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Entscheidung 9 UF 169/24


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 1. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 05.02.2025
Aktenzeichen 9 UF 169/24 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2025:0205.9UF169.24.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

  1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Eberswalde vom 09.09.2024 (Az. 32 F 63/23) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

    Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin einen Betrag von 6.136,96 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag von 2.002,41 € seit dem 28.05.2022 und aus einem Betrag von 3.000 € seit dem 08.11.2022 und aus einem Betrag von 1.134,55 € seit dem 21.11.2022 zu zahlen.

  2. Die Kosten des Verfahrens in erster und zweiter Instanz trägt der Antragsgegner.

  3. Der Beschwerdewert beträgt 6.000 €.

  4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Ehe der Beteiligten ist in 2023 rechtskräftig geschieden worden. Im Zusammenhang mit der Scheidung kam es zu erheblichen Streitigkeiten zwischen den Beteiligten. Nachdem sich die Antragstellerin durch vom Antragsgegner getätigte Äußerungen angegriffen bis hin beleidigt fühlte und ihn wegen deliktischer Straftaten abmahnte (Schreiben vom 13.05.2022, Bl. 83 d.A.), unterzeichnete der Antragsgegner am 18.05.2022 die von der Antragstellerin ihm vorgelegte Unterlassungserklärung (Bl. 90 d.A.). Hierin verpflichtete er sich – bei Meidung einer für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung an die Antragstellerin zu zahlenden Vertragsstrafe i.H.v. 3.000 € - es zu unterlassen, der Antragstellerin gegenüber bestimmte näher aufgeführte Erklärungen abzugeben, unter anderem diejenige Du bist so unwiderruflich abscheulich!.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die entsprechende Unterlassungserklärung Bezug genommen.

Mit E-Mail vom 17.08.2022 wand sich der Antragsgegner an die Antragstellerin. Darin schrieb er u.a. Du bist berechnend, langfristig planend, böse, abscheulich und wusstest es die ganze Zeit wie Du mich um mein Erbe zielstrebig bereichern kannst! Ich schäme mich für Dich!.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zur Akte gereichte E-Mail (Bl. 108 d.A.) Bezug genommen. In Bezug auf diese E-Mail hat die Antragstellerin den Antragsgegner erfolglos zur Abgabe einer weiteren Unterlassungserklärung mit Zahlung von Abmahnkosten aufgefordert.

Die Antragstellerin meint, der Antragsgegner habe durch die in der vorgenannten E-Mail getätigte(n) Äußerung(en) gegen die von ihm abgegebene Unterlassungserklärung verstoßen. Es sei unerheblich, dass es sich dabei nicht um eine identische Wortwahl handele. Zudem bestehe ihrer Ansicht nach Unterlassungs-/Schadensersatzanspruch aufgrund deliktischer Haftung des Antragsgegners.

Die Antragstellerin hat beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten,

1.

es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, sich ihr gegenüber wie folgt zu äußern:

„Du bist berechnend, langfristig planend, böse, abscheulich und (…)“;

2.

an sie einen Betrag von 6.136,96 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag von 2.002,41 € seit dem 28.05.2022 und aus einem Betrag von 3.000 € seit dem 08.11.2022 und aus einem Betrag von 1.134,55 € seit dem 21.11.2022 zu zahlen.

Der Antragsgegner hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Er meint, die streitgegenständliche Äußerung innerhalb der vorgenannten E-Mail sei nicht beleidigend und zudem durch das Recht der Meinungsfreiheit geschützt, zumal sie nicht der von ihm abgegebenen Unterlassungserklärung unterfalle.

Mit nach mündlicher Verhandlung vom 07.08.2024 am 09.09.2024 erlassenen Beschluss hat das Amtsgericht Eberswalde (Az. 32 F 63/23) die Anträge der Antragstellerin insgesamt zurückgewiesen und dabei insbesondere einen Unterlassungsanspruch der Antragstellerin verneint; wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung (dort ab S. 4 ff. unter II.) Bezug genommen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, mit welcher sie in Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens ihr erstinstanzliches Vorbringen vertieft und zunächst ihre erstinstanzlichen Anträge weiter verfolgt hat. In Ankündigung der Zurückweisung der Beschwerde wiederholt und vertieft auch der Antragsgegner sein erstinstanzliches Vorbringen.

Mit Senatsbeschluss vom 06.12.2024 ist die Beschwerde dem Berichterstatter als Einzelrichter übertragen worden. Mit Hinweisbeschluss des Einzelrichters vom 16.12.2024 - auf den Bezug genommen wird - ist die schriftliche Entscheidung angekündigt und zur Sache ausgeführt worden. Unter Bezugnahme auf diesen Hinweisbeschluss hat die Antragstellerin ihren Antrag zu Ziff. 1. zurückgenommen. Der Antragsgegner hat sich zu dem Hinweisbeschluss sowie der (auf die Teilrücknahme erfolgten) Hinweisverfügung des Einzelrichters vom 15.01.2025 nicht mehr eingelassen.

II.

Die gemäß §§ 58 ff. FamFG statthafte und in zulässiger Weise eingelegte Beschwerde der Antragstellerin hat - nachdem die Antragstellerin wirksam gem. §§ 113 Abs. 1, 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG i.V.m. § 269 Abs. 2 S. 4 ZPO entsprechend ihren Antrag teilweise zurückgenommen hat - Erfolg, sie ist begründet.

1.

Mit seiner Unterlassungserklärung vom 18.05.2022 hat sich der Antragsgegner der Antragstellerin gegenüber zur Zahlung einer genau bestimmten Vertragsstrafe bei Abgabe bestimmter Erklärungen verpflichtet. Bedenken an der Wirksamkeit des Zustandekommens dieser Vereinbarung, welche anhand der allgemeinen Vorschriften über Vertragsabschlüsse zu beurteilen ist (vgl. auch BGH GRUR 2006, 878), bestehen nicht und werden auch nicht seitens des Antragsgegners geltend gemacht.

Allein auf die Unterlassungserklärung vom 18.05.2022 kommt es grundsätzlich für die geltend gemachten Ansprüche an, weil durch den Unterlassungsvertrag ein neuer, von gesetzlichen Unterlassungsansprüchen zu unterscheidender vertraglicher und durch die Vertragsstrafe gesicherter Unterlassungsanspruch begründet worden ist (vgl. auch OLG Hamm MDR 2023, 1201). Dies gilt jedenfalls für solche Erklärungen, die infolge der Unterlassungserklärung strafbewehrt sind, also dieser unterfallen.

2.

Die wirksam vereinbarte Vertragsstrafe ist verwirkt, § 339 S. 2 BGB i.V.m. der Unterlassungserklärung vom 18.05.2022.

a.

Die Reichweite von Strafvereinbarungen im Zusammenhang mit Unterlassungspflichten ist nach den allgemeinen Auslegungskriterien und dem Grundsatz einer nach beiden Seiten interessengerechten Auslegung zu bestimmen. Liegt der Strafabrede eine vorprozessuale Abmahnung zugrunde, so hat die Auslegung auch das Abmahnschreiben und die dort angegebenen Verbotsnormen zu berücksichtigen (vgl. insgesamt m. umfangreichen Nachw. zur Rspr.: Marie Herberger in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl., § 339 BGB Rn. 60, 61).

b.

Für die Auslegung der vorliegenden Unterlassungserklärung ergibt sich darauf einerseits, dass der Antragsgegner die aufgeführten Begriffe nicht (mehr) gegenüber der Antragstellerin verwenden durfte, und andererseits, dass – wie das Amtsgericht zu Recht ausführt – mit den dort einzelnen aufgeführten Äußerungen der Antragsgegner sich auch verpflichtete, gegen die Antragstellerin und ihre Wertschätzung richtende gleichlautende – vor allem vulgäre – Äußerungen zu unterlassen. Dies folgt gerade aus dem Kontext mit der vorangegangenen Abmahnung (Schreiben vom 13.05.2022). Aus dem Inhalt dieses Schreibens geht erkennbar hervor, dass aufgrund der dort angeführten und sich in der Unterlassungserklärung wiederfindenden Erklärungen bzw. Worte die Antragstellerin als in ihren Rechten verletzt, beleidigt und gering geschätzt gefühlt hat. Ob es sich dabei tatsächlich auch in strafrechtlicher Hinsicht um Beleidigungen handelte – was jedoch durchaus naheliegt –, kann an dieser Stelle sogar dahinstehen. Denn mit dem Inhalt dieses Schreibens war auch für den Antragsgegner offenkundig, dass jedenfalls die Antragstellerin hinsichtlich dieser Äußerungen ein derartiges Empfinden hatte. Mit seiner infolgedessen abgegebenen Unterlassungserklärung hat der Antragsgegner sich daher verpflichtet, solche aus Sicht der Antragstellerin ehrverletzende Äußerungen zu unterlassen.

c.

Mit seiner E-Mail vom 17.08.2022 hat der Antragsgegner gegen die Unterlassungserklärung erkennbar verstoßen.

aa.

Die Verwendung des Wortes abscheulich verstößt gegen die Unterlassungserklärung, in welcher konkret dieses Wort aufgeführt ist. Zudem lässt der Gesamtkontext erkennen, dass sich dieses Wort gegen die Antragstellerin in Abwertung ihrer Persönlichkeit richtet und damit gegen seine Verpflichtung, unter Verwendung dieses Begriffes erneut eine Geringschätzung gegenüber der Antragstellerin zum Ausdruck zu bringen, verstoßen wird.

bb.

Dass insoweit der Zusatz unwiderruflich fehlt, ist ohne Belang, da es auf den Sinnzusammenhang (Abwertung der Persönlichkeit) ankommt und im Übrigen von dem Begriff unwiderruflich abscheulich erkennbar das Wort abscheulich den wesentlichen Kern des Angriffs gegen die Persönlichkeit der Antragstellerin darstellt. Zwar steht es den Vertragsparteien frei, eine Vereinbarung zu treffen, die sich auf die konkrete Verletzungsform beschränkt, mit der Folge, dass die Vertragsstrafe nur bei völlig gleichen Verletzungshandlungen verwirkt ist (vgl. BGH NJW-RR 2003, 1278). Dafür bedarf es aber regelmäßig besonderer Anhaltspunkte, die nach den vorangegangenen Ausführungen hier gerade fehlen. Dann aber ist an der Grundregel festzuhalten, dass von einer Unterlassungserklärung auch Verletzungsformen erfasst werden, die im Kern gleichartig sind.

cc.

Nebenzwecke wie z.B. eine bloße Unmutsäußerung (worauf das Amtsgericht seine abweichende Auffassung stützt) spielen beim Zustandekommen und der Auslegung dieser Erklärung keine – jedenfalls keine maßgebliche – Rolle, weil mit der Unterlassungserklärung zugleich auch ein Streit der Beteiligten beigelegt worden ist. Insbesondere ist auch nicht erkennbar, dass der Antragsgegner mit der Unterlassungserklärung nur dann die aufgeführten Begriffe nicht anführen durfte, wenn diese einzig und allein der Herabsetzung der Antragstellerin dienen sollten (vgl. S. 7 unten der angefochtenen Entscheidung). Vielmehr genügt es, dass zumindest auch eine Herabsetzung mit der Verwendung von abscheulich rein objektiv verbunden war, was unzweifelhaft – insoweit auch nach den Ausführungen des Amtsgerichts – der Fall ist. Bei einer abweichenden Betrachtung würde zudem der Zweck solcher Unterlassungserklärungen (vereinfacht: Unterlasse mir gegenüber Äußerungen wie ….) ausgehöhlt werden.

Bei der Auslegung von Vereinbarungen, die sich auf Äußerungen oder Veröffentlichungen mit einem meinungsbildenden Gehalt beziehen, kann im Hinblick auf die grundrechtlichen Wertungen von Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG zwar Zurückhaltung geboten sein. Sind aber bestimmte Äußerungen in der Unterlassungsvereinbarung konkret aufgeführt, so ist für die Auslegung und die Verwirkung der vereinbarten Vertragsstrafe von entscheidender Bedeutung, ob gegen den Wortlaut der Vereinbarung verstoßen worden ist. Es ist dann insbesondere nicht davon auszugehen, dass der Unterlassungsverpflichtete etwa berechtigt wäre, das zu unterlassende Wort erneut im anderen Zusammenhang gegen den Unterlassungsgläubiger zu benutzen (vgl. – für konkret benannte Bilder – OLG Frankfurt ZUM-RD 2010, 540). Die seitens des Amtsgerichtes vorgenommene anderweitige Beurteilung verkennt dies, ihr kann daher nicht gefolgt werden.

d.

Es bestehen insoweit auch keine Bedenken, dass durch die getätigte Äußerung der Antragsgegner die gesamte vereinbarte Vertragsstrafe i.H.v. 3.000 € verwirkt hat. Zum einen ist der entsprechende Wortlaut der Unterlassungserklärung eindeutig, weil er für jeden Fall einer schuldhaften Zuwiderhandlung diese Verwirkung konstituiert. Dass der Antragsgegner möglicherweise emotional gehandelt hat, ändert an der Schuldhaftigkeit seines Verstoßes nichts, ganz unabhängig davon, dass er bereits etwa 3 Monate nach Abgabe der Unterlassungserklärung einen solchen Verstoß begangen hat bzw. es sich um eine durchaus umfangreiche E-Mail handelte und daher keinesfalls von einem Augenblicksversagen gesprochen werden kann. Insoweit ist es auch gerechtfertigt, die gesamte Vertragsstrafe für die Verfehlung als verwirkt anzusehen, mag auch nur ein einzelnes Wort der vereinbarten zu unterlassenden Begriffe hier gebraucht worden sein.

3.

Infolge dessen hat der Antragsgegner die von der Antragstellerin erstinstanzlich ausdrücklich und im Rahmen der Beschwerdebegründung erkennbar konkludent verfolgten Anträge – soweit sie auf Geldzahlung gerichtet sind – weitgehend zu erfüllen. Insbesondere ergibt sich die Erstattungspflicht der vorgerichtlichen und gerechtfertigten (Rechtsverfolgungs)Kosten als Schadensposition aus §§ 823 Abs. 1, 280 BGB im Umfange von zunächst 2.002,41 € und sodann von 1.134,55 €. Den entsprechenden Berechnungen ist der Antragsgegner auch nicht entgegengetreten. Gleichermaßen ist der entsprechende Zinsanspruch gestaffelt gem. §§ 286, 288 BGB gerechtfertigt.

Dies betrifft zum einen die Verpflichtung zur Unterlassung der Äußerung abscheulich, weil er sich dazu vertraglich verpflichtet hatte, zumindest aber aus §§ 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG bzw. aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Schutzgesetzverletzungen zumindest aus § 1004 BGB analog.

III.

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 113 Abs. 1 FamFG, 91 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO entsprechend. Der zurückgenommene Antragsteil hat kein besonderes Kosteninteresse ausgelöst und bleibt deshalb bei der Kostenfolge ebenso wie bei dem festgesetzten Verfahrenswert (vgl. bereits den Verfahrenswert erster Instanz) unbeachtlich.

Von einer mündlichen Verhandlung war abzusehen, da die gebotenen Anhörungen erstinstanzlich ordnungsgemäß erfolgt und neue Erkenntnisse bei ihrer Wiederholung nicht zu erwarten sind. Gründe für die Zulassung einer Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.