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Änderung der Wohnsitzauflage, Überholtes Vorbringen, Vorwegnahme der Hauptsache


Metadaten

Gericht VG Cottbus 9. Kammer Entscheidungsdatum 11.02.2025
Aktenzeichen VG 9 L 596/24 ECLI ECLI:DE:VGCOTTB:2025:0211.9L596.24.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen 123 VwGO §, 61 Abs. 1 d AufenthG §

Tenor

Der Antrag auf Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz wird abgelehnt.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwältin A_____ aus B_____ wird abgelehnt.

Der Streitwert wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Der auf vorläufigen Rechtsschutz gerichtete Antrag der Antragsteller,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, die Wohnsitzauflage zu ändern, dass die Antragsteller ihren Wohnsitz in 1_____), hilfsweise in der Stadt F_____, jeweils im Landkreis O_____ nehmen können,

hat keinen Erfolg.

Nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung, um wesentliche Nachteile abzuwenden, drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Das Bestehen eines zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) und die besondere Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) sind dabei glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO).

Dem Wesen und Zweck der einstweiligen Anordnung entsprechend kann das Gericht dabei grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und einem Antragsteller nicht schon in vollem Umfang, wenn auch nur auf beschränkte Zeit und unter Vorbehalt einer Entscheidung in der Hauptsache, das gewähren, was er nur in einem Hauptsacheverfahren erreichen könnte. Ein Antrag ist dann auf eine (grundsätzlich unzulässige) Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet, wenn und soweit die im Anordnungsverfahren begehrte Regelung in Inhalt und Wirkung der Entscheidung im Klageverfahren entspricht (vgl. Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Auflage, Rdnr. 203). So liegt es aber hier, denn die Antragsteller wollen erreichen, dass sie ihren Wohnsitz nicht mehr im Landkreis D_____ zu nehmen haben, sondern diesen im Landkreis O_____ und insbesondere in S_____ nehmen können. Sie wären – im Falle eines Erfolges ihres Antragsziels – damit so gestellt, als ob sie bereits in der Hauptsache obsiegt hätten. Mit diesem Begehren müssen sie sich jedoch auf das Hauptsacheverfahren verweisen lassen, es sei denn – was hier nicht der Fall ist – es lägen Gründe vor, die ausnahmsweise etwas anderes gebieten würden. Eine Durchbrechung des Verbots der Vorwegnahme der Hauptsache kommt dabei nur dann in Betracht, wenn das Abwarten in der Hauptsache für die Antragsteller unzumutbar wäre (vgl. BVerwG, B. v. 21. Januar 1999 – 11 VR 8.98 – juris Rn. 5). Eine solche Ausnahme setzt unter dem Gesichtspunkt der Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs voraus, dass das Rechtsschutzbegehren in der Hauptsache schon aufgrund der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes lediglich summarischen Prüfung erkennbar Erfolg haben wird. Im Rahmen des Anordnungsgrundes muss ein Antragsteller darüber hinaus glaubhaft machen, dass ihm ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstehen, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. BVerwG, B. v. 08. September 2017 – 1 WDS-VR 4.17 – juris Rn. 15).

Hiervon ausgehend haben die Antragsteller einen die Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigenden Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Zur Begründung tragen sie zusammengefasst im Wesentlichen vor, dass es ihnen unzumutbar sei, ihren Wohnsitz im Landkreis D_____ in M_____ zu nehmen. Hinsichtlich der Antragstellerin zu 1. ergebe sich dies insbesondere aus gesundheitlichen Gründen. Sie leide an psychischen Einschränkungen. Sie sei in F_____ in Behandlung und es sei eine kontinuierliche Behandlung dort erforderlich. Zudem habe sich die Antragstellerin durch ihre Tätigkeiten für den Verein „H_____ in S_____ psychisch stabilisiert und die Antragstellerin zu 1. habe dort Unterstützung in der alltäglichen Lebensführung und Alltagsstrukturierung erfahren. Hinsichtlich des Antragstellers zu 2. drohe eine Gefährdung des Kindeswohls etwa dadurch, dass die Antragstellerin zu 1. auf Halt und Unterstützung angewiesen sei, was durch eine Unterstützung der Bezugspersonen vom „H_____“ geboten werde. Der Antragsteller zu 2. habe zudem große Angst vor den Securityleuten in der Gemeinschaftsunterkunft in M_____. Zudem würde der Antragsteller zu 2. aus seinem Umfeld herausgerissen, was zu einem Abbruch wichtiger Beziehungen und Freundschaften führen würde.

Für die Notwendigkeit der begehrten Anordnung werden von Antragstellerseite zunächst gesundheitliche Gründe auf Seiten der Antragstellerin zu 1. bemüht und es wird hierbei u.a. auf eine Stellungnahme der Dipl. Psychologin, Psychologischen Psychotherapeutin G_____ vom 18. Juli 2024 verwiesen. Abgesehen davon, dass die Psychologische Psychotherapeutin keine Fachärztin sein dürfte und bereits deshalb Zweifel bestehen, ob diese überhaupt die von ihr gestellten (Verdachts-) Diagnosen stellen kann, sind mit dieser keine Nachteile glaubhaft gemacht, die eine Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigen könnten. In der Stellungnahme heißt es, dass die Antragstellerin behandlungsbedürftig und auf Halt und Unterstützung angewiesen sei. Weshalb die Antragstellerin indes von ihrem Wohnort im Landkreis D_____, dem sie zugewiesen ist, und namentlich von M_____ aus eine Betreuung durch einen Psychologen bzw. psychologischen Psychotherapeuten nicht erreichen könnte, ist nicht ansatzweise ersichtlich. So findet sich ausweislich der Angaben auf dem Internetauftritt des K_____ in Z_____ und zwar am W_____ ein Standort des K_____ an dem ebenfalls Psychologen (F_____ tätig sind (vgl. h_____). Dieser Standort des K_____ ist von M_____ gerade einmal ca. 15 km entfernt und damit ähnlich weit, wie es der Fall wäre, wenn die Antragsteller in S_____ wohnen würden und die Antragstellerin zu 1. eine Behandlung bei der Psychologin/Psychologischen Psychotherapeutin in F_____ erhalten würde.

Im Übrigen ist die Stellungnahme der Psychologin/Psychologischen Psychotherapeutin G_____ vom 18. Juli 2024 bereits bei Erhebung des vorliegenden Eilantrages und erst Recht im Zeitpunkt der Entscheidung der Kammer ersichtlich überholt und geht von der nicht mehr zutreffenden Prämisse aus, dass die Antragstellerin zu 1. noch in S_____ wohnt und ihr Nachteile drohen, sollte sie diesen Wohnort verlassen müssen. Die Antragsteller wohnen aber schon längere Zeit nicht mehr in S_____.

Dies ergibt sich aus Folgenden:

Ausweislich der vorliegenden Unterlagen der örtlichen Ausländerbehörde, in welchem sich ein Auszug aus dem Protokoll des Gemeindekirchenrates H_____ vom 15. Juli 2024 findet, ist das Kirchenasyl der Antragsteller noch im Juli 2024 beendet worden. Es ist mithin davon auszugehen, dass die Antragsteller seit Beendigung des Kirchenasyls in H_____ auch nicht mehr wohnen. Auch der von den Antragstellern eingereichte Entwurf eines Mietvertrages über eine Wohnung in der H_____ in S_____ ist von der Antragstellerin zu 1. noch nicht unterzeichnet. In dem Schreiben vom 22. Juli 2024 des „H_____ e.V.“, der als Vermieter in dem Vertragsentwurf bezeichnet ist, ist ebenfalls davon die Rede, dass eine Wohnmöglichkeit angeboten worden sei und es unterstützt werde, dass die Antragsteller nach H_____ umziehen. Schließlich geben die Antragsteller in ihrem Antrag als ladungsfähige Anschrift die im Rubrum aufgeführte Adresse in M_____ an.

Ist mithin davon auszugehen, dass die Antragsteller seit Mitte bis Ende Juli 2024 nicht mehr in S_____ wohnen und sie nunmehr in M_____ ihren Wohnsitz genommen haben, so fehlt es an jeglichem Vortrag, wie sich die Situation der Antragsteller und namentlich die der Antragstellerin zu 1. seit diesem Zeitpunkt dargestellt hat und aktuell darstellt, nachdem sie die Unterkunft in S_____ verlassen haben. Weder dem Vortrag der Antragsteller noch den die psychischen/gesundheitlichen Umstände der Antragstellerin zu 1. betreffenden Atteste und Stellungnahmen lässt sich etwas dazu entnehmen, ob sich die psychische und gesundheitliche Verfassung nach ihrem Umzug nach M_____ als gleichbleibend darstellt, sich verschlechtert oder gar verbessert hat. Es lässt sich dem Vortrag der Antragstellerin zu 1. auch nichts dazu entnehmen, ob sie – wie oben aufgeführt – an einem anderen Standort des K_____ wie im nahe gelegenen Z_____ oder z.B. in der ebenfalls nahe gelegenen Stadt B_____, die vielfältige Unterstützungsmöglichkeiten für in Deutschland aufhältige Ausländer auch in psychischer/psychotherapeutischer Hinsicht bietet, eine psychologische bzw. psychotherapeutische Behandlung und Unterstützung erhalten hat bzw. erhalten konnte. Sollte die Antragstellerin zu 1., nachdem sie S_____ verlassen hat, bei einem anderen Psychologen bzw. psychologischen Psychotherapeuten in Behandlung sein, erschlösse sich bereits nicht, weshalb es einer Behandlung in F_____ dringend bedürfen sollte. Sollte die Antragstellerin zu 1., nachdem sie ihre Unterkunft in S_____ verlassen hat, nicht mehr in psychologischer/psychotherapeutischer Behandlung sein, ist zum einen nicht glaubhaft gemacht, weshalb ihr es von M_____ aus nicht gelungen sein soll, eine solche zu erhalten. Zum anderen ist dann auch nicht glaubhaft gemacht, wie sich nunmehr der psychisch-gesundheitliche Zustand der Antragstellerin zu 1. darstellt, also ob sie derzeit überhaupt noch auf psychische/psychotherapeutische Behandlung und Unterstützung angewiesen ist. Gleiches gilt für das weitere Vorbringen der Antragstellerin zu 1., welches inhaltlich durchgehend darauf abstellt, dass sie sich (nach wie vor) in S_____ aufhalten würde, aber kein substantiiertes Vorbringen enthält, wie sich die Situation verändert hat und aktuell darstellt, nachdem die Antragstellerin zu 1. seit nunmehr über einem halben Jahr wieder im Landkreis D_____ wohnhaft ist.

Auch in Bezug auf den Antragsteller zu 2. ist ein die Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigender Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Auch insoweit ist das Vorbringen der Antragsteller überholt; es knüpft daran an, dass für den Antragsteller zu 2. negative Folgen (z.B. mangelnde Kontakte in der Schule) zu prognostizieren seien, sollte er nicht in S_____ verbleiben können. Im Wesen einer Prognose liegt es aber, dass sie auf die Zukunft gerichtet ist und die mit ihr vorhergesagten Ereignisse und Folgen eintreten, aber auch ausbleiben können. Nunmehr besteht aber eine andere Tatsachengrundlage nämlich dahingehend, dass sich nunmehr feststellen lässt, wie sich die Situation für den Antragsteller zu 2. tatsächlich darstellt, nachdem er seit über 6 Monaten (wieder) in M_____ wohnhaft ist. Insbesondere dazu, ob für den Antragsteller zu 2. (z.B. in schulischer Hinsicht) negative Folgen durch dessen Wohnsitznahme in M_____ eingetreten sind, sich also die befürchteten Nachteile tatsächlich verwirklicht haben, tragen die Antragsteller indes weder etwas Substantiiertes vor noch ist diesbezüglich etwas glaubhaft gemacht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Frau Rechtsanwältin L_____ aus B_____ ist abzulehnen, weil die Rechtsverfolgung – wie oben festgestellt – keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 Abs. 1 S. 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 S. 1 und § 121 Abs. 1 Zivilprozessordnung der [ZPO]).

Die Streitwertfestsetzung entspricht der Bedeutung der Sache für die Antragsteller, § 52 Abs. 1 i.V.m. § 53 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (vgl. Ziffer 8.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).

Rechtsmittelbelehrung: