Gericht | OLG Brandenburg 4. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 07.02.2025 | |
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Aktenzeichen | 13 UF 150/24 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2025:0207.13UF150.24.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
I.
Die beschwerdeführende Antragstellerin wendet sich gegen eine Entscheidung des Amtsgerichts, wonach die elterliche Sorge der Mutter der eingangs genannten Kinder ruht und festgestellt wird, dass die elterliche Sorge vom Vater der Kinder ausgeübt wird.
Bisher waren die Eltern gemeinsam für die beiden 15 und 17 Jahre alten Mädchen sorgeberechtigt, welche im Haushalt ihrer Mutter lebten. Nachdem die Mutter an einer schweren Demenz erkrankte und ihre Wohnverhältnisse nicht mehr hinnehmbar waren, erklärte sich die Großmutter der Kinder, die Antragstellerin, bereit, die Mädchen in ihren Haushalt aufzunehmen, wo sie seit dem Spätsommer 2022 leben. Die Mutter steht inzwischen unter gesetzlicher Betreuung und lebt in einem Pflegeheim. Der Vater der Kinder leidet an Depressionen und steht ebenfalls unter Betreuung.
Die Antragstellerin hat mit der Begründung, die Mutter sei zur Ausübung der elterlichen Sorge krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage und der Vater sei für sie, die Antragstellerin, nicht erreichbar und kümmere sich in keiner Form um die Belange seiner Kinder, ihre Bestellung zum Vormund begehrt. Im Verfahren hat der Vater der Antragstellerin sodann eine Personensorgevollmacht erteilt.
Mit dem angefochtenen Beschluss, auf den der Senat wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist (67 ff. eiP AG), hat das Amtsgericht nach persönlicher Anhörung der Eltern, der Antragstellerin und der Kinder das Ruhen der elterlichen Sorge der Mutter und die Alleinsorge des Vaters festgestellt. Es sei nicht ersichtlich, dass der Vater gesundheitlich nicht in der Lage sei, sorgerechtliche Entscheidungen zu treffen und mit Blick auf die Geschäftsfähigkeit des Vaters sei die erteilte Vollmacht wirksam. Auf ihrer Grundlage benötige die Antragstellerin für die Ausübung der Personensorge keine Zustimmung der Eltern. Von der Bestellung eines Verfahrensbeistands habe mit Blick auf das Alter der Kinder und ihre Fähigkeit, die zu entscheidende Frage zu beurteilen sowie ihre Interessen und ihren Willen zu formulieren, abgesehen werden können.
Gegen die Alleinsorge des Vaters richtet sich die Beschwerdeführerin mit ihrer Beschwerde, mit der sie an ihrem erstinstanzlichen Begehren festhält. Die vom Vater erteilte Vollmacht sei in vermögensrechtlichen Angelegenheiten untauglich und werde auch sonst von Behörden und Banken nicht akzeptiert. Das Amtsgericht habe zu Unrecht davon abgesehen, auch das krankheitsbedingte Ruhen der elterlichen Sorge des Vaters festzustellen, der seinen Fürsorgepflichten seit zwei Jahren nicht nachkomme und den Kontakt abgebrochen habe. Im Übrigen habe das Amtsgericht zu Unrecht von der Bestellung eines Verfahrensbeistands abgesehen.
Die Beschwerdeführerin beantragt (Bl. 23 eiP OLG),
den Beschluss des Amtsgerichts Nauen vom 20.08.2024 und das Verfahren, auf dem er beruht, aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht Nauen zurückzuverweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist der Senat auf den Schriftsatzwechsel im Beschwerdeverfahren sowie auf seinen Hinweis vom 13.01.2025 (Bl. 21 eAkte OLG). Er entscheidet ohne mündliche Verhandlung (§ 68 Abs. 3 S. 2 FamFG), von der ein weiterer Erkenntnisgewinn nicht zu erwarten war. Eine erneute Anhörung der Beteiligten ist zudem entbehrlich, wenn der angefochtene Beschluss in jedem Fall aufzuheben ist (vgl. Schulte-Bunert/Weinreich/Unger/Roßmann, FamFG, 5. Aufl., § 68 Rn. 41 m.w.N.).
II.
Die nach § 58 ff. FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat vorläufig Erfolg insoweit, als sie zur Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung über den Sorgerechtsantrag und gemäß § 69 Abs. 1 S. 2 FamFG zur Zurückverweisung der Sache an das Familiengericht führt.
Es liegt noch keine abschließende Entscheidung in der Sache vor, weil das Amtsgericht es entgegen § 158 Abs. 2 Nr. 1 FamFG verfahrensfehlerhaft versäumt hat, einen Verfahrensbeistand zu bestellen und diesen am Verfahren zu beteiligen. Zieht das Gericht einen gemäß § 7 FamFG notwendig am Verfahren zu beteiligenden fehlerhaft nicht hinzu, ist diesem gegenüber noch keine Entscheidung in der Sache getroffen worden. Das ist insbesondere auch dann der Fall, wenn die gesetzlich notwendige Bestellung eines Verfahrensbeistands unterblieben ist (OLG Bamberg, BeckRS 2023, 23262; OLG Frankfurt, Beschluss vom 8. Juni 2021 – 6 UF 79/21 –, Rn. 9, juris; OLG Zweibrücken, BeckRS 2022, 4509; OLG Hamm, FamRZ 2018, 456; OLG Rostock, FamRZ 2014, 2020; OLG Brandenburg, FamRB 2012, 343; Sternal/Sternal, 21. Aufl. 2023, FamFG § 69 Rn. 19; Bumiller/Harders/Schwamb/Bumiller, 13. Aufl. 2022, FamFG, § 69 Rn. 10; vgl. auch Zöller-Feskorn, 34. Aufl 2022, FamFG, § 69 Rn. 8 a, 10 für eine entsprechende Zurückverweisung nach Maßgabe von § 69 Abs. 1 S. 3 FamFG).
Die Pflicht zur Bestellung eines Verfahrensbeistands bestand vorliegend, weil die teilweise oder vollständige Entziehung der elterlichen Sorge des Vaters gemäß § 1666 BGB in Betracht kommt (§ 158 Abs. 2 Nr. 1 FamFG). Die Ausführungen der Antragstellerin, wonach der Vater unwidersprochen in sorgerechtlichen Angelegenheiten für die Antragstellerin, in deren Obhut er die Kinder gegeben hat, nicht erreichbar ist und die Angaben des Vaters, wonach er den Kontakt zur Antragstellerin meide und das Thema Bankkonto für seine Kinder aus den Augen verloren habe, hätten dem Amtsgericht Anlass zu der Prüfung geben müssen, ob das Kindeswohl bei einer elterlichen Sorge des Vaters gefährdet ist. In diesem Zusammenhang durfte das Amtsgericht nicht von der Bestellung eines Verfahrensbeistands absehen. Hiervon war es auch nicht dadurch entbunden, dass der Vater eine - zumal auslegungsbedürftige - Personensorgevollmacht erteilt hat, denn eine solche wendet allenfalls eine bestehende Gefahr für das Kindeswohl ab (BeckOGK/Burghart, 1.11.2024, BGB § 1666 Rn. 101.1, beck-online).
Der Senat ist in dieser Situation befugt, auch ohne entsprechenden Antrag eines Verfahrensbeteiligten, unter Aufhebung der ergangenen Entscheidung, die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen, wobei die Antragstellerin dies auch beantragt hat. Da ein Verfahrensbeistand fehlerhaft nicht hinzugezogen worden war und damit auch die betroffenen Kinder nicht ordnungsgemäß am Verfahren beteiligt worden sind (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 25.07.2021, 15 UF 132/12, BeckRS 2021, 3755) hat das Familiengericht bisher eine Entscheidung in der Sache noch nicht in der gebotenen Weise umfassend getroffen. Mit der Aufhebung und Zurückverweisung wird verhindert, dass dem Verfahrensbeistand eine Tatsacheninstanz entzogen wird (vgl. OLG Koblenz, BeckRS 2020,32944; Abramenko in: Prütting/Helms, FamFG, 6. Auflage 2023, § 69 FamFG, Rn. 8) und zudem dem Familiengericht die Möglichkeit gegeben, seiner Pflicht zur Sachaufklärung nach § 26 FamFG nachzukommen (vgl. OLG Zweibrücken, BeckRS 2022, 4509) und Ermittlungen auf der Grundlage des bislang noch ausstehenden Ergebnisses der Anhörungen des Verfahrensbeistands (§ 159 FamFG) durchzuführen.
III.
Die Nichterhebung der Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 20 Abs. 1 S.1 FamGKG. Die übrige Kostenentscheidung über das Beschwerdeverfahren ist dem Amtsgericht vorzubehalten (vgl. Schulte-Bunert/Weinreich/Unger, FamFG, 6. Aufl., § 69, Rn. 29 m.w.N.).
Die Wertfestsetzung folgt aus den §§ 55 Abs. 2, 40, 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG.
Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, besteht nicht, § 70 Abs. 2 FamFG.