Gericht | OLG Brandenburg 6. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 04.02.2025 | |
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Aktenzeichen | 6 U 48/24 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2025:0204.6U48.24.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Auf die Berufung des Klägers wird das am 04.04.2024 verkündete Urteil des Landgerichts Cottbus, Az. 2 O 250/22, abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.490 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.07.2022, Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Sportbootes … Baujahr 1999, mit Trailer zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass sich der Beklagte gegenüber dem Kläger in Annahmeverzug mit dem vorgenannten Boot befindet.
Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren der Sozietät … Rechtsanwälte und Notarin in Höhe von brutto 800,39 € freizustellen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
(abgekürzt nach §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO)
I.
Der Kläger verlangt Erfüllung aus einem auf der Online-Plattform … geschlossenen Kaufvertrag über ein gebrauchtes Boot. Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte den Kaufvertrag wirksam widerrufen hat bzw. wegen eines Sachmangels vom Kaufvertrag wirksam zurückgetreten ist.
Für den Sach- und Streitstand erster Instanz wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils verwiesen und im Übrigen von der Darstellung des Tatbestandes im Berufungsurteil gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO abgesehen.
II.
Die Berufung des Klägers ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere gemäß §§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie hat auch Erfolg, denn das Landgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Kläger kann von dem Beklagten Zahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Bootes verlangen. Zudem steht ihm ein Anspruch zu auf Feststellung, dass sich der Beklagte mit der Abnahme des Bootes in Annahmeverzug befindet, sowie auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.
1. Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung des vereinbarten Kaufpreises von 7.490 € Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des im Tenor näher bezeichneten Bootes aus § 433 Abs. 2 BGB.
Zwischen den Parteien ist unstreitig ein Kaufvertrag über das Sportboot … zustande gekommen, in dem sich der Beklagte zur Zahlung eines Kaufpreises von 7.490 € verpflichtet hat.
a) Diesen Kaufvertrag hat der Beklagte nicht wirksam widerrufen. Entgegen der Ansicht des Landgerichts unterlag der Vertrag nicht dem Widerruf nach §§ 312 g, § 312 c iVm § 355 BGB, weil er nicht als Verbrauchervertrag zu qualifizieren ist. Eine Berechtigung des Beklagten zum Widerruf setzte voraus, dass der Vertrag zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer geschlossen worden ist. Dass der Kläger bei dem Verkauf als Unternehmer agiert hat, hat das Landgericht allerdings zu Unrecht angenommen.
Nach § 14 BGB gilt als Unternehmer, wer bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung seiner gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt, also am Markt planmäßig und dauerhaft selbständig Leistungen gegen ein Entgelt anbietet (Grüneberg-Ellenberger, BGB, 83. Aufl. 2024, § 14 Rn. 2). Dazu können auch Kleingewerbetreibende zählen, die nicht im Handelsregister eingetragen sind, oder Personen, die ein Gewerbe ausüben und dabei branchenfremde Nebengeschäfte tätigen, wie auch Personen, die nur nebenberuflich einer unternehmerischen Tätigkeit nachgehen. Auch eine Gewinnerzielungsabsicht ist nicht Voraussetzung. Über die Zuordnung zum privaten oder unternehmerischen Bereich entscheidet nicht der innere Wille des Handelnden, sondern der durch Auslegung zu ermittelnde Inhalt des Rechtsgeschäfts, in die ggf. die Begleitumstände einzubeziehen sind (Grüneberg-Ellenberger, a.a.O., § 13 Rn. 4). Ist der Abschluss eines Vertrags weder überwiegend der gewerblichen noch der selbstständigen beruflichen Tätigkeit des Verkäufers zuzuordnen, ist das Handeln dem privaten Bereich zuzuordnen (BGHZ 167, 40 Rn. 14 ff.). Eine Zuordnung entgegen dem mit dem rechtsgeschäftlichen Handeln objektiv verfolgten Zweck kommt dann nur in Betracht, wenn die dem Vertragspartner bei Vertragsschluss erkennbaren Umstände eindeutig und zweifelsfrei darauf hinweisen, dass eine natürliche Person in Verfolgung ihrer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit handelt (vgl. LG Lübeck, Urteil vom 24.02.2023 - 15 O 90/22, juris).
Nach diesen Grundsätzen kann dem Kläger für das streitgegenständliche Geschäft keine Unternehmereigenschaft beigemessen werden. Der Kläger hat seine vormals ausgeübte gewerbliche berufliche Tätigkeit aufgegeben, er war vor 20 Jahren im Kfz-Handel tätig und hat vor 10 Jahren versucht, mit Bootstransporten Geld zu verdienen, beide Gewerbe unterhält er unstreitig nicht mehr. Aus seiner Aktivität auf der Verkaufsplattform … allein kann entgegen der Auffassung des Beklagten nicht auf seine Unternehmereigenschaft geschlossen werden. Der Kläger tritt dort zwar regelmäßig als Verkäufer und Käufer auf und hat mindestens an 600 Transaktionen teilgenommen, was sich daraus ergibt, dass sein Verhalten im Zusammenhang mit einer solchen Transaktion 600 mal bewertet worden ist. Allein die Zahl dieser Transaktionen weist allerdings noch nicht mit hinreichender Sicherheit auf ein planmäßiges, auf gewisse Dauer angelegtes Anbieten entgeltlicher Leistungen, denn die Transaktionen sind über einen Zeitraum von 15 Jahren erfolgt, also mit einer durchschnittlichen Häufigkeit von drei pro Monat. Dem Kläger ist auf der Verkaufsplattform auch kein besonderer Status (wie der eines „power sellers“) eingeräumt, der einen Hinweis auf eine überdurchschnittliche Aktivität und damit auf ein gewerbliches Handeln bieten könnte. Auch die Art der vertriebenen Artikel lässt keinen Rückschluss auf eine gewerbliche Tätigkeit zu. Denn der Kläger hat völlig unterschiedliche Artikel, insbesondere Einzelstücke, angeboten, wie z.B. Uhren und dazugehörige Accessoires, Werkzeug, Schmuck, Autozubehör, Automodelle, Bücher und nunmehr das streitgegenständliche Boot. Dass er diese Artikel mit der Absicht des Weiterverkaufs erst erworben hat, was eine gewerbliche Tätigkeit indizieren könnte, ist nicht erkennbar. Insbesondere das Boot wollte er unstreitig zunächst selbst nutzen. Soweit er in der Vergangenheit mehrfach hochpreisige Uhren verkauft hat, indiziert auch dies nicht eine gewerbliche Tätigkeit, denn der Kläger hat dies nachvollziehbar damit erklärt, dass er solche Uhren sammelt. Auch die von ihm in dem Vertrag gegenüber dem Beklagten verwendete Haftungsregelung, die für den Fall der Nichterfüllung einen pauschalen Schadensersatzanspruch vorsieht, mag zwar im Geschäftsverkehr zwischen Verbrauchern ungewöhnlich sein, rechtfertigt für sich genommen aber nicht den Schluss auf einen gewerblichen Verkauf des Bootes.
Eine andere Beurteilung begründet sich entgegen der Ansicht des Beklagten auch nicht unter Heranziehung des Plattformen-Steuertransparenzgesetzes vom 01.01.2023. Dieses verpflichtet Verkaufsplattformen zu einer Weiterleitung von Steuerdaten der bei Geschäften im Internet als Verkäufer agierenden Personen an die zuständigen Steuerbehörden, sofern deren Aktivität dort nicht eine Bagatellgrenze von 30 Verkäufen und 2000 € Umsatz pro Jahr unterschreitet. Daraus lässt sich nicht schließen, dass bei Überschreiten der Bagatellgrenze für die Belange des Zivilrechts in jedem Fall eine planmäßig angelegte berufliche Tätigkeit des Verkäufers anzunehmen ist.
b) Der Beklagte ist vom Kaufvertrag auch nicht wirksam zurückgetreten. Ein Rücktritt nach §§ 437 Nr. 2 BGB, 433, 434 BGB setzt einen Sachmangel voraus, an dem es hier fehlt. Insbesondere begründet das Alter der vom Kläger in das Boot eingesetzten Sitze und der Plane keinen Gewährleistungsansprüche auslösenden Mangel.
§ 434 BGB bestimmt u.a., dass eine Sache dann frei von Sachmängeln ist, wenn sie bei Gefahrübergang den subjektiven Anforderungen entspricht, etwa die vereinbarte Beschaffenheit hat. Dass es daran fehlte, hat das Landgericht zu Unrecht angenommen, denn die Parteien haben nicht vereinbart, dass die im Boot vorhandenen Sitze und die Plane zum Zeitpunkt des Verkaufes neu sein sollten.
Der Kläger hat in der Annonce, die Grundlage des Kaufvertrages geworden ist, zu dem Boot die Angaben gemacht: „ich hatte das Boot vor ein paar Jahren angefangen zu restaurieren, es wurden unter anderem neue Sitze verbaut und auch die Liegeplane wurde neu angefertigt.“ Diese Beschreibung ist bei verständiger Auslegung (§§ 133, 157 BGB) nach dem objektivierten Empfängerhorizont dahin zu verstehen, dass die Gegenstände bei Einbau neu waren, es wird aber keine Aussage dazu getroffen, dass ihnen diese Qualität noch zum Zeitpunkt des Verkaufs zukommt. Entsprechend hat der Kläger das Boot als „Bastlerobjekt“ bzw. „Ersatzteilspender“ angeboten. Aus der vorgenannten Formulierung „ich hatte das Boot vor ein paar Jahren angefangen zu restaurieren“ geht entgegen der Ansicht des Beklagten auch nicht hervor, dass diese in dem Zusammenhang mit der Restaurierung eingebauten Gegenstände nicht mehr als zwei bis drei Jahre alt sind. Denn die Verwendung des Begriffs „paar“ im vorliegenden Zusammenhang weist auf einen unbestimmten Zeitraum, zudem hat der Kläger die Restaurierungsarbeiten in der Zeitform des Plusquamperfekts, also der abgeschlossenen Vorvergangenheit beschrieben. Der Inhalt der Aussage beschränkt sich deshalb darauf, dass Sitze und Plane nicht so alt sind, wie das Boot selbst. Dass die Gegenstände tatsächlich einen Zustand aufweisen, den sie - unter Berücksichtigung einer altersgemäßen Alterung seit Einbau - nicht haben dürften, trägt der Beklagte nicht vor.
Selbst wenn ein Sachmangel festzustellen wäre, berechtigte dieser den Beklagten nicht zum Rücktritt, denn der Kläger hat in der Verkaufsannonce seine Gewährleistung ausgeschlossen und der Beklagte hat diese Verkaufsbedingung akzeptiert. Umstände, die zu einer Unwirksamkeit des Haftungsausschlusses führen würden (vgl. § 444 BGB) sind nicht erkennbar.
c) Der Rücktritt des Beklagten ist auch nicht nach § 323 BGB unter dem Gesichtspunkt gerechtfertigt, dass der Kläger, wie der Beklagte geltend macht, nicht Eigentümer des Bootes sei. Zwar hat der Kläger sein Eigentum nicht nachgewiesen, indem er den Internationalen Bootsschein vorgelegt hat, denn dieser dient der Zuteilung eines Kennzeichens, nicht aber dem Nachweis des Eigentums (vgl. Staudinger/Mansel (2015) Art. 45 EGBGB Rn 134). Allerdings greift zugunsten des Klägers, der das Boot in Besitz hat, die Vermutung des § 1006 Abs. 1 BGB. Diese hat der Beklagte nicht entkräftet.
2. Der nach Maßgabe des § 256 ZPO festzustellende Annahmeverzug der Beklagten folgt aus der verweigerten Abnahme (§ 293 BGB).
3. Der Kläger kann auch Freistellung von den durch die vorgerichtliche Inanspruchnahme seiner Rechtsanwälte entstandenen Kosten verlangen (§§ 280, 249 BGB), denn der Beklagte befand sich bei deren Beauftragung bereits aufgrund der Nachricht des Klägers vom 23.06.2022 in Verzug.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit stützt sich auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO i.V.m. § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.