Gericht | LArbG Berlin-Brandenburg 10. Kammer | Entscheidungsdatum | 02.09.2024 | |
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Aktenzeichen | 10 Sa 24/24 | ECLI | ECLI:DE:LAGBEBB:2024:0902.10SA24.24.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 12 Abs. 2 TVöD-VKA |
Die Einführung von mobilen Endgeräten (Smartphones) beim Streifendienst eines Ordnungsamtsmitarbeiters kann die Tätigkeit wesentlich ändern.
Der Streifendienst ist ein Arbeitsvorgang.
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Cottbus vom 13.09.2023 - 5 Ca 344/22 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers.
Der Kläger ist seit dem 13.05.2002 bei der Beklagten beschäftigt. Seit dem 16.02.2009 ist er als Außendienstmitarbeiter im Ordnungsamt tätig. Gemäß § 2 des Arbeitsvertrages vom 07.05.2002 bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts- Manteltarifliche Vorschriften für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe – (BMT-G-O) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der jeweils geltenden Fassung. Außerdem finden die im Bereich des Arbeitgebers sonstigen jeweils geltenden einschlägigen Tarifverträge Anwendung.
Gemäß des Änderungsvertrags vom 17.02.2009 wird der Kläger seit dem 16.02.2009 nach der Entgeltgruppe 8 des TVöD - VKA vergütet. Nach der von der Beklagten erstellten Stellenbeschreibung vom 15.02./16.02.2009 verrichtet der Kläger in einem Arbeitsvorgang mit 85 % der Gesamttätigkeit des Klägers Außendiensttätigkeiten. Wegen des weiteren Inhalts der Stellenbeschreibung wird auf die Anlage K 3 zur Klageschrift, Bl. 19-20 der Gerichtsakte Bezug genommen. Die Beklagte erstellte eine neue Stellenbeschreibung, welche am 07.01.2022 vom Kläger unterzeichnet wurde. Danach bildete die Beklagte nunmehr 5 Arbeitsvorgänge wie folgt:
Des Weiteren erscheint in der Stellenbeschreibung der Passus „Tätigkeiten nehme ich wahr seit 16.02.2009“. Die Stellenbeschreibung weist nach wie vor die Entgeltgruppe 8 aus. Wegen des weiteren Inhalts der Stellenbeschreibung vom 07.01.2022 wird auf die Anlage K4 zur Klageschrift, Blatt 21 ff. der Gerichtsakte Bezug genommen.
Der Kläger wurde mit Schreiben der Beklagtem vom 14.12.2016 zur Überleitung in die neue Entgeltordnung zum TVöD ab dem 01.01.2017 informiert und auf die Möglichkeit der Beantragung einer Höhergruppierung gemäß § 29 b Abs. 1 TVÜ-VKA und die geltende Ausschlussfrist bis zum 31.12.2017 hingewiesen (vgl. Anlage B1 zum Schriftsatz der Beklagten vom 16.03.2023, Bl. 97-98 der Gerichtsakte). Der Kläger stellte keinen solchen Antrag innerhalb der Frist.
Der Kläger verbringt den Großteil seiner Arbeitszeit als Außendienstmitarbeiter im Ordnungsamt mit Streifentätigkeiten, wobei er für Ordnung und Sicherheit in der Stadt F unter anderem durch Kontrollen der Einhaltung gesetzlicher Vorschriften sowie ordnungsbehördlicher Verordnungen sorgt und Bürgerhinweise und Beschwerden sowie Anzeigen von Ordnungswidrigkeiten entgegennimmt. Er stellt Ordnungswidrigkeiten etc. fest, sichert deren Beweisführung, nimmt den Tatbestand auf, ermittelt die Personalien des Betroffenen und leitet dies an den Innendienst weiter. Er erteilte mündliche Belehrungen, Ermahnungen, Verwarnungen, Platzverweise und Unterlassungsverfügungen. Außerdem stellt er während seiner Streifentätigkeit Gefahren fest und entscheidet über die Einleitung von Maßnahmen.
Vor Einführung des mobilen Endgerätes (Smartphone) nutzte der Kläger ein sogenanntes Handerfassungsgerät während seiner Streifengänge, mit welchem er die festgestellten Vergehen hinsichtlich Tag, Ort und Zeit aufnahm und mit diesem die Fotos zur Beweisführung fertigte. Eine Rechtsgrundlage hatte er in dieses Handerfassungsgerät nicht aufzunehmen. Ebenso wurden die Personalien des Betroffenen handschriftlich aufgenommen. Nach Übermittlung der mit dem Handerfassungsgerät erfassten Daten an den Innendienst hat dieser die Ordnungswidrigkeitenanzeige final gefertigt und mit Gesetzen hinterlegt. Der Innendienst hat auch die Höhe des Buß- oder Verwarnungsgeldes festgelegt, teilweise nach Rücksprache mit dem Kläger.
Seit Februar 2018 stellt nunmehr die Beklagte ein sogenanntes mobiles Endgerät (Smartphone) für den Außendienst bereit. In diesem sind aktuell 57 Gesetze und Verordnungen hinterlegt. Nach den unbestrittenen Ausführungen des Klägers im Kammertermin vom 13.09.2023 i.V.m. seinen schriftsätzlichen Ausführungen hierzu nimmt der Kläger mit diesem Tag, Ort und Uhrzeit des festgestellten Sachverhalts vor Ort auf. Er legt dabei den Fall selbst an, wählt aus den gespeicherten Gesetzen und Verordnungen mit den jeweiligen Textbausteinen den festgestellten Verstoß aus und gibt die Personalien des Betroffenen ein. Ist ein bundeseinheitlicher Tatbestandskatalog hinterlegt, wird automatisch das Verwarngeld in der jeweiligen Höhe hinterlegt. Im Übrigen kann der Kläger bei Ordnungswidrigkeiten vor Ort selbst die Höhe des Verwarn- oder Bußgeldes festlegen, z.B. bei einem Wiederholungstäter ein höheres Verwarngeld innerhalb des vorgegebenen Rahmens. Nach vollständiger Aufnahme wird der angelegte Fall auf dem mobilen Endgerät in einer Cloud abgespeichert.
Der Innendienst übernimmt den Datensatz aus der Cloud in das Fachprogramm, vergibt das Aktenzeichen und verschickt die entsprechende Anhörung an den Betroffenen. In seltenen Fällen fragt der Innendienst beim Kläger hinsichtlich der Höhe des hinterlegten Verwarn- oder Bußgeldes nach und kann diese noch abändern.
Im Übrigen wird hinsichtlich der Arbeitstätigkeit des Klägers auch auf die von ihm im Schriftsatz vom 09.12.2022 geschilderten Beispielsfälle ab Seite 10 (Bl. 63 ff. der Gerichtsakte) Bezug genommen.
Der Kläger verfügt unstreitig über eine abgeschlossene Berufsausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf.
Mit Schreiben vom 28.02.2022 beantragte der Kläger die Höhergruppierung in die Entgeltgruppe 9 a TVöD (Anl. K5 zur Klageschrift, Bl. 25 der Gerichtsakte).
Der Kläger behauptet, seine Tätigkeit habe sich bereits seit 2017 wesentlich geändert und erweitert. Dies zeige sich zum einen bereits in der neuen Stellenbeschreibung vom 07.01.2022, die auf Verlangen der Beklagten zu Stande gekommen sei. Zum anderen hätten sich auch tatsächliche Änderungen und Erweiterungen der Tätigkeiten des Klägers ergeben, die die Anwendung der Tarifautomatik des § 12 TVöD eröffneten.
So sei seit September 2017 die Durchsetzung des Alkoholverbotes in der Innenstadt hinzugekommen, die auf einer allgemeinen Verfügung bzw. Beschluss der Stadtverordneten vom 29.09.2017 beruhe. Das zuvor geltende Alkoholverbot aufgrund des Beschlusses vom 19.07.2015 sei von der Aufsichtsbehörde des Landkreises S___ beanstandet und aufgehoben worden. Das Alkoholverbot sei zudem vom Verwaltungsgericht Cottbus in einem Eilantrag der Beklagten für rechtswidrig erklärt worden, so dass im Jahre 2016 kein Alkoholverbot bestanden habe.
Eine wesentliche eingruppierungsrelevante Änderung der Arbeitsweise des Klägers liege auch darin, dass er seit Februar 2018 das mobile Endgerät nutze. Von dem im Handgerät hinterlegten Gesetzen nutze er mindestens 20 Gesetze und Rechtsnormen. Auf die vom Kläger mit Schriftsatz vom 20.07.2023 zur Akte gereichte Auflistung (Bl.105 der Gerichtsakte) wird Bezug genommen. Mit diesem mobilen Endgerät können die Außendienstmitarbeiter die gesamte Fallbearbeitung von der Feststellung und Aufnahme vor Ort bis hin zur fertigen Ordnungswidrigkeitenanzeige übernehmen. Der Kläger entscheide somit nunmehr über die Einleitung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens insgesamt.
Der Kläger ist der Auffassung, dass es sich bei seiner Tätigkeit um einen einzigen großen Arbeitsvorgang handele. Die Beklagte habe mit ihrer neuen Stellenbeschreibung gegen das Atomisierungsverbot verstoßen und die Tätigkeit des Klägers in unzulässiger Weise in mehrere einzelne Arbeitsvorgänge aufgeteilt. Des Weiteren erfordere die Tätigkeit des Klägers auch gründliche und vielseitige Fachkenntnisse. Der Kläger verweist auf seine Aufstellung der wichtigsten Rechtsgrundlagen und Normen, die er anzuwenden und zu beachten hat, im Schriftsatz vom 20.07.2023, Seite 12 (Bl. 112 der Gerichtsakte). Auf diese wird Bezug genommen.
Auch erfordere seine Tätigkeit im Bereich des Streifendienstes zum großen Teil selbständige Leistungen. Hier würden zum großen Teil Ermessensentscheidungen von ihm gefällt. Das Einschreiten und die Art der zu treffenden Maßnahmen lägen im seinem pflichtgemäßen Ermessen. Er habe abzuwägen, ob ein Eingriff erforderlich sei, welche Maßnahmen in Betracht kämen und sich zu entschließen, welche von ggf. mehreren Maßnahmen er ergreife. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sei immer zu beachten.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab dem 01.08.2021 eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 9 a des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) zu zahlen und die Bruttonachzahlungsbeträge ab dem 1. Tag des jeweiligen Folgemonats mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, der Kläger habe keinen Anspruch auf Vergütung nach der Entgeltgruppe 9 a des TVöD - VKA. Ein solcher Anspruch bestünde bereits deshalb nicht, da der Kläger innerhalb der Ausschlussfrist des § 29 b TVÜ-VKA keinen Antrag auf Höhergruppierung gestellt hat.
Die vom Kläger auszuübende Tätigkeit sei unverändert. Mit der neuen Stellenbeschreibung aus Januar 2022 sei keine Zuweisung neuer Aufgaben oder eine inhaltliche Änderung oder Aufwertung der Tätigkeiten des Klägers verbunden gewesen. Insbesondere sei dem Kläger kein neuer Aufgabenbereich übertragen worden. Die Art und Weise der Aufgabenerledigung habe sich allenfalls unwesentlich geändert. Der neue Zuschnitt der Arbeitsvorgänge in der neuen Stellenbeschreibung beruhe nicht auf einer tatsächlichen Änderung der Tätigkeit, sondern vielmehr auf einer geänderten rechtlichen Bewertung der unveränderten Tätigkeiten des Klägers.
Die Durchsetzung des Alkoholverbots habe als Arbeitsaufgabe für den Kläger bereits seit 2015 bestanden. Die unwesentliche Änderung der Rechtsgrundlage bezüglich der zeitlichen Geltung des Alkoholverbots habe keine Auswirkungen auf die Arbeitsaufgabe des Klägers.
Auch sei das Einleiten von Ordnungswidrigkeitenverfahren dem Kläger bereits mit der Stellenbeschreibung aus 2009 übertragen worden. Ob er sie nun in ein mobiles Endgerät einpflege oder schriftlich im Büro erfasse, ändere die Tätigkeit des Klägers inhaltlich nicht. Die Art und Weise der Ausführung der Tätigkeit unterscheide sich durch die Verwendung des Endgerätes höchstens unwesentlich. Zudem nutzten die Außendienstmitarbeiter nur einen geringen Teil der auf dem mobilen Endgerät hinterlegten Gesetze und Verordnungen.
Die Gefahrenabwehr habe dem Kläger bereits vor 2017 oblegen. Die Einstellung des städtischen Bereitschaftsdienstes im Jahr 2017 habe an den zugewiesenen Arbeitsaufgaben des Klägers nichts geändert.
Durch die Nutzung des „Maerker-Portals“ habe sich lediglich ein neuer Kommunikationsweg für die Bürgeranliegen zwischen Bürgern und der beklagten Stadt ergeben. Auf die Aufgaben des Klägers habe sich dies nicht ausgewirkt.
Die Aufgabe und Kontrolle der Einhaltung der Benutzerordnung der Notunterkunft bestehe für den Kläger bereits seit dem Jahr 2010. Eine Änderung der diesbezüglichen Aufgaben habe nicht stattgefunden.
Des Weiteren erfülle die Tätigkeit des Klägers nicht die Tätigkeitsmerkmale der Entgeltgruppe 9 a TVöD - VKA. Entgegen der Ansicht des Klägers handele es sich bei der Tätigkeit nicht nur um einen einzigen großen Arbeitsvorgang. Vielmehr sei die Tätigkeit in die in der Stellenbeschreibung vom 07.01.2022 genannten 5 Arbeitsvorgänge zu unterteilen. Die von der Beklagten gebildeten Arbeitsvorgänge führten zu separaten Arbeitsergebnissen. Im Übrigen würden das Vorliegen und die Erforderlichkeit der gründlichen und vielseitigen Fachkenntnisse durch den Kläger lediglich pauschal behauptet. Der Kläger erbringe auch keine selbstständigen Leistungen im Rahmen seiner Tätigkeit. Hierbei fehle es auch an einem substantiierten Vortrag des Klägers. Nach Einschätzung der Beklagtenseite sei der Kläger gemäß der Tarifautomatik zutreffend höchstens in die Entgeltgruppe 6 TVöD - VKA eingruppiert.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die erstinstanzlich eingereichten Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
Mit Urteil vom 13.9.2023 hat das Arbeitsgericht Cottbus der Klage stattgegeben.
Das Arbeitsgericht hat ausgeführt, dass sich die Tätigkeit des Klägers nach dem 1.1.2017 geändert habe, sodass die Tarifautomatik greife. Ein Anhaltspunkt für eine Änderung der Tätigkeit ergebe sich aus der von der Beklagten neu erstellten Stellenbeschreibung vom 7.1.2022. Insbesondere führe jedoch die Einführung des mobilen Endgerätes (Smartphones) zu einer Veränderung in qualitativer Hinsicht.
Die Tätigkeit des Klägers erfülle die Tätigkeitsmerkmale der Entgeltgruppe 9 a TVöD – VKA. Der Streifengang, welcher mehr als 50% der Arbeitszeit des Klägers erfasse, erfülle das Tatbestandsmerkmal der selbständigen Leistung. Auch gründliche und vielseitige Fachkenntnisse seien gegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die umfassende und sorgfältige Begründung des erstinstanzlichen Urteils, Blatt 126-139 der Akte verwiesen.
Gegen das der Beklagten am 20.12.2023 zugestellte Urteil hat diese am 8.1.2024 Berufung eingelegt und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 20.3.2024 am 20.3.2024 begründet.
Die Berufungsklägerin und Beklagte tritt der angefochtenen Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens entgegen.
Die Beklagte ist der Ansicht, das Arbeitsgericht habe teilweise den Sachverhalt zu Unrecht als unstreitig gewertet. Auch sei die Rechtsanwendung des Gerichts fehlerhaft. Eine Veränderung der Tätigkeit des Klägers nach dem 1.1.2017 habe es nicht gegeben. Mit der Einführung des mobilen Endgeräts seien keinesfalls andere Kompetenzen des Klägers verbunden gewesen. Es werde bestritten, dass der Kläger mit dem neuen Smartphone eine über die Mitteilung des Sachverhalts mit der Norm und dem ausgewählten Verwarn/Bußgeld hinausgehende Entscheidung im OWi Verfahren treffen solle. Dies sei auch erstinstanzlich bestritten und sei nie unstreitig gewesen. Die Anhörungsschreiben an die Bürger werden weiterhin vom Innendienst durchgeführt, die Eingabe des Klägers komme lediglich einem Vorschlag gleich. Bereits vor der Einführung der mobilen Endgeräte habe der Kläger eine passende Rechtsgrundlage zugrunde legen müssen, dies habe sich nicht geändert. Allein die Aufnahme und Weitergabe von zusätzlichen Informationen sei auch keine wesentliche Veränderung der Aufgabenerledigung, sodass eine Neubewertung der Tätigkeit gerade nicht erforderlich gewesen sei.
Die Beklagte führt weiterhin aus, dass es sich bei der Tätigkeit des Klägers nicht um einen einzigen großen Arbeitsvorgang „Streifengang“ mit mindestens 95 % Zeitanteil handelt. Die gesamte Tätigkeit des Klägers setze sich aus mehreren Arbeitsvorgängen zusammen. Allein die Tatsache, dass es sich bei den Tätigkeiten „Streifentätigkeit, Kontrollgänge zur Einhaltung ordnungsrechtlicher Vorschriften zur Ordnung und Sicherheit der Stadt F (Lausitz)“ , „Feststellung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten und die Entscheidung zur entsprechenden Einleitung der Maßnahmen“ und „Einleitung von Maßnahmen zur Gefahrenabwehr“ um Tätigkeiten handele, die während einer Streifentätigkeit erfolge, führe nicht zu einem inneren Zusammenhang der einzelnen Arbeitsvorgänge und nicht zu einer Annahme einer Zusammenhangstätigkeit. Hätte das Arbeitsgericht den Begriff des Arbeitsvorgangs nicht verkannt, hätte es zu einer anderen Unterteilung der Arbeitsvorgänge kommen müssen und damit nicht zu einer selbständigen Leistung von mindestens 50%.
Die Beklagte bestreitet auch das Vorliegen gründlicher und vielseitiger Fachkenntnisse.
Soweit sie in der Vergangenheit den Kläger in die EG 8 TVöD – VKA eingruppiert habe, sei dies fehlerhaft gewesen und ersetze nicht einen substantiierten Klägervortrag.
Die Beklagte bestreitet auch das Vorliegen selbständiger Leistungen. An welchen Stellen der Kläger Abwägungsentscheidungen unter zu Hilfenahme seines Fachwissens getroffen habe und ob diese die Erheblichkeitsschwelle überschritten habe, werde nicht deutlich.
Die Berufungsklägerin und Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Cottbus vom 13.09.2023, Az.: 5 Ca 344/22 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Berufungsbeklagte und Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger ist der Ansicht, seine Tätigkeit habe sich nach dem 01.01.2017 in rechtlich relevanten Umfang geändert, insbesondere durch die Einführung einer Allgemeinverfügung über ein Alkoholverbot in der Innenstadt, welches durch die Stadt F. im September 2017 in Kraft gesetzt wurde und die Änderung der Arbeitsweise durch die Einführung eines mobilen Endgerätes mit aktuell 57 Gesetzen und Verordnungen im Februar 2018, wodurch der Außendienst vor Ort eine vollumfängliche gerichtsverwertbare Ordnungswidrigkeitsanzeige mit der Höhe des Verwarnungsgeldes erstellt und an den Innendienst schickt. Bei der Gefahrenabwehr hätten die Aufgaben des Außendienstes nur in einer Mitwirkung bestanden. Dies habe sich mit Einstellung des städtischen Bereitschaftsdienstes im Jahr 2017 geändert. Seither gehöre die vollständige Wahrnehmung der Aufgaben zur Gefahrenabwehr zu den Aufgaben des Außendienstes.
Darüber hinaus sei die Stadt F Anfang 2018 dem deutschlandweiten Maerker-Portal beigetreten. Anzeigen und Hinweise von Bürgern im Bereich Ordnung und Sicherheit würden an den Außendienst zur Bearbeitung weitergeleitet, der vor Ort Maßnahmen zur Beseitigung einleitet, Verursacher ermittelt und Ordnungswidrigkeitsanzeigen fertigt.
Der Kläger verweist in diesem Zusammenhang auf die Rechtsprechung des BAG, wonach jede qualitative oder quantitative Änderung im Bereich der geschuldeten Tätigkeit unmittelbar zur (Wieder-) Anwendung des Grundsatzes der Tarifautomatik nach § 12 TVöD-VKA führt, also zu einer Neubewertung und ggf. neuen Eingruppierung nach neuem Recht, auch ohne Antrag.
Nicht maßgebend sei demgegenüber, ob sich durch die Änderung der Tätigkeit tatsächlich eine andere Eingruppierung ergebe. § 29a Abs. 1 Satz 1 TVÜ-VKA stelle auf die Tätigkeit und nicht auf die Eingruppierung ab. Danach könne eine veränderte Tätigkeit unter anderem beim Wechsel des Inhalts der Arbeitsaufgaben oder bei Änderung der Art und Weise, wie die Tätigkeit zu erledigen ist, vorliegen.
Danach sei es nicht erforderlich, dass sich die Eingruppierung tatsächlich ändere, sondern es genüge, dass sich diese ändern kann. Es sei ausreichend, dass sich die Arbeitsumstände, namentlich die Arbeitsaufgaben oder die Art der Erledigung, geändert haben.
Von besonderer Bedeutung sei, dass die Beklagte selbst davon ausgegangen war, dass sich die Arbeitsvorgänge geändert hätten. Dies ergebe sich aus dem Umstand, dass sie den das Arbeitsverhältnis prägenden Arbeitsvorgang 1 von 85 % in 2 Arbeitsvorgänge von 55 % und 35 % geändert habe. Es sei daher offensichtlich, dass ein Fall vorliege, in dem sich die geänderte Tätigkeit auf die Eingruppierung des Arbeitsnehmers jedenfalls auswirken konnte.
Denn es liege auf der Hand, dass sich eine so deutliche Veränderung der Arbeitsvorgänge, insbesondere eine Aufspaltung eines Arbeitsvorganges in 2 Arbeitsvorgänge regelmäßig auf die Eingruppierung auswirke oder zumindest auswirken könne. Ob es dies tatsächlich tue und ob sich hierdurch tatsächlich eine andere Eingruppierung ergebe, spielt im Rahmen der Ausschlussfrist des § 29b Abs. 1 Satz 2 TVÜ-VKA keine Rolle.
Durch die Änderungen der Aufgaben des Klägers habe sich seine Tätigkeit geändert, so dass § 29a Abs. 1 TVÜ-VKA nicht eingreife und die Tarifautomatik gelte.
Der Kläger ist im Berufungsverfahren weiterhin der Auffassung, seine Tätigkeit bilde zu 95% einen Arbeitsvorgang und verweist auf die erstinstanzlich zitierte Rechtsprechung des BAG.
Das Bestreiten der Beklagten hinsichtlich der gründlichen und vielseitigen Fachkenntnisse (E6) sei nicht nachvollziehbar, da die Beklagte den Kläger immerhin in die E8 eingruppiert habe, was auch erforderliche Fachkenntnisse voraussetze.
Auch das Erfordernis selbstständiger Leistungen sei erfüllt. Das Arbeitsgericht habe dies ausführlich dargelegt und begründet (Seite 17 bis 19 des Urteils).
Dem Kläger komme bei der Ausübung seiner Tätigkeit ein Ermessens- und ein Entscheidungsspielraum zu. Bei seinen Streifengängen habe er - sicherlich unstreitig - auf Auffälligkeiten jeder Art (Störungen der Sicherheit und Ordnung) zu reagieren. Hierbei habe er abzuwägen, ob ein Eingriff erforderlich ist und welche Maßnahmen in Betracht kommen, und er habe sich zu entschließen, welche von mehreren möglichen Maßnahmen er ergreife.
Bei der Beurteilung von Ordnungswidrigkeiten spielten viele Faktoren eine Rolle.
Abwägungskriterien seien zum Beispiel, ob der Betroffene schon mal auffällig gewesen sei, ob die Ordnungswidrigkeit eher eine geringfügige oder eine grobe Ordnungswidrigkeit sei, wie verhalte sich der Betroffene, ist er einsichtig oder renitent oder sieht er sein Fehlverhalten ein. Wesentlich sei vor allem der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten, der bekanntlich eine Reihe von Aspekten hat, die gegeneinander abgewogen werden müssen.
Die Erwägungen des Klägers würden den Überlegungen, die auch ein Strafrichter bei den Rechtsfolgen eines Fehlverhaltens anzustellen hat, ähneln, um im Rahmen seines Ermessens zu einer Entscheidung zu kommen:
Der Außendienstmitarbeiter habe einen ähnlichen Ermessensspielraum und müsse vergleichbare Überlegungen anstellen. Diese reichen von einer Einstellung bis hin zum Bußgeldbescheid:
Es gelte folgende Stufenleiter, die das Ermessen des Außendienstmitarbeiters verdeutlichen:
Für die Erfüllung der Arbeitsaufgaben seien somit ganz eindeutig selbstständige Leistungen erforderlich.
Der Kläger ist der Auffassung, die Schlüsse der Beklagten seien schlicht falsch, wenn sie meint, dass die vom Kläger zu treffenden Maßnahmen sich als logische und einzige Konsequenz der geschilderten Sachverhalte ergeben würden und dass keine Handlungsalternativen bestehen würden, die abgewogen werden müssen, dass der Kläger die festgestellten Sachverhalte gerade nicht nach Schema F abzuarbeiten habe und dass es keine automatische Rechtsfolge gebe, sondern dass der Kläger in jedem Einzelfall eine tatangemessene, verschuldensabhängige und situationsbedingte Entscheidung zu treffen hat, bei der Vielzahl von Kriterien berücksichtigt werden müssen.
Wenn sich der Kläger für einen der Punkte 1 - 4 entscheidet, wird dies vor Ort ohne Beteiligung des Innendienstes vollzogen. Lediglich bei einer Entscheidung für Punkt 5 wird der Sachverhalt aufgenommen und in der Regel entscheidungsreif an den Innendienst weitergegeben. Die Sanktionsebene ist für die Beurteilung selbstständiger Leistungen naturgemäß von ganz besonderer Bedeutung.
Lediglich der Vollständigkeit halber weist der Kläger darauf hin, dass die Rechtslage hinsichtlich selbstständiger Leistungen bei einem Streifengang bereits mehrfach höchstrichterlich entschieden worden ist, insbesondere auch von der zur Entscheidung berufenen Kammer.
BAG, Urteil vom 21.03.2012 – 4 AZR 295/10
LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 06.12.2013 - 10 Sa 1339/13.
Der Kläger meint, der vorliegende Sachverhalt sei nicht mit dem vom LAG Mecklenburg-Vorpommern entschiedenen Sachverhalt zu vergleichen.
Im Kammertermin vom 2.9.2024 vor der erkennenden Kammer des Landesarbeitsgerichts haben die Parteien ausführlich zur Tätigkeit des Klägers erörtert und insbesondere zur Tätigkeit vor und nach der Einführung des mobilen Endgerätes. Weiterhin wurde zur Begründung für die von der Beklagten erstellte Stellenbeschreibung in 2022 ausgeführt. Hinsichtlich der Darlegungen der Parteien wird auf das Protokoll der Sitzung vom 2.9.2024, Blatt 239 – 241 der Akte verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien wird auf die Berufungsbegründungsschrift und die folgenden Schriftsätze der Beklagten und die Berufungserwiderungsschrift des Klägers sowie die weiteren Schriftsätze verwiesen.
Die gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht im Sinne von §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO eingelegt und begründet worden.
II.
In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg. Sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung zu Recht hat das Arbeitsgericht der Eingruppierungsfeststellungsklage in dem streitgegenständlichen Umfang unter Hinweis auf die jüngste höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht folgt der sorgfältigen und erschöpfenden Begründung des Arbeitsgerichts und sieht von einer weiteren ausführlichen Begründung gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG ab.
Im Hinblick auf den Berufungsvortrag der beklagten Stadt und der Erörterung in der mündlichen Verhandlung wird nur auf folgendes hingewiesen:
1.
Die Kammer geht auch nach den Einwänden der Berufung und der Ausführungen im Kammertermin vom 2.9.2024 davon aus, dass die Tätigkeit des Klägers sich seit dem 1.1.2017 geändert hat. Dies ergibt sich insbesondere nach der Einführung der mobilen Endgeräte ab Februar 2018. Zum einen ist die Beklagte selbst davon ausgegangen, dass sich die Tätigkeit geändert hat, sonst hätte sie keine neue Stellenbeschreibung erstellt und die Tätigkeit des Klägers in mehrere Arbeitsvorgänge statt zuvor in einen Arbeitsvorgang aufgeteilt.
Der Einwand der Beklagten, dies sei erfolgt wegen der Schaffung einer neuen, vierten Stelle ist nicht nachvollziehbar. Inwieweit eine Schaffung einer vierten Stelle zu einer neuen Stellenbeschreibung bei unveränderter Tätigkeit erfolgt erschließt sich nicht. Die neue Stelle hat die gleichen Tätigkeiten wie die Stelle des Klägers und seiner zwei Kollegen / Kolleginnen.
Der Einwand der Beklagten, die Neubewertung der Stelle mit der Stellenbeschreibung 2022 sei wegen der Einführung der neuen Entgeltordnung erfolgt, ist ebenfalls nicht nachvollziehbar. Hiergegen spricht bereits der zeitliche Ablauf. Die neue Entgeltordnung trat am 1.1.2017 in Kraft, die Stellenbeschreibung wurde 2022 überarbeitet und geändert. Ein zeitlicher Zusammenhang ist nicht zu erkennen.
Darüber hinaus haben die Parteien übereinstimmend erklärt, dass der Kläger ursprünglich einen Sachverhalt während eines Streifengangs mit Block und Stift aufgenommen habe und später dann mit dem Handerfassungsgerät. Bei den mobilen Endgeräten, die im Februar 2018 eingeführt wurden seien die Gesetze aufgespielt, d.h. sowohl Bundesgesetze als auch Landesgesetze als auch die Normen der Kommunen. Darüber hinaus seien Textbausteine eingefügt, die der Kläger ausfüllen müsse und es gebe ein Feld für Bewertungen des Klägers z.B. über das Verhalten des Bürgers. Auch könne der Kläger einen Vorschlag machen, z.B. ob ein Verwarnungsgeld ausgesprochen wird, der in das mobile Endgerät eingetragen wird.
Unabhängig davon, ob die Letztentscheidung über die Maßnahme beim Innendienst verbleibt, wie die Beklagte meint oder ob der Innendienst üblicherweise dem Vorschlag des Klägers übernimmt, wie der Kläger vorträgt, zeigen die Darlegungen, dass die Tätigkeit des Klägers sich durch die Nutzung der mobilen Endgeräte wesentlich verändert hat. Wo früher eine Subsumtion des Innendienstes und eine weitere Bearbeitung des Vorgangs nach den Sachverhaltsdarstellungen des Klägers notwendig war, kann heute der Innendienst allein durch die gespeicherten Informationen einen endgültigen Bescheid ausdrucken und nur eine Schlüssigkeitsprüfung anstellen. Die Zuordnung eines Sachverhalts zu den Normen war zwar bereits als gedanklicher Schritt des Klägers vorher gegeben, ist nunmehr jedoch verschriftlicht, gespeichert und mit Ergebnis an den Innendienst weitergegeben. Dort wo früher immer eine Festsetzung durch den Innendienst erfolgte ist nunmehr ein fertiger Vorschlag des Klägers, den der Innendienst übernehmen kann, erfolgt.
Dies führt im Ergebnis zu einer Veränderung der Tätigkeit im Sinne des Tarifvertrages, sodass eine Überprüfung der Eingruppierung möglich ist.
Auf die Frage, ob dadurch Stellen im Innendienst gespart wurden, kommt es nicht an. Für die Annahme, dass sich der Arbeitsaufwand im Innendienst durch die Vorarbeiten des Klägers und seiner Kollegen/Kolleginnen im Außendienst reduziert hat, spricht der Vortrag der Beklagten. Diese hat vorgetragen, dass bei gleichbleibender Mitarbeiterzahl im Innendienst dort durch Umstrukturierung neue Aufgaben hinzugekommen sind. Wenn der Innendienst nunmehr in der Lage ist, weitere Aufgaben zu übernehmen, müssen in der Regel andere, zuvor gemachte Aufgaben reduziert oder weggefallen sein.
2.
Dem wiederholten Einwand der Beklagten in der Berufung, es handele sich bei der Tätigkeit des Klägers im Streifendienst um mehrere Arbeitsvorgänge, kann nicht gefolgt werden. Insofern wird auf die ausführliche Begründung des Arbeitsgerichts und die dort zutreffend zitierte Rechtsprechung verwiesen. Auch die von der Beklagten angeführte Rechtsprechung geht in vergleichbaren Fällen bei der Tätigkeit im Streifendienst von einem großen Arbeitsvorgang aus. Hierzu führt das von der Beklagten angeführte Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern in seinem Urteil vom 16. Mai 2023 – 5 Sa 160/22 unter Rn. 179 ff. aus:
„Bezugspunkt der tariflichen Bewertung ist der Arbeitsvorgang. Maßgebend für die Bestimmung des Arbeitsvorgangs ist das Arbeitsergebnis.
Für die Beurteilung, ob eine oder mehrere Einzeltätigkeiten zu einem Arbeitsergebnis führen, sind eine natürliche Betrachtungsweise und die durch den Arbeitgeber vorgenommene Arbeitsorganisation ausschlaggebend. Dabei kann die gesamte vertraglich geschuldete Tätigkeit einen einzigen Arbeitsvorgang ausmachen. Einzeltätigkeiten können dann nicht zusammengefasst werden, wenn die verschiedenen Arbeitsschritte von vornherein auseinandergehalten und organisatorisch voneinander getrennt sind. Hierfür reicht jedoch die theoretische Möglichkeit, einzelne Arbeitsschritte oder Einzelaufgaben verwaltungstechnisch isoliert auf andere Beschäftigte zu übertragen, nicht aus. Bei der Zuordnung zu einem Arbeitsvorgang können wiederkehrende und gleichartige Tätigkeiten zusammengefasst werden. Dem Arbeitsvorgang hinzuzurechnen sind dabei nach Satz 1 der Protokollerklärung zu § 12 Abs. 2 TVöD-V auch Zusammenhangstätigkeiten. Das sind solche, die aufgrund ihres engen Zusammenhangs mit bestimmten Aufgaben eines Beschäftigten bei der tariflichen Bewertung zwecks Vermeidung tarifwidriger „Atomisierung“ der Arbeitseinheiten nicht abgetrennt werden dürfen, sondern diesen zuzurechnen sind. Die tarifliche Wertigkeit der verschiedenen Einzeltätigkeiten oder Arbeitsschritte bleibt dabei zunächst außer Betracht. Erst nachdem die Bestimmung des Arbeitsvorgangs erfolgt ist, ist dieser anhand des in Anspruch genommenen Tätigkeitsmerkmals zu bewerten (BAG, Urteil vom 17. März 2021 – 4 AZR 327/20 – Rn. 16 f., juris = AP Nr. 6 zu § 12 TVöD; BAG, Urteil vom 24. Februar 2021 – 4 AZR 269/20 – Rn. 17, juris = ZTR 2021, 456).
Die Tätigkeit des Klägers besteht aus zwei Arbeitsvorgängen.
Soweit der Kläger im Auftrag anderer Ämter der Stadtverwaltung oder im Wege der Amtshilfe für Polizei, Zoll oder andere Bundes- und Landesbehörden konkrete Feststellungen vor Ort trifft, insbesondere Adressen oder Aufenthaltsorte ermittelt, handelt es sich um ein eigenständiges, von den übrigen Aufgaben abgrenzbares Arbeitsergebnis. Dieser Arbeitsvorgang nimmt etwa 5 % der Arbeitszeit des Klägers in Anspruch. Das Arbeitsergebnis besteht darin, den Auftrag abzuarbeiten und die gewonnenen Erkenntnisse zurückzumelden. Hat der Kläger die jeweils geforderten Feststellungen getroffen und weitergeleitet, ist der Vorgang abgeschlossen. Überschneidungen mit den übrigen Tätigkeiten gibt es nicht. Die Adressermittlung und -prüfung ist nicht darauf gerichtet, Ordnung und Sicherheit in der Stadt durchzusetzen.
Die übrigen Tätigkeiten des Klägers bilden einen einheitlichen Arbeitsvorgang im Zeitumfang von 95 %. Der Kläger hat im Stadtgebiet dafür zu sorgen, dass Sicherheit und Ordnung gewährleistet sind. Wenn auch die Rechtsverstöße, gegen die der Kläger einzuschreiten hat, sehr unterschiedlicher Art sein können, so geht es dennoch stets darum, in dem übertragenen örtlichen und sachlichen Zuständigkeitsbereich für ein regelkonformes Verhalten der Bürger zu sorgen. Eine Unterscheidung nach einzelnen Rechtsgebieten oder Gesetzesgrundlagen ist nicht möglich. Zum einen kann ein bestimmtes Verhalten verschiedene Rechtsgrundlagen betreffen. Zum anderen sind während eines Streifengangs stets sämtliche Vorschriften, deren Einhaltung der Kläger zu kontrollieren hat, im Blick zu behalten (vgl. dazu auch BAG, Urteil vom 30. November 2022 – 4 AZR 195/22 – Rn. 23, juris = NJ 2023, 220 zur Tätigkeit eines Wachpolizisten im Objektschutz; BAG, Urteil vom 16. Oktober 2019 – 4 AZR 284/18 – Rn. 21, 22, juris = ZTR 2020, 207 zu einem Außendienstmitarbeiter im Straßenverkehrsamt; LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 26. Oktober 2022 – 3 Sa 23/22 – Rn. 97, 98, juris = ZTR 2023, 281 zu einem Angestellten im Streifendienst; LAG Hessen, Urteil vom 18. Mai 2021 – 8 Sa 1393/19 – Rn. 130, juris = öAT 2021, 262 zur Eingruppierung eines Ordnungspolizisten bei der Stadtpolizei; LAG Düsseldorf, Urteil vom 15. Mai 2019 – 12 Sa 465/18 – Rn. 53, juris = ZTR 2019, 430 zu einem Außendienstmitarbeiter im Streifendienst zur Verkehrsraumüberwachung).“
Vergleiche hierzu Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 16. Mai 2023 – 5 Sa 160/22, Rn. 179-184.
Dem schließt sich die erkennende Kammer im Hinblick auf die Bewertung des einheitlichen Arbeitsvorgangs an. Eine Aufteilung der Tätigkeit des Streifendienstes in mehrere Arbeitsvorgänge ist nicht nachvollziehbar. Sowohl die Kontrollgänge als auch Feststellung von Ordnungswidrigkeiten als auch die Einleitung der Maßnahmen erfolgen bei einer einheitlichen Tätigkeit, nämlich bei dem Streifendienst und stehen in einem inneren Zusammenhang.
3.
Dem Einwand der Berufung, der Kläger habe das Vorliegen gründlicher und umfassender Fachkenntnis, das bereits für die Entgeltgruppe E 6 notwendig ist, nicht dargetan, kann nicht gefolgt werden. Der Einwand ist unschlüssig. Darüber hinaus muss der Kläger bei der Ausübung seiner Tätigkeit über gründliche und vielseitige Fachkenntnisse verfügen und diese auch anwenden.
Das Eingruppierungsmerkmal "vielseitige Fachkenntnisse" fordert im Vergleich zu den "gründlichen Fachkenntnissen" eine Erweiterung des Fachwissens dem Umfang nach. Dies kann sich beispielsweise aufgrund der Menge der anzuwendenden Vorschriften und Bestimmungen oder der Verschiedenartigkeit der sich auf einem Fachgebiet stellenden Anforderungen ergeben. Denkbar ist zwar, dass sich der Wissensbereich nur auf ein einzelnes, abgegrenztes Teilgebiet beschränkt, in dem der Angestellte eingesetzt wird; jedoch reicht ein eng abgegrenztes Teilgebiet mit etwa nur routinemäßiger Bearbeitung nicht aus (BAG, Urteil vom 21. März 2012 – 4 AZR 266/10 – Rn. 36, juris = ZTR 2012, 440; Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 16. Mai 2023 – 5 Sa 160/22 –,Rn. 194, juris; LAG Köln, Urteil vom 24. Juni 2021 – 6 Sa 975/20 – Rn. 154, juris; LAG Hamm, Urteil vom 23. September 2020 – 3 Sa 433/20 – Rn. 60, juris; LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 16. April 2019 – 1 TaBV 19/18 – Rn. 67, juris = NZA-RR 2019, 533).
Der Kläger kann seine Aufgaben nur dann ordnungsgemäß wahrnehmen, wenn er nicht nur über gründliche, sondern auch über vielseitige Fachkenntnisse verfügt. Er muss mehrere unterschiedliche Rechtsgebiete gleichermaßen gründlich beherrschen. Sein Aufgabengebiet beschränkt sich nicht auf ein einzelnes Rechtsgebiet oder wenige einzelne Rechtsgebiete, beispielsweise den ruhenden Straßenverkehr. Vielmehr benötigt der Kläger Rechtskenntnisse aus sehr unterschiedlichen Bereichen. Er hat verschiedene Vorschriften für Gewerbebetriebe zu beachten, z. B. aus der Gewerbeordnung, dem Gaststättengesetz, die Marktsatzung der Beklagten, das Feiertagsgesetz MV, das Straßen- und Wegegesetz MV, die Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung usw. Ein anderer Bereich sind die verschiedenen Vorschriften zum Halten von Hunden. (Vergleiche hierzu auch Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 16. Mai 2023 – 5 Sa 160/22 – Rn. 195, juris).
Darüber hinaus hat die Beklagte selbst den Kläger in die Entgeltgruppe 8 eingruppiert und auch die neue (vierte) Stelle mit der Entgeltgruppe 8 ausgeschrieben. Inwieweit hier die Anwendung der gründlichen und umfassenden Fachkenntnisse fehlen, erschließt sich auch im Hinblick auf das tatsächliche Verhalten der Beklagten nicht.
4.
Die Kammer konnte auch dem Einwand der Berufung, es fehle für die Eingruppierung in die Entgeltgruppe 9 an dem Tätigkeitsmerkmal der selbständigen Leistung und diese habe der Kläger nicht vorgetragen, nicht folgen. Auch ein Verweis der Beklagten auf die in einem vergleichbaren Fall abweisende Entscheidung des LAG Mecklenburg-Vorpommern vom 16.5.2023, Az.: 5 Sa 160/22 führt nicht zu einem anderen Ergebnis.
Das dortige LAG kam zu dem Ergebnis, dass der Kläger keine Entscheidungen zu treffen hat, die auf Grundlage der vorausgesetzten gründlichen und vielseitigen Fachkenntnisse eine Abwägung zwischen verschiedenen Möglichkeiten mit einer eigenständigen Begründung für die jeweilige Vorgehensweise erfordern.
Der Arbeitsvorgang Streifengang, welcher mehr als 50 % der Arbeitszeit des Klägers erfasst, erfüllt auch in rechtserheblichen Ausmaß das Tatbestandsmerkmal der selbstständigen Leistungen.
Die allein zwischen den Parteien streitige Frage, ob bei der Tätigkeit des Klägers im erforderlichen Umfang auch selbständige Leistungen anfallen, hat das Arbeitsgericht ebenfalls mit zutreffender Begründung bejaht. Das Bundesarbeitsgericht hat sich in seiner Entscheidung vom 21. März 2012 (4 AZR 266/10 – a.a.O.) mit der Eingruppierung von Außendienstmitarbeitern im Ordnungsdienst der Stadt Hamburg befasst und eine Eingruppierung in die von des Klägers vorliegend begehrte Vergütungsgruppe bejaht. Die in Berlin bestehenden Unterschiede zum Ordnungsdienst in Hamburg rechtfertigen eine abweichende Entscheidung nicht.
Das Tarifmerkmal der „selbständigen Leistungen“ erfordert ein den vorausgesetzten Fachkenntnissen entsprechendes selbständiges Erarbeiten eines Ergebnisses unter Entwicklung einer eigenen geistigen Initiative, das sich nicht auf leichte geistige Arbeit beschränken und nicht mit dem Begriff „selbständig arbeiten“ verwechselt werden darf. Kennzeichnend ist - ohne Bindung an verwaltungsrechtliche Fachbegriffe - ein wie auch immer gearteter Ermessens-, Entscheidungs , Gestaltungs- oder Beurteilungsspielraum bei der Erarbeitung eines Arbeitsergebnisses, der einen Abwägungsprozess erfordert, bei dem unterschiedliche Informationen verknüpft und untereinander abgewogen werden. In rechtserheblichem Ausmaß liegen selbständige Leistungen dann vor, wenn ohne sie ein sinnvoll verwertbares Arbeitsergebnis nicht erzielt werden kann (vgl. BAG, Urteil vom 21. März 2012 - 4 AZR 266/10 – a.a.O.). Wie das Bundesarbeitsgericht in der zitierten Entscheidung für den Ordnungsdienst der Stadt Hamburg ausgeführt hat, kommt es nicht darauf an, ob am Ende des Streifengangs festgestellt wird, dass bei dem erzielten Arbeitsergebnis die höchste qualitative Anforderung in einem bestimmten zeitlichen Ausmaß auch tatsächlich abgerufen wurde, sondern dass zu Beginn der Tätigkeit die Fähigkeit, dieser qualitativen Anforderung gerecht zu werden, allgemein bereitgehalten werden muss, weil sie nach der arbeitsvertraglichen Aufgabenstellung jederzeit, wenn auch in einem nicht vorhersehbaren Umfang, eingesetzt werden muss (vgl. BAG, Urteil vom 21. März 2012 – 4 AZR 266/10 – Rn. 43; LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20. Dezember 2013 – 12 Sa 1340/13 – Rn. 23, juris).
Der für die zutreffende Eingruppierung nach der begehrten höheren Entgeltgruppe darlegungs- und beweisbelastete Kläger hat hinreichend, auch anhand von konkreten Beispielen, dargelegt, dass seine Tätigkeit auch selbständige Leistungen erfordert. Insbesondere hat er bei seinen Streifengängen zahlreiche Ermessensentscheidungen dahingehend zu treffen, ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen im Einzelfall zu ergreifen sind. Ohne die Erbringung derartiger selbständiger Leistungen ist die Durchsetzung der ordnungsrechtlichen Normen und damit auch die Entscheidung über Maßnahmen zur Gefahrenabwehr und der Verhinderung oder Beseitigung von Ordnungswidrigkeiten nicht möglich, mit der Folge, dass ein zufriedenstellendes Arbeitsergebnis nicht erzielt werden könnte.
Der Kläger entscheidet nach seinem Ermessen unter Verknüpfung unterschiedlicher Informationen, ob er bei Feststellung eines relevanten Sachverhalts einschreitet (Entschließungsermessen) und welche Maßnahmen er im Einzelfall trifft (Auswahlermessen). Dieses Opportunitätsprinzip gilt auch im Ordnungswidrigkeitenrecht. Eine entsprechende Regelung - wie im Polizeirecht (vgl. § 4 Abs. 1 Brandenburgisches Polizeigesetz) - findet sich auch im Ordnungswidrigkeitengesetz. Nach § 47 Abs. 1 OWiG liegt die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten im pflichtgemäßen Ermessen der Verfolgungsbehörde.
Anders als somit im Fall des LAG Mecklenburg-Vorpommern hat der hiesige Kläger sehr wohl eine erhebliche Entscheidungsbefugnis und wendet diese auch an. Ihm steht ein Ermessens-, Entscheidungs-, Gestaltungs- oder Beurteilungsspielraum zu, denn bei jeder „vor-Ort-Entscheidung“ und bei jeder Maßnahme zur Gefahrenabwehr hat der Kläger den geforderten Abwägungsprozess zu vollziehen und zu entscheiden, ob und wenn ja, wie er handelt. Auch muss er entscheiden, wenn es insbesondere bei der Einleitung sanktionierender Maßnahmen zu verbalen Auseinandersetzungen, Beleidigungen und tätlichen Angriffen kommen kann, was ein situationsangemessenes Verhalten verlangt und wie er handelt. Den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hat er in jeder Situation zu beachten. Auch dies erfordert ein selbständiges Abwägen seiner Handlungen (vergleiche hierzu auch: LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20. Dezember 2013 – 12 Sa 1340/13 –, juris).
Das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals „selbständige Leistung“ kann nicht verneint werden.
Hinsichtlich der Erwägungen zu den Zeitanteilen wird auf die zutreffenden Ausführungen der ersten Instanz verwiesen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 97 ZPO. Der Beklagte und Berufungskläger hat die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.
IV.
Die Revision war gemäß § 72 Abs. 1, Abs 2 ArbGG zuzulassen. Der Rechtsstreit hat grundsätzliche Bedeutung, da hier die Fragen des Arbeitsvorgangs von der Rechtsprechung bei Streifendiensten von Ordnungsdienstmitarbeitern nicht hinreichend geklärt sind. Darüber hinaus weicht das hiesige Landesarbeitsgericht im Ergebnis von der von der Beklagten zitierten Entscheidung des LAG Mecklenburg-Vorpommern, Az.: 5 Sa 160/22, die ebenfalls eine Mitarbeiterin im Streifendienst betrifft, ab.