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Entscheidung 4 U 122/24


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 4. Zivilsenat Entscheidungsdatum 14.01.2025
Aktenzeichen 4 U 122/24 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2025:0114.4U122.24Q.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Der Antrag der Klägerin vom 26.12.2024 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Berufungsverfahrens wird abgelehnt.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten als Herstellerin des Impfstoffes Comirnaty (BNT162b2) gegen das SARS Cov2-Virus Ansprüche auf Schadenersatz, Schmerzensgeld und Auskunft geltend. Sie behauptet nach vier Impfungen mit dem vorgenannten Impfstoff zwischen dem 08.05.2021 und dem 29.09.2022 die Entstehung gesundheitlicher Schäden ab Mitte Oktober 2022; sie leide an Rheuma, Darmkrämpfen/Darmbluten, Schwäche und Müdigkeit. Die Klägerin ist der Auffassung, dass der enge zeitliche Zusammenhang zwischen den Impfungen und dem Auftreten der Beschwerden die notwendige Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhangs belege.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 28.11.2024 abgewiesen. Ein Anspruch der Klägerin auf Schadenersatz folge nicht aus § 84 Abs. 1 AMG. Eine Haftung setze voraus, dass das Arzneimittel eine negative Nutzen-Risiko-​Bilanz aufweise (§ 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AMG) oder der Schaden infolge einer nicht den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft entsprechenden Kennzeichnung, Fachinformation oder Gebrauchsinformation eingetreten sei (§ 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AMG). Beides sei nicht ersichtlich. Das Nutzen-Risiko-Verhältnis sei mit Blick auf die Tatbestandswirkung des Durchführungsbeschlusses der Europäischen Kommission vom 10.10.2022 zur unbedingten Zulassung des Impfstoffs, der den vorherigen Beschluss vom 21.10.2020 über die bedingte (außerordentliche) Zulassung bestätige, und der bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung weiter fortgelte, als positiv zu bewerten. Dass ein Ermessensfehler bei der Nutzen-Risiko-Abwägung vorgelegen habe, sei nicht ersichtlich. Auch lägen keine nachträglichen Erkenntnisse vor, bei deren Berücksichtigung eine andere Zulassungsentscheidung veranlasst gewesen wäre. Daneben bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass eine den Impfstoff betreffende Produktinformation nicht dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entsprochen hätte, § 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 i.V.m. §§ 10, 11, 11a AMG. Dem klägerischen Vortrag sei nicht zu entnehmen, welche konkreten Nebenwirkungen zu welchem Zeitpunkt in welchem Informationsmedium nicht enthalten gewesen seien, obwohl eine Nennung den aktuellen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft entsprochen hätte. Zudem habe die Klägerin das Beruhen ihrer behaupteten Gesundheitsverletzung auf einer falschen Kennzeichnung, Fachinformation oder Gebrauchsinformation nicht schlüssig dargelegt. Ein Ursachenzusammenhang zwischen der fehlerhaften Information und der Gesundheitsverletzung sei nur anzunehmen, wenn letztere bei ordnungsgemäßer Information mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vermieden worden wäre. Das Aufklärungsblatt des streitgegenständlichen Impfstoffs enthalte im Vergleich zu den vorliegend im Raum stehenden rheumatischen Beschwerden durchaus erheblichere Risiken, ohne die Klägerin von einer Impfung abgehalten zu haben. Letztlich fehle es mangels Verletzungseignung im Sinne von § 84 Abs. 2 AMG auch insgesamt an der erforderlichen Kausalität. Eine ungesicherte Hypothese für den ursächlichen Zusammenhang reiche in diesem Zusammenhang nicht aus. Auch unter Würdigung der Angaben der Klägerin im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung sei die Kammer nicht von der Eignung der streitgegenständlichen Impfungen zur Verursachung der klägerseits behaupteten Schäden überzeugt. Zu den rheumatischen Beschwerden sei es erst Anfang 2023 gekommen; für die übrigen behaupteten Beschwerden der Klägerin fehlten ärztliche Unterlagen. Der zeitliche Zusammenhang zwischen den Impfungen und den aufgetretenen Beschwerden spreche weder für noch gegen einen kausalen Zusammenhang und zu ihrem gesundheitlichen Zustand vor der Impfung habe die Klägerin bereits nicht vorgetragen. Auch die bei den Eltern der Klägerin diagnostizierten Erkrankungen sprächen gegen eine Schadensverursachung durch die Impfungen. Auf einen Anscheinsbeweis könne sich die Klägerin in diesem Zusammenhang nicht berufen. Daneben stünden der Klägerin auch keine Ansprüche aus einer deliktischen Haftung gemäß § 823 Abs. 1 BGB (Produkthaftung) oder § 823 Abs. 2 i.V.m. §§ 5, 95, 96 AMG bzw. i.V.m. §§ 223, 224 oder 230 StGB oder § 826 BGB zur Seite. Zwar sei das Deliktsrecht neben den Regelungen des AMG anwendbar; indes würden insoweit keine strengeren Voraussetzungen einer Haftung begründet. Nach dem Vorstehenden bestehe auch kein Anspruch der Klägerin auf Auskunft nach § 84a AMG. Die Klägerin habe keine Tatsachen vorgetragen, nach denen eine Arzneimittelanwendung den in Rede stehenden Gesundheitsschaden verursacht habe. Ein unbestimmter Verdacht, dass der aufgezeigte Schaden durch das Arzneimittel verursacht worden sei, reiche nicht aus.

Gegen dieses Urteil beabsichtigt die Klägerin, Berufung einzulegen und ihre Rechte im Berufungsverfahren weiterzuverfolgen. Vor diesem Hintergrund hat sie mit am 27.12.2024 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 26.12.2024 einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren gestellt. Zur Begründung der Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung bezieht sich die Klägerin auf ihre dem Antrag beigefügten Schriftsätze im erstinstanzlichen Verfahren.

II.

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung im Berufungsverfahren bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Die angefochtene Entscheidung beruht nach der vorzunehmenden summarischen Prüfung weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO, noch gebieten die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere, für die Klägerin günstigere Entscheidung (§ 513 ZPO). Das von der Klägerin in der Sache verfolgte materiell-rechtliche Begehren verspricht keinen Erfolg. Insoweit wird auf die Entscheidungsgründe des am 28.11.2024 verkündeten Urteils des Landgerichts Neuruppin verwiesen. Der Senat schließt sich den dortigen Ausführungen an.

Es ist nicht ersichtlich, unter welchem rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt sich die landgerichtliche Entscheidung als unzutreffend erweisen sollte. Eine gesonderte Begründung enthält der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, der lediglich auf den erstinstanzlichen Vortrag der Klägerin verweist, insoweit nicht. Ein Verstoß gegen die von der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen für eine verschuldensunabhängige Haftung eines pharmazeutischen Unternehmens für Arzneimittelschäden und der damit verknüpften Auskunftsansprüche ist nicht ersichtlich. Insbesondere halten die angestellten Kausalitätserwägungen des Landgerichts, die geeignet sind, den geltend gemachten Anspruch insgesamt entfallen zu lassen, einer rechtlichen Nachprüfung stand. Wie im Deliktsrecht ist bei der Gefährdungshaftung nach § 84 AMG zwischen haftungsbegründender (zwischen Anwendung des Arzneimittels und Rechtsgutsverletzung) und haftungsausfüllender (zwischen Gesundheitsbeeinträchtigung und Schaden) Kausalität zu unterscheiden, wobei im Rahmen von § 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AMG bei der haftungsbegründenden Kausalität zusätzlich noch ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der fehlerhaften Instruktion und der eingetretenen Verletzung bestehen muss. § 84 Abs. 2 AMG statuiert zur Stärkung der beweisrechtlichen Position des Arzneimittelanwenders unter gewissen Voraussetzungen eine Kausalitätsvermutung, die in ein komplexes Regel-Ausnahme-Verhältnis eingebettet ist. Nach Satz 1 kommt dem Arzneimittelanwender die Kausalitätsvermutung zugute, wenn er nachweisen kann, dass das Arzneimittel dazu geeignet war, den eingetretenen Schaden zu verursachen (Vermutungsgrundlage). Satz 2 zählt beispielhaft Kriterien auf, anhand derer die Verletzungseignung beurteilt werden kann und Satz 3 enthält einen Ausschluss der Kausalitätsvermutung. Das Landgericht hat trotz Berücksichtigung des gesamten Vortrages der Klägerin einschließlich deren persönlicher Anhörung sowie der von ihr vorgelegten Unterlagen mit nicht zu beanstandender Begründung zu Recht bereits die Verletzungseignung verneint. Denn insoweit genügt es gerade nicht, wenn - wie vorliegend - nur eine ungesicherte Hypothese für den ursächlichen Zusammenhang spricht. Erforderlich ist nicht lediglich eine abstrakt-generelle, sondern eine konkrete Verletzungseignung des Arzneimittels (BT-Drs. 14/7752, S. 19). Dass der durch die Klägerin vorgetragene Gesundheitsschaden überwiegend wahrscheinlich auf die streitgegenständlichen Impfungen zurückzuführen wäre, ist insgesamt nicht ersichtlich.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist daher abzulehnen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO.