Gericht | OLG Brandenburg 3. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 13.02.2025 | |
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Aktenzeichen | 3 W 84/24 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2025:0213.3W84.24.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
I.
Der Antragsteller - der einzige Abkömmling des Erblassers - hat am 02.03.2023 unter Bezugnahme auf ein handschriftliches Testament vom 30.11.1992 die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der ihn als Alleinerben des Erblassers ausweist. Die Antragsgegnerin - die Lebensgefährtin des Erblassers - ist dem mit Schriftsatz vom 17.03.2023 unter Berufung auf einen notariellen Erbvertrag vom 25.08.2015 entgegengetreten. Sie hat die Auffassung vertreten, dass das Testament vom 30.11.1992 keine Bindungswirkung habe, da es allein vom Erblasser und nicht von dessen vorverstorbener Ehefrau unterzeichnet worden sei.
Mit Beschluss vom 20.10.2023 hat das Amtsgericht die zur Begründung des Antragstellers vom 02.03.2023 auf Erteilung eines Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet und die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses ausgesetzt. Gegen die ihm am 25.10.2023 zugestellte Entscheidung hat die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 27.11.2023, eingegangen beim Amtsgericht am selben Tag „fristwahrend“ Beschwerde eingelegt und eine Beschwerdebegründung „im Rahmen der vom Gericht gesetzten Fristen“ angekündigt. Das Amtsgericht hat der Antragsgegnerin mit Verfügung vom 29.11.2023 eine Frist zur Beschwerdebegründung von drei Wochen gesetzt und die Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers davon in Kenntnis gesetzt. Diese hat daraufhin mit Schriftsatz vom 01.12.2023 angezeigt, den Antragsteller auch im Beschwerdeverfahren zu vertreten und beantragt, die Beschwerde auf Kosten der Antragsgegnerin zurückzuweisen.
Mit Schriftsatz vom 05.12.2023 hat die Antragsgegnerin um Überprüfung gebeten, ob das vom Antragsteller in Bezug genommene Testament im Original bei Gericht vorliege. Sollte dies nicht der Fall sein, entspreche es der Lebenserfahrung, dass es sich bei dem Testament nur um einen Entwurf handele, der nicht zur Verwendung in der Rechtspraxis vorgesehen gewesen sei. Eine Fotokopie sei dann nicht ausreichend. Nach ihrem Kenntnisstand liege dem Gericht bisher kein Originaltestament vor. Sollte dies anders sein, werde die Beschwerde zurückgenommen. Auf die Mitteilung des Amtsgerichts, dass sich das Testament vom 30.11.1992 im Original bei der Akte befinde, seitdem der Erblasser dies nach dem Tod seiner Ehefrau im Jahr 1995 abgeliefert habe, nahm die Antragsgegnerin ihre Beschwerde mit Schriftsatz vom 20.12.2023 zurück.
Der Antragsteller hat beantragt, der Antragsgegnerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.
Die Antragsgegnerin hat die Auffassung vertreten, die Kosten seien gegeneinander aufzuheben. Sie habe angesichts des „aus dem Nichts aufgetauchten“ Testaments sowie der Art und Weise, wie die Unterschriften gesetzt seien, ein rechtliches Bedürfnis nach Überprüfung sowohl in tatsächlicher als auch rechtlicher Hinsicht gehabt.
Mit Beschluss vom 11.04.2024 hat das Amtsgericht die Kosten des Beschwerdeverfahrens gegeneinander aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Antragsteller habe vor Beauftragung seiner Verfahrensbevollmächtigten für das Beschwerdeverfahren zunächst die Begründung der nur vorsorglich Beschwerde abwarten können. So seien unnötige Kosten ausgelöst worden.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, der beantragt, die Kosten des Beschwerdeverfahrens insgesamt der Antragsgegnerin aufzuerlegen.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses nicht abgeholfen und die Sache dem Senat mit Beschluss vom 26.06.2024 zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die gemäß §§ 58 ff FamFG zulässige Beschwerde ist begründet.
1.
Der nach § 61 FamFG erforderliche Beschwerdewert von 600 € ist erreicht. Denn die Gerichtskosten belaufen sich bei einem Gegenstandswert von 52.740 € auf 57,60 € (0,3-Verfahrensgebühr nach Tabelle B, KV 12220, 12221 GNotKG), wovon der Beschwerdeführer nach der angefochtenen Entscheidung die Hälfte tragen soll, und die dem Beschwerdeführer auferlegten Anwaltskosten betragen 1.821,06 € (1,1-Verfahrensgebühr nach Nr. 3200, 3201 VV RVG zuzüglich 20 € Postpauschale gemäß KV 7002 VV RVG und 19% Mehrwertsteuer nach 7008 VV RVG, vgl. Schneider, ErbR 2024, 573).
2.
Die Beschwerde ist begründet.
a)
Das Amtsgericht hat zu Recht selbst über die Kosten des Beschwerdeverfahrens entschieden, nachdem die Antragsgegnerin ihre Beschwerde vom 27.11.2023 vor Durchführung des Abhilfeverfahrens zurückgenommen hat (vgl. KG, Beschluss vom 31.05.2011 - 1 W 278/11, FGPrax 2011, 207; OLG München, Beschluss vom 10.08.2023 - 33 WX 157/23, ErbR 2023, 867; Sternal/Sternal, FamFG, 21. Aufl., § 67 Rn. 29).
b)
Im Ergebnis ist die Kostenentscheidung aber wie tenoriert abzuändern.
Nach Beschwerderücknahme richtet sich die Kostenentscheidung nach §§ 84, 83 Abs. 2, 81 Abs. 1 S. 1 FamFG (vgl. BGH, Beschluss vom 26.02.2021 - V ZB 19/20). § 84 FamFG ist auch auf die Rechtsmittelrücknahme anwendbar (Zöller/Feskorn, ZPO, 35. Aufl., § 84 FamFG Rn. 3). Denn der Gesetzgeber wollte diese Vorschrift ausdrücklich auch auf den Fall der Rücknahme des Rechtsmittels angewendet wissen (BT-Drs. 16/6308, 216; BeckOK/Weber, FamFG, 52. Ed., Stand: 01.12.2024, § 84 Rn. 4a).
Bei der Zurücknahme eines Rechtsmittels entspricht es in der Regel der Billigkeit, dass derjenige, der das Rechtsmittelverfahren in Gang gebracht hat, die einem anderen Beteiligten dadurch notwendig erwachsenen Kosten erstattet (Sternal/Weber, FamFG, a. a. O. § 84 Rn. 18). Aufgrund der Ausgestaltung des § 84 FamFG als „Soll“-Regelung kann das Gericht in besonders gelagerten Fällen aber abweichend entscheiden (Zöller/Feskorn, a. a. O. § 84 FamFG Rn. 5). Im vorliegenden Fall gibt es keinen Anlass, die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels der Antragsgegnerin - wie vom Amtsgericht entschieden - gegeneinander aufzuheben.
Ob die von dem Amtsgericht vorgenommene Ermessensentscheidung der uneingeschränkten Überprüfungskompetenz des Beschwerdegerichts unterliegt (wohl zutreffend bejahend unter Bezugnahme auf BGH, Beschluss vom 12.10.2016 - XII ZB 372/16, Rn. 8, juris und auf BGH, Beschluss vom 28.09.2016 - XII ZB 251/116, Rn. 34: OLG Bamberg, Beschluss vom 14.0.2020 - 2 WF 90/20, Rn. 6 ff., NJOZ 2020, 1278; OLG Brandenburg, Beschluss vom 30.08.2019 - 9 WF 183/19, Rn. 7, BeckRS 2019, 22237; BeckOK/Weber, FamFG, 52. Ed., Stand: 01.12.2024, § 81 Rn. 36a; Musielak/Borth/Frank, FamFG, 7. Aufl., § 69 Rn. 13 und § 81 Rn. 18) oder nur auf Fehler bei der Ermessensausübung zu prüfen ist (so etwa Sternal/Weber, FamFG, 21. Aufl. § 81 Rn. 61 unter Bezugnahme auf BGH, FamRZ 2007, 893), kann dahinstehen. Denn das Amtsgericht hat sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt, indem es den Sachverhalt nicht umfassend und zutreffend gewürdigt hat und infolgedessen fehlerhaft besondere Umstände für eine vom Grundsatz des § 84 FamFG abweichende Kostenentscheidung angenommen hat.
Als besondere Umstände, die eine andere Beurteilung rechtfertigen als in § 84 FamFG grundsätzlich vorgesehen, kommen insbesondere in Betracht: Die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels im Einzelfall bei summarischer Prüfung, der objektive Anlass zur Einlegung des Rechtsmittels, die Art der Verfahrensführung und die verschuldete oder unverschuldete Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse und die ausdrücklich nur vorsorgliche Einlegung des Rechtsmittels, wenn dieses alsbald zurückgenommen wird und es dem Beschwerdegegner zugemutet werden konnte, eigene Aufwendungen (Anwaltskosten) zunächst zurückzustellen (BeckOK/Weber, a. a. O., § 84 Rn. 5 m. w. N.; Bumiller/Harders/Schwamb/Bumiller, FamFG, 13. Aufl., § 84 Rn. 3; Kroiß/Horn/Solomon, Nachfolgerecht, 3. Aufl. § 81 FamFG Rn. 12).
aa)
Solche besonderen Umstände liegen hier nicht vor. Die in der Beschwerdeschrift enthaltene Erklärung, die Beschwerdeeinlegung erfolge fristwahrend, eine Begründung werde nachgereicht, lässt schon nicht erkennen, dass die Beschwerde nur vorsorglich eingelegt wurde (so auch die vom Amtsgericht in Bezug genommene Entscheidung des KG, Beschluss vom 25.02.2003 - 1 W 472/02, Rn. 6, juris). Denn die Antragsgegnerin hat nicht zu erkennen gegeben, dass sie erst prüfen will, ob sie die Beschwerde noch begründet oder wieder zurücknimmt, sondern ohne Einschränkung die Nachreichung der Beschwerdebegründung angekündigt.
bb)
Im Übrigen entspricht es auch einem allgemeinen Grundsatz des Kostenerstattungsrechts, dass der Umstand, dass eine Kosten auslösende Maßnahme verfrüht ergriffen wurde, auf die Kostenerstattung keinen Einfluss hat, wenn die nachfolgende Entwicklung ergibt, dass die Maßnahme zu einem späteren Zeitpunkt als notwendig anzuerkennen gewesen wäre (KG, a. a. O., Rn. 9, juris). Auch unter Berücksichtigung dieses Grundsatzes entspricht es der Billigkeit, der Antragsgegnerin die Kosten des vorangegangenen Beschwerdeverfahrens insgesamt (einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers) aufzuerlegen. Denn die Antragsgegnerin ließ die Beschwerde durch ihren Verfahrensbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 05.12.2023 begründen, indem sie geltend machte, dass nach ihrem Kenntnisstand ein Original des Testaments bisher nicht bei Gericht vorliege und eine bloße Fotokopie nicht ausreiche, weil dann nur von einem Entwurf auszugehen sei. Dabei bezog sie sich auf einen Beschluss des Amtsgerichts Potsdam vom 23.09.2021 - 52 VI 550/16. Spätestens nachdem das Amtsgericht der Antragstellervertreterin diesen Schriftsatz mit Verfügung vom 15.12.2023 mitgeteilt hat, durfte der Antragsteller eine anwaltliche Vertretung für notwendig halten.
cc)
Hinzu kommt, dass es keinen objektiven Anlass zur Beschwerdeeinlegung gab und die Beschwerde auch keine Aussicht auf Erfolg hatte.
Soweit die Antragsgegnerin in Zweifel zog, ob das Original des Testaments dem Gericht vorliege, hätte sie sich bereits im erstinstanzlichen Verfahren oder spätestens innerhalb der Beschwerdefrist durch Akteneinsicht hierüber Gewissheit verschaffen können.
Abgesehen davon gab es auch keine objektiven Anhaltspunkte für die geäußerten Zweifel. Denn das Testament war nicht - wie sie behauptet - „aus dem Nichts aufgetaucht“. Der Antragsgegnerin war bereits mit Verfügung des Nachlassgerichts vom 05.01.2023 die Eröffnungsniederschrift vom selben Tag mitgeteilt worden, aus der sich ergab, dass dem Gericht ein in der Akte verwahrtes eigenhändiges gemeinschaftliches Testament der Eheleute … (Name 01) und … (Name 02) vom 30.11.1992 vorliege und dieses eröffnet wurde (Beiakte 6 IV 225/15, Bl. 53 f.). Sie hatte mithin bereits vor Einleitung des vorliegenden Erbscheinsverfahrens durch Antrag vom 02.03.2023 Kenntnis von dem Testament. Hätte dies nur in Kopie vorgelegen, wäre dies im Eröffnungsprotokoll vermerkt worden, sofern man die Eröffnung einer bloßen Kopie überhaupt für zulässig erachtet (str., vgl. hierzu MüKo/Muscheler, FamFG, 3. Aufl., § 348 Rn. 12 m. w. N.).
Die Beschwerde hatte aus den Gründen des Beschlusses vom 20.10.2023 keine Aussicht auf Erfolg. Gegen diese hat die Antragsgegnerin auch keine Einwände erhoben, sondern durch Rücknahme der Beschwerde deren Richtigkeit anerkannt.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG, die Festsetzung des Beschwerdewerts auf §§ 37 Abs. 2, 61 Abs. 1 GNotKG.
4.
Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 2 FamFG liegen nicht vor.