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Entscheidung 6 O 80/23


Metadaten

Gericht LG Potsdam 6. Zivilkammer Entscheidungsdatum 24.01.2024
Aktenzeichen 6 O 80/23 ECLI ECLI:DE:LGPOTSD:2024:0124.6O80.23.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

  1. Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 10.05.2023 wird bestätigt.

  2. Die Verfügungsbeklagte hat auch die weiteren Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand

Die Verfügungsklägerin begehrte die Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung eines Löschungs- und Rückforderungsanspruchs in das Grundbuch des Amtsgerichts Zossen hinsichtlich einer dort eingetragenen Briefgrundschuld in Höhe von 3 Mio. € sowie einer Buchgrundschuld in Höhe von 27 Mio. € betreffend das im Eigentum der Insolvenzschuldnerin stehende Grundstück „W_____ 1“.

Die Insolvenzschuldnerin und die Verfügungsbeklagte schlossen mit Datum vom 28.04./ 03.05.2017 einen Darlehensvertrag über eine Darlehenssumme in Höhe von 6.000.000,00 € (Anlage Ast 20). Darlehensgeberin war die Verfügungsbeklagte und Darlehensnehmerin die Insolvenzschuldnerin. Die Darlehensgewährung als solche ist unstreitig. Das Darlehen wurde nur zum Teil valutiert, wobei die genaue Höhe der Valutierung zwischen den Parteien streitig ist.

Die Alleingesellschafterin der Verfügungsbeklagten, die A_____ GmbH, hat am 13. September 2018 sämtliche Geschäftsanteile der Verfügungsbeklagten an die T_____ übertragen und verweist auf die zur Gerichtsakte gereichte Anlage AG 6. Die T_____ ist eine von der G_____ unabhängige Gesellschaft, deren Anteile je zur Hälfte von den Gesellschaftern E. M. und B. F. gehalten werden. Aufgrund eines Verwaltungsversehens wurde der Gesellschafterwechsel in den Jahresberichten der Verfügungsbeklagten, die beim Companies Registrations Office ("CRO") in Irland für die am 31. Dezember 2018 bzw. 31. Dezember 2019 endenden Geschäftsjahre eingereicht wurden, zunächst nicht richtig erfasst. Um dies zu korrigieren, wurde im März 2020 bzw. März 2021 ein Formular B1B (Ersatz-Jahresbericht, Anlage AG 7) für die beiden am 31. Dezember 2018 bzw. 31. Dezember 2019 endenden Jahre beim CRO eingereicht, um den korrekten Anteilseigner der Gesellschaft im CRO zu erfassen. Die Wirksamkeit der Anteilsübertragung ist durch eine Legal Opinion des angesehenen irischen Gesellschaftsrechtlers J. D. SC bestätigt worden (Anlage AG 8).

Das Gericht hat am 10.05.2023 dem Antrag des Verfügungsklägers auf Erlass einer einstweiligen Verfügung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung stattgegeben.

Hinsichtlich der eingetragenen Eigentümerbriefgrundschuld hat es sich darauf gestützt, dass der Verfügungskläger einen Verfügungsanspruch aus §§ 143, 135 InsO glaubhaft gemacht hat. Die Verfügungsbeklagte habe die Briefgrundschuld durch Abtretung – zunächst an die L._____ (im Folgenden: „L. “) und sodann an die Verfügungsbeklagte – als Sicherheit für ein an die Insolvenzschuldnerin ausgekehrtes Gesellschafterdarlehen im Sinne von § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO erhalten.

Hinsichtlich der zu Gunsten der L. bestellten und sodann an die Verfügungsbeklagte abgetretenen Buchgrundschuld über 27 Mio. € stützte sich die Kammer auf einen bereicherungsrechtlichen Herausgabeanspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB. Der Verfügungskläger hatte glaubhaft gemacht, dass die Buchgrundschuld als Sicherheit für die Gewährung von 15 weiteren Darlehen zwischen der Verfügungsbeklagten als Darlehnsgeberin einerseits und weiteren konzernverbundenen Gesellschaften als Darlehensnehmer andererseits dienen sollte. Von dem Verfügungskläger wurde weiter glaubhaft gemacht, dass die vorgenannten Gesellschaften in einem internationalen Anlagebetrugsskandal großen Ausmaßes verwickelt waren und es als nicht abwegig erschien, dass diese Gesellschaften als Darlehensnehmer gar nicht existieren, jedenfalls aber keine konkrete Sicherungszweckabrede, die als rechtlicher Grund gedient hätte, getroffen wurde.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die einstweilige Verfügung vom 10.05.2023 verwiesen.

Die Eintragungen im Grundbuch wurden der einstweiligen Verfügung entsprechend vorgenommen (s. Mitteilung AG Zossen vom 04.07.2023, Bl. 85 GA).

Gegen die einstweilige Verfügung wendet sich die Verfügungsbeklagte mit ihrem Widerspruch.

Der Verfügungskläger beantragt,

die einstweilige Verfügung vom 10.05.2023 zu bestätigen.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

  1. die einstweilige Verfügung vom 10.05.2023 aufzuheben und den zugrunde liegenden Antrag zurückzuweisen,
  2. die Vollziehung der einstweiligen Verfügung ohne Sicherheitsleistung einzustellen.

Die Verfügungsbeklagte ist der Meinung, der Verfügungskläger habe keinen Verfügungsanspruch aus Insolvenzanfechtung. Sie meint, der zwischen der Insolvenzschuldnerin und der Verfügungsbeklagten geschlossene Darlehensvertrag sei kein Gesellschafterdarlehen im Sinne von § 135 Abs. 1 InsO i. V. m. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO gewesen.

Es läge bereits von vornherein kein Gesellschafterdarlehen vor. Die Verfügungsbeklagte sei eine von diversen Investment-Fonds-Gesellschaften weltweit gewesen, mittels derer mehrere Milliarden Euro an Investitionen von Kleinanlegern eingeworben wurden. Die Gesellschafterstellung der A_____ GmbH bei der Verfügungsbeklagten sei daher reiner Zufall und ohne Belang für die Darlehensstruktur gewesen. Die Annahme einer einem Gesellschafterdarlehen „gleichgestellten Forderung“ i. S. d. § 135 Abs. 1 InsO sei daher verfehlt, insbesondere, da die Darlehen mit dem im vorliegenden Fall gewährten Fremddarlehen vergleichbar seien.

Selbst wenn zum Zeitpunkt des Abschlusses des Darlehensvertrags das Darlehen im Sinne von § 135 InsO i. V. m. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO als Gesellschafterdarlehen zu qualifizieren gewesen sei, so sei diese Wertung durch die am 13. September 2018 erfolgte Anteilsübertragung an die T._____ wieder entfallen. Denn die Gesellschaftsanteilsübertragung fand mehr als ein Jahr vor dem Insolvenzeröffnungsantrag der Schuldnerin am 01. September 2020 statt. Nach der Rechtsprechung des BGH bliebe die Qualifizierung als Gesellschafterdarlehen und insbesondere der damit verbundene Nachrang auf Grundlage des in § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO zum Ausdruck kommenden Rechtsgedankens nur dann und solange erhalten, wenn der Gesellschafter innerhalb der Jahresfrist vor Insolvenzantragstellung entweder seine Gesellschafterstellung aufgibt oder die Forderung auf einen Nichtgesellschafter überträgt (BGH, Urt. v. 21.02.2013, NZI 2013, 308, Rn. 25). Soweit eine Übertragung länger als ein Jahr vor Insolvenzantragstellung in entsprechender Anwendung von § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO zurückliege, entfalle die Qualifizierung des Darlehens als Gesellschafterdarlehen und damit auch der Nachrang des Gesellschafterdarlehens gem. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO und die mit dem Nachrang verbundene Möglichkeit der Anfechtung nach § 135 InsO.

Die Verfügungsbeklagte meint weiter, dass sich auch kein Verfügungsanspruch aus § 134 Abs. 1 InsO wegen einer unentgeltlichen Leistung ergebe. Es liege bereits keine „Leistung“ im Sinne von § 134 InsO der Insolvenzschuldnerin vor, da die Abtretungen mitsamt dazugehörigen Ansprüchen durch die L. erfolgten und nicht durch die Insolvenzschuldnerin. Die Abtretungen an die L. stellten sich nicht als Leistung an die Verfügungsbeklagte dar. Ferner liege keine Unentgeltlichkeit vor. Die Sicherheitenbestellung sei wertmäßig schon durch die Verpflichtung der Insolvenzschuldnerin aus dem Darlehensvertrag mit der Antragsgegnerin gedeckt. Insbesondere liege insoweit kein besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vor. Für die Frage nach der wertmäßigen Entsprechung von Leistung und Gegenleistung komme es grundsätzlich auf das objektive Verhältnis der ausgetauschten Werte im Rahmen einer wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung an (BGH, Urt. v. 1.3.2018 – IX ZR 207/15, NZI 2018, 491, Rn. 12). Hier habe die Verfügungsbeklagte als Sicherungsnehmerin Gegenleistungen an die Insolvenzschuldnerin in Höhe von 4.474.957,55 € erbracht, die den Wert der abgetretenen Grundschulden deutlich überstiegen. Dabei sei nicht auf den Nennwert der Sicherheiten abzustellen, sondern auf den tatsächlichen Wert des besicherten Grundstücks, der mit lediglich mit 600.000,00 € anzusetzen sei. Schon aus diesem Grund liege hinsichtlich des Darlehensvertrags zwischen Insolvenzschuldnerin und der Antragsgegnerin keine unentgeltliche Leistung vor.

Schließlich, so die Auffassung der Verfügungsbeklagten, ergebe sich kein Verfügungsgrund aus einem bereicherungsrechtlichen Kondiktionsanspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB. Ein solcher bestehe nicht. Die den streitgegenständlichen Grundschulden zugrundeliegenden Bestellungsurkunden beinhalten - insoweit unstreitig - unter Ziffer 6 jeweils ein abstraktes Schuldversprechen der Insolvenzschuldnerin in Höhe des jeweiligen Grundschuldbetrags gegenüber dem ersten Zessionar und dessen Rechtsnachfolger. Der dadurch begründete schuldrechtliche Anspruch der Verfügungsbeklagten valutiere in Höhe der streitgegenständlichen Grundschulden und stehe dem Verfügungsanspruch bereits aus formaler Sicht entgegen. Der Haupteinwand gegen den behaupteten Verfügungsanspruch bestehe aber darin, dass die Insolvenzschuldnerin und die Verfügungsbeklagte entgegen dem Vortrag des Verfügungsklägers Sicherungsabreden getroffen hätten, die einen Rechtsgrund für die Abtretung der streitgegenständlichen Grundschulden darstellten.

Entscheidungsgründe

Auf den zulässigen Widerspruch der Verfügungsbeklagten war die erlassene einstweilige Verfügung auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen; dies führte zu einer Bestätigung.

1. Briefgrundschuld über 3 Mio. €

Der Verfügungskläger hat gegen die Verfügungsbeklagte einen Anspruch aus Insolvenzanfechtung gemäß §§ 143 Abs. 1, 135 Abs. 1 InsO glaubhaft gemacht. Daran vermochte auch der mit der Widerspruchsschrift der Verfügungsbeklagten dargelegte Vortrag nichts zu ändern.

Hinsichtlich der Qualifizierung des Darlehens zwischen der Insolvenzschuldnerin und der Verfügungsbeklagten vom 03.05.2017 als Gesellschafterdarlehen im Sinne von § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO ist im Ausgangspunkt maßgeblicher Zeitpunkt für die Gesellschafterstellung der verbindenden gemeinsamen Gesellschafterin – der A_____ – zunächst der Zeitpunkt der Gewährung oder Belassung des Darlehens, mithin der 03.05.2017 (vgl. Uhlenbruck/Hirte, 15. Aufl. 2019, InsO § 135 Rn. 13, 45).

Die Argumentation der Verfügungsbeklagten mit Verweis auf die Rechtsprechung des BGH (NZI 2013, 308, Rn. 25; NJW 2012, 682), wonach die Qualifizierung als Gesellschafterdarlehen in entsprechender Anwendung des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO entfalle, wenn die Übertragung der Gesellschafterstellung (oder Abtretung an einen außenstehenden Dritten) länger als ein Jahr vor der Insolvenzantragstellung zurückliege, ist auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Denn bei der von der Verfügungsbeklagten zitierten Rechtsprechung ging es um den zeitlich geltenden Nachrang einer Darlehensrückzahlungsforderung eines Gesellschafters bei dessen Ausscheiden aus seiner Stellung und der aus dem Rechtsgedanken des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO (anfechtbare Befriedigung) zum Ausdruck kommenden zeitlich begrenzten Anfechtbarkeit binnen Jahresfrist vor Eröffnungsantrag.

Im vorliegenden Fall geht es jedoch um die Anfechtung der Gewährung von Sicherheiten für ein Gesellschafterdarlehen (§ 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Für diesen Fall bestimmt § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO, dass diese Rechtshandlung innerhalb der letzten 10 Jahre vor Insolvenzantragstellung anfechtbar ist.

Der Bundesgerichtshof führt in seinem Urteil vom 18.07.2013 - IX ZR 219/11 (NJW 2013, 3035 Rn. 13, beck-online) wie folgt aus: „Da die einzelne anfechtbare Rechtshandlung ein eigenes selbstständiges Rückgewährschuldverhältnis begründet, ist der Eintritt einer Gläubigerbenachteiligung isoliert mit Bezug auf die konkret angefochtene Minderung des Aktivvermögens zu beurteilen (BGH, NJW-RR 2008, 434 = WM 2007, 2071 Rdnr. 11). Darum kann die Gewährung einer Sicherung (§ 135 I Nr. 1 InsO) und die Gewährung einer Befriedigung (§ 135 I Nr. 2 InsO) innerhalb der für sie jeweils maßgeblichen Frist selbstständig angefochten werden (vgl. BGH, NJW-RR 2000, 1215 = WM 2000, 1071; BGHZ 178, 171 = NJW 2009, 225 Rdnr. 25). Einen Rechtsgrundsatz, dass mehrere von einer Rechtshandlung verursachte Wirkungen nur insgesamt oder gar nicht anfechtbar seien, gibt es auch für solche Folgen nicht, die im Kausalverlauf ferner liegen als nähere, unanfechtbare Folgen (BGH, NJW-RR 2010, 118 = WM 2009, 1750 Rdnr. 32). Folgerichtig steht der Anfechtbarkeit einer innerhalb von zehn Jahren vor Antragstellung gewährten Sicherung (§ 135 I Nr. 1 InsO) nicht entgegen, dass eine spätere, in der Verwertung liegende Befriedigung außerhalb der Jahresfrist des § 135 I Nr. 2 InsO unanfechtbar wäre. [...] Aus dieser Erwägung kann die Befriedigung eines Gesellschafterdarlehens innerhalb eines Jahres vor Antragstellung nicht gem. § 135 I Nr. 2 InsO angefochten werden, falls der Gesellschafter über eine länger als zehn Jahre vor Antragstellung begründete unanfechtbare Sicherung (§ 135 I Nr. 1 InsO) verfügt (Uhlenbruck/Hirte, InsO, 13. Aufl., § 135 Rdnr. 10). Hingegen kann die Anfechtung einer Sicherung (§ 135 I Nr. 1 InsO) nicht deshalb verneint werden, weil eine an ihrer Stelle zeitgleich bewirkte Befriedigung (§ 135 I Nr. 2 InsO) unanfechtbar wäre. Die Unanfechtbarkeit der Befriedigung lässt auch unter dem Gesichtspunkt der Gläubigerbenachteiligung die Anfechtbarkeit einer Sicherung unberührt. [...] Die unterschiedlichen Anfechtungsfristen des § 135 I Nrn. 1 und 2 InsO und die darum bei wortlautgemäßem Verständnis der Vorschrift abweichenden Rechtsfolgen der Anfechtung einer Sicherung und der Anfechtung einer Befriedigung sind auch deshalb zu beachten, weil sie Teil des von dem Gesetzgeber verfolgten Regelungsmodells sind. [...] Aus den Gesetzesmaterialien (vgl. BT-Dr 8/1347, S. 40 f.; BT-Dr 8/3908, S. 60, 74; BT-Dr 12/2443, S. 161; BT-Dr 16/6140, S. 57) ergibt sich kein Hinweis, dass die Anfechtung nach § 135 I Nr. 2 InsO im Verhältnis zu derjenigen nach § 135 I Nr. 1 InsO Vorrang genießen soll (vgl. Bangha-Szabo, ZIP 2013, 1058 [1062]). Da schon unter der Geltung des Eigenkapitalersatzrechts ein eigenständiger Anwendungsbereich des § 135 I Nr. 1 InsO a. F. verschiedentlich bezweifelt worden war (vgl. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 5. Aufl., § 32 a Rdnr. 101; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl., § 32 a Rdnr. 69) und dem Gesetzgeber diese Kritik bekannt sein musste, kann die Aufrechterhaltung des § 135 I Nr. 1 InsO nur dahin gedeutet werden, auch mit Hilfe dieses Tatbestands ein konsequentes Anfechtungsregime einzurichten (vgl. BT-Dr 16/6140, S. 26; BGH, NJW 2013, 2282 = WM 2013, 568 Rdnr. 18). Dazu ist erforderlich, die Anfechtung einer Sicherung unabhängig von der Anfechtbarkeit einer Befriedigung zu gestatten. [...] Eine Besicherung (§ 135 I Nr. 1 InsO), die – wie der Streitfall belegt – vielfach nachträglich gewährt wird, weil die Gesellschaft einem Erfüllungsverlangen nicht nachkommen kann, setzt den Gesellschafter in den Stand, ungeachtet der für ihn erkennbar ungünstigen wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft und – im Unterschied zu Befriedigungshandlungen i. S. des § 135 I Nr. 2 InsO – ohne die Notwendigkeit einer Einflussnahme auf die Geschäftsführung durch Inanspruchnahme der Sicherung selbst über den Zeitpunkt der Erfüllung seiner Verbindlichkeit zu befinden. Als rechtlich bevorzugter Sicherungsnehmer steht er nicht in Konkurrenz zu sonstigen Gläubigern, die Befriedigung allein aus dem – mitunter bereits außerhalb der Frist des § 135 I Nr. 2 InsO unzureichenden – Gesellschaftsvermögen suchen müssen. Der Gesellschafter kann eine Befriedigung aus der Sicherung sogar noch erlangen, obwohl bereits kein freies Gesellschaftsvermögen mehr vorhanden ist.

Diese im Falle der Gewährung einer Sicherung die Gläubigergesamtheit treffenden speziellen Risiken und Nachteile und die regelmäßig in der Person des Gesellschafters gegebenen besonderen Umstände rechtfertigen es bei typisierender Betrachtung, die Anfechtungsfrist deutlich länger als bei der Gewährung einer Befriedigung zu bemessen, zumal die Vorgängerregelung des § 32 a KO über Jahrzehnte unbeanstandet gar keine Anfechtungsfrist vorsah. Darum scheidet eine Anfechtung gegenüber dem für seine Forderung gesicherten Gesellschafter nur aus, wenn er außerhalb der Frist des § 135 I Nr. 2 InsO tatsächlich von der Gesellschaft selbst befriedigt wird und deshalb von der ihm gewährten Sicherung keinen Gebrauch macht (vgl. Spliedt, ZIP 2009, 149 [153]).“

Die vorstehenden Erwägungen lassen sich auf die Problematik der Nachwirkungen der Gesellschafterdarlehenseigenschaft im Fall der Übertragung bzw. des Gesellschafterwechsels übertragen und gebieten es daher, im Fall des § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO die dort geregelte Frist und nicht die der Nr. 2 zugrunde zu legen.

Insofern war die einstweilige Verfügung hinsichtlich der Briefgrundschuld zu bestätigen.

2. Buchgrundschuld über 27 Mio. €

Soweit in der einstweiligen Verfügung ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB bejaht wurde, weil der Verfügungskläger glaubhaft gemacht habe, dass die Darlehensnehmerinnen nicht existent seien und somit eine Leistung ohne Rechtsgrund erfolgte, hält die Kammer an dieser Begründung nicht fest. Denn die Verfügungsbeklage hat mit Anlagenkonvolut AG 3 sämtliche Darlehensverträge eingereicht. In diesen ist jede Darlehensnehmerin mit Anschrift und Handelsregisternummer aufgeführt. Auch im Übrigen greift ein Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht durch. Als Rechtsgrund für die Bestellung der Buchgrundschuld ist von einem Sicherungsvertrag zwischen der Insolvenzschuldnerin und der Verfügungsbeklagten auszugehen. Unstreitig existiert zwar keine schriftliche Sicherungszweckerklärung. Doch hat sich die Verfügungsbeklagte bisher unwidersprochen auf eine konkludente Sicherungsabrede berufen. Aus den mit Anlagenkonvolut AG 3 eingereichten Darlehensverträgen geht jeweils unter Ziffer IV „Sicherheiten“ hervor, dass sich der jeweilige Darlehensnehmer zur Sicherung des Darlehens verpflichtete, dem Darlehensgeber Eigentümergrundschulden im Nennbetrag von mind. 3 Mio. € zu verschaffen. Diese Sicherheiten hat die Insolvenzschuldnerin mit der Buchgrundschuld gegenüber der Verfügungsbeklagten für die Darlehensnehmerinnen gestellt. Ist eine Grundschuld bestellt und - wie hier - zugunsten des Sicherungsgebers valutiert, so kann auf eine wenigstens konkludente Sicherungsabrede geschlossen werden (BGH, NJW-RR 1991, 305, beck-online).

Ein Anspruch auf Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung des Löschungs- und Rückforderungsanspruchs der Grundschuld ergibt sich aber aus §§ 143 Abs. 1, 134 Abs. 1 InsO.

Danach ist eine unentgeltliche Leistung des Schuldners anfechtbar. Der Begriff der unentgeltlichen „Leistung“ ist weit zu verstehen. Erfasst wird jedes Verhalten des Schuldners, das eine rechtliche Wirkung auslöst und zu einer Verminderung des Schuldnervermögens und dadurch zu einer Gläubigerbenachteiligung führt. Hat im Drei-Personen-Verhältnis – wie hier – der spätere Insolvenzschuldner durch eine mittelbare Zuwendung Bestandteile seines Vermögens unter Einschaltung einer Mittelsperson – hier die L. Treuhandgesellschaft – einem dritten Zuwendungsempfänger – hier der Verfügungsbeklagten – zugewendet, ist Anfechtungsgegner grundsätzlich erst einmal nur der Zuwendungsempfänger. Der Zuwendungsempfänger ist dabei so zu behandeln, als hätte er unmittelbar vom Schuldner erworben (Uhlenbruck/Borries/Hirte, 15. Aufl. 2019, InsO § 134 Rn. 58). Damit stellt sich die Buchgrundbestellung zu Gunsten der L. aufgrund ihrer Treuhandeigenschaft und die durch diese vorgenommene weitere Abtretung an die Verfügungsbeklagte als Leistung der Insolvenzschuldnerin im Sinne des § 134 InsO an die Verfügungsbeklagte dar. Denn der L. wurde die Grundschuld als Treugut zu dem Zweck zugewandt, diese im Bedarfsfalle insgesamt weisungsgemäß weiter zu übertragen (vgl. BGH, NJW-RR 2010, 1146, beck-online).

Eine Leistung ist unentgeltlich, wenn für sie vereinbarungsgemäß keine (gleichwertige) Gegenleistung, sei es an den Schuldner, sei es an einen Dritten, erbracht wird, der Leistungsempfänger also keine eigene Rechtsposition aufgibt, die der Leistung des Schuldners entspricht (BeckOK InsR/Raupach, 33. Ed. 15.10.2023, InsO § 134 Rn. 5). Für die Annahme von Entgeltlichkeit ist die Verknüpfung von Leistung und zu erbringender Gegenleistung durch (zumindest konkludente) Parteiabrede erforderlich (Uhlenbruck/Borries/Hirte, 15. Aufl. 2019, InsO § 134 Rn. 19).

Das ist im Ergebnis auch nach dem Vortrag der Verfügungsbeklagten nicht zu erkennen.

Die Verfügungsbeklagte argumentiert, die Leistung der Insolvenzschuldnerin sei nicht unentgeltlich erfolgt, da sie Gegenleistungen in Höhe von insgesamt 4.474.957,55 € erbracht habe und der tatsächliche Wert des besicherten Grundstücks mit 600.000,00 € anzusetzen sei. Davon entfielen 2.836.078,00 € auf die Valutierung des Darlehensvertrags zwischen der Insolvenzschuldnerin und der Verfügungsbeklagten. Unklar ist aber, in welcher Höhe das Darlehen tatsächlich valutiert wurde und inwieweit die Eigentümerbriefgrundschuld über 3 Mio. € der Besicherung des Darlehens diente.

Soweit die Buchgrundschuld über 27 Mio. € der Besicherung der von der Verfügungsbeklagten ausgereichten weiteren 15 Darlehen gedient hatte, lässt der Vortrag der Verfügungsbeklagten nicht erkennen, worin die Gegenleistung der restlichen 1.638.879,55 € bestanden haben soll.

Eine entgeltliche Zuwendung der Buchgrundschuld an die Verfügungsbeklagte ist damit nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.