Gericht | LArbG Berlin-Brandenburg 12. Berufungskammer | Entscheidungsdatum | 10.01.2025 | |
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Aktenzeichen | 12 Sa 1206/23 | ECLI | ECLI:DE:LAGBEBB:2025:0110.12SA1206.23.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 3 Nr. 11 a ESTG, § 2 TV Corona Sonderzahlung |
Gewährt ein Arbeitgeber in Anlehnung an den TV Corona-Sonderzahlung eine solche Sonderzahlung, so darf er nicht diejenigen Arbeitnehmer aus der Gruppe der Begünstigten herausnehmen, deren Arbeitsverhältnis am 31. März 2022 beendet war. Mit der Anlehnung an die Tarifvorschriften und der Inanspruchnahme der Steuerbefreiung macht sich der Arbeitgeber den Beihilfecharakter der Sonderzahlung und deren Uneigennützigkeit zu eigen, die es ausschließen, mit der Zahlung zusätzlich die am Ende des Zeitraums der Coronakrise bestehende Betriebstreue zu honorieren.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 11. Oktober 2023 - 37 Ca 5678/22 - abgeändert und in der Hauptsache wie folgt neu gefasst:
II. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen haben der Kläger 4/10 und die Beklagte 6/10 zu tragen.
III. Für die Beklagte wird die Revision zugelassen.
Für den Kläger wird die Revision nicht zugelassen.
Die Parteien streiten über eine Corona-Sonderzahlung.
Die Beklagte beschäftigte den Kläger ab dem 5. September 2016 bis zum 28. Februar 2022 zunächst als Schulhelfer und ab Aufnahme eines dualen Studiums in einer Tagesgruppe. Vertragliche Grundlagen waren ein schriftlicher Arbeitsvertrag vom 29. Juli 2016 und ein „Vertrag zur Ausbildung im Rahmen des dualen Studiums“ vom 9. Juli 2018.
Der Kläger erhielt zuletzt einen Bruttolohn in Höhe von 1.457,51 EUR monatlich. Im Rahmen des dualen Studiums betrug die Praxiszeit des Klägers bei der Beklagten durchschnittlich 23 Stunden/Woche. Nach dem Vertrag zu dem dualen Studium betrug die gesamte wöchentlichen Ausbildungszeit 39,40 Stunden.
Nach erfolgloser vorgerichtlicher Geltendmachung unter Fristsetzung auf den 10. Juni 2022 hat der Kläger mit der am 14. Juli 2022 zugestellten Klage die Zahlung eines Betrags von 1.300 EUR als Corona-Sonderzahlung nebst Zinsen gerichtlich geltend gemacht. Er hat behauptet, die Beklagte habe seiner Kenntnis nach an alle ihre Mitarbeiter einschließlich solcher im Rahmen eines dualen Studiums eine Corona-Sonderzahlung in voller Höhe geleistet. Er hat die Auffassung vertreten, der Anspruch ergäbe sich vor dem Hintergrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes. Die Knüpfung der Leistung an das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses hätte sie im Vorfeld klarstellen müssen. Das Besserstellungsverbot könne dem Anspruch nicht entgegenstehen, da nach den herangezogenen Tarifvorschriften ein Bestand des Arbeitsverhältnisses am 29. November 2021 Voraussetzung sei. Es sei den Tarifvorschriften nicht zu entnehmen, dass das Arbeitsverhältnis noch im März 2022 habe bestehen müssen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.300,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.06.2022 zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Sie hat die Auffassung vertreten, ein Anspruch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz bestehe nicht. Sie habe eine freiwillige Corona-Sonderzahlung geleistet und sich dabei im Hinblick auf ihre Subventionierung durch das Land Berlin und das deshalb für sie geltende Besserstellungsverbot an dem Tarifvertrag über eine Corona-Sonderzahlung (TV Corona-Sonderzahlung) vom 29. November 2021 abgeschlossen zwischen der Tarifgemeinschaft deutscher Länder und ver.di sowie dem dbb orientiert. An Personen, die am 1. März 2022 nicht mehr bei ihr beschäftigt gewesen seien, habe sie keine Sonderzahlung geleistet. Dies sei gerechtfertigt, da die Corona-Sonderzahlung nicht losgelöst vom Arbeitsverhältnis sei und sie keine Arbeitsleistungen der ausgeschiedenen Mitarbeiter mehr erwarten habe können. Jedenfalls könne der Kläger zur Vermeidung eines Verstoßes gegen das Besserstellungsverbot die Leistung nur anteilig im Verhältnis der Praxiszeit zur regelmäßigen Arbeitszeit vergleichbarer Vollzeitbeschäftigter beanspruchen. Teilzeitbeschäftigte hätten die Sonderzahlung im Verhältnis der individuell vereinbarten durchschnittlichen Arbeitszeit zu einer Vollzeitstelle mit 39,4 Stunden erhalten. Von den beiden von dem Kläger für eine volle Gewährung trotz Teilzeitbeschäftigung herangezogenen Vergleichspersonen habe eine nur eine anteilige Sonderzahlung erhalten und die andere nur aufgrund eines Versehens die volle.
Mit Urteil vom 11. Oktober 2023 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der eingeklagte Anspruch sei aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz in Verbindung mit § 2 TV Corona-Sonderzahlung vom 29. November 2021 begründet. Die Beklagte habe als generalisierendes Prinzip die Voraussetzungen des TV Corona-Sonderzahlung herangezogen und sich wegen des von ihr herangezogenen Besserstellungsverbots hinsichtlich der in dem Tarifvertrag enthaltenen Vorgaben „abhängig“ gemacht, d. h. ob generell eine Zahlung erbracht wird und in welcher Höhe. Die im Tarifvertrag genannten Voraussetzungen hinsichtlich Bestand des Arbeitsverhältnisses am 29. November 2021 und Arbeitsentgeltanspruch für zumindest einen Tag von Jahresbeginn 2021 bis zu dem Stichtag erfülle der Kläger. Eine zusätzliche Voraussetzung, dass das Arbeitsverhältnis auch zum Auszahlungszeitpunkt bestanden haben müsse, stelle der Tarifvertrag nicht auf. Im Hinblick auf die der tarifvertraglichen Regelung zu Grunde liegende Zweckbestimmung, finanzielle Belastungen aus der Corona-Pandemie unabhängig von einer Arbeitsleistung abmildern zu sollen, verstoße die Differenzierung nach dem Bestand des Arbeitsverhältnisses noch im März 2022 gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Es gehe nicht um eine im Auszahlungszeitpunkt noch bestehende Betriebszugehörigkeit oder um eine künftige Zusammenarbeit, sondern um den Ausgleich von Nachteilen der Pandemie. Der Kläger habe Anspruch auf den vollen Betrag der Corona-Sonderzahlung. Eine Minderung im Hinblick auf das duale Studium und die Aufteilung der wöchentlichen Ausbildungszeit in Praxiszeiten und weitere Verpflichtungen habe nicht zu erfolgen. Der Vertrag sehe mit der wöchentlichen Ausbildungszeit von 39,4 Stunden eine Vollzeitbindung vor.
Gegen das ihr am 2. November 2023 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 28. November 2023 Berufung eingelegt und – nach Fristverlängerung auf den 2. Februar 2024 – an diesem Tag begründet. Sie verfolgt die Klageabweisung weiter und macht geltend: Die Wendung in der Tarifvorschrift „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitsentgelt“ sei dahin zu verstehen, dass – sofern sich der Arbeitgeber für eine Auszahlung im März 2022 entscheide – zum 31. März 2022 ein Arbeitsverhältnis als Anspruchsvoraussetzung bestehen müsse. Jedenfalls habe sie zu Lasten der Arbeitnehmer von den tariflichen Vorgaben abweichen dürfen. Sie habe entschieden, eine Corona-Sonderzahlung nur denjenigen Mitarbeitern zu gewähren, die sich noch am 31. März 2022 in einem Arbeitsverhältnis befunden hätten. Der Bestand eines Arbeitsverhältnisses zu diesem Zeitpunkt rechtfertige als wesentlicher Unterschied die Ungleichbehandlung der ausgeschiedenen Mitarbeiter, weil mit dem Ausscheiden feststehe, dass der Mitarbeiter keine Arbeitsleistung mehr für die Beklagte unter den besonderen Belastungen aus der Corona-Pandemie mehr erbringen werde. Ein Anspruch unterstellt, bestünde dieser nicht in voller Höhe. Für dual Studierende in ausbildungsintegrierten dualen Studiengängen sehe der TV nur einen Betrag von 650 EUR vor. Jedenfalls sei die tarifvertragliche Vorgabe zur Teilzeitbeschäftigung zu beachten und insoweit auf das Verhältnis von Praxiszeiten zur Vollzeitarbeit abzustellen, mit der Folge, dass eine Zahlung nur in Höhe von 758,8 EUR zu erfolgen hätte.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 11. Oktober 2023 - 37 Ca 5678/22 - abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger hat die Berufung beantwortet. Er verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und führt aus, dass ein zwingender Zusammenhang zwischen Corona-Sonderzahlung und für März 2022 auszahlbarem Entgelt nicht bestehe. Er sei kein Praktikant gewesen und die Sonderzahlung deshalb nicht unter diesem Gesichtspunkt auf 650 EUR reduziert. Die vertraglich übernommenen Pflichten im Zusammenhang mit dem Studium machten es nicht nachvollziehbar, bei der Bemessung der Sonderzahlung allein auf die Praxiszeit abzustellen.
Die Berufung hat teilweise Erfolg. Sie ist zulässig und insoweit begründet, als das Arbeitsgericht dem Kläger mehr als eine seiner Teilzeittätigkeit entsprechende anteilige Corona-Sonderzahlung zugesprochen hat. Insoweit beruht die Verurteilung auf einem Rechtsfehler. Im Übrigen dagegen beruht das Urteil nicht auf einem Rechtsfehler, sondern ist – auch unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren – aufrecht zu erhalten. Der Kläger kann von der Beklagten dem Grunde nach aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz die Zahlung einer Sonderzuwendung beanspruchen
I.
Die Berufung ist zulässig
Ihre Statthaftigkeit folgt aus § 64 Absatz 2 Buchstabe b Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG). Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 600 EUR. Die Beklagte hat die Berufung innerhalb der Monatsfrist aus § 66 Absatz 1 Satz 1 ArbGG eingelegt und innerhalb der verlängerten Begründungsfrist begründet. Berufungseinlegung und -begründung genügen den formalen und inhaltlichen Anforderungen aus § 64 Absatz 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 519 - 520 Zivilprozessordnung (ZPO). Insbesondere ist mit dem Vorbringen dazu, weshalb die Differenzierung nach dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses am 30. März 2023 sachlich gerechtfertigt sein soll, eine Rechtsverletzung im Sinne von § 520 Absatz 3 Nummer 2 vorgebracht.
II.
Die Berufung ist teilweise begründet. Wenn auch die Beklagte grundsätzlich nicht verpflichtet war, eine Corona-Sonderzahlung zu gewähren, so ist doch die von ihr freiwillig an die Belegschaft gewährte Leistung an dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zu messen. Die erkennende Berufungskammer schließt sich der Auffassung des Arbeitsgerichts an, wonach die von der Beklagten vorgenommene Differenzierung nach dem Bestand des Arbeitsverhältnisses noch im März 2022 gegen diesen Grundsatz verstößt, so dass der Kläger grundsätzlich in die Leistung einzubeziehen ist und ihm ein Anspruch zusteht. Die Sonderzahlung ist aber unter Berücksichtigung der infolge des dualen Studiums eingeschränkten wöchentlichen Arbeitszeit zu bemessen, so dass dem Kläger nur eine Zahlung in dem Umfang zusteht, wie er dem Verhältnis der Praxiszeit als der individuell vereinbarten durchschnittlichen Arbeitszeit zur regelmäßigen Arbeitszeit vergleichbarer Vollzeitbeschäftigter entspricht. Im Einzelnen:
1. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz (auch allgemeiner arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz oder Gleichbehandlungsgrundsatz im Arbeitsrecht genannt) gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gesetzten Regel gleich zu behandeln. Er wurzelt in dem überpositiven Ideal der Gerechtigkeit, die es gebietet, Gleiches gleich und Ungleiches entsprechend seiner Eigenart ungleich zu behandeln. Er ist seit langem unbestrittener Bestandteil des Arbeitsrechts. Der Gleichbehandlungsgrundsatz beschränkt die Gestaltungsmacht des Arbeitgebers. Wird er verletzt, muss der Arbeitgeber die von ihm gesetzte Regel entsprechend korrigieren. Der benachteiligte Arbeitnehmer hat Anspruch auf die vorenthaltene Leistung (BAG, 3. September 2014 - 5 AZR 6/13, juris Rn 18).
2. Der arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ist in der Anwendung auf ein gestaltendes Verhalten des Arbeitgebers beschränkt. Wegen seines Schutzcharakters gegenüber der Gestaltungsmacht des Arbeitgebers greift dieser Grundsatz nur dort ein, wo der Arbeitgeber durch ein gestaltendes Verhalten ein eigenes Regelwerk bzw. eine eigene Ordnung schafft, nicht hingegen bei bloßem – auch vermeintlichem – Normenvollzug (BAG, 1. Dezember 2020 - 9 AZR 104/20, juris Rn 52; BAG, 18. November 2020 - 5 AZR 57/20, juris Rn 33; BAG, 14. März 2019 - 6 AZR 171/18, juris Rn 45; BAG, 14. November 2017 - 3 AZR 515/16, juris Rn 21). Bei einem (vermeintlichen) Normvollzug fehlt es an einer eigenen Verteilungsentscheidung des Arbeitgebers, wie sie Voraussetzung der Anwendung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes ist, wenn er subjektiv keine eigenen Voraussetzungen für Ansprüche bildet, sondern sich (irrtümlicherweise) verpflichtet sieht, eine aus seiner Sicht wirksame Regelung nur vollziehen zu müssen (vgl. BAG, 21. Mai 2014 - 4 AZR 50/13, juris Rn 20).
3. Danach ist vorliegend der Anwendungsbereich des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes eröffnet und die Beklagte – zunächst abgesehen von der Frage nach der Zulässigkeit einer Beschränkung auf am 31. März 2022 noch bestehende Arbeitsverhältnisse – bei der Gewährung der Corona-Sonderzahlung in Anlehnung an tarifvertragliche Vorschriften an diesen gebunden. Gestaltendes Verhalten liegt insoweit vor. Die Beklagte ist nicht kraft Mitgliedschaft in dem den Tarifvertrag schließenden Verband oder aus anderen Gründen an den TV Corona-Sonderzahlung gebunden. Sie hat sich auch nicht irrtümlich für verpflichtet gehalten, die Tarifbestimmungen erfüllen zu müssen, so dass kein Fall vermeintlichen Normvollzugs vorliegt. Vielmehr hat die Beklagte sich nur an den genannten Tarifvertrag angelehnt, um im Hinblick auf das für sie geltende Besserstellungsverbot eine Besserstellung ihrer Beschäftigten gegenüber Beschäftigten im öffentlichen Dienst zu vermeiden.
4. Die aus dem TV Corona-Sonderzahlung folgenden Voraussetzungen erfüllt der Kläger.
a. Nach § 2 Absatz 1 TV Corona-Sonderzahlung setzt die Corona-Sonderzahlung zum einen voraus, dass das Arbeitsverhältnis am 29. November 2021 bestanden hat. Zum anderen muss in der Zeit vom 1. Januar bis 29. November 2021 an mindestens einem Tag Anspruch auf Entgelt bestanden haben. Im Hinblick auf die Bestandszeiten des Arbeitsverhältnisses und die zuletzt gewährte Bruttovergütung erfüllt der Kläger diese Voraussetzungen.
b. Ein Arbeitsentgeltanspruch für März 2022 macht der Tarifvertrag nicht zur Anspruchsvoraussetzung. Mit der Auszahlung „spätestens mit dem … Entgelt für März 2022“ regelt § 2 Absatz 1 TV Corona-Sonderzahlung die Fälligkeit der Leistung, ohne einen Entgeltanspruch für März 2022 zur Anspruchsvoraussetzung zu machen. Die Wendung in Ziffer 1 der Protokollerklärung zu § 2 Absatz 1 TV Corona-Sonderzahlung, wonach die Sonderzahlung „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitsentgelt“ gewährt werde, ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht dahin zu verstehen, dass zum 31. März 2022 ein Arbeitsverhältnis als Anspruchsvoraussetzung bestehen müsse. Vielmehr wiederholt der Tarifvertrag damit die in § 3 Nummer 11a Einkommenssteuergesetz (EStG) geregelte Voraussetzung für die Qualifizierung einer Corona-Beihilfe als steuerfreie Einnahme. Nach der einschlägigen Legaldefinition in § 8 Absatz 4 EStG soll das Merkmal insbesondere gewährleisten, dass die steuerfreie Leistung nicht auf den Anspruch auf Arbeitslohn angerechnet oder dass der Anspruch auf Arbeitslohn nicht zugunsten der Leistung herabgesetzt wird. Mit dem Merkmal will der Gesetzgeber die schlichte Umwandlung von steuerpflichtigem Arbeitslohn in steuerfreie Arbeitgeberleistungen (Gehaltsumwandlung) ausschließen (Seer in: Kirchhof/Seer, EStG, § 8 Rn 60). Das Bestehen eines Arbeitsentgeltanspruchs ist danach nicht Voraussetzung.
5. Den Bestand des Arbeitsverhältnisses zum 31. März 2022 konnte die Beklagte nicht wirksam zur Anspruchsvoraussetzung machen.
a. Dies folgt – entgegen dem Vorbringen des Klägers – nicht aus einer verspäteten Geltendmachung des Differenzierungsgrundes. Zwar hat das Bundesarbeitsgericht in älteren Entscheidungen angenommen, der Arbeitgeber sei verpflichtet, Gründe für die Ungleichbehandlung – soweit diese nicht ohnehin aus dem Leistungszweck erkennbar seien – spätestens dann offenzulegen, wenn die Arbeitnehmer, die die geltende Besserstellung für sich in Anspruch nehmen, an ihn herantreten würden (BAG, 9. September 1981 - 5 AZR 1182/79, juris Rn 37). Kam der Arbeitgeber dieser Verpflichtung nicht rechtzeitig nach, war sein Vorbringen insoweit nicht berücksichtigungsfähig (BAG, 5. März 1980 - 5 AZR 881/78, juris Rn 15ff). Diese Rechtsprechung hat das Bundesarbeitsgericht aber in nachfolgenden Entscheidungen zu Recht nicht mehr aufrechterhalten. Die Ermittlung der Differenzierungsgründe ist Teil der dem Gericht obliegenden Tatsachenfeststellung, weshalb sich zeitliche Grenzen für das Vorbringen von Differenzierungsgründen im Rechtsstreit nur aus den Präklusionsvorschriften ergeben können (vgl. BAG, 23. Februar 2011 – 5 AZR 84/10, juris Rn. 16). Den Interessen der Arbeitnehmer ist durch die Möglichkeit Rechnung getragen, durch eine Auskunftsklage ggf. im Wege der Stufenklage die für die Ungleichbehandlung maßgebenden Gründe in Erfahrung zu bringen (BAG, 27. Juli 2010 – 1 AZR 874/08, juris Rn 26).
b. Der von der Beklagten geltend gemachte Differenzierungsgrund trägt in der Sache nicht.
aa. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet sowohl die sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage als auch die sachfremde Differenzierung zwischen Arbeitnehmern einer bestimmten Ordnung. Unzulässig ist nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung. Eine Differenzierung ist sachfremd, wenn es für die unterschiedliche Behandlung keine billigenswerten Gründe gibt, wenn also für eine am Gleichheitsgedanken orientierte Betrachtungsweise die Regelung als willkürlich anzusehen ist (BAG, 14. Juni 2006 - 5 AZR 584/05, juris Rn 16). Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist verletzt, wenn sich für eine unterschiedliche Behandlung kein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender oder in sonstiger Weise sachlich einleuchtender Grund finden lässt. Bei freiwilligen Leistungen des Arbeitgebers heißt dies, dass der Arbeitgeber die Leistungsvoraussetzungen so abzugrenzen hat, dass Arbeitnehmer des Betriebes nicht aus sachfremden oder willkürlichen Gründen ausgeschlossen werden. (BAG, 18. September 2007 - 9 AZR 788/06, juris Rn 10).
bb. Vorliegend ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass die Corona-Sonderzahlung nach dem Tarifvertrag einen bestimmten Zweck verfolgt. Nach der Protokollerklärung zu Absatz 1 von § 2 TV Corona-Sonderzahlung handelt es sich um „eine Beihilfe bzw. Unterstützung des Arbeitgebers zur Abmilderung der zusätzlichen Belastung durch die Corona-Krise im Sinne des § 3 Nummer 11a des Einkommenssteuergesetzes.“ Hierin kommt der Tarifzweck zum Ausdruck (vgl. BAG, 28. März 2023 - 9 AZR 132/22, juris Rn 17). Beihilfen nach § 3 Nummer 11 Einkommenssteuergesetz (EStG) werden als uneigennützige Unterstützungsleistungen (BFH 5. November 2014 - VIII R 27/11 - Rn. 27) unabhängig von einem entgeltlichen Austauschgeschäft gezahlt (BFH 14. Juli 2020 - VIII R 27/18 - Rn. 18). Vor diesem Hintergrund spricht die Anknüpfung an die steuerliche Bestimmung dafür, dass die Tarifvertragsparteien den Anspruch nicht von einer besonderen Belastung aufgrund geleisteter Arbeit abhängig gemacht haben, sondern die finanziellen Belastungen aufgrund der Corona-Pandemie unabhängig von einer Arbeitsleistung abmildern wollten (BAG, 28. März 2023 - 9 AZR 132/22, juris Rn 17).
cc. Mit der Anlehnung an den Tarifvertrag hat sich die Beklagte diesen Zweck zu eigen gemacht. Außerdem hat sie für die Zahlung die angesprochene Steuerbefreiung in Anspruch genommen und so den Leistungszweck als uneigennützige Beihilfe bestätigt. Zu den Charakteristika der Beihilfen im Sinne der steuerrechtlichen Vorschrift gehört es, dass es sich um uneigennützige Leistungen handelt (Stahl in: Bordewin/Brandt, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 466. Lieferung, 1/2025, § 3 EStG, Rn 22). Nach Ziffer H 3.11. Einkommenssteuer-Richtlinien können Leistungen, die im Rahmen eines entgeltlichen Austauschgeschäfts erbracht werden, nicht als Beihilfe qualifiziert werden. Somit erscheint die Uneigennützigkeit als Voraussetzung für die Steuerprivilegierung von arbeitgeberseitigen Beihilfen und Unterstützungsleistungen nach § 3 Nr. 11a EStG (vgl. BAG, 28. März 2023 - 9 AZR 132/22, juris Rn 17).
dd. Vor diesem Hintergrund ist ein Abstellen auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses noch am 31. März 2022 sachwidrig im Sinne der Rechtsprechung zum arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Beklagte will damit nach ihrem Vorbringen noch zu erwartende Arbeitsleistungen honorieren. Dies ist aber gerade nicht Zweck der Corona-Sonderzahlung, die – wie dargestellt – eine Beihilfe im Hinblick auf die eingetretenen besonderen Belastungen durch die Corona-Krise sein soll. Grundsätzlich ist zwar eine Honorierung der Betriebstreue durch den Arbeitgeber nicht willkürlich. Hierzu darf er aber nicht die im Zusammenhang mit der Steuerbefreiung verpflichtend auf einen anderen Zweck gerichteten Beihilfeleistungen wegen der Corona-Krise verwenden. Vielmehr müsste er die Honorierung der Betriebstreue aus zu versteuerndem Arbeitseinkommen leisten. Als zulässig wäre es noch erschienen, wenn die Arbeitgeberin auf die Dauer des Bestandes während der Corona-Krise und der daraus resultierenden Belastungen abgestellt hätte. Dies hätte aber nur eine anteilige Kürzung der Leistung im Hinblick auf einen Beendigungszeitpunkt vor Ende März 2022 erlaubt (vgl. § 3 Nr. 11a EStG), nicht den vollständigen Ausschluss von der Leistung wegen einer Beendigung vor dem 31. März 2022.
ee. Die Beklagte kann auch nicht darauf abstellen, sie habe wie die Tarifvertragsparteien im TV Corona-Sonderzahlung einen Stichtag bestimmen dürfen. Den Tarifvertragsparteien stehen bei der Regelung von Arbeits- bzw. Entgeltbedingungen im Hinblick auf den grundrechtlichen Schutz der Koalitionsfreiheit durch Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz ein weiter Gestaltungsspielraum und eine Einschätzungsprärogative zu (vgl. BAG, 9. Juli 2024 - 9 AZR 296/20, juris Rn 29; BAG, 15. November 2023 - 10 AZR 163/23, juris Rn 19; BAG, 20. Juli 2023 - 6 AZR 256/22, juris Rn 38). Insbesondere Stichtagsregelungen, wie das Anknüpfen an den Tag des Tarifvertragsschlusses im TV Corona-Sonderzahlung, können danach vor dem Gleichbehandlungsgebot gerechtfertigt sein. Der einseitig regelnde Arbeitgeber kann dagegen solche Spielräume oder Vorrechte nicht für sich beanspruchen. Die Beklagte musste daher dem Beihilfecharakter der Leistung folgend auf die Belastungen durch die Corona-Krise abstellen, wie sie sich beginnend im März 2020 über einen längeren Zeitraum erstreckten. Dies verlangt das Gleichbehandlungsgebot. Ein völliger Ausschluss von Leistungen wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor dem 31. März 2022 als dem letzten Tag des berücksichtigungsfähigen Zeitraums verletzt dagegen das Gleichbehandlungsgebot.
6. Teilweise abzuändern ist dagegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts, insoweit es die volle Sonderzahlung zugesprochen hat. Dies übergeht die im Hinblick auf das Vorgehen der Beklagten zu beachtenden besonderen Bestimmungen im TV Corona-Sonderzahlung zu dualen Studiengängen bzw. Teilzeitbeschäftigung. Zwar ist - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht der bloß hälftige Anspruch einschlägig, wie er aus § 1 lit. e TV Corona-Sonderzahlung für dual studierende in ausbildungsintegrierten dualen Studiengängen folgt. Der Kläger hat kein duales Studium absolviert, das in eine Berufsausbildung integriert war. Zu beachten ist aber die Anordnung in § 2 Absatz 2 Satz 2 TV Corona-Sonderzahlung, wonach die Regelung zur Teilzeitbeschäftigung in § 24 Absatz 2 Tarifvertrag der Länder entsprechend gilt. Danach erhalten Teilzeitbeschäftigte das Tabellenentgelt und alle sonstigen Entgeltbestandteile in dem Umfang, der dem Anteil ihrer individuell vereinbarten durchschnittlichen Arbeitszeit an der regelmäßigen Arbeitszeit vergleichbarer Vollzeitbeschäftigter entspricht. Dieser Anteil entspricht für den Kläger dem Verhältnis zwischen der Praxiszeit zur betriebsüblichen Arbeitszeit bei Vollzeitbeschäftigung. Dies sind 23/39,40. Zu Unrecht hat das Arbeitsgericht auf die gesamte wöchentliche Ausbildungszeit abgestellt, wie sie im „Vertrag zur Ausbildung im Rahmen des dualen Studiums“ vom 9. Juli 2018 mit 39,40 Stunden beziffert ist. Außerhalb der Praxiszeiten leistete der Kläger keine Arbeit für die Beklagte und war insoweit nicht beschäftigt. Eine durch Tarifvorschrift vorgesehene Differenzierung bei der Corona-Sonderzahlung nach dem Beschäftigungsgrad bei Teilzeit verstößt nicht gegen das Diskriminierungsverbot zu Gunsten der Teilzeitbeschäftigten aus § 4 Absatz 1 TzBfG (vgl. BAG, 28. März 2023 - 9 AZR 132/22, juris Rn 25). Eine generelle Praxis, wonach die Beklagte auch teilzeitbeschäftigten Personen die volle Sonderzahlung gewährt hat, kann unter Berücksichtigung des wechselseitigen Vorbringens nicht festgestellt werden.
7. Der Anspruch wegen der titulierten Zinsen folgt aus § 286 Absatz 1, § 288 Absatz 1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch. Danach hat die Beklagte die Geldschuld gegenüber dem Kläger ab dem auf den in der Mahnung genannten Tag mit einem Satz von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.
III.
Von den Nebenentscheidungen folgt die Verpflichtung der Parteien, die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen dem Anteil ihres Unterliegens gemäß zu tragen aus § 92 Absatz 1 Satz 1 ZPO.
Die Zulassung der Revision für die Beklagte beruht auf § 72 Absatz 2 Ziffer 2 ArbGG. In den Entscheidungsgründen zu dem Urteil vom 21. Mai 2024 - 11 Sa 1128/23 hat eine andere Kammer des erkennenden Landesarbeitsgerichts zu einem gleich gelagerten Sachverhalt darauf abgestellt, dass die von der Beklagten zusätzlich aufgestellte Bedingung zum Bestand des Arbeitsverhältnisses vor dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zu beanstanden sei.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil kann von der Beklagten bei dem
Bundesarbeitsgericht,
Hugo-Preuß-Platz 1, 99084 Erfurt
(Postadresse: 99113 Erfurt),
Revision eingelegt werden.
Die Revision muss innerhalb
einer Notfrist von einem Monat
schriftlich beim Bundesarbeitsgericht eingelegt werden.
Sie ist gleichzeitig oder innerhalb
einer Frist von zwei Monaten
schriftlich zu begründen.
Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgesetzten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
Die Revisionsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Revision gerichtet wird und die Erklärung enthalten, dass gegen dieses Urteil Revision eingelegt werde.
Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einer Prozessbevollmächtigten oder einem Prozessbevollmächtigten unterzeichnet sein. Als solche sind außer Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten nur folgende Stellen zugelassen, die zudem durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln müssen:
Für den Kläger ist kein Rechtsmittel gegeben.
Der Schriftform wird auch durch Einreichung eines elektronischen Dokuments i. S. d. § 46c Arbeitsgerichtsgesetz genügt. Nähere Informationen dazu finden sich auf der Internetseite des Bundesarbeitsgerichts unter www.bundesarbeitsgericht.de.
Achtung: Ab dem 01.01.2022 besteht gemäß dem ab dann geltenden § 46g Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) u.a. für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte die Pflicht zur Einreichung als elektronisches Dokument. Auf § 46g S. 3 und 4 ArbGG wird hingewiesen.