.07.2024 dargetan, lediglich in Höhe von 25,00 € ersatzfähig, da alkoholische Getränke nicht umfasst werden.

Die Verurteilung zur Zahlung der Nebenforderung gründet sich auf §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB.

Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten auch Anspruch auf Rechtsanwaltskosten aus §§ 280 Abs. 1 BGB. Die Rechtsanwaltskosten stellen damit eine adäquat-kausale Schadensposition gemäß § 249 BGB dar. Einer Verzugslage bedarf es insoweit nicht. Die Beklagte legt nicht dar, dass sie ihren aus Art. 14 Abs. 2 der Fluggastrechteverordnung folgenden Informationspflichten gegenüber den Fluggästen nachgekommen wäre. Namentlich hat die Beklagte die Fluggäste nicht konkret und anlassbezogen über seine Rechte im Zusammenhang mit der Flugstörung belehrt, was jedoch auch nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung erforderlich gewesen wäre (vgl. etwa BGH, Urteil vom 12.2.2019, Az: X ZR 24/18; Urteil vom 1.9.2020 – Az.: X ZR 97/19).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen die Entscheidung kann das Rechtsmittel der Berufung eingelegt werden. Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600 Euro übersteigt oder das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.

Die Berufung ist binnen einer Notfrist von einem Monat bei dem

Landgericht Cottbus
Gerichtsstraße 3 - 4
03046 Cottbus

einzulegen.

Die Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung der Entscheidung.

Die Berufung muss mit Schriftsatz durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt eingelegt werden. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung und die Erklärung enthalten, dass Berufung eingelegt werde.

Die Berufung muss binnen zwei Monaten mit Anwaltsschriftsatz begründet werden. Auch diese Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung.

Gegen die Entscheidung, mit der der Streitwert festgesetzt worden ist, kann Beschwerde eingelegt werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt oder das Gericht die Beschwerde zugelassen hat.

Die Beschwerde ist binnen sechs Monaten bei dem

Amtsgericht Königs Wusterhausen
Schlossplatz 4
15711 Königs Wusterhausen

einzulegen.

Die Frist beginnt mit Eintreten der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache oder der anderweitigen Erledigung des Verfahrens. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der sechsmonatigen Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.

Die Beschwerde ist schriftlich einzulegen oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle des genannten Gerichts. Sie kann auch vor der Geschäftsstelle jedes Amtsgerichts zu Protokoll erklärt werden; die Frist ist jedoch nur gewahrt, wenn das Protokoll rechtzeitig bei dem oben genannten Gericht eingeht. Eine anwaltliche Mitwirkung ist nicht vorgeschrieben.

Rechtsbehelfe können auch als elektronisches Dokument eingereicht werden. Eine einfache E-Mail genügt den gesetzlichen Anforderungen nicht.

Rechtsbehelfe, die durch eine Rechtsanwältin, einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind als elektronisches Dokument einzureichen, es sei denn, dass dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist. In diesem Fall bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig, wobei die vorübergehende Unmöglichkeit bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen ist. Auf Anforderung ist das elektronische Dokument nachzureichen.

Elektronische Dokumente müssen

  • mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder
  • von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden.

Ein elektronisches Dokument, das mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen ist, darf wie folgt übermittelt werden:

  • auf einem sicheren Übermittlungsweg oder
  • an das für den Empfang elektronischer Dokumente eingerichtete Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) des Gerichts.

Wegen der sicheren Übermittlungswege wird auf § 130a Absatz 4 der Zivilprozessordnung verwiesen. Hinsichtlich der weiteren Voraussetzungen zur elektronischen Kommunikation mit den Gerichten wird auf die Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) in der jeweils geltenden Fassung sowie auf die Internetseite www.justiz.de verwiesen.