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Entscheidung 1 Ws 18/25 (S)


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 1. Strafsenat Entscheidungsdatum 24.02.2025
Aktenzeichen 1 Ws 18/25 (S) ECLI ECLI:DE:OLGBB:2025:0224.1WS18.25S.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Der Haftbefehl des Amtsgerichts Oranienburg gegen den Betroffenen W… A… K… vom 15. August 2024 (18 Gs 26/24) wird aufgehoben.

2. Gegen den Betroffenen W… A… K… wird die einstweilige Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.

3. Die Fortdauer der Freiheitsentziehung in Form der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus wird angeordnet.

4. Nächster Termin für die Prüfung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß §§ 126a Abs. 2, 121, 122 Abs. 4 Satz 3 StPO ist der 15. Mai 2025.

5. Die Verkündung des Unterbringungsbefehls und die weiteren Entscheidungen (§§ 126a Abs. 2, 117 StPO) werden dem mit der Sache befassten Amtsgericht Oranienburg – Schöffengericht – übertragen (§§ 126a, 122 Abs. 3 Satz 3 StPO).

Gründe

I.

Der Betroffene W… A… K… befindet sich seit über sechs Monaten in Untersuchungshaft, gegenwärtig in der Justizvollzugsanstalt N…-B…, Teilanstalt N…-W…, so dass der Senat gemäß §§ 121, 122 Abs. 1 StPO über deren Fortdauer zu entscheiden hat.

Dem liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:

1. Das Amtsgericht Oranienburg hat am 15. August 2024 (18 Gs 26/24) gegen den am selben Tag vorläufig festgenommen Betroffenen, der afghanischer Staatsangehöriger ist, einen Haftbefehl erlassen, infolge dessen er in Untersuchungshaft in die Justizvollzugsanstalt N…B…, Teilanstalt N…-W…, überführt wurde. Mit dem Haftbefehl wird dem Betroffenen vorgeworfen, am 14. August 2024 in Oranienburg durch dieselbe Handlung (a) versucht zu haben, bei einem Diebstahl auf frischer Tat betroffen, gegen eine Person Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben angewendet zu haben, um sich im Besitz des gestohlenen Gutes zu erhalten, und zugleich (b) versucht zu haben, einen Menschen rechtswidrig unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zu einer Handlung und Duldung zu nötigen und dadurch dem Vermögen des Genötigten und eines anderen Nachteil zuzufügen, um sich zu Unrecht zu bereichern.

Konkret wird dem Betroffenen mit dem Haftbefehl Folgendes vorgeworfen:

Am 14.08.2024 um etwa 22:50 Uhr soll der Betroffene kurz vor Ladenschluss das Geschäft "Döner Kebab …" in der S… Straße … in …O…, welches vom Zeugen A… D… betrieben wird und in welchem zur Tatzeit der Zeuge S… Z… arbeitete, betreten haben. Gegenüber dem Zeugen Z… soll der Betroffene zunächst angegeben haben, dass er kein Geld, aber Hunger habe und gerne einen Döner hätte. Der Zeuge Z… habe dem Betroffenen daraufhin einen kostenlosen Döner angeboten und diesen dem Betroffenen übergeben.

Anschließend sei der Betroffene zum Kühlregal gegangen und habe daraus zwei Flaschen Mineralwasser sowie eine Dose Energy-Drink der Marke "Monster" (Gesamtwert von 7,00 €) entnommen. Der Zeuge Z… habe daraufhin geäußert, dem Beschuldigten nur den Döner, nicht jedoch die Getränke ausgeben zu können, und ihn aufgefordert, die Getränke zurückzustellen. Dieser Aufforderung sei der Betroffene nicht nachgekommen, vielmehr sei er an den Verkaufstresen herangetreten und habe den Zeugen Z… zweimal aufgefordert, ihm die Schlüssel für sein Auto sowie das in der Kasse befindliche Bargeld auszuhändigen.

Der Zeuge Z… der zwischenzeitlich die Polizei kontaktiert hatte, habe gegenüber dem Betroffenen geäußert, dass er einen Moment warten solle und dann die Schlüssel bekomme. Hierauf habe der Betroffene erwidert: "Nicht mit mir weiterreden. Gib mir die Schlüssel und die Kasse. Sonst mach‘ ich dich tot mit der Flasche!", wobei es ihm gerade darauf angekommen sei, sich hierdurch einen Vermögensvorteil zu verschaffen. Der Zeuge Z…, welcher Angst vor dem ihm körperlich überlegenen Betroffenen gehabt habe, habe die Polizei zwischenzeitlich erneut kontaktiert und gebeten, schneller zu kommen; dem Zeugen sei es bis zum Eintreffen der Polizeibeamten PHM D… und PK'in De… gelungen, den Betroffenen durch den Vorwand, die Schlüssel für den Pkw und die Kasse erst suchen zu müssen, hinzuhalten.

Es handele sich hierbei um Verbrechen des versuchten räuberischen Diebstahls (§§ 252, 22, 23 StGB) und der versuchten räuberischen Erpressung (§§ 253, 255, 22, 23, 52 StGB).

Das Amtsgericht hat den dringenden Tatverdacht insbesondere auf Bekundungen des unmittelbaren Tatzeugen Z… sowie auf die Angaben der Zeugen PHM D… und PK'in De… gestützt und den Haftgrund der Fluchtgefahr angenommen (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO).

2. Unter dem Datum des 11. September 2024 hat die Staatsanwaltschaft Neuruppin – trotz Annahme eines Verbrechens – Anklage zum Strafrichter beim Amtsgericht Oranienburg erhoben. Hinsichtlich des konkreten Anklagesatzes entsprechen die Ausführungen im Wesentlichen denen des Haftbefehls vom 15. August 2024. In rechtlicher Hinsicht wertete die Staatsanwaltschaft die Handlungen des Betroffenen als Diebstahl geringwertiger Sachen (§§ 242, 248a StGB) in Tateinheit mit versuchter räuberischer Erpressung (§§ 253, 255, 22, 23 Abs. 1 StGB).

3. Der Strafrichter beim dem Amtsgericht Oranienburg hat in Verkennung der Tatsache, dass ein Verbrechen angeklagt ist, mit Beschluss vom 16. Oktober 2024 (18 Ds 100/24) das Hauptverfahren vor dem Amtsgericht Oranienburg – Strafrichter – eröffnet und die Anklage der Staatsanwaltschaft Neuruppin unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen sowie mit Verfügung vom selben Tag Termin zur Hauptverhandlung auf den 9. Dezember 2024 anberaumt. Nach Hinweis auf § 25 GVG hat der Strafrichter beim Amtsgericht Oranienburg mit Beschluss vom 5. Dezember 2024 die Strafsache dem Schöffengericht bei dem Amtsgericht Oranienburg gemäß § 225a StPO vorgelegt, welches das Verfahren mit Beschluss vom 16. Dezember 2024 (12 Ls 45/24) übernommen hat. Nachdem der Strafrichter den dort anberaumten Hauptverhandlungstermin vom 9. Dezember 2024 aufgehoben hatte, hat die Vorsitzende des Schöffengerichts nach Abstimmung mit dem Verteidiger Termin zur Hauptverhandlung auf den 5. Februar 2025 anberaumt.

Im Ergebnis der am 5. Februar 2025 durchgeführten Hauptverhandlung, während der sich der Betroffene auffällig verhalten und Angaben gemacht habe, die auf einen Realitätsverlust und eine psychische Erkrankung hinweisen, hat die Vorsitzende des Schöffengerichts die Verhandlung ausgesetzt und mit Beschluss vom 6. Februar 2025 die forensisch-psychiatrische Begutachtung des Betroffenen auf seine Schuldfähigkeit zum Tatzeitpunkt angeordnet und den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie B… aus B… bei B… mit der Erstellung des Gutachtens beauftragt. Mit weiterem Beschluss vom 17. Februar 2025 hat die Vorsitzende des Schöffengerichts beim Amtsgericht Oranienburg den Gutachtenauftrag auf Fragen der Gefährlichkeit des Betroffenen und eine mögliche Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) bzw. in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) ausgeweitet.

Zuvor, mit weiterem Beschluss vom 6. Februar 2025, hat die Vorsitzende des Schöffengerichts die Vorlage der Akten an das Brandenburgische Oberlandesgericht zur besonderen Haftprüfung nach §§ 121, 122 StPO verfügt und dabei dargelegt, dass die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich erachtet werde.

4. a) Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg hat mit Stellungnahme vom 13. Februar 2025, eingegangen beim Brandenburgischen Oberlandesgericht am 14. Februar 2025, beantragt, den Haftbefehl des Amtsgerichts Oranienburg vom 15. August 2024 aufzuheben und die Haftentlassung des Betroffenen anzuordnen.

b) Mit Verfügung vom 14. Februar 2025 hat der Senatsvorsitzende dargelegt, dass nach vorläufiger Senatsberatung erhebliche Bedenken bestünden, dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft zu entsprechen, und die Ersetzung des Haftbefehls durch einen Unterbringungsbefehl zu erwägen gegeben. Zur Begründung wurde auf zahlreiche Hinweise in den Akten verwiesen, die auf eine erhebliche psychische Störung bei dem Betroffenen hinweisen.

Diese sind insbesondere:

(1.) Die dem Betroffenen, einem afghanischen Staatsangehörigen, vorgeworfene Straftat lässt in ihrer Entwicklung einen sich verstärkenden Verlauf erkennen, der schließlich in der Androhung eines Tötungsdeliktes mündete.

(2.) Auffälligkeiten in der Person des Betroffenen sind bereits am Tag seiner Festnahme dokumentiert: In seiner polizeilichen Vernehmung am 15. August 2024 äußerte der Zeuge Z… die Ansicht, dass der Betroffene „krank“ sei, da er ihm gegenüber geäußert habe, dass der Imbiss „Döner Kebab …“ ihm, dem Betroffenen, gehöre und er „der Chef“ gegenüber dem Zeugen Z… sei (Bl. 27 d. A.).

Im Aktenvermerk vom 15. August 2024 ist niedergelegt, dass sich der Betroffene zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen nicht einlassen wollte, vielmehr äußerte: „Ich will mit Merkel reden. Ich kann alle Sprachen sprechen.“ (Bl. 33 d. A.) Ebenfalls am 15. August 2024 vermerkt der Wachdienstführer der Polizeiinspektion O…: „Der Beschuldigte ist verbal aggressiv und brüllt im Gewahrsam herum, wenn seinem Willen nicht stattgegeben wird.“ (Bl. 37 d. A.)

(3.) Mit dem Strafbefehl des Amtsgerichts Tiergarten vom 12. August 2024 wird dem Betroffenen vorgeworfen, am 31. Oktober 2023 nach dem Ende eines besuchten Deutschkurses in den Räumen des … Bildungszentrum in B… der Zeugin B… T… M… auf das Gesäß geschlagen und ihr von hinten zwischen die Beine an den bekleideten Intimbereich gegriffen zu haben, um sich sexuell zu erregen (Bl. 209 d.A.).

(4.) Den familienpsychologischen Gutachten des Sachverständigen Dr. M… L… vom 24. Februar 2023 und vom 22. September 2023 ist zu entnehmen, dass es in erheblichem Umfang zu häuslicher Gewalt des Betroffenen gegenüber seinen beiden Ehefrauen und gegenüber seinen Kindern gekommen ist, was dazu geführt hat, dass sechs seiner sieben Kinder in die Obhut von Pflegeeltern kamen (Sonderband familienpsych. GA).

(5.) Nach dem Bericht der Sozialen Dienste der Justiz des Landes Brandenburg vom 29. September 2024 (Bl. 186 ff. d. A.) zeigte der Betroffene ganz erhebliche psychische Auffälligkeiten und einen deutlichen Realitätsverlust.

Der Gerichtshelfer A… legt in seinem Bericht vom 29. September 2024 dar, dass er gemeinsam mit einem Dolmetscher am 27. September 2024 den Betroffenen in der Justizvollzugsanstalt N…-B…, Teilanstalt N…-W…, aufgesucht habe. Der Betroffene habe u.a. angegeben, in Deutschland geboren zu sein, sein Geburtsdatum … 1990 stimme nicht. In Wirklichkeit sei er 45 Jahre alt. Seine Mutter E... sei Deutsche, er habe diese bei einem Deutschkurs in F… vor wenigen Jahren erst kennengelernt. Seine Mutter habe er zweifelsfrei daran erkannt, dass sie die gleiche Handform habe wie er selbst. Sein Vater sei der ehemalige Präsident von Afghanistan M… N…. Er sei im Kleinkindalter von seinen Eltern getrennt worden, seine Mutter sei einkaufen gegangen und ein älterer Mann habe ihn mitgenommen, diesen habe er als „Großvater“ bezeichnet (jedoch nicht der leibliche).

Zu seinem Familienstand habe der Betroffene zunächst dargelegt, mit zwei Frauen verheiratet zu sein und ein Kind zu haben, wobei er in Wirklichkeit mit den beiden Frauen sieben Kinder habe. Er habe zwei Schwestern, eine lebe in Hamburg und eine andere lebe im Iran; der „Großvater" in Afghanistan sei verstorben. Im weiteren Gesprächsverlauf habe er geäußert, mit 10-20 Frauen verheiratet zu sein und ca. 35 Kinder zu haben. U.a. sei er auch mit Frau S… einer Dolmetscherin, verheiratet. Durch den im Termin anwesenden Dolmetscher ist angemerkt worden, dass es sich bei der genannten Person um seine Kollegin handele und der Betroffene keinesfalls mit dieser Frau verheiratet sei.

Des Weiteren habe der Betroffene ausgeführt, er habe zuletzt in Afghanistan bei der Kriminalpolizei gearbeitet und auch NATO-Truppen unterstützt, er sei aber auch Doktor der Medizin und Ingenieur. Er wolle Deutschland dabei helfen, die Strategie der Kriminalverfolgung umzustrukturieren. Wie genau das geschehen soll, habe er nicht erläutern können. Er habe ferner angegeben, Millionär zu sein, er habe mehrere Konten in Afghanistan, im Iran und auch in Deutschland; Schulden habe er weder in Deutschland noch im Ausland.

Auf die Frage, ob er Suchtmittel konsumiere, sei der Betroffene ins Schwärmen geraten und habe erläutert, in seinem Leben bereits verschiedenste Betäubungsmittel und auch Alkohol ausprobiert zu haben. Er habe Haschisch für sich entdeckt, ohne dies könne er nicht leben, dies sei seine Medizin.

Ferner habe er angegeben, bis heute den Koran zirka bis zur Hälfte auswendig zu kennen, die muslimische Religion habe ihn geprägt und sei ihm sehr wichtig.

Zusammenfassend kommt der Gerichtshelfer in seinem Bericht vom 29. September 2024 zu dem Ergebnis, dass der Betroffene im Gesprächsverlauf psychisch auffällig gewirkt habe. Er sei bei der Befragung schnell ungeduldig geworden, habe weitschweifig geredet und nur mit Mühe an die eigentliche Fragestellung zurückgeführt werden können. Er neige zu verbal aufbrausendem Verhalten und habe mit vorsichtiger Rhetorik befragt werden müssen. Es sei der Eindruck entstanden, dass er gerade in Bezug auf seine Abstammung, Ehebeziehungen und Arbeitsleben in Ideenkonstrukte verstrickt sei, die nicht der Realität entsprächen bzw. am real Erlebten vorbeigingen. Eine fachärztliche Begutachtung durch einen Psychiater werde daher für notwendig erachtet.

(6.) Nach dem Ergebnisbericht des Brandenburgischen Landesinstituts für Rechtsmedizin vom 03. September 2024 stand der Betroffene zum Tatzeitpunkt unter erheblichem Einfluss von Cannabis; die Serumkonzentration zum Tatzeitpunkt betrug 11 ng/ml THC, 2,9 ng/ml 11-OH-THC, 81 ng/ml THC-COOH. Die hohe festgestellte THC-Carbonsäure-Konzentration deute nach Auffassung der Sachverständigen Dr. K… auf einen chronischen Konsum von Cannabis hin (Bl. 153f. d. A.).

Die Staatsanwaltschaft Neuruppin geht im Vermerk vom 01. Oktober 2024 davon aus, dass nach dem Bericht der Sozialen Dienste der Justiz des Landes Brandenburg vom 29. September 2024 und dem Ergebnisbericht des Brandenburgischen Landesinstituts für Rechtsmedizin vom 03. September 2024 eine zum Tatzeitpunkt bestehende Abhängigkeitserkrankung vorliegen könne. Die sich aufdrängende Beauftragung eines forensisch-psychiatrischen Gutachtens wurde offenbar nicht erwogen.

(7.) Im Vermerk der Amtsrichterin beim Amtsgericht Oranienburg vom 06. Februar 2025 (Bl. 268 R d. A.) ist ausgeführt, dass sich der Betroffene in der Hauptverhandlung vor dem Schöffengericht am 05. Februar 2025 „erheblich unverständlich, wirr und aggressiv“ verhalten habe.

Im Hauptverhandlungsprotokoll ist vermerkt, dass der Betroffene angegeben habe, in Deutschland geboren zu sein, was er erst in Deutschland erfahren habe. Er habe geäußert: „Ich bin Deutscher und ihr seid alle Ausländer. Haben Sie Probleme damit? Ich habe mit Ihnen nichts zu tun und nichts zu bereden.“ An anderer Stelle des Hauptverhandlungsprotokolls wird der Betroffene wie folgt zitiert: „Ich bin sehr reich, die Supermärkte gehören alle mir. […] Ich habe 7 Kinder. Ich bin Politiker, ein wichtiger Mensch, kein normaler Mensch. Ihr habt mein Kind umgebracht und die anderen wollt ihr auch umbringen.“ Ebenso ist notiert: „Der Angekl. stört durch Dazwischenreden die Verhandlung“ (Bl. 262 d.A.).

In dem vorgenannten Vermerk der Amtsrichterin ist weiter ausgeführt, dass Verfahrensbeteiligte erklärt hatten, dass sich der Betroffene verändert habe und kaum bzw. gar nicht mehr für Gespräche erreichbar sei. Es sei die Vermutung geäußert worden, dass der Betroffene unter einer Psychose leide und „sich in der letzten Zeit islamistisch radikalisiert habe“. Hierzu weist die Amtsrichterin in ihrem Vermerk vom 06. Februar 2025 darauf hin, dass sich der Betroffene „im Hauptverhandlungstermin aggressiv verhielt und auch unter anderem äußerte, es wären alles Ungläubige anwesend.“ (Bl. 269 R d. A.).

c) Auf die Verfügung vom 14. Februar 2025 hat die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg am 17. Februar 2025 beantragt, den Haftbefehl des Amtsgerichts Oranienburg vom 15. August 2025 in einen Unterbringungsbefehl zur einstweiligen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 126a StPO umzuwandeln und deren Fortdauer zu beschließen.

Dem Verteidiger des Betroffenen wurde zu den Anträgen der Generalstaatsanwaltschaft vom 13. Februar 2025 und vom 17. Februar 2025 sowie zum Vermerk des Senatsvorsitzenden vom 14. Februar 2025 rechtliches Gehör und Gelegenheit zur Stellungnahme gewährt.

II.

Auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg ist unter Aufhebung des Haftbefehls des Amtsgerichts Oranienburg vom 15. August 2024 gegen den Betroffenen die einstweilige Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 126a StPO und die Fortdauer der Freiheitsentziehung anzuordnen.

1. Der Haftbefehl des Amtsgerichts Oranienburg vom 15. August 2024 wird aufgehoben.

a) Der Betroffene ist der ihm mit dem Haftbefehl vorgeworfenen Straftat, am 14. August 2024 in O… durch dieselbe Handlung einen versuchten räuberischen Diebstahl (§§ 252, 22, 23 StGB) und eine versuchte räuberischen Erpressung (§§ 253, 255, 22, 23, 52 StGB) begangen zu haben, aufgrund der Aussagen des unmittelbaren Tatzeugen Z… sowie der Zeugen PHM D… und PK'in De… dringend verdächtig.

b) Aus den obigen Ausführungen zu Ziff. I., 4 b) sind jedoch dringende Gründen gegeben, dass der Betroffene die ihm vorgeworfenen strafbaren Handlungen im Zustand der Schuldunfähigkeit bzw. der zumindest verminderten Schuldfähigkeit begangen hat.

Nach dem Ergebnisbericht des Brandenburgischen Landesinstituts für Rechtsmedizin vom 03. September 2024 stand der Betroffene zum Tatzeitpunkt unter erheblichem Einfluss von Cannabis, wobei die festgestellte hohe THC-Carbonsäure-Konzentration auf einen chronischen Konsum von Cannabis hindeute. Auch das von den Zeugen geschilderte Verhalten des Betroffenen zur Tatzeit deutet auf einen Realitätsverlust, auf Wahnvorstellungen und auf das Bestehen einer Psychose hin: So hat der Betroffene – wie oben dargelegt – auf den Zeugen Z… den Eindruck hinterlassen, dass er „krank“ sei, da er sich als Inhaber des Imbisses „Döner Kebab …“ ausgegeben und gegenüber dem Zeuge angegeben habe, „der Chef“ zu sein. Nach einem Aktenvermerk der Zeugin KK’in R… habe der Betroffene anlässlich seiner Beschuldigtenvernehmung am 15. August 2024 gefordert, „mit Merkel“ zu reden und vorgebracht, „alle Sprachen“ sprechen zu können. Diese psychischen Auffälligkeiten setzten sich in der Folgezeit, wie unter Ziff. I. 4 b) im Einzelnen aufgeführt, fort.

2. Gegen den Betroffenen ist jedoch die einstweilige Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus anzuordnen, da die Voraussetzungen des § 126a StPO vorliegen.

a) Nach Auffassung des Senats bestehen keine Bedenken, im Rahmen der besonderen Haftprüfung gemäß §§ 121, 122 StPO den bestehenden Haftbefehl durch einen Unterbringungsbefehl zu ersetzen, nachdem allen Beteiligten dazu rechtliche Gehör gewährt worden ist. Die Umwandlung eines Haftbefehls in einen Unterbringungsbefehl und umgekehrt ist jederzeit möglich, wenn die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen oder sich geändert haben (vgl. OLG Jena, Beschluss vom 18. Februar 2013, 1 Ws 55-56/13, zit. n. juris; KG JR 1989,476; Gärtner in: Löwe-Rosenberg, StPO, 28. Aufl., § 126a, Rn 36; Böhm in: Münchner Kommentar, StPO, 2. Aufl., § 126a Rn. 61, 63; Wankel in: KMR, StPO, Loseblatt, § 126a Rn. 6; Gericke in: Karlsruher Kommentar, StPO, 9. Aufl,. § 126a Rn. 9; Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 126a Rn. 12; a.M. Bohnert, JR 2001, 403, wonach Haftbefehl und Unterbringungsbefehl nebeneinander stehen).

b) Der Betroffene ist – wie oben dargelegt – der ihm mit dem Haftbefehl vorgeworfenen Straftat, am 14. August 2024 in O… einen versuchten räuberischen Diebstahl in Tateinheit mit versuchter räuberischer Erpressung begangen zu haben (§§ 252, 253, 255, 22, 23, 52 StGB) aufgrund der detailreichen und glaubhaften Aussagen des unmittelbaren Tatzeugen Z… sowie der Zeugen PHM D… und PK'in De… dringend verdächtig.

c) Es bestehen dringende Gründe für die Annahme, dass der Betroffene die ihm vorgeworfene Straftat im Zustand der Schuldunfähigkeit, zumindest aber im Zustand der verminderten Schuldfähigkeit begangen hat.

Ein forensisch-psychiatrisches Gutachten zur Schuldfähigkeit und einer möglichen Unterbringung im Maßregelvollzug liegt noch nicht vor. Das Gutachten ist jüngst mit Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 6. Februar 2025 mit Ergänzungen im Beschluss vom 17. Februar 2025 (12 Ls 45/24) in Auftrag gegeben worden; mit Ergebnissen ist zeitnah, spätestens bis zum anberaumten Hauptverhandlungstermin am 4. April 2025 zu rechnen.

Aus zahlreichen, oben unter Ziff. I. 4 b) dargelegten Umständen ist jedoch zu schließen, dass der Betroffene unter einem Realitätsverlust und Wahnvorstellungen leidet, die auf eine akute Psychose hindeuten und eine vorläufige Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus vor Eingang des Gutachtens rechtfertigen. Nach dem Bericht des Gerichtshelfers A... vom 29. September 2024 zeigte der Betroffene ganz erhebliche psychische Auffälligkeiten und einen deutlichen Realitätsverlust, was sich beispielsweise darin zeigte, dass er den ehemaligen Präsidenten von Afghanistan M… N… als seinen Vater bezeichnete, vorbrachte, dass seine Mutter Deutsche sei, die er erst in Deutschland bei einem Deutschkurs kennengelernt habe, äußerte, mit 10-20 Frauen nach islamischen Rechts verheiratet zu sein und ca. 35 Kinder zu haben sowie Doktor der Medizin und Ingenieur zu sein. Infolge des auffälligen Verhaltens des Betroffenen hatte bereits der Gerichtshelfer in seinem Bericht vom 29. September 2024 die fachärztliche Begutachtung durch einen Psychiater für notwendig erachtet.

d) Es sind auch dringende Gründe gegeben, die die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus rechtfertigen. Der Senat verkennt auch hierzu nicht, dass das beauftrage forensisch-psychiatrische Gutachten noch nicht vorliegt. Eine Gefährlichkeit für die Allgemeinheit folgt insbesondere aus dem Vermerk der Vorsitzenden des Schöffengerichts, wonach sich der Betroffene in der Hauptverhandlung am 5. Februar 2025 „erheblich unverständlich, wirr und aggressiv“ verhalten und darüber hinaus geäußert habe: „Ich bin Deutscher und ihr seid alle Ausländer. Haben Sie Probleme damit? Ich habe mit Ihnen nichts zu tun und nichts zu bereden. […] Ich bin sehr reich, die Supermärkte gehören alle mir. […] Ich bin Politiker, ein wichtiger Mensch, kein normaler Mensch.“

Vor allem aber die Äußerung des Betroffenen in der Hauptverhandlung: „Ihr habt mein Kind umgebracht und die anderen wollt ihr auch umbringen.“ sowie seine Äußerung, in der Hauptverhandlung seien „alles Ungläubige anwesend“, verdeutlicht die Wahnvorstellungen des Betroffenen und die Wahrscheinlichkeit, dass der Betroffene unter einer psychischen Erkrankung leidet, die ein Ausmaß angenommen hat, das für eine Unberechenbarkeit und Gefährlichkeit des Betroffenen für die Allgemeinheit spricht, zumal bei Verfahrensbeteiligten der Eindruck entstanden ist, dass sich der Betroffene „in der letzten Zeit islamistisch radikalisiert habe“. Für eine bestehende Gewaltbereitschaft und eine herabgesetzte Hemmschwelle sprechen auch die oben genannten familienpsychologischen Gutachten des Sachverständigen Dr. M…L… vom 24. Februar 2023 und vom 22. September 2023.

3. Die Fortdauer der Freiheitsentziehung über sechs Monate hinaus durch Ersetzung des Haftbefehls durch einen Unterbringungsbefehl ist gerechtfertigt (§§ 126a, 121, 122 StPO).

a) Der Senat verkennt nicht, dass es im bisherigen Verfahren zu Verstößen gegen das Beschleunigungsgebot in Haftsachen sowohl durch die Staatsanwaltschaft Neuruppin als auch durch das Amtsgericht Oranienburg (Strafrichter) gekommen ist.

Nicht nachvollziehbar ist der Vermerk der Staatsanwaltschaft vom 11. September 2024, wonach lediglich ein Diebstahl geringwertiger Sachen gemäß § 248a StGB vorliegen könnte. Die Anklage vom 11. September 2024 ist insofern widersprüchlich, als die Tat des Betroffenen nur als „Vergehen“, nämlich „des Diebstahls geringwertiger Sachen“ bezeichnet wird, in der Paragrafenkette jedoch mit „§§ 253 Abs. 1-3, 255 StGB“ das Verbrechen der (versuchten) räuberischen Erpressung genannt ist. Die fehlerhafte Anklage des Verbrechens der (versuchten) räuberischen Erpressung vor dem Strafrichter entgegen § 25 GVG und das Übersehen dieses Fehlers durch den Amtsrichter am Amtsgericht Oranienburg hat zu einer Verfahrensverzögerung geführt. Zu beanstanden ist ferner, dass nach Eingang des oben genannten Berichts des Gerichtshelfers vom 29. September 2024 und des Ergebnisberichtes des Brandenburgischen Landesinstituts für Rechtsmedizin vom 03. September 2024 die Staatsanwaltschaft Neuruppin nicht schon die forensisch-psychiatrische Begutachtung des Betroffenen auf seine Schuldfähigkeit und auf eine mögliche Unterbringung im Maßregelvollzug angeordnet hat, dies vielmehr erst im Ergebnis der durchgeführten Hauptverhandlung vor dem Schöffengericht am 5. Februar 2025 erfolgt ist.

b) Die Prüfung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eröffnet im Einzelfall eine Abwägung zwischen den Belangen des Freiheitsgrundrechts und damit einhergehend der Verfahrensbeschleunigung einerseits sowie dem Interesse der Allgemeinheit an dem Schutz vor gefährlichen Straftätern andererseits.

Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung erstreckt sich die Prüfung gemäß § 126a Abs. 2 Satz 2 StPO nicht darauf, ob die besondere Schwierigkeit oder der Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund ein Urteil noch nicht zulassen. Vielmehr ist allein zu prüfen, ob die Voraussetzungen des §  126a StPO vorliegen (vgl. Senatsbeschluss vom 29. Dezember 2021, 1 Ws 146/21; Senatsbeschluss vom 31. Januar 2019, 1 Ws 13/19; Senatsbeschluss vom 19. November 2018, 1 Ws 174/18; ebenso statt vieler: Senatsbeschlüsse vom 24. Juli 2018, 1 Ws 110/18; vom 2. Mai 2018, 1 Ws 65/18; vom 14. Februar 2018, 1 Ws 19/18; vom 10. Dezember 2012, 1 Ws 220/12; vom 12. August 2008, 1 Ws 154/08; vom 10. September 2007, 1 Ws 192/07; vom 18. Januar 2010, 1 Ws 6/10; siehe auch: Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 29. Juli 2008, 2 Ws 138/08; OLG Düsseldorf NJW 2008, 867 f.; Schmitt in: Meyer/Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 126a Rn. 10a).

Dennoch ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und in diesem Rahmen auch das Beschleunigungsgebot zu beachten (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 22. April 2020, Ws 73/20, juris; Schmitt, a. a. O., § 126a Rn. 10a m. w. N.). Hierbei ist das Freiheitsgrundrecht der Betroffenen gegen das Interesse der Allgemeinheit an dem Schutz vor gefährlichen Straftätern abzuwägen (Brandenburgisches Oberlandesgericht, a.a.O.; KG Berlin, Beschluss vom 5. Februar 2018, (5) 161 HEs 2/18 (3/18), juris).

Danach erweist sich die Fortdauer der Freiheitsentziehung, nunmehr in Form der einstweiligen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, weiterhin als verhältnismäßig.

Die eingetretenen Verfahrensverzögerungen sind durch die zügige Bearbeitung und Terminierung der neuen Hauptverhandlung auf den 4. April 2025 durch die Vorsitzende des Schöffengerichts zum Teil kompensiert worden. Zudem ist mit einer zeitnahen Erstellung des Gutachtens zu rechnen. Bei der Ersetzung des Haftbefehls durch einen Unterbringungsbefehl nach § 126a StPO ist zudem der Aspekt der öffentlichen Sicherheit in den Vordergrund getreten. Die vorgenannten Gründe sprechen nach gegenwärtiger Einschätzung der Sach- und Rechtslage für die Bereitschaft des Betroffenen, schwerwiegende Gewaltstraftaten zu begehen.

Die hiernach vorzunehmende Abwägung führt vorliegend zur Aufrechterhaltung der Freiheitsentziehung.

Mildere Maßnahmen, insbesondere die Außervollzugsetzung des Unterbringungsbefehls gemäß §§ 126a Abs. 2 Satz 1, 116 Abs. 3 StPO, scheiden gegenwärtig aus bzw. sind nicht geeignet, die mit der Anordnung der vorläufigen Unterbringung verfolgten Zwecke sicherzustellen.

4. Nächster Termin für die Prüfung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß §§ 126a Abs. 2, 121, 122 Abs. 4 Satz 3 ist der 15. Mai 2025. Eine Überprüfung des Unterbringungsbefehls nach Eingang des forensisch-psychiatrischen Gutachtens des Sachverständigen B… dürfte angebracht sein.

5. Die Übertragung der Verkündung des Unterbringungsbefehls und der weiteren Kontrolle der einstweiligen Unterbringung für die nächsten drei Monate auf das mit der Sache befasste Amtsgericht Oranienburg – Schöffengericht – hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 126 a Abs. 2 Satz 2, 122 Abs. 3 Satz 3 StPO. Die Überstellung des Betroffenen in die einstweilige Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus sollte erst nach Verkündung des Unterbringungsbefehls durch das Amtsgericht Oranienburg erfolgen.