Gericht | AG Oranienburg | Entscheidungsdatum | 15.04.2024 | |
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Aktenzeichen | 51 VI 767/22 | ECLI | ECLI:DE:AGORANI:2024:0415.51VI767.22.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Der Testamentsvollstrecker beantragte unter dem 07.06.2023 den Erbschein, der den Beteiligten zu 2) als Alleinerben ausweisen soll. Grundlage dafür ist das zeitlich letzte handschriftliche Testament der Erblasserin vom 05.02.2019, mit Ergänzung vom 08.02.2019 und Änderung zu Ziffer 5 am 02.04.2019. Mit diesem Testament wurde der mittlerweile verstorbene Lebensgefährte der Erblasserin als Vorerbe und der Beteiligte zu 2) als alleiniger Nacherbe eingesetzt. Kinder und Enkel und Urenkel wurden nach Ziffer 4 von der Erbfolge ausgeschlossen. Zuvor hatte die Erblasserin mit handschriftlichen Testamenten vom 13.11.2017 die Tochter (Beteiligte zu 4) und mit handschriftlichen Testament vom 18.05.2015 die Urenkelin (Beteiligte zu 5) bedacht. Der Beteiligte zu 3) (Sohn der Erblasserin) bezieht sich für seinen Erbscheinsantrag auf das notarielle Testament vom 28.02.2013 in dem er als Alleinerbe eingesetzt wurde.
In dem vorliegenden Verfahren war die Testierfähigkeit der Erblasserin zu überprüfen. Diese wurde vom Beteiligten zu 3, soweit die Wirksamkeit der handschriftlichen Testamente in Frage steht, bestritten. Das Gericht hat hierzu sämtliche verfügbaren medizinischen Unterlagen beigezogen, da sich aus dem Pflegegutachten des MdK vom 12.12.2019 mit einiger Wahrscheinlichkeit ergibt, dass die Erblasserin jedenfalls im Dezember 2019 aufgrund fortgeschrittener Demenz nicht mehr testierfähig war. Der Versuch mit Hilfe weiterer ärztlicher Zeugnisse und Befunde sowie unter Einvernahme aller in Betracht zu ziehenden Zeugen ein sicheres Bild zum Verlauf der Demenz zu gewinnen, ist auch mit Hilfe der Sachverständigen J., die ihr Gutachten in der mündlichen Verhandlung am 20.02.2024 erstattete, nicht gelungen. Das Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass zwar eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür spreche, dass die Demenz schon im Februar/April 2019 zur Testierunfähigkeit geführt haben könnte, aber dies nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden könne. Der Verlauf einer Demenz sei höchst individuell, so dass man vom Zustand im Dezember keine sicheren Rückschlüsse auf den Zustand im April ziehen kann. Die weiteren Zeugenaussagen zum Zustand der Erblasserin waren dazu nicht ergiebig. Ärztliche Befunde aus dem Zeitraum vor Dezember 2019, die auf eine Testierunfähigkeit schließen lassen, liegen nicht vor bzw. existieren nicht. Hingegen sprechen die glaubhaften Angaben des Testamentsvollstreckers für die noch bestehende Testierfähigkeit der Erblasserin im Zeitraum Februar bis April 2019. Er hatte mit der Erblasserin anlässlich der Errichtung der Testamente mehrfach Kontakt und diese beraten. Die Testamentsentwürfe wurden nach den Vorstellungen der Erblasserin entworfen. Es wurde ausdrücklich bezeugt, dass die Erblasserin ihre Wünsche selbst zum Ausdruck gebracht hat und auch jeweils die Beweggründe für die Testamentsänderungen vorgebrachte. Dies wäre bei fortgeschrittener Demenz nicht möglich gewesen. Auf der anderen Seite erfolgt die Behauptung des Beteiligten zu 3, dass die Erblasserin bereits seit 2015 nicht mehr wusste was sie Tat, ins Blaue hinein. Soweit danach Zweifel bestehen bleiben, ist anzumerken, dass die Testierfähigkeit einer volljährigen - auch einer unter Betreuung stehenden - Person der Regelfall ist, während eine Testierunfähigkeit im Sinne des § 2229 Abs.4 BGB den Ausnahmefall darstellt. Deshalb trägt grundsätzlich im Erbscheinserteilungsverfahren diejenige Person die Feststellungslast, die aus einer Testierunfähigkeit für sich Vorteile herleiten will (u.a. OLG Hamm, Beschluss vom 5. Februar 2020 – I -15 W 453/17 –, juris). Für ein Streitverfahren gilt: Da die Störung der Geistestätigkeit die Ausnahme bildet, ist der Testator so lange als testierfähig anzusehen, wie nicht die Testierunfähigkeit zur Gewissheit des Gerichts nachgewiesen ist. Für die gerichtliche Feststellung der Testierunfähigkeit ausreichend ist ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen. Solange nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts, eventuell auch nach einer Beweisaufnahme, die Testierunfähigkeit nachgewiesen ist, also nicht behebbare Zweifel bleiben, muss es von der Testierfähigkeit des Erblassers ausgehen. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer Testierunfähigkeit liegt bei demjenigen, der sich auf die Nichtigkeit eines Testaments wegen Testierunfähigkeit beruft (OLG Hamm, Urteil vom 3. Dezember 2019 – 10 U 53/18 –, juris, Rn 39). Die zitierte Rechtsprechung entspricht der gängigen Rechtsprechung. Insoweit ist vorliegend von der Testierfähigkeit der Erblasserin auszugehen.
Darüber hinaus ist fraglich, ob die Erblasserin in der Lage war die Testamente selbst zu schreiben. Die Möglichkeit besteht, dass die Testamente nicht eigenhändig errichtet wurden. Es ist unstreitig, dass die Erblasserin nur 3 oder 4 Jahre die Volksschule besucht hatte und kaum geschrieben und gelesen hat. Streitig ist, ob die Erblasserin überhaupt schreiben konnte. Der Beteiligte zu 3 behauptet, dass die Erblasserin weder lesen noch schreiben konnte und immer andere Personen für sie geschrieben hätten. Es lägen Fälschungen vor. Dies wird von der anderen Beteiligten bestritten. Die Erblasserin habe zwar nicht viel geschrieben, jedoch sei sie in der Lage gewesen, Testamente selbst zu schreiben. Sie habe auch manchmal in Druckschrift - wie das Testament aus 2015 zeigt - geschrieben. Hierzu ist anzumerken, dass auch die Erstellung eines Testaments in Druckbuchstaben den Anforderungen an die eigenhändige Erstellung im Sinne des § 2247 BGB genügen würde, wenn die Schriftzüge der Druckbuchstaben einen hinreichend sicheren Schluss auf die Urheberschaft des Erblassers zulassen (so auch AG Hameln, Beschluss vom 6. April 2022 – 19 VI 452/18 –, juris mwN). Jedoch ist dieses Testament als ungültig zu betrachten, weil die eigenhändige Unterschrift fehlt. Sofern der am Ende des Textes in Druckbuchstaben stehende Name der Erblasserin als Unterschrift vorgesehen war, reicht dies nicht aus. Die Unterschrift muss grundsätzlich in Schreibschrift (also ihre übliche Unterschrift) erfolgen (Staudinger/Baumann -2022 - § 2247 BGB Rn 37), denn die Unterschriftsfunktionen: Feststellung der Identität und der Echtheit sowie Abschluss- und Deckungsfunktion, werden nur hiermit hinreichend gewährleistet (§ 126 BeurkG). Weiterhin trifft im Erbscheinsverfahren denjenigen die Feststellungslast dafür, dass das Testament vom Erblasser eigenhändig geschrieben und unterschrieben worden ist, der sich auf das Testament beruft.(OLG Rostock, Beschluss vom 22. März 2022 – 3 W 128/19 –, juris, Rn.50, OLG Hamm, Beschluss vom 2. Oktober 2012 – I-15 W 231/12 –, juris, OLG Frankfurt, Beschluss vom 15. Oktober 2014 – 20 W 251/14 –, juris). Im Erbscheinsverfahren ist die Gültigkeit des Testaments zur Überzeugung des Gerichts festzustellen. Hierzu trifft den Richter die Pflicht zur Amtsermittlung. Es genügt für die richterliche Überzeugung ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der vernünftige Zweifel ausschließt. Dabei hat sich das Gericht seine Überzeugung gemäß § 37 Abs. 1 FamFG aus dem gesamten Verfahrensstoff zu bilden. Die Möglichkeiten der Amtsermittlung sind ausgeschöpft. Es steht danach zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Erblasserin die Testamente aus den Jahren 2017 und 2019 selbst geschrieben und unterschrieben hat. Vorweg ist anzumerken, dass das Gericht keinerlei Zweifel daran hat, dass der Inhalt der handschriftlichen Testamente dem jeweiligen Willen der Erblasserin entsprach, denn die Testamente wurden nach den jeweils geäußerten Beweggründen und Wünschen der Erblasserin im Entwurf durch den Testamentsvollstrecker formuliert. Fraglich ist nur, ob die Erblasserin die Entwürfe selbst abgeschrieben hat, wie ihr jeweils angeraten wurde. Vergleichende Schriftproben liegen nicht vor und können auch nicht vorgelegt werden, weil der Haushalt der Erblasserin aufgelöst wurde und Schriftproben, soweit überhaupt vorhanden waren, vernichtet sind. Zu berücksichtigen ist, dass die Erblasserin wusste, dass sie ein gültiges handschriftliches Testament selbst schreiben und unterschreiben musste. Sie kannte auch die Möglichkeit ein Testament beim Notar zu errichten. Es spricht folglich eine große Wahrscheinlichkeit dafür, dass sie die selbst beim Testamentsvollstrecker zur Verwahrung gegebenen Testamente selbst geschrieben und unterschrieben hat. Daneben ist zu berücksichtigen, dass auch ein nicht geübter Schreiber einen Text abschreiben kann. Weiterhin spricht für die Eigenhändigkeit, dass die Unterschriften unter den Testamenten aus den Jahren 2017 und 2019 mit der Unterschrift auf dem Ausweis und anderen Unterschriften sowie der Unterschrift im Heiratsregister (die vom Beteiligten zu 3 vorgelegt wurde) übereinstimmt. Zudem passt die Unterschrift zum Schreibstil in den Schriftstücken (z.B. die Striche über dem i, die Buchstaben i, e, k, l, s sind der Form nach gleich geschrieben). Der Text ist auch nicht fehlerlos übertragen worden. Die Buchstaben sind häufig aneinandergereit, mit Unterbrechung geschrieben und nicht in einem Zug (wie bei der Schreibschrift üblich) geschrieben worden. Danach bestehen keine vernünftigen Zweifel an der Urheberschaft der Testamente. Der Erbschein ist daher für den S. e.V. nach Rechtskraft der Entscheidung zu erteilen.