Gericht | OVG Berlin-Brandenburg Der 11. Senat | Entscheidungsdatum | 12.12.2024 | |
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Aktenzeichen | 11 B 3/22 | ECLI | ECLI:DE:OVGBEBB:2024:1212.11B3.22.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | 105b Satz 2; § 78 Abs. 1; 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3; 9; 3 Abs. 1 AufenthG, 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO, 44 Abs. 1, 43, 41 VwVfG |
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 14. Juni 2018 geändert.
Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die ihm unter dem Datum vom 22. Februar 2005 erteilte Niederlassungserlaubnis als eigenständiges Dokument mit elektronischem Speicher- und Verarbeitungsmedium (elektronischer Aufenthaltstitel) auszuhändigen.
Der Beklagte trägt die Kosten beider Rechtszüge.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v. H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v. H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Kläger begehrt die Aushändigung eines elektronischen Aufenthaltstitels bezogen auf eine Niederlassungserlaubnis.
Am 27. Februar 1991 erteilte das Landratsamt Großenhain eine bis 27. Februar 1993 gültige Aufenthaltsbewilligung auf die Personalien U_____, geboren am 5. Juni 1956 in Hanoi. Nach einem Aufenthaltswechsel nach Senftenberg stellte das Landratsamt Senftenberg unter dem 22. Dezember 1992 eine bis 21. Dezember 1994 befristete Aufenthaltsbewilligung auf die vorgenannten Personalien aus. Eine weitere Aufenthaltsbewilligung gewährte der Landkreis Oberspreewald-Lausitz am 8. Dezember 1994, befristet bis 21. Dezember 1996. Am 19. Dezember 1996 erteilte die Stadt Cottbus unter den vorgenannten Personalien eine bis zum 21. Dezember 1998 befristete Aufenthaltsbefugnis. Unter dem Datum vom 30. Juli 1988 wurde dann durch die Stadt Cottbus unter den vorgenannten Personalien eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis bewilligt.
Am 22. Februar 2005 stellte der Beklagte unter den Personalien U_____ eine auf § 26 Abs. 4 AufenthG gestützte Niederlassungserlaubnis aus. Am 16. November 2006 übertrug er die Niederlassungserlaubnis (Aufenthaltsetikett Nr. D58182890) in den am 5. November 2006 von der vietnamesischen Botschaft in Berlin ausgestellten und bis 5. November 2011 gültigen Reisepass Nr. ___, der auf U_____ ausgestellt war und ein Lichtbild des Klägers enthielt.
Im Jahr 2007 fand eine erkennungsdienstliche Behandlung des Klägers durch die Bundespolizei auf dem Flughafen Berlin-Tegel statt. Dabei wurde anhand der Fingerabdrücke eine Übereinstimmung des Klägers mit Q_____ (geb. am ___ sowie G_____ (geb. am ___) festgestellt. Der Beklagte zog daraufhin den Reisepass Nr. ___ ein und bat das Bundeskriminalamt um Abgleich der in der Ausländerakte des U_____ vorhandenen Lichtbilder zu der Frage, ob es sich hierbei um ein- und dieselbe Person handele. Das Bundeskriminalamt teilte hierzu mit, bei den verschiedenen Lichtbildern auf den in der Ausländerakte des U_____ vorhandenen Dokumenten handele es sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um verschiedene Personen. Der Beklagte übersandte den eingezogenen vietnamesische Reisepass Nr. ___ zur kriminaltechnischen Überprüfung an die beim Bundespolizeiamt Berlin angesiedelte Schwerpunktprüfstelle für Urkunden. Diese stufte den Pass als „echten Vordruck“ ein und gab an, Spuren einer Fälschung bzw. Manipulation der behördlichen Eintragungen seien nicht festzustellen.
Im Jahr 2011 beantragte das Polizeipräsidium Schutzbereich Elbe-Elster zu den Personalien G_____ unter Angabe der Alias-Personalien U_____ und Q_____ die Einleitung eines Personenfeststellungsverfahrens im Ausland. Im Jahr 2012 teilte das Polizeipräsidium der Staatsanwaltschaft Cottbus zum dortigen Az. 1510 JS 30896/07 unter Vorlage einer entsprechenden E-Mail mit, Interpol Hanoi habe dahingehend geantwortet, dass die übersandten Fingerabdrücke nicht zu U_____(geb. ___) und Q_____(geb. ___) gehörten.
Mit Bescheid vom 15. November 2013 nahm der Beklagte die dem Kläger während seines Aufenthalts erteilten Aufenthaltstitel mit Wirkung für die Vergangenheit zurück, wobei er konkret (nur) die am 19. Dezember 1996 erteilte Aufenthaltsbefugnis und die am 30. Juli 1998 erteilte unbefristete Aufenthaltserlaubnis benannte. Er forderte den Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb eines Monats nach Zustellung des Bescheides zu verlassen, und drohte ihm die Abschiebung nach Vietnam an. Schließlich ordnete er die sofortige Vollziehung der Verfügung an. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und beantragte gerichtlichen Eilrechtsschutz.
Mit Beschluss vom 30. Oktober 2014 – VG 4 L 325/13 – stellte das Verwaltungsgericht Cottbus die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Klägers bezüglich der Rücknahme der Aufenthaltstitel wieder her und ordnete die aufschiebende Wirkung bezüglich der Abschiebungsandrohung an. Im Rahmen der Begründung führte das Verwaltungsgericht aus, nach summarischer Prüfung spreche zwar viel dafür, dass die Aufenthaltsbefugnis vom 19. Dezember 1996 und die unbefristete Aufenthaltserlaubnis vom 30. Juli 1998 infolge einer Identitätstäuschung objektiv rechtswidrig gewesen seien. Dies könne jedoch offenbleiben, da der angefochtene Bescheid mit hoher Wahrscheinlichkeit schon wegen eines Ermessensfehlers rechtswidrig sei. Mit Bescheid vom 31. Juli 2015 half der Beklagte dem Widerspruch des Klägers ab und hob den angegriffenen Bescheid vom 15. November 2013 unter Verweis auf Ermessensfehler auf.
Mit Schreiben vom 20. August 2015 übersandte der Beklagte den eingezogenen Reisepass Nr. ___ an die vietnamesische Botschaft in Berlin und verwies auf die Mitteilung von Interpol Hanoi, wonach der Kläger nicht U_____ sei. Am 14. September 2015 stellte die vietnamesische Botschaft in Berlin dem Kläger einen neuen, noch bis 14. September 2025 gültigen Reisepass (Nr. ___) auf die Personalien U_____ (geb. am ___ in Hanoi) aus. Mit Schriftsatz vom 17. September 2015 bat der Kläger den Beklagten unter Verweis hierauf und unter Vorlage einer entsprechenden Kopie dieses Passes um Erteilung einer Niederlassungserlaubnis.
Der Beklagte teilte dem Kläger hierzu mit Schreiben vom 18. Januar 2016 mit, angesichts der Ermittlungen von Interpol Hanoi und der Auskünfte eines Sekretärs der vietnamesischen Botschaft sei erwiesen, dass er die Identität U_____ nur angenommen habe, dies aber nicht sein richtiger Name sei. Hieran ändere auch der neue, auf die vorgenannte Identität ausgestellte Reisepass nichts. Ohne Klärung seiner tatsächlichen Identität sei die Erteilung des begehrten Aufenthaltstitels nicht möglich. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels an einen Ausländer, der sich die Identität einer anderen real existierenden Person angeeignet habe, sei mit einem offenkundigen und schwerwiegenden Fehler behaftet und daher nichtig.
Am 10. Juni 2016 hat der Kläger Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben. Zur Begründung hat er vorgebracht, der Beklagte habe ihm die Niederlassungserlaubnis zu erteilen. Der ihm ausgestellte Reisepass schaffe Klarheit über die wahre Identität und genüge als Identitätsnachweis.
Mit Urteil vom 14. Juni 2018 – VG 3 K 810/16 – hat das Verwaltungsgericht Cottbus die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die nach dem wörtlichen Antrag des Klägers auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis gerichtete Verpflichtungsklage sei mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Der Kläger bedürfe keiner Niederlassungserlaubnis, da er bereits Inhaber einer solchen sei. Die vom Beklagten verfügte Rücknahme der dem Kläger erteilten Aufenthaltstitel habe keine Wirksamkeit entfaltet, nachdem der Beklagte den Rücknahmebescheid aufgehoben habe. Die Klage habe auch keinen Erfolg, sofern der Kläger hiermit begehre, ihm im Rahmen eines Folgenbeseitigungsanspruchs ein eigenständiges Dokument im Sinne des § 78 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, d.h. eine Kunststoffkarte in Scheckkartengröße mit elektronischem Speicher- und Verarbeitungsmedium über die fortgeltende Niederlassungserlaubnis auszustellen. Denn ein solcher Anspruch stehe dem Kläger in der Sache nicht zu.
Mit seiner dagegen gerichteten, vom Senat wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils zugelassenen Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Zur Begründung der Berufung trägt der Kläger vor, bei Auslegung seines Klageantrag nach § 88 VwGO sei dieser von Anfang an so zu verstehen gewesen, dass er die Ausstellung und Aushändigung eines Dokuments in Form einer Kunststoffkarte in Scheckkartengröße (elektronischer Aufenthaltstitel) mit dem Namen „Niederlassungserlaubnis“ begehre. Bereits die vom Verwaltungsgericht festgestellte Fortgeltung seiner Niederlassungserlaubnis begründe die Verpflichtung des Beklagten, ihm eine Kunststoffkarte in Scheckkartengröße mit elektronischem Speicher- und Verarbeitungsmedium über die fortgeltende Niederlassungserlaubnis auszustellen und auszuhändigen. Auf einen Folgenbeseitigungsanspruch komme es insofern nicht an.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 14. Juni 2018 (VG 3 K 810/16) zu ändern und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger die ihm unter dem Datum vom 22. Februar 2005 erteilte Niederlassungserlaubnis als eigenständiges Dokument mit elektronischem Speicher- und Verarbeitungsmedium (elektronischer Aufenthaltstitel) auszuhändigen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung trägt er vor, die Aushändigung des begehrten elektronischen Aufenthaltstitels sei nicht möglich, da dies der Rechtsordnung widerspräche. Die Identität des Klägers sei nicht geklärt. Die Klärung der Identität setze die Gewissheit voraus, dass ein Ausländer die Person sei, für die er sich ausgebe, was beim Kläger nicht der Fall sei. Der Reisepass, auf den sich der Kläger berufe, beweise die behauptete Identität nicht. Nach Auskunft des Botschaftssekretärs sei davon auszugehen, dass der Kläger die Identität U_____ nur angenommen habe, dies aber nicht sein richtiger Name sei. Auch habe der Kläger bereits drei verschiedene Identitäten genutzt und sich auch als Q_____ und G_____ ausgegeben. Interpol Hanoi habe die Fingerabdrücke des Klägers weder der Person des U_____ (geb. ___) noch der des Q_____ (geb. ___) zuordnen können.
Der Kläger hat den auf U_____ ausgestellten Original-Reisepass Nr. ___ in der mündlichen Verhandlung vorgelegt.
Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens sowie die Gerichtsakten des Verfahren VG 4 L 325/13 und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet.
I. Die Klage ist zulässig.
1. Die Klage war von Anfang an dahingehend auszulegen, dass der Kläger die Aushändigung eines eigenständigen Dokuments mit elektronischem Speicher- und Verarbeitungsmedium (elektronischer Aufenthaltstitel) über die ihm erteilte Niederlassungserlaubnis begehrt. Zwar hat der Kläger erstinstanzlich wörtlich beantragt, den Beklagten zu verpflichten, ihm eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen. Jedoch ist das Gericht gemäß § 88 VwGO nicht an die Fassung der Anträge gebunden und bestand für die wörtlich begehrte Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung einer Niederlassungserlaubnis von Anfang an kein Bedürfnis. Denn die auf § 26 Abs. 4 AufenthG gestützte Erteilung der Niederlassungserlaubnis an den Kläger war wirksam und die Niederlassungserlaubnis ist nachfolgend auch nicht erloschen.
Ein Verwaltungsakt ist wirksam erlassen worden, wenn er mit Wissen und Willen der Behörde dem Betroffenen gegenüber bekannt gegeben wurde, d.h. diesem zugeht (vgl. §§ 43 i.V.m. 41 VwVfG). Ob, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Form einem Ausländer im Rahmen einer persönlichen Vorsprache zur Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis der begehrte Verwaltungsakt antragsgemäß erteilt wird, richtet sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls. Dabei fällt die Bekanntgabe eines Aufenthaltstitels in der Regel nicht mit der Aushändigung des elektronischen Aufenthaltstitels nach § 78 AufenthG zusammen, sondern erfolgt zeitlich vorgelagert zum Zeitpunkt der Vorsprache zur Abgabe der Fingerabdrücke und des biometrischen Passfotos, der Entrichtung der Bearbeitungsgebühr und der entsprechenden Eintragung in das Ausländerzentralregister (AZR) durch konkludentes Handeln der Ausländerbehörde (vgl. VGH Kassel, Urteil vom 16. Dezember 2020 – 9 B 2282/20 – juris, Rn. 10 ff.). Hier hat der Beklagte dem Kläger die Niederlassungserlaubnis vom 22. Februar 2005 spätestens mit Einkleben des Aufenthaltsetiketts Nr. ___ in den Reisepass des Klägers Nr. ___ erteilt. Auch wenn der Beklagte über die wahre Identität des Klägers getäuscht worden sein sollte, hat er mit dem Einkleben des Aufenthaltsetiketts Nr. ___ in den vom Kläger vorgelegten Reisepass Nr. ___ bewusst und gewollt gegenüber dem Kläger eine Regelung getroffen.
Die Niederlassungserlaubnis vom 22. Februar 2005 ist auch unabhängig davon, ob der Kläger den Beklagten über seine Identität getäuscht hat, wirksam, weshalb die Frage, ob eine solche Täuschung hier erfolgt ist, offenbleiben kann. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels an einen über seine Identität täuschenden Ausländer weist keinen besonders schwerwiegenden Fehler i.S.d. § 44 Abs. 1 VwVfG auf, denn sie bezieht sich auf eine real existierende Person. Auch § 48 VwVfG liegt die gesetzgeberische Wertung zugrunde, dass ein durch arglistige Täuschung erwirkter Verwaltungsakt nicht nichtig, sondern nur rücknehmbar ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2017 – 1 C 16/16 – juris, Rn. 21 f. sowie – zur Wirksamkeit einer durch Identitätstäuschung erschlichenen Einbürgerung – Urteil vom 9. September 2014 – 1 C 10.14 – juris, Rn. 15 ff.).
Die dem Kläger wirksam erteilte Niederlassungserlaubnis vom 22. Februar 2005 ist auch nicht zwischenzeitlich erloschen. Der bloße Umstand, dass der Kläger in der Zwischenzeit keinen gültigen Pass besessen hat, genügt hierfür nicht, wie schon die Vorschrift des § 52 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AufenthG zeigt (vgl. Klaus/Wittmann/Hammer/Klaus, 1. Aufl. 2022, AufenthV § 45c Rn. 4, beck-online). Auch der Ablauf der Gültigkeit des bisherigen Klebeetikettes erschüttert den Bestand der Niederlassungserlaubnis nicht, denn die Erlöschenstatbestände des § 51 AufenthG sind hiervon unabhängig (vgl. hierzu auch VG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 18. September 2020 – 11 B 61/20 – juris, Rn. 42). Ob die vom Beklagten am 15. November 2013 verfügte Rücknahme der erteilten Aufenthaltstitel nach § 51 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG überhaupt auf das Erlöschen der darin nicht konkret genannten Niederlassungserlaubnis vom 22. Februar 2005 führt, kann hier offen bleiben. Denn jedenfalls hat der Beklagte diesen Rücknahmebescheid im Rahmen der Abhilfe des Widerspruchs des Klägers am 31. Juli 2015 wieder aufgehoben. Auch der Beklagte hat die Existenz der Niederlassungserlaubnis vom 22. Februar 2005 bei Klageerhebung nicht in Frage gestellt. Vielmehr ist er – wie auch das Verwaltungsgericht – von ihrem Fortbestand ausgegangen.
2. Für die Klage auf Aushändigung eines elektronischen Aufenthaltstitels über die erteilte Niederlassungserlaubnis hingegen bestand von Anfang an ein Rechtsschutzbedürfnis.
Seit Inkrafttreten des § 78 Abs. 1 Satz 1 AufenthG zum 1. September 2011 wird die Niederlassungserlaubnis als Aufenthaltstitel nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AufenthG als eigenständiges Dokument mit elektronischem Speichermedium ausgestellt, mithin seitdem grundsätzlich – mit den hier nicht einschlägigen Ausnahmen nach § 78a AufenthG – nicht mehr als Etikett in den Pass eingeklebt. Zwar ist die Gültigkeit des am 16. November 2006 in den damaligen Reisepass des Klägers eingebrachten Aufenthaltsetiketts Nr. ___ nicht unmittelbar mit der Einführung des elektronischen Aufenthaltstitels zum 1. September 2011 entfallen. Vielmehr blieben Klebe-Etiketten von unbefristeten Aufenthaltstiteln, die – wie hier – vor dem 1. September 2011 ausgestellt wurden, trotz Einführung des elektronischen Aufenthaltstitels zum 1. September 2011 zunächst gültig. Denn die gleichzeitig eingeführte Übergangsvorschrift des § 105b Satz 1 AufenthG a.F. ordnete an, dass Aufenthaltstitel nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AufenthG, d.h. Niederlassungserlaubnisse, die bis zum Ablauf des 31. August 2011 nach einheitlichem Vordruckmuster gemäß § 78 in der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung des Aufenthaltsgesetzes ausgestellt wurden, bei Neuausstellung, spätestens aber bis zum Ablauf des 31. August 2021 als eigenständige Dokumente mit elektronischem Speicher- und Verarbeitungsmedium nach § 78 AufenthG auszustellen sind. Aufenthaltsetiketten nach dem alten einheitlichen Vordruckmuster verloren ihre Gültigkeit mithin (erst) zum 1. September 2021, wobei der 31. August 2021 eine absolute Fristgrenze und eine Verlängerung der Gültigkeit über diesen Zeitpunkt hinaus nicht möglich war (vgl. BeckOK AuslR Brinktrine, 42. Ed. 1. Juli 2024, AufenthG § 105b Rn. 3 f.; vgl. auch Fehrenbacher, HTK-AuslR, Stand: 18. November 2016 zu § 105b AufenthG a.F., Rn. 3; Bergmann/Dienelt/Wunderle, AufenthG, 14. Aufl. 2022, § 105b, Rn. 2). Da jedoch der Reisepass Nr. ___, mit dem das Aufenthaltsetikett Nr. ___ fest verbunden war, bereits am 5. November 2011 seine Gültigkeit verlor, verfügte der Kläger schon seit Klageerhebung im Jahr 2016 über keine gültige Verkörperung seines Aufenthaltstitels mehr. Ein Ausländer muss jedoch jederzeit in der Lage sein, seinen ausweisrechtlichen Pflichten gemäß §§ 48, 49 AufenthG zu genügen. Daher ist eine Aufenthaltstitel-Urkunde mit dem Inhalt der Aufenthaltstitel-Erlaubnis nach Verlust oder bei Unbrauchbarkeit der Aufenthaltstitel-Urkunde erneut auszustellen, wenn der Aufenthaltstitel – wie hier – nicht erloschen ist (vgl. Kluth/Hornung/Koch ZuwanderungsR-HdB/Maor, 3. Aufl. 2020, § 4 Rn. 4, beck-online). Einen elektronischen Aufenthaltstitel über die ihm am 22. Februar 2005 erteilte Niederlassungserlaubnis hat der Beklagte dem Kläger indes bis heute nicht ausgestellt.
Das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers für eine Klage auf Aushändigung eines elektronischen Aufenthaltstitels über seine Niederlassungserlaubnis entfällt auch nicht deshalb, weil der Kläger seiner Passflicht (§ 3 AufenthG) nicht genügt bzw. kein Reisepass vorliegt, auf den der begehrte elektronische Aufenthaltstitel i.S.d. § 78 Abs. 1 Satz 3 Nr. 10 und 11 AufenthG verweisen kann:
Gemäß § 78 Abs. 1 Satz 3 Nr. 10 und 11 AufenthG sind auf den Kartenkörper des elektronischen Aufenthaltstitels die Seriennummer sowie die Gültigkeitsdauer des zugehörigen Passes oder Passersatzpapiers aufzunehmen. Hierdurch wird gewährleistet, dass bei Ablauf der Gültigkeit oder bei Verlust des Passes oder Passersatzpapiers eine Vorsprache in der Ausländerbehörde erfolgt. Dies wiederum soll sicherstellen, dass zu einem Aufenthaltstitel immer ein gültiger Pass oder Passersatz vorliegt und die Passpflicht nach § 3 AufenthG erfüllt wird. Zwar ist durch das Gesetz zur Verbesserung der Rückführung (Rückführungsverbesserungsgesetz) vom 21. Februar 2024 (BGBl. I Nr. 54) § 78 Abs. 1 Satz 8 AufenthG angefügt worden und kann danach bei einer Niederlassungserlaubnis auf die Angabe der Seriennummer und Gültigkeitsdauer des zugehörigen Passes oder Passersatzpapiers i.S.d. § 78 Abs. 1 Satz 3 Nr. 10 und 11 AufenthG verzichtet werden. Dies setzt jedoch voraus, dass bei der Beantragung dieses Aufenthaltstitels ein anerkannter und gültiger ausländischer Pass vorliegt (vgl. zu alledem: Gesetzesbegründung zu § 78 Abs. 1 Satz 8 AufenthG, BT-Drs. 20/9463, S. 50).
Der in § 3 Abs. 1 AufenthG geregelten Passpflicht wird (nur) mit der Vorlage eines gültigen und anerkannten Passes genügt (vgl. hierzu nur Huber/Mantel AufenthG/Westphal/Huber, 3. Aufl. 2021, AufenthG § 3 Rn. 1, beck-online). Anhaltspunkte dafür, dass der im Jahr 2015 ausgestellte Reisepass Nr. ___ gefälscht, mithin ungültig sein könnte, sind indes weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich. Der Senat hat den Reisepass Nr. ___ in der mündlichen Verhandlung in Augenschein nehmen können und keine offensichtlichen Spuren einer Fälschung oder Manipulation feststellen können. Da das Vorgängerdokument – der bis zum 5. November 2011 gültige Reisepass Nr. ___ – von der Bundespolizei kriminaltechnisch untersucht und dort als "echter Vordruck" eingestuft worden ist, wobei Spuren einer Fälschung bzw. Manipulation gerade nicht festgestellt wurden, und die vietnamesische Botschaft den noch bis 14. September 2025 gültigen Reisepass Nr. ___ auf der Grundlage des Reisepasses Nr. ___ ausgestellt hat, haben sich für den Senat keine durchgreifenden Zweifel an der Echtheit des Passes ergeben. Es ist vom Beklagten auch nicht geltend gemacht noch sonst ersichtlich, dass der (grüne) Reisepass des Klägers nach den insofern maßgeblichen innerstaatlichen Entscheidungen (vgl. hierzu BeckOK AuslR/Maor, 42. Ed. 1.7.2024, AufenthG § 3 Rn. 13, beck-online m.w.N. sowie die im Bundesanzeiger vom 25. Oktober 2022 veröffentlichte Allgemeinverfügung des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI) über die Anerkennung ausländischer Pässe und Passersatzpapiere vom 13. Oktober 2022) nicht anerkannt sei. Auch insofern bestand hier kein Grund für weitere Ermittlungen.
3. Die hiesige Klage ist als Verpflichtungsklage statthaft.
Zwar kommt der Ausstellung einer Scheckkarte über die Niederlassungserlaubnis bei objektiver Betrachtungsweise grundsätzlich kein Regelungsgehalt zu. Die Niederlassungserlaubnis ist ein unbefristeter Aufenthaltstitel (§ 9 Abs. 1 Satz 1 AufenthG) und muss daher nicht verlängert oder neu erteilt werden. Lediglich die Dokumentation der bestehenden Niederlassungserlaubnis muss in bestimmten Zeiträumen erneuert werden. Diese Erneuerung ist nach § 78 AufenthG nicht mit inhaltlichen Prüfungen verbunden. Regelmäßig liegt daher in der Neuausstellung eines Dokuments nach § 78 AufenthG lediglich die Bescheinigung einer schon bestehenden Niederlassungserlaubnis, nicht aber ihre Neuerteilung (vgl. zu alledem: VG Düsseldorf, Urteil vom 22. Februar 2021 – 2 K 6701/20 – juris, Rn. 33 f.; VG Augsburg, Beschluss vom 23. Mai 2019 – Au 6 E 19.549 – juris, Rn. 53 ff.; VG München, Urteil vom 26. Juli 2022 – M 4 K 19.357 – juris, Rn. 45; VG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 18. September 2020 – 11 B 61/20 – juris, Rn. 42).
Vorliegend ist jedoch nicht allein § 78 AufenthG, sondern auch die Übergangsvorschrift des § 105b AufenthG zu berücksichtigen, die den Inhabern von Aufenthaltstiteln einen materiellen Anspruch auf Neuausstellung des Aufenthaltstitels gibt (vgl. hierzu BeckOK AuslR/Brinktrine, 42. Ed. 1.7.2024, AufenthG, § 105b, Rn. 5 f. m.w.N.). Diese ist trotz Ablaufs der Übergangsfrist zum 31. August 2021 nicht aus dem Gesetz gestrichen worden. Soweit – wie hier – alte Aufenthaltstitel entgegen der entsprechenden Vorgabe nicht als neue elektronische Aufenthaltstitel ausgestellt wurden, vielmehr die Übergangsfrist am 31. August 2021 ohne entsprechende Ersetzung des herkömmlichen Klebeetiketts abgelaufen ist, hat die Vorschrift des § 105b AufenthG mithin weiterhin Bedeutung (vgl. hierzu NK-AuslR/Weizsäcker, 3. Aufl. 2023, AufenthG, § 105b Rn. 2; NK-AuslR/Hofmann, AufenthG, 1. Aufl. 2021, § 105b Rn. 6).
Gemäß § 105b Satz 2 AufenthG in der zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung geltenden Fassung vom 8. Oktober 2023 können Inhaber eines Aufenthaltstitels nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AufenthG, d.h. Inhaber einer Niederlassungserlaubnis, ein eigenständiges Dokument mit elektronischem Speicher- und Verarbeitungsmedium (nur dann) nach § 78 beantragen, wenn sie ein „berechtigtes Interesse“ an der Neuausstellung darlegen. Auch wenn der Begriff „berechtigtes Interesse“ weit zu verstehen ist und ein solches schon mit dem Ablauf der Übergangsfrist zum 1. September 2021 begründet werden kann (so NK-AuslR/Hofmann, AufenthG, 1. Aufl. 2021, § 105b Rn. 6), ist im Einzelfall zu prüfen, ob das berechtigte Interesse tatsächlich gegeben ist. Ausgehend hiervon ist vorliegend noch eine behördliche Regelung zu treffen, weshalb statthafte Klageart die Verpflichtungs- und nicht die Leistungsklage ist (vgl. hierzu auch BeckOK AuslR/Brinktrine, 42. Ed. 1.7.2024, AufenthG, § 105b Rn. 5 f. m.w.N.).
4. Der Durchführung eines Vorverfahrens bedurfte es hier nicht, denn der Kläger hat die Klage zulässig als Untätigkeitsklage i.S.d. § 75 Satz 1 und 2 VwGO erhoben.
Nach § 75 Satz 1 VwGO ist die Klage abweichend von § 68 VwGO zulässig, wenn über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund nicht in angemessener Frist sachlich entschieden wurde. Dabei kann die Klage gemäß § 75 Satz 2 VwGO nicht vor Ablauf von drei Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden. Der Beklagte hatte bei Klageerhebung am 10. Juni 2016 über den Antrag des Klägers im Schriftsatz vom 17. September 2015 seit mehr als drei Monaten ohne sachlichen Grund nicht entschieden. Die im Schriftsatz vom 18. Januar 2016 zum Ausdruck gebrachte Annahme des Beklagten, die Identität des Klägers sei nicht geklärt, stellt keinen sachlichen Grund im Sinne des § 75 Satz 1 VwGO dar, denn dies hinderte die Behörde an der – ggf. ablehnenden – Bescheidung nicht. Auf die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen hat sich der Beklagte nicht berufen. Vielmehr ging er ausweislich seines Schreibens vom 18. Januar 2016 davon aus, es sei erwiesen, dass der Kläger nicht U_____ sei. Der Kläger hat sein Recht zur Erhebung einer Untätigkeitsklage auch nicht durch Zeitablauf verwirkt. Seit dem Wegfall des § 76 VwGO sind Klagen gemäß § 75 VwGO ohne feste zeitliche Grenze zulässig (Kopp/Schenke, VwGO 28. Aufl. 2022, § 76 Rn. 1). Hier lag die Antragstellung bei Klageerhebung erst circa neun Monate zurück.
5. Die Klage ist auch nicht deshalb unzulässig, weil über die Identität des Klägers gestritten wird. Zwar muss die Klage gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO den Kläger bezeichnen. Erforderlich ist insofern jedoch nur, dass eine tatsächlich existente und identifizierbare Person klagt. Tritt jemand unter falschem Namen auf, berührt dies die tatsächliche Identität im Sinne von tatsächlicher Existenz nicht, auf die es indes allein ankommt. Die Vorschrift des § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO dient nur der Identifizierung der am Rechtsstreit beteiligten Personen. Es geht dabei um deren eindeutige Bestimmbarkeit, womit vor allem ihre Erreichbarkeit für das Gericht sichergestellt werden soll. Tritt eine Person als Kläger unter einer unwahren Identität auf, wird dieser Zweck zumindest dann nicht in Frage gestellt, wenn er unter dieser Identität – wie hier – am Rechtsleben teilnimmt, mithin unter dieser tatsächlich lebt und erreichbar ist (vgl. OVG Bautzen, Beschluss vom 24. Juni 2021 – 3 A 891/18.A – juris, Rn. 20 m.w.N. auch zur Rspr. des BVerwG).
II. Die Klage ist auch begründet.
Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch ergibt sich aus § 105b Satz 2 i.V.m. § 78 AufenthG in der zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung gültigen Fassung. Gemäß § 105b Satz 2 AufenthG in der Fassung vom 8. Oktober 2023 können Inhaber eines Aufenthaltstitels nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AufenthG, d.h. Inhaber einer Niederlassungserlaubnis, ein eigenständiges Dokument mit elektronischem Speicher- und Verarbeitungsmedium nach § 78 beantragen, wenn sie ein berechtigtes Interesse an der Neuausstellung haben. Nach § 78 Abs. 1 AufenthG in der Fassung vom 21. Februar 2024 wird ein Aufenthaltstitel nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AufenthG, d.h. die Niederlassungserlaubnis (§ 9), als eigenständiges Dokument mit elektronischem Speicher- und Verarbeitungsmedium ausgestellt, wobei der Ausländer nach der Erstellung des elektronischen Aufenthaltstitels durch die Bundesdruckerei einen Anspruch auf Herausgabe des ausgestellten Dokuments hat (vgl. hierzu Zühlcke, HTK-AuslR / § 78 AufenthG / Allgemein, Stand: 23. Februar 2024, Rn. 12; VG Stuttgart, Urteil vom 10. Februar 2022 – 11 K 2620/21 – juris, Rn. 55; VG Augsburg, Beschluss vom 23. Mai 2019 - Au 6 E 19.549, Au 6 K 19.547 – juris, Rn. 53 ff.; VG Aachen, Beschluss vom 24. Oktober 2014 – 4 L 573/14 – juris, Rn. 35).
Die Voraussetzungen der vorgenannten Vorschriften liegen im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor. Der Kläger ist – wie bereits dargelegt – Inhaber der Niederlassungserlaubnis vom 22. Februar 2005, denn der Beklagte hat ihm diese wirksam erteilt und sie ist nicht zwischenzeitlich erloschen. Der Kläger hat auch ein berechtigtes Interesse an der Neuausstellung dieser Niederlassungserlaubnis. Der Begriff „berechtigtes Interesse“ i.S.d. § 105b Satz 2 AufenthG in der Fassung vom 8. Oktober 2023 ist weit zu verstehen. Ein solches Interesse ist schon dann anzuerkennen, wenn die neue Dokumentenform es dem Antragsteller erleichtert, seine Pflichten bzw. subjektiven Rechte zu verfolgen (vgl. BeckOK AuslR/Brinktrine, 42. Ed. 1.7.2024, AufenthG, § 105b, Rn. 5 f. m.w.N.). Dies ist hier der Fall. Denn – wie oben dargelegt – verfügt der Kläger über keine gültige Verkörperung der Niederlassungserlaubnis mehr, obgleich er eine solche benötigt. Ob der Kläger den Beklagten, wie dieser meint, über seine Identität getäuscht hat, kann auch hier dahinstehen. Denn das berechtigte Interesse entfiele auch im Falle einer Identitätstäuschung durch den Kläger nicht. Das Bundesverfassungsgericht (Urteil vom 24. Mai 2006 – 2 BvR 669/04 -, juris, Rn. 63 ff.) verlangt nicht, dass jede durch Täuschung erlangte Rechtsposition rückgängig gemacht werden muss, sondern nur, dass eine Rechtsordnung die Voraussetzungen ihrer eigenen Wirksamkeit nicht untergraben darf. Dabei betont es, dass es grundsätzlich Sache der gesetzgeberischen Beurteilung ist, auf welche Weise dies geschieht. Diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben genügen die gesetzlichen Regelungen über die Rücknahme und den Widerruf begünstigender Verwaltungsakte. Hierdurch gewährt das Recht einer missbräuchlich handelnden Person für Rechtspositionen, die sie im Widerspruch zum geltenden Recht durch Täuschung erlangt hat, keinen Bestandsschutz. Dass die zuständige Behörde von dieser Möglichkeit im Einzelfall keinen Gebrauch macht, untergräbt nicht die Wirksamkeit der Rechtsordnung. Aus dem gleichen Grund ist das Begehren des Klägers auf Aushändigung des elektronischen Aufenthaltstitels zu der ihm erteilten Niederlassungserlaubnis vom 22. Februar 2005 im Falle einer Identitätstäuschung nicht rechtsmissbräuchlich. Täuscht ein Ausländer deutsche Behörden über aufenthaltsrechtlich beachtliche Umstände, ist es Aufgabe der Ausländerbehörde, auf dieses Verhalten zu reagieren, etwa durch Aufhebung des dem Ausländer erteilten Aufenthaltstitels. Macht die Ausländerbehörde indes – wie hier – von den ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten keinen Gebrauch, kann sie dem Ausländer die von ihr selbst folgenlos hingenommene Täuschung nicht entgegenhalten (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2017 – 1 C 16/16 – juris, Rn. 26 f.).
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.
Beschluss:
Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird für die Berufungsinstanz auf 5.000,00 Euro festgesetzt (§ 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 und 3 GKG).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 2 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).