Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Windenergieanlage, Drittanfechtung, immissionsschutzrechtliche Genehmigung,...

Windenergieanlage, Drittanfechtung, immissionsschutzrechtliche Genehmigung, Freistellungserklärung, Typänderung, Prioritätsprinzip, Klageerweiterung, Klagefrist, Klagebefugnis, wesentliche (Anlagen-)Änderung


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg Der 7. Senat Entscheidungsdatum 30.01.2025
Aktenzeichen 7 A 41/24 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2025:0130.7A41.24.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen 42 Abs. 1, 1. Var.; 42 Abs. 2; 74 Abs. 1 Satz 1; § 91 VwGO, 15; 16 Abs. 1; 16b Abs. 7 Satz 1 BImSchG

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar, für die Beigeladene jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich im Wege der Nachbarklage gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung einer Windenergieanlage und eine sog. Freistellungserklärung nach § 15 Abs. 2 Satz 2 BImSchG.

Die Beigeladene plant im Landkreis Barnim (im Folgenden: der Landkreis) auf dem Grundstück die Errichtung und den Betrieb einer Windenergieanlage. Die Klägerin verfügt für das benachbarte Flurstück  über eine ihr auf Antrag vom 8. Juni 2020 am 4. April 2022 erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung für ein eigenes Windenergievorhaben. Zur Gewährleistung der Standsicherheit umliegender Windenergieanlagen sieht die Genehmigung Betriebsbeschränkungen vor.

Unter dem 21. / 26. Februar 2020 stellte die Beigeladene für ihr Vorhaben bei dem Beklagten einen Genehmigungsantrag. Dieser bezog sich auf eine Windenergieanlage des Typs Enercon E-147 EP5 E2 (Nabenhöhe: 155,1 m; Rotordurchmesser: 147 m; Gesamthöhe: 228,6 m; elektrische Nennleistung: 5 MW). Zu den Antragsunterlagen im Genehmigungsverfahren gehörten unter anderem Schallimmissions- und Schattenwurfprognosen (jeweils vom 14. Februar 2020).

Mit Genehmigungsbescheid Nr. 20.014.00/20/1.6.2V/T13 vom 3. Dezember 2021 erteilte der Beklagte der Beigeladenen die beantragte Genehmigung. Hiergegen erhob die Klägerin am 3. Januar 2022 Widerspruch.

Unter dem 16. Februar 2022 zeigte die Beigeladene dem Beklagten eine beabsichtigte Änderung ihres Vorhabens in eine Windenergieanlage des Typs Enercon E-138 EP3 E2 an (Nabenhöhe: 160 m; Rotordurchmesser: 138 m; Gesamthöhe: 229,13 m abzgl. 0,53 m Fundamenteinlassung; elektrische Nennleistung: 4,2 MW). In dem Anzeigeverfahren legte sie unter anderem erneute Schallimmissions- und Schattenwurfprognosen vor (jeweils vom 14. Januar 2022), außerdem ein Gutachten zur Standorteignung nebst erläuternder Stellungnahme der Gutachter (jeweils vom 26. Januar 2022). Des Weiteren reichte sie eine Verzichtserklärung ein (vom 23. Februar 2022). Darin verzichtet sie für den Nachtbetrieb auf die Inanspruchnahme des im Genehmigungsbescheid vom 3. Dezember 2021 festgesetzten Schallleistungspegels LW und des maximal zulässigen Emissionspegels Le,max in Verbindung mit dem festgesetzten Oktavspektrum „insoweit (…), als dass durch den Betrieb einer von der Genehmigung (…) vom 03.12.2021 abweichenden WEA die im Genehmigungsverfahren in der Schallimmissionsprognose (…) vom 14.02.2020 an den Immissionsorten ausgewiesenen Geräuschimmissionsanteile überschritten werden.“ Hintergrund ist, dass es innerhalb des Frequenzspektrums in der Terz 63 Hz im Vergleich zu dem Ausgangsvorhaben zu einer Erhöhung des Oktav-Schallleistungspegels von 82,1 dB(A) auf 82,5 dB(A) kommt.

Mit Feststellungsbescheid vom 10. März 2022 entschied der Beklagte auf der Grundlage von § 15 Abs. 2 Satz 2 BImSchG, dass die angezeigte Änderung keines Genehmigungsverfahrens nach § 16 Abs. 1 BImSchG bedürfe. Das gelte auch für den Verzicht auf den genehmigten Schallleistungspegel in Verbindung mit dem festgesetzten Oktavspektrum für den Nachtzeitraum. Zu den im Nachlauf der geänderten Windenergieanlage entstehenden Turbulenzen heißt es in der Begründung des Bescheides (dort S. 6), der Schutz der in Nähe befindlichen Fremdanlagen sei unter Berücksichtigung der aufgeführten Betriebsbeschränkungen aus dem Gutachten zur Standorteignung vom 26. Januar 2022 weiterhin gegeben. Im Ergebnis sei festgestellt worden, dass es qualitativ zu keiner Verschlechterung durch die Umplanung komme. Die Turbulenzintensitäten blieben im Vergleich zum ursprünglichen Anlagentyp gleich.

Mit Schreiben vom 6. Mai 2022 erhob die Klägerin gegen den Bescheid vom 10. März 2022 ebenfalls Widerspruch.

Am 17. Mai 2022 erteilte der Landkreis der Beigeladenen eine Baugenehmigung für das geänderte Vorhaben. Hiergegen erhob die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 9. September 2022 Widerspruch.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Januar 2024 wies der Beklagte die Widersprüche der Klägerin gegen den Genehmigungsbescheid vom 3. Dezember 2021 und den Feststellungsbescheid vom 10. März 2022 zurück.

Am 29. Februar 2024 hat die Klägerin Klage erhoben.

Sie macht geltend, der Genehmigungsbescheid vom 3. Dezember 2021 und der Feststellungsbescheid vom 10. März 2022 seien rechtswidrig und verletzten sie in ihren Rechten. Der Beklagte habe das ihm durch § 16 Abs. 1 BImSchG eingeräumte Ermessen nicht in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise ausgeübt. Die Lasten der Konfliktbewältigung im Fall zweier aneinander angrenzender Windenergieanlagen seien zugunsten des älteren Vorhabens zu verteilen. Das sei vorliegend ihr eigenes Vorhaben. Durch die nachträgliche Änderung des Vorhabens der Beigeladenen sei die Rechtfertigung für die ihr im Bescheid vom 4. April 2022 auferlegten Betriebsbeschränkungen entfallen. In der obergerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur sei anerkannt, dass der Vorrang zugunsten der zuerst beantragten bzw. genehmigten Anlage entfalle, sobald das Vorhaben später wesentlich geändert werde. Ähnlich wie bei der erstmaligen Vorlage prüffähiger Antragsunterlagen markiere die Notwendigkeit einer neuen präventiven Prüfung den für die Reihung maßgeblichen Zeitpunkt. Das Änderungsvorhaben der Beigeladenen sei im Sinne des § 16 Abs. 1 Satz 1 BImSchG wesentlich und erfordere daher eine Neugenehmigung, jedenfalls aber eine Änderungsgenehmigung. Die Wesentlichkeit der Änderung sei regelmäßig gegeben bei Standortverschiebungen und Typänderungen. Insbesondere die zu erwartenden Turbulenzeffekte seien dann erneut zu prüfen. § 16 Abs. 1 Satz 1 BImSchG verlange nicht, dass die nachteiligen Auswirkungen sicher aufträten. Für die Wesentlichkeit spreche bereits, dass im Verfahren ein neues Gutachten zur Standorteignung vorgelegt und geprüft worden sei. Zudem sei hinsichtlich mehrerer Belange eine Behördenbeteiligung erfolgt. Auch der Verzicht der Beigeladenen auf den genehmigten Schallleistungspegel in Verbindung mit dem festgesetzten Oktavspektrum für den Nachtzeitraum spreche dafür, dass von einer wesentlichen Anlagenänderung auszugehen sei. Ein Typwechsel erfordere stets eine neue Immissionsprognose. Im Übrigen sei mit dem Bescheid des Landkreises vom 17. Mai 2022 eine Änderungsgenehmigung ergangen.

Die Klägerin beantragt,

die Bescheide des Landesamtes für Umwelt vom 3. Dezember 2021 und 10. März 2022, jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 22. Januar 2024, aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält an der vorgenommenen Priorisierung des Vorhabens der Beigeladenen fest. Der ursprüngliche Genehmigungsantrag der Beigeladenen sei - was zwischen den Beteiligten unstreitig ist - eher prüffähig gewesen als der Antrag der Klägerin. Durch die Änderung des Anlagentyps sei die Priorisierung nicht nachträglich entfallen. Die Änderung des Anlagentyps sei keine wesentliche Änderung, die eine Änderungsgenehmigung erfordere. Der Vergleich der technischen Daten, der Anlagenkonfiguration sowie der Emissionsdaten der geänderten und der genehmigten Anlage unter Berücksichtigung der im Anzeigeverfahren eingereichten Unterlagen habe ergeben, dass die Typänderung nur offensichtlich geringe nachteilige Auswirkungen hervorrufe. Aus der Verzichtserklärung der Beigeladenen vom 23. Februar 2022 ergebe sich nichts anderes. Die Erhöhung in der Terz 63 Hz des Frequenzspektrums werde aufgrund geringerer Emissionen in anderen Frequenzen kompensiert. Durch die fehlende Wesentlichkeit der Anlagenänderung unterscheide sich der vorliegende Fall von der Rechtsprechung, die die Klägerin für ihre Auffassung anführe. Zudem sei die Änderungsanzeige der Beigeladenen erst nach Genehmigungserteilung erfolgt.

Die Beigeladene beantragt ebenfalls,

die Klage abzuweisen.

Auch sie meint, der Wechsel des Anlagentyps lasse den Vorrang ihres Vorhabens nicht entfallen. Eine wesentliche Anlagenänderung liege nicht vor. Der Typwechsel lasse keine nachteiligen Auswirkungen auf Belange besorgen, die vom Prüfprogramm des Änderungsgenehmigungsverfahrens umfasst seien. Das gelte auch für die zu erwartenden Turbulenzeffekte, zu deren Prüfung das Gutachten zur Standorteignung vom 26. Januar 2022 vorgelegt worden sei. Selbst im Rahmen der Prüfung der Bagatellklausel nach § 16 Abs. 1 Satz 2 BImSchG sei anerkannt, dass eine etwaige Nachforderung ergänzender Unterlagen unschädlich sei und nicht mit einer vertieften Prüfung gleichgesetzt werden könne. Außerdem bestehe der Grund für das Entfallen der Vorrangstellung in Fällen wesentlicher Anlagenänderungen vor allem darin, missbräuchliche Umgehungen der Vorrangregelungen zu verhindern. Ein solcher Fall liege hier nicht vor. Die Anlagenänderung sei allein deshalb erforderlich geworden, weil der genehmigte Anlagentyp nicht mehr lieferbar gewesen sei. Im Übrigen hätte unabhängig von der Frage der Wesentlichkeit auch die Erteilung einer Änderungsgenehmigung keine Auswirkungen auf die erfolgte Priorisierung mehr haben können. Denn die Änderung sei zu einem Zeitpunkt vorgenommen worden, zu dem die Prioritätsfrage bereits zugunsten ihres eigenen, genehmigten Vorhabens entschieden gewesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Streitakte sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten zum Ausgangsvorhaben (zwei Ordner Antragsunterlagen, ein Ordner Genehmigungsverfahrensakte), zum Änderungsvorhaben (ein Hefter Auszug Betriebsakte) und zum Widerspruchsverfahren (ein Hefter); die genannten Akten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage bleibt ohne Erfolg.

1. Soweit sich die Klage gegen den Feststellungsbescheid vom 10. März 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Januar 2024 richtet, ist die Drittanfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1, 1. Var. VwGO bereits unzulässig.

a. Die Klage ist verfristet. Der Bescheid vom 10. März 2022 ist der Klägerin gegenüber bestandskräftig geworden.

Die Klägerin hatte den Bescheid vom 22. Januar 2022 mit der darin enthaltenen Freistellungserklärung nach § 15 Abs. 2 Satz 2 BImSchG bei Klageerhebung zunächst nicht in das Verfahren einbezogen. Die fristwahrend zur formellen Klageerhebung bei Gericht eingereichte Klageschrift vom 29. Februar 2024 ist mit dem Betreff überschrieben: „wegen Drittwiderspruch gegen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid“. Weiter heißt es in der Klageschrift, die Klage richte sich „gegen den Genehmigungsbescheid Nr. 20.014.00/20/1.6.2V/T13 (…) vom 3. Dezember 2021 (…) in Gestalt des Widerspruchsbescheides (…) vom 22. Januar 2024 (…).“ Demgemäß waren dem Schriftsatz als Anlagen auch lediglich der Genehmigungsbescheid vom 3. Dezember 2021 und der Widerspruchsbescheid vom 22. Januar 2024 beigefügt. Zwar hat der Beklagte mit dem Widerspruchsbescheid vom 22. Januar 2024 auch den Widerspruch der Klägerin gegen den Feststellungsbescheid zurückgewiesen. Für den Streitgegenstand der Klage folgt hieraus jedoch nichts. Es steht dem Betroffenen frei, seine Klage auf einen Teil der Entscheidungen zu beschränken, die im Widerspruchsverfahren zur behördlichen Kontrolle gestellt waren. Denkbar ist etwa, dass ihn die Begründung des Widerspruchsbescheides teilweise überzeugt. Vorliegend lag das umso näher, als der Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 10. März 2022 mit Hinweis auf den beschränkten Regelungsgehalt der Freistellungserklärung („rein formellrechtliche Wirkungen“; S. 5) - zu Recht (s.u.) - mangels Widerspruchsbefugnis schon als unzulässig angesehen hat. Es wäre an der Klägerin gewesen, bereits in der Klageschrift deutlich zu machen, dass gleichwohl auch dieser Bescheid angegriffen werden sollte.

Mit dem Klagebegründungsschriftsatz vom 7. Mai 2024 hat die Klägerin die Klage zwar nachträglich auf die Freistellungserklärung erweitert; der Beklagte und die Beigeladene haben in die geänderte Klage durch ihre schriftsätzlichen Einlassungen eingewilligt (§ 91 Abs. 1, 1. Var. i.V.m. Abs. 2 VwGO). Nach dem Zugang des Widerspruchsbescheides vom 22. Januar 2024 jedenfalls vor dem 29. Februar 2024 - dem Tag der Klageerhebung - war die Klageerweiterung mangels Einhaltung der einmonatigen Klagefrist aus § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO jedoch verspätet. Die Jahresfrist aus § 58 Abs. 2 VwGO kommt der Klägerin nicht zugute. Die Rechtsmittelbelehrung im Widerspruchsbescheid vom 22. Januar 2024 lässt keine Fehler erkennen. Einen Wiedereinsetzungsantrag (§ 60 VwGO) hat die Klägerin nicht gestellt. Überdies sind Wiedereinsetzungsgründe nicht ersichtlich, geschweige denn glaubhaft gemacht.

b. Unabhängig davon fehlt der Klägerin hinsichtlich der Freistellungserklärung im Bescheid vom 10. März 2022 die Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO).

aa. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 7. August 2012 - BVerwG 7 C 7.11 - juris Rn. 12 ff.) steht dem Nachbarn gegen eine Freistellungserklärung nach § 15 Abs. 2 Satz 2 BImSchG kein subjektives Recht zu, kraft dessen er sich gegen eine dem Anlagenbetreiber rechtswidrig erteilte Freistellungserklärung wenden kann. Der Nachbarschutz wird in diesen Fällen über § 17 Abs. 1 und § 20 Abs. 1 BImSchG gewährleistet. Daneben bleiben auch etwaige nach anderen Fachgesetzen (z.B. den Landesbauordnungen) bestehende Genehmigungserfordernisse sowie Eingriffsbefugnisse der hierfür zuständigen Behörden und damit ggf. korrespondierende Ansprüche auf Einschreiten gegen das geänderte Vorhaben unberührt. Die unterinstanzliche Rechtsprechung und die Literatur teilen die Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. z.B. OVG Münster, Urteil vom 22. November 2021 - 8 A 973/15 - juris Rn. 53; Jarass, BImSchG, 15. Aufl. 2024, § 15 Rn. 42; Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: 105. EL Sept. 2024, § 15 BImSchG Rn. 135 f.). Ihr ist im Widerspruchsbescheid vom 22. Januar 2024 auch der Beklagte gefolgt.

Hintergrund dieser Rechtsprechung ist, dass sich der Regelungsinhalt der Freistellungserklärung im Regime der §§ 15, 16 BImSchG auf eine Aussage zur formellen Legalität des Änderungsvorhabens beschränkt. Die Freistellungserklärung stellt mit Bindungswirkung ausschließlich fest, dass die geplante Änderung der Anlage keiner förmlichen immissionsschutzrechtlichen (Änderungs-)Genehmigung bedarf. Die von ihr erzeugte verbindliche Rechtswirkung nach außen besteht (und erschöpft sich) darin, dass die Änderung formell rechtmäßig ist und daher weder Stilllegungsanordnungen nach § 20 Abs. 2 BImSchG ergehen noch an die formelle Illegalität anknüpfende Bußgeld- oder Straftatbestände eingreifen können (vgl. BVerwG, Urteile vom 7. August 2012 - BVerwG 7 C 7.11 - juris Rn. 13 und vom 28. Oktober 2010 - BVerwG 7 C 2.10 - juris Rn. 21 ff.; OVG Münster, Urteil vom 22. November 2021 - 8 A 973/15 - juris Rn. 53). Die ohnehin nur eingeschränkte materiell-rechtliche Prüfung im Anzeigeverfahren nach § 15 BImSchG nimmt an dem Bindungswirkung vermittelnden Regelungsinhalt der Freistellungerklärung nicht teil. So enthält die Erklärung insbesondere keine verbindliche Feststellung, dass von einer Anlagenänderung keine nachteiligen Auswirkungen auf Schutzgüter des § 1 BImSchG ausgehen (vgl. BVerwG, Urteile vom 7. August 2012 - BVerwG 7 C 7.11 - juris Rn. 14 und vom 28. Oktober 2010 - BVerwG 7 C 2.10 - juris Rn. 25 f.; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. April 2016 - OVG 11 S 23.15 - juris Rn. 37). Ebenso wenig hat die Freistellungserklärung mangels materiell-rechtlicher Wirkungen eine Änderung der ursprünglichen Genehmigung zur Folge, etwa in Bezug auf den rechtlich maximal zulässigen Gesamtschallleistungspegel oder andere Anforderungen an den Anlagenbetrieb (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 29. Dezember 2021 - 8 A 974/15 - juris Rn. 17). Entsprechend stellt auch vorliegend der Feststellungsbescheid vom 10. März 2022 ausdrücklich klar, dass die Entscheidung nicht die im Genehmigungsbescheid vom 3. Dezember 2021 getroffenen Festlegungen und Nebenbestimmungen berührt (Hinweis III.2).

bb. Der Fall der Klägerin gibt keinen Anlass, von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 7. August 2012 abzuweichen oder sie weiterzuentwickeln.

(1) Insbesondere gebietet es die Berufung der Klägerin auf den sog. Prioritätsgrundsatz nicht, der Klägerin ein Klagerecht gegen die Freistellungserklärung einzuräumen (zum Prioritätsgrundsatz eingehend BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2020 - BVerwG 4 C 3.19 - juris Rn. 19 f.). Soweit die Klägerin dem Beklagten eine fehlerhafte Ermessensausübung vorhält, verkennt sie bereits, dass die immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbehörde die Entscheidung über die Priorisierung verschiedener miteinander konkurrierender Vorhaben nicht unter Ermessensgesichtspunkten zu treffen hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2020 - BVerwG 4 C 3.19 - juris Rn. 20; anders zuvor z.B. noch OVG Koblenz, Beschluss vom 18. Juni 2018 - 8 B 10260/18 - juris Rn. 19). Im Übrigen ist die Klägerin aufgrund des eingeschränkten Regelungsgehalts der angegriffenen Freistellungserklärung nicht daran gehindert, dem (geänderten) Vorhaben der Beigeladenen den von ihr angenommenen (materiell-rechtlichen) Vorrang ihres eigenen Vorhabens entgegenzuhalten und ein Einschreiten des Beklagten gegen das Vorhaben zu verlangen. Insoweit gilt für den Einwand des Vorrangs (Frage der Turbulenzauswirkungen und daran anknüpfender Betriebsbeschränkungen) nichts anderes als für andere materiell-rechtliche Rügen (für die materiell-rechtliche Bedeutung der Vorrangfrage vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2020 - BVerwG 4 C 3.19 - juris Rn. 20).

Davon unabhängig weist der Senat darauf hin, dass die Klägerin den von ihr behaupteten Vorrang ihres eigenen Windenergievorhabens ausschließlich auf solche Turbulenzauswirkungen stützt, die bereits von dem Ausgangsvorhaben der Beigeladenen ausgehen. Die unter anderem auf der Grundlage des Gutachtens zur Standorteignung vom 26. Januar 2022 im Bescheid vom 10. März 2022 getroffene Einschätzung des Beklagten, dass der Typwechsel die Turbulenzintensität nicht erhöht, stellt die Klägerin nicht (substantiiert) infrage. Nach der zwischenzeitlich mit Wirkung zum 13. Oktober 2022 durch das Gesetz zur Änderung des Energiesicherungsgesetzes und anderer energiewirtschaftlicher Vorschriften vom 8. Oktober 2022 (BGBl. I S. 1726) eingeführten Regelung in § 16b Abs. 7 Satz 1 BImSchG müssen bei Änderungen am Anlagentyp vor Errichtung der Anlage auch in einem Änderungsgenehmigungsverfahren nach § 16 BImSchG jedoch „nur dann Anforderungen geprüft werden, soweit durch die Änderung des Anlagentyps im Verhältnis zur genehmigten Anlage nachteilige Auswirkungen hervorgerufen werden und diese für die Prüfung nach § 6 erheblich sein können.“ Der Gesetzgeber verfolgt damit das Ziel, die Prüfungsreichweite auf solche Auswirkungen zu begrenzen, die im Vergleich zum genehmigten Zustand nachteilig sind (vgl. BT-Drs. 20/3497 vom 20. September 2022, S. 35). Ähnlich wie bei der sog. „Delta-Prüfung“ nach § 16b Abs. 1 BImSchG ist die behördliche Prüfung also auf zusätzliche Auswirkungen durch das Änderungsvorhaben beschränkt (vgl. Dietlein/Fabi, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: 105. EL Sept. 2024, § 16b BImSchG Rn. 126; s. für die frühere Rechtslage aber auch schon OVG Magdeburg, Beschluss vom 11. Mai 2021 - 2 M 158/20 - juris Rn. 43 und Reidt/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: 105. EL Sept. 2024, § 16 BImSchG Rn. 77: „im Vergleich zum legalen Bestand der Anlage keine stärkeren Belastungen“). Selbst wenn mit der Klägerin vorliegend von einer wesentlichen Anlagenänderung auszugehen sein sollte, wären die Turbulenzauswirkungen des Ausgangsvorhabens der Beigeladenen in einem Änderungsgenehmigungsverfahren somit nicht mehr in den Blick zu nehmen.

Darüber hinaus geht die Klägerin zumindest nach der Neuregelung in § 16b Abs. 7 Satz 1 BImSchG auch mit ihrer Rechtsauffassung fehl, der Typwechsel habe ggf. sogar eine - die Vorrangfrage neu aufwerfende - Neugenehmigung erfordert (zur früheren Rechtslage vgl. einerseits OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. Januar 2024 - OVG 3a S 1/23 - juris Rn. 6 ff., andererseits OVG Münster, Urteile vom 12. Januar 2024 - 8 D 92/22.AK - juris Rn. 43 ff. und vom 25. Februar 2015 - 8 A 959/10 - juris Rn. 113 ff.).

Nach den allgemeinen prozessualen Grundsätzen über den maßgeblichen Zeitpunkt bei immissionsschutzrechtlichen Drittanfechtungsklagen ist § 16b Abs. 7 Satz 1 BImSchG hier jedenfalls deshalb anwendbar, weil die damit erfolgten Klarstellungen der Rechtslage zugunsten der Beigeladenen wirken (vgl. u.a. BVerwG, Beschlüsse vom 28. Juli 2022 - BVerwG 7 B 15.21 - juris Rn. 12 und vom 8. Oktober 2021 - BVerwG 7 B 1.21 - juris Rn. 9; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Dezember 2024 - OVG 7 A 39/24 - juris Rn. 33; Schübel-Pfister, in: Eyermann, VwGO, § 113 Rn. 63, 70).

(2) Der Senat vermag in einer Konstellation wie hier entgegen dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg vom 19. Dezember 2019 - 12 ME 168/19 - (juris Rn. 60) auch nicht deshalb einen „Ausnahme-“ oder „Sonderfall“ zu sehen, weil die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 7. August 2012 die Bestandskraft des immissionsschutzrechtlichen Ausgangsbescheides voraussetze. Die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg ist von „Bedenken“ dagegen getragen, „dass (…) eine Änderungsanzeige nach § 15 Abs. 1 BImSchG und nachfolgend eine Lösung vom immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren überhaupt schon möglich ist, wenn die zu ändernde Anlage (…) noch gar nicht bestandskräftig genehmigt ist“. Als Alternative hat das Oberverwaltungsgericht bezeichnet, „in diesem Fall stattdessen (jedenfalls bis zum hier noch ausstehenden Abschluss des Widerspruchsverfahrens) nur den Genehmigungsantrag zu ändern und eine dieser Änderung entsprechende Modifikation der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung herbeizuführen“ (OVG Lüneburg, Beschluss vom 19. Dezember 2019 - 12 ME 168/19 - juris Rn. 64; vgl. zuvor bereits OVG Lüneburg, Beschluss vom 31. Mai 2018 - 12 ME 64/18 - juris Rn. 16). Diese Bedenken teilt der Senat nicht. Vielmehr ist das Vorgehen, außerhalb des Widerspruchsverfahrens eine Änderungsanzeige oder einen Änderungsantrag zu stellen, von §§ 15, 16 BImSchG grundsätzlich gedeckt (vgl. z.B. VGH Mannheim, Urteil vom 12. Oktober 2022 - 10 S 2903/21 - juris Rn. 36; Büge/Ziegler, in: Giesberts/Reinhardt [Hrsg.], BeckOK Umweltrecht, 72. Ed., Stand: 1. Oktober 2023, § 16 BImSchG Rn. 7; Reidt/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: 105. EL Sept. 2024, § 16 BImSchG Rn. 33). Auch die weitere Herleitung der (möglichen) Rechtsverletzung im Beschluss vom 19. Dezember 2019 überzeugt den Senat nicht. Das gilt insbesondere für die von dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg angenommene Belastungswirkung, für die das Oberverwaltungsgericht auf das Fehlen einer immissionsschutzrechtlichen „Vollgenehmigung“ mit der Konzentrationswirkung aus § 13 BImSchG sowie die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 9. September 1988 - BVerwG 7 C 3.86 - juris Rn. 15 f.) zum verfahrensrechtlichen Drittschutz im gestuften atomrechtlichen Genehmigungsverfahren verweist (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 19. Dezember 2019 - 12 ME 168/19 - juris Rn. 60, 65).

c. Angesichts der vorstehenden Ausführungen kann offen bleiben, ob der Klägerin für die Klage gegen die Freistellungserklärung zudem auch das Rechtsschutzbedürfnis fehlen könnte. Zweifel daran könnten sich aber zum einen daraus ergeben, dass eine Aufhebung der Freistellungserklärung nicht unmittelbar zum Wegfall der Betriebsbeschränkungen im - bestandskräftigen - Genehmigungsbescheid vom 4. April 2022 führen würde. Hierzu bedürfte es vielmehr der Aufhebung der entsprechenden Regelung in dem Bescheid, die die Klägerin ggf. im Wege des Wiederaufgreifens des Verwaltungsverfahrens (§ 51 VwVfG) anzustreben hätte. Zum anderen knüpft das Klagevorbringen an die (vermeintlichen) Wirkungen der Freistellungserklärung an, dessen Existenz aus Sicht der Klägerin damit gerade Voraussetzung des von ihr behaupteten Vorrangs sein könnte.

2. Der weitergehenden Klage gegen den Genehmigungsbescheid vom 3. Dezember 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Januar 2024 muss gleichermaßen der Erfolg versagt bleiben. Die zulässige Drittanfechtungsklage ist unbegründet. Auf der Grundlage des Vorbringens zur Klagebegründung (§ 6 UmwRG) lässt sich nicht feststellen, dass die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für das (unveränderte) Ausgangsvorhaben der Beigeladenen subjektive Rechte der Klägerin verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

a. Die Klägerin macht keine eigenständigen Rechtsfehler geltend, an denen die Ausgangsgenehmigung zu ihrem Nachteil leiden könnte. Vielmehr beruft sie sich auch insoweit ausschließlich auf einen Verstoß gegen das Prioritätsprinzip. Dabei bestreitet sie nicht, dass der Beklagte das Ausgangsvorhaben der Beigeladenen gegenüber ihrem eigenen Vorhaben zunächst zu Recht als vorrangig behandelt und Betriebseinschränkungen wegen der Turbulenzauswirkungen demzufolge nicht der Beigeladenen, sondern ihr aufgegeben hat. Ihrer Klage (auch) gegen die Ausgangsgenehmigung liegt vielmehr die Annahme zugrunde, die Anzeige der Anlagenänderung durch die Beigeladene könne sich nachträglich auf die Priorisierung auswirken, von der die Genehmigungsentscheidung vom 3. Dezember 2021 mit dem Unterbleiben von Betriebsbeschränkungen zum Schutz des Vorhabens der Klägerin geleitet ist. Damit dringt die Klägerin nicht durch.

aa. Es steht jedem Vorhabenträger frei, einen ursprünglich gestellten Genehmigungsantrag im laufenden Genehmigungsverfahren zu ändern und eine neue Anlage oder einen verschobenen Standort zur Genehmigung zu stellen. Allerdings löst er, wenn es sich dabei um eine wesentliche Änderung handelt, damit eine erneute Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen mit entsprechendem weiterem Prüfaufwand aus. Er begibt sich dadurch der ihn schützenden „Antragsverfestigung“ und muss es sich gefallen lassen, dass der Konkurrent, der keine Änderung vornimmt und konsequent sein eigenes Verfahren betreibt, dann vorrangig zu bescheiden ist (vgl. OVG Greifswald, Beschluss vom 9. April 2024 - 1 M 163/22 OVG - juris Rn. 32; OVG Koblenz, Urteil vom 3. August 2016 - 8 A 10377/16 - juris Rn. 56; OVG Weimar, Beschluss vom 1. Juni 2011 - 1 EO 69/11 - juris Rn. 42). Wie ausgeführt, kommt dem Vorhaben des Konkurrenten in einem solchen Fall nach dem in der Praxis entwickelten und vom Bundesverwaltungsgericht anerkannten Prioritätsprinzip auch materiell-rechtlich der Vorrang zu. Bei Windenergieanlagen konkurrierender Betreiber bedeutet das insbesondere, dass im Hinblick auf die Turbulenzintensität erforderliche Schutzmaßnahmen (z.B. Abschaltregelungen) bis hin zu einer Genehmigungsversagung das „spätere“ Vorhaben treffen.

bb. Unabhängig von der Frage, ob in der Typänderung vorliegend - wie die Klägerin meint - eine wesentliche Änderung in diesem Sinne zu sehen ist, kann die Änderung auf die Frage des Konkurrenzverhältnisses der ursprünglichen Anträge indes keine Auswirkungen mehr haben. Denn es geht nicht um die Änderung eines bis dahin prioritären Genehmigungsantrags und damit um die Konkurrenz zweier Genehmigungsverfahren. Vielmehr betrifft der Rechtsstreit die nachträgliche Änderung eines Vorhabens, für das im Zeitpunkt der Änderungsanzeige bereits eine Genehmigung vorlag. Die Frage der Priorität der Verfahren war bereits zugunsten des Vorhabens der Beigeladenen entschieden, ohne dass die Klägerin die erfolgte Priorisierung beanstandet. Für eine Übertragung der Grundsätze zur Priorität von Anträgen auf den Fall einer wesentlichen Änderung nach Genehmigungserteilung, um daran anknüpfend eine nachträgliche Rechtswidrigkeit der erteilten Genehmigung wegen späterer Änderung der Priorität annehmen zu können, ist kein Raum (vgl. OVG Greifswald, Beschluss vom 9. April 2024 - 1 M 163/22 OVG - juris Rn. 32; s. auch OVG Münster, Urteil vom 18. September 2018 - 8 A 1886/16 - juris Rn. 119: kein Einfluss einer nach § 15 BImSchG angezeigten Standortverschiebung auf die Prüffähigkeit eines Genehmigungsantrags nach Genehmigungserteilung).

cc. Der von der Klägerin im Klagebegründungsschriftsatz vom 7. Mai 2024 angeführte Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Weimar vom 1. Juni 2011 - 1 EO 69/11 - (juris) führt zu keiner anderen Betrachtung. Die Entscheidung betrifft nicht den Fall einer nach Genehmigungserteilung vorgenommenen Änderung, sondern erging zu einer als wesentlich eingestuften Antragsänderung (Typänderung und Standortverschiebung) im noch laufenden Genehmigungsverfahren. Ebenso wenig sieht der Senat seine Rechtsauffassung durch die Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts Koblenz im Urteil vom 3. August 2016 - 8 A 10377/16 - (juris) und des Verwaltungsgerichts des Saarlandes im Beschluss vom 12. November 2018 - 5 L 411/18 - (juris; nachgehend OVG Saarlouis, Beschluss vom 5. Juni 2019 - 2 B 326/18 - juris) durchgreifend in Zweifel gezogen (vgl. auch OVG Greifswald, Beschluss vom 9. April 2024 - 1 M 163/22 OVG - juris Rn. 32).

dd. Weiter ändert an dem Ergebnis nichts, dass der Genehmigungsbescheid vom 3. Dezember 2021 im Zeitpunkt der Änderungsanzeige nicht bestandskräftig, sondern durch den Drittwiderspruch der Klägerin angefochten war. Mit der Genehmigungsentscheidung hatte das Genehmigungsverfahren für das Ausgangsvorhaben der Beigeladenen seinen Abschluss gefunden (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. September 2018 - BVerwG 7 C 24.16 - juris Rn. 28). Sieht man nicht erst in der Widerspruchsentscheidung, sondern bereits in der Genehmigungserteilung den maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Genehmigung (vgl. nur Schübel-Pfister, in: Eyermann, VwGO, § 113 Rn. 63, 70), konnte sich die spätere Änderungsanzeige schon deshalb nicht mehr zulasten der Beigeladenen auf die Prüfung auswirken. Jedenfalls berührt die Änderungsanzeige nicht den Prüfungsgegenstand des Drittwiderspruchsverfahrens. Zur Entscheidung stand dort auch nach der Änderungsanzeige nur das (unveränderte) Ausgangsvorhaben. Es konnte und kann daher weiterhin auch nur darauf ankommen, ob diesem Vorhaben der Vorrang vor dem Vorhaben der Klägerin gebührt. Der ursprüngliche Genehmigungsantrag und die spätere Änderungsanzeige sowie die hierdurch in Gang gesetzten Verfahren teilen kein gemeinsames rechtliches Schicksal. Anders wäre es nur, wenn die Beigeladene den Genehmigungsantrag als solchen geändert hätte. Wie schon im Zusammenhang mit der Klage gegen die Freistellungserklärung ausgeführt, bestehen auch keine grundlegenden Bedenken dagegen, die Anlagenänderung außerhalb des laufenden Drittwiderspruchsverfahrens und anknüpfend an die erteilte Genehmigung gesondert anzuzeigen.

b. Unbeschadet dessen liegt eine wesentliche Anlagenänderung nicht vor.

aa. Nach der Legaldefinition aus § 16 Abs. 1 Satz 1, 1. Hs. BImSchG ist die Änderung der Lage, der Beschaffenheit oder des Betriebs einer genehmigungsbedürftigen Anlage wesentlich, wenn durch die Änderung nachteilige Auswirkungen hervorgerufen werden können und diese für die Prüfung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG erheblich sein können. Die Beurteilung der Wesentlichkeit richtet sich danach, ob infolge der Änderung nachteilige Auswirkungen auf die zu prüfenden Belange möglich sind oder nach dem Maßstab praktischer Vernunft ausgeschlossen erscheinen (vgl. nur OVG Magdeburg, Beschluss vom 11. Mai 2021 - 2 M 158/20 - juris Rn. 44; Reidt/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: 105. EL Sept. 2024, § 16 BImSchG Rn. 89). Dabei ist jedenfalls nach der Einführung von § 16b Abs. 7 Satz 1 BImSchG davon auszugehen, dass die Prüfung bei einem Typwechsel vor Errichtung der Anlage auf zusätzliche Auswirkungen des Änderungsvorhabens beschränkt ist. Die Prüfungsintensität ist im Anzeigeverfahren zwar eingeschränkt. Weder dies noch die kurze Prüffrist aus § 15 Abs. 2 Satz 1 BImSchG rechtfertigen es aber, die Genehmigungsbedürftigkeit vorschnell zu bejahen. § 15 Abs. 2 Satz 1 BImSchG verlangt von der Behörde mehr als eine nur summarische Prüfung (vgl. Reidt/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: 105. EL Sept. 2024, § 16 BImSchG Rn. 89). Ausdrücklich sieht § 15 Abs. 2 Satz 1 BImSchG in diesem Zusammenhang vor, dass die Prüfung auf der Grundlage der Unterlagen erfolgt, die der Vorhabenträger der Anzeige gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 BImSchG beizufügen hat. Die Unterlagen müssen im Einzelfall so detailliert sein, dass sie der Behörde die Überzeugung vom Fehlen nachteiliger Auswirkungen verschaffen können (vgl. Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: 105. EL Sept. 2024, § 15 BImSchG Rn. 57). Weitere Unterlagen können nachgefordert werden (§ 15 Abs. 1 Satz 4 BImSchG). Jedenfalls dann, wenn der Vorhabenträger - wie hier - mit den Unterlagen Gutachten vorlegt, ist auch kein Grund dafür ersichtlich, aus dem es der Behörde verwehrt sein sollte, die Gutachten im Anzeigeverfahren zu berücksichtigen (vgl. für die Prüfung der Schallimmissionen einer Typänderung z.B. Bayerischer VGH, Beschluss vom 11. August 2016 - 22 CS 16.1052 - juris Rn. 42; tendenziell abweichend aber wohl Agatz, Windenergie-Handbuch, 19. Ausgabe März 2023, S. 27).

bb. Dies zugrunde gelegt, hat der Beklagte die Wesentlichkeit der von der Beigeladenen beabsichtigten Anlagenänderung zu Recht verneint.

Der Beklagte hat seine Einschätzung maßgeblich auf die Kenndaten der geänderten Anlage und ergänzend auf die im Anzeigeverfahren von der Beigeladenen eingereichten Unterlagen gestützt, darunter das Gutachten zur Standorteignung vom 26. Januar 2022 und die Schallimmissionsprognose vom 14. Januar 2022. Danach lasse der Typwechsel keine nachteiligen, die Genehmigungsbedürftigkeit auslösenden Auswirkungen auf Belange des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG erwarten. Dem ist die Klägerin nicht mit konkretem Vortrag entgegengetreten.

Das gilt zunächst für die möglichen Turbulenzauswirkungen des Änderungsvorhabens. In Ergänzung der technischen Datenblätter des Herstellers hat die Beigeladene hierzu das Gutachten zur Standorteignung vom 26. Januar 2022 vorgelegt, das ausdrücklich zugleich als „Turbulenz-Immissionsprognose im Sinne des BImSchG“ dienen soll (S. 3 u. 27). Das Ergebnis der Untersuchung haben die Gutachter hinsichtlich der Auswirkungen der geänderten Windenergieanlage und des Verhältnisses zur Windenergieanlage der Klägerin in der erläuternden Stellungnahme vom 26. Januar 2022 (dort S. 3) der Beigeladenen gegenüber nochmals dahingehend zusammengefasst, dass die Umplanung hinsichtlich der Turbulenzauswirkungen und der damit verbundenen Betriebsbeschränkungen zu keinen Veränderungen führe. Damit setzt sich die Klägerin nicht auseinander. Ihre Argumentation erschöpft sich im Wesentlichen darin, dass die Prüfung der Turbulenzauswirkungen einem Änderungsgenehmigungsverfahren vorbehalten gewesen wäre. Dem vermag der Senat nicht beizutreten. Fehler der Turbulenz-Immissionsprognose sind nicht ersichtlich.

Weiter hat die Klägerin nicht dargetan und ist auch sonst nicht erkennbar, dass sich infolge der Anlagenänderung die Lärmsituation verschlechtern kann. Die Gegenüberstellung der wesentlichen schalltechnischen Daten von Ausgangsvorhaben und geändertem Anlagentyp zeigt, dass sich sowohl im Tagbetrieb als auch im Nachtbetrieb der Schallleistungspegel LW lt. Herstellerangabe (von 106,4 dB[A] auf 106,0 dB[A] bzw. 102,3 dB[A] auf 99,5 dB[A]) und der maximal zulässige Emissionspegel Le,max (von 108,1 dB[A] auf 107,7 dB[A] bzw. 104,0 dB[A] auf 101,1 dB[A]) sogar verringern (vgl. S. 7 der Schallimmissionsprognose vom 14. Januar 2022, Ziffer II des Genehmigungsbescheides vom 3. Dezember 2021 und S. 9 des Widerspruchsbescheides vom 22. Januar 2024). Wie sich aus der Schallimmissionsprognose vom 14. Januar 2022 (dort S. 5 u. 8) ergibt, dient der schallreduzierte Betriebsmodus 99,5 dB des geänderten Anlagentyps dabei dazu, im Nachtbetrieb die Unterschreitung der bisher genehmigten Schallimmissionen an den relevanten Immissionsorten zu gewährleisten. Aus der Verzichtserklärung der Beigeladenen vom 23. Februar 2022 folgt nichts anderes. Soweit durch den Betrieb der geänderten Anlage die in der früheren Schallimmissionsprognose vom 14. Februar 2020 an den Immissionsorten ausgewiesenen Geräuschimmissionsanteile (teilweise) überschritten werden, wird das Gesamtergebnis einer Einhaltung der bisher genehmigten Schallimmissionen dadurch nicht infrage gestellt. Auch in der Fachliteratur heißt es lediglich, bei einem Typwechsel könne aufgrund der frequenzabhängigen Berechnung des Interimsverfahrens auch bei gleichem Summenschallleistungspegel nicht sicher auf eine unveränderte Schallimmission geschlossen werden, sodass stets eine neue Immissionsprognose erforderlich sei (Agatz, Windenergie-Handbuch, 19. Ausgabe März 2023, S. 27). Eine solche neue Immissionsprognose liegt hier indes vor.

Sonstige nachteilige Auswirkungen des geänderten Anlagentyps erscheinen mit dem Beklagten nach den vorliegenden Erkenntnissen ebenfalls ausgeschlossen.

Ein genereller Schluss von der Änderung des Anlagentyps auf das Vorliegen einer wesentlichen Änderung ist nicht möglich (vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 11. August 2016 - 22 CS 16.1052 - juris Rn. 41). Aus § 16b Abs. 7 Satz 1 BImSchG ergibt sich nichts anderes. Die Vorschrift sperrt nicht die Möglichkeit, einen Typwechsel im Anzeigeverfahren abzuwickeln (vgl. Agatz, Windenergie-Handbuch, 19. Ausgabe März 2023, S. 26). Soweit in der Rechtsprechung angenommen wird, wesentliche Auswirkungen seien regelmäßig bei Verschiebungen des Standortes und der Änderung des Anlagentyps zu erwarten (vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 3. August 2016 - 8 A 10377/16 - juris Rn. 55; OVG Weimar, Beschluss vom 1. Juni 2011 - 1 EO 69/11 - juris Rn. 45), kann es sich dabei jedenfalls nur um einen Grundsatz handeln, der nicht rechtssatzartig und schematisch anzuwenden ist.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind gemäß § 162 Abs. 3 VwGO aus Billigkeitsgründen für erstattungsfähig zu erklären, weil die Beigeladene einen eigenen Sachantrag gestellt hat und damit auch ein eigenes Kostenrisiko eingegangen ist (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht nach § 167 VwGO i.V.m. § 709 Satz 1 und 2 ZPO (Vollstreckung durch Beigeladene) bzw. § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO (Vollstreckung durch Beklagten).

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.