Gericht | VG Cottbus 4. Kammer | Entscheidungsdatum | 27.02.2025 | |
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Aktenzeichen | VG 4 K 1538/23 | ECLI | ECLI:DE:VGCOTTB:2025:0227.4K1538.23.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Einer Behörde fehlt bereits dann nicht das Rechtsschutzbedürfnis für die Erhebung einer Leistungsklage, wenn an ihrer Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsaktes Zweifel bestehen (hier bejaht)
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 294,63 Euro zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin verlangt vom Beklagten die Zahlung von sog. Rückstandszinsen.
Die Klägerin unterhält seit dem Jahr 2001 ein Programm für die Vergabe von Bildungskrediten, für das die jeweils zum Antragszeitpunkt einschlägigen Förderbestimmungen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gelten. Ziel des Programms ist es, Auszubildende und Studierende unabhängig von eigenen Einkünften und dem Vermögen bzw. Einkommen der Eltern unterstützen. Ein entsprechender Kredit kann beim Bundesverwaltungsamt (im Folgenden: B_____) beantragt werden, dessen stattgebender Förderbescheid es sodann ermöglicht, einen zinsgünstigen privatrechtlichen Kreditvertrag mit der Kreditanstalt für Wiederaufbau (im Folgenden: KfW) abzuschließen (bis 2003 mit der Deutschen Ausgleichsbank). Die Klägerin garantiert dabei der KfW die Rückzahlung der Kreditschulden der vom B_____bewilligten Förderung nach Maßgabe der Förderbestimmungen des BMBF.
Im hier maßgeblichen Zeitraum lauteten diese Förderbestimmungen auszugsweise wie folgt:
§ 12
Verzug
(1) Mahn- und Beitreibungskosten trägt der Kreditnehmer. Zu seinen Lasten gehen darüber hinaus zusätzlich entstehende Kosten im Zahlungsverkehr, z.B. durch Bankspesen und Bankgebühren.
(2) Im Verzugsfall hat der Kreditnehmer unbeschadet der Regelungen des § 11 Verbraucherkreditgesetz auf die fällige Forderung Zinsen in Höhe des jeweils geltenden, von der Bundesbank verkündeten Basiszinssatzes zuzüglich 5 vom Hundert zu zahlen.
§ 14
Eintritt der Bundesgarantie,
Übergang der Einziehung auf das B_____
(1) Der Bund garantiert der D_____ die Rückzahlung der Kredit- und Zinsschuld der vom B_____bewilligten Förderung nach Maßgabe des mit der D_____ geschlossenen Vertrags.
(2) Die D_____ gibt die Einziehung der Kredite an das B_____an, wenn der Kreditnehmer mehr als sechs Monate in Verzug gerät und einem entsprechenden Stundungsantrag nicht stattgeben kann. Die Frist in Satz 1 braucht nicht eingehalten zu werden, wenn die Einziehung aussichtslos ist. Sowohl der Bescheid des B_____als auch der mit der D_____ zu schließende Vertrag weisen auf diese Rechtsfolge hin.
(3) Wird die B_____in Anspruch genommen, übermittelt die D_____ dem B_____die Stammdaten des Kreditnehmers, die Kapitalforderung, die zu diesem Zeitpunkt fälligen Zinsen und Kosten sowie den Grund für die Einlösung aus der Garantie.
(4) Das B_____fordert den Kreditnehmer durch Rückforderungsbescheid zur Erstattung des insgesamt an die D_____ verauslagten Garantiebetrages auf. Die Regelung der durch den Rückforderungsbescheid festgestellten Höhe des Betrages ist innerhalb eines Monats anfechtbar.
(5) Der Erstattungsanspruch ist mit Bestandskraft des Rückforderungsbescheides fällig. § 12 gilt entsprechend. Der Kreditnehmer hat die Möglichkeit, Anträge nach § 11 zu stellen.
Auf entsprechenden Antrag bewilligte das B_____dem Beklagten mit Bescheid vom 5. April 2004 vorbehaltlich der Bestimmungen in den Ziffern 1 bis 6 des Bescheides einen Bildungskredit in Form der Inanspruchnahme eines verzinslichen Kredites der KfW in Höhe einer Einmalzahlung von 900,00 Euro zum 1. April 2004. Bezüglich der Rückzahlungsverpflichtung des Beklagten gegenüber der KfW erklärte das B_____die Übernahme einer Bundesgarantie nach Maßgabe der in den Ziffern 7 bis 10 des Bescheides genannten Bedingungen.
Diese Bedingungen lauteten auszugsweise wie folgt:
7. Falls die Kreditanstalt für Wiederaufbau die Bundesgarantie einlöst, sind Sie verpflichtet, der Bundesrepublik Deutschland den verauslagten Betrag zu erstatten. Die Erstattung bemisst sich nach der Höhe des bezogenen Kredits, der aufgelaufenen Zinsen sowie der Kosten unter Abzug ggf. bereits erbrachter Tilgungsleistungen. Der zu erstattende Betrag wird der Höhe nach durch gesonderten Bescheid festgesetzt.
8. Dieser Betrag ist von dem Zeitpunkt an, in dem seine Höhe wirksam festgesetzt ist, in Höhe des aktuellen Basiszinssatzes der Europäischen Zentralbank zuzüglich 5 v. H. zu verzinsen.
Unter denselben Bedingungen bewilligte das B_____dem Kläger mit Bescheid vom 1. Juli 2004 für den Zeitraum vom 1. April 2004 bis zum 31. August 2004 einen weiteren Bildungskredit in Höhe von monatlich 300 Euro.
Unter dem 19. November 2011 teilte das B_____dem Beklagten Folgendes mit: "[D]er Bund ist aus der Bundesgarantie (Bürgschaft) für den Ihnen gewährten Bildungskredit nach § 14 Abs. 2 und 4 der Förderbestimmungen von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) in Anspruch genommen worden. Dies bedeutet, dass die Forderung auf den Bund übergegangen ist. Für den Einzug des Ihnen bewilligten Bildungskredites ist deshalb ab sofort nicht mehr die KfW, sondern das B_____zuständig." Zugleich forderte es den Beklagten unter Hinweis auf § 14 Abs. 2 und 4 der Förderbestimmungen zur Erstattung des insgesamt gezahlten Garantiebetrags in Höhe von 2.835,31 Euro bis zum 27. Dezember 2011 auf. Dieser Betrag setzte sich zusammen aus dem ursprünglichen Kreditbetrag von 2.400,00 Euro, Zinsen in Höhe von 384,31 Euro sowie Kosten in Höhe von 51,00 Euro. Das B_____wies den Beklagten darauf hin, dass bei Überschreiten des genannten Fälligkeitstermins gemäß § 12 Abs. 2 i. V. m. § 14 Abs. 5 der Förderbestimmungen Zinsen in Höhe des „jeweils geltenden, von der Bundesbank verkündeten, Basiszinssatzes zuzüglich 5 %“ auf den fälligen Garantiebetrag erhoben würden.
In der Folge wurde dem Kläger die Rückzahlung des genannten Betrags gegen Ratenzahlung zeitweise gestundet. Die entsprechenden Raten zahlte der Beklagte indes nur teilweise fristgerecht, so dass das B_____ihm mit Schreiben vom 25. November 2015 mitteilte, dass es sich zur Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen hinsichtlich des Gesamtbetrages gezwungen sehe, sofern der Kläger den rückständigen Betrag nicht bis zum 10. Dezember 2015 einzahle.
Mit Zinsbescheid vom 20. März 2019 setze das B_____gegenüber dem Beklagten Rückstandszinsen in Höhe von 228,75 Euro für den Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis zum 20. März 2019 fest und forderte den Beklagten zur Zahlung des rückständigen Gesamtbetrages in Höhe von inzwischen 2.015,79 Euro bis zum 30. April 2019 auf.
Zum 25. August 2023 wies das Konto des Beklagten einen Zahlungsrückstand in Höhe eines Betrages von insgesamt 2.017,79 Euro auf, der sich aus 1.719,67 Euro Garantiebetrag, 18,00 Euro Mahnkosten, 30,00 Euro Kosten für die Anschriftenübermittlung, 21,37 Euro Stundungszinsen sowie 228,75 Euro an festgesetzten Rückstandszinsen zusammensetzte.
Diesbezüglich forderte das B_____den Beklagten mit Schreiben vom 25. August 2023 erneut zur Zahlung bis zum 30. September 2023 auf. Der Beklagte zahlte daraufhin am 5. September 2023 den vollständigen Forderungsbetrag in Höhe von 2.017,79 Euro.
Mit Zahlungsaufforderung vom 8. November 2023 forderte das B_____den Beklagten auf, bis zum 30. November 2023 zusätzlich einen Zinsbetrag in Höhe von 349,82 Euro für den Zeitraum vom 21. März 2019 bis zum 5. September 2023 zu zahlen.
Einen Zahlungseingang war in der Folge nicht verzeichnen.
Am 28. Dezember 2023 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben, mit der sie ihren Anspruch auf Zinsen für den Zeitraum 1. Januar 2020 bis 5. September 2023 weiterverfolgt.
Zur Begründung der Klage führt die Klägerin aus, ihr stehe zur Durchsetzung ihres Anspruchs nur die Leistungsklage zur Verfügung, nachdem das Verwaltungsgericht Köln mit Urteil vom 25. Januar 2023 (26 K 6416/22) entschieden habe, dass sie die Zinsforderung mangels Ermächtigungsgrundlage nicht im Wege des Erlasses eines Zinsbescheides durchsetzen könne. Der geltend gemachte Anspruch ergebe sich aus dem Bewilligungsbescheid, der eine Auflage im Sinne des § 36 Abs. 2 Nr. 4 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) enthalte. Seit Überschreitung des Zahlungstermins zur Begleichung des ausstehenden Rückforderungsbetrags befinde sich der Beklagte mit der Rückzahlung in Verzug und habe den Garantiebetrag in der im Bewilligungsbescheid i. V. m. §§ 14 Abs. 5, 12 Abs. 2 der Förderbestimmungen geregelten Höhe zu verzinsen. Für den Zeitraum vom 1. Januar 2020 bis zum 5. September 2023 ergebe sich danach ein Zinsanspruch in Höhe von 294,71 Euro, der sich wie folgt berechne:
Zinssatz (%) |
Kreditschuld in EUR |
Zahlungsrückstand von |
Zahlungsrückstand bis |
Zinstage |
Zinsen in EUR |
4,12 |
1.719,67 |
01.01.2020 |
30.06.2020 |
180 |
35,43 |
4,12 |
1.719,67 |
01.07.2020 |
31.12.2020 |
180 |
35,43 |
4,12 |
1.719,67 |
01.01.2021 |
30.06.2021 |
180 |
35,43 |
4,12 |
1.719,67 |
01.07.2021 |
31.12.2021 |
180 |
35,43 |
4,12 |
1.719,67 |
01.01.2022 |
30.06.2022 |
180 |
35,43 |
4,12 |
1.719,67 |
01.07.2022 |
31.12.2022 |
180 |
35,43 |
6,62 |
1.719,67 |
01.01.2023 |
30.06.2023 |
180 |
56,92 |
8,12 |
1.719,67 |
01.07.2023 |
25.08.2023 |
55 |
21,33 |
8,12 |
1.719,67 |
26.08.2023 |
05.09.2023 |
10 |
3,88 |
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 294,71 Euro an Rückstandszinsen zu zahlen.
Der Beklagte hat sich zur Klage nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen. Diese war Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung.
Die Entscheidung ergeht durch die Einzelrichterin, nachdem die Kammer dieser den Rechtsstreit nach § 6 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zur Entscheidung übertragen hat.
Das Gericht konnte trotz Abwesenheit des Beklagten in der mündlichen Verhandlung verhandeln und entscheiden, da der Beklagte unter Hinweis auf diese Möglichkeit ordnungsgemäß geladen wurde (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet. Es liegt eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO vor. Ob eine Streitigkeit öffentlich-rechtlicher oder bürgerlich-rechtlicher Natur ist, bestimmt sich nach dem Charakter des Rechtsverhältnisses, aus dem der streitbefangene Rechtsanspruch hergeleitet wird. Stellt der Streitgegenstand eine unmittelbare Rechtsfolge eines dem öffentlichen Recht zuzuordnenden Rechtsverhältnisses dar, so ist die Streitigkeit öffentlich-rechtlicher Art (st. Rspr., vgl. BVerwG, Urteil vom 18. April 1985 - 3 C 34.84 , juris, Rn. 31 und Beschluss vom 21. März 2024 - 3 B 12.23 , juris Rn. 6, jeweils m. w. N).
Das ist hier der Fall. Die geltend gemachte Zinsforderung wegen des Zahlungsverzugs hinsichtlich der Rückzahlungsverpflichtung des verauslagten Garantiebetrages hat ihren Rechtsgrund in den Bewilligungsbescheiden des B_____sowie den in Bezug genommenen Förderbestimmungen zum Bildungskredit. Sie steht damit in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der durch die Klägerin übernommenen Bundesgarantie, aus der im Garantiefall ein (öffentlich-rechtlicher) Erstattungsanspruch folgt, der hier seiner Höhe nach durch Rückforderungsbescheid festgesetzt wurde. Anders als es die Einleitung des Rückforderungsbescheides mit der Formulierung "Bundesgarantie (Bürgschaft)" und dem Verweis darauf, "dass die Forderung auf den Bund übergangen sei", nahelegt, ist vorliegend nicht von der Existenz eines privatrechtlichen Bürgschaftsvertrages auszugehen, der zur Folge hätte haben können, dass die privatrechtliche Darlehensrückzahlungsforderung der KfW etwa gemäß § 774 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auf die Klägerin übergegangen und so ein privatrechtliches Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Beklagten begründet worden wäre. Vielmehr hat die Klägerin in dem Bewilligungsbescheid ausdrücklich (nur) die Übernahme einer Garantie erklärt, ohne dass Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass ein akzessorischer Übergang der privatrechtlichen Forderung der KfW an die Klägerin intendiert war. Auch die in dem Bewilligungsbescheid in Bezug genommenen Förderbestimmungen enthalten keine entsprechenden Regelungen (VG Köln, Urteil vom 22. Mai 2024 26 K 7031/23 , juris Rn. 37).
Die Klage ist als Leistungsklage statthaft und auch im Übrigen zulässig. Es fehlt der Klägerin insbesondere nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.
Ein Rechtsschutzbedürfnis besteht nicht, wenn das Rechtsschutzbegehren nutzlos ist oder auf einfacherem und schnellerem Wege ohne Inanspruchnahme der Gerichte realisiert werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2018 - 1 C 18.17 - juris Rn. 24). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann es in Anwendung dieser Grundsätze bei der Klage einer Behörde am Rechtsschutzbedürfnis für eine Leistungsklage fehlen, wenn die Behörde die betroffene Person mittels Verwaltungsakt einfacher in Anspruch nehmen kann, was regelmäßig dann der Fall ist, wenn die Behörde über eine entsprechende Befugnis verfügt und angesichts des Vorverhaltens des Beklagten nicht ohnehin mit einer gerichtlichen Auseinandersetzung zu rechnen war (vgl. BVerwG, Urteile vom 23. Februar 2011 8 C 53.09 , juris Rn. 12, und vom 31. Januar 2002 - 2 C 6/01 -, juris Rn. 9).
Es kann dahinstehen, ob diese Rechtsprechung im Grundsatz überzeugend ist (kritisch etwa: Pietzcker/ Marsch, in: Schoch/Schneider, VwGO, 46. EL August 2024, § 42 Abs. 1 VwGO Rn. 171). Denn auch unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann einer Behörde das Rechtsschutzbedürfnis für eine Leistungsklage nur dann abgesprochen werden, wenn sich der Erlass eines Verwaltungsaktes im konkreten Fall tatsächlich als schnellerer und einfacherer Weg erweist. Das ist aber bereits dann nicht der Fall, wenn die Verwaltungsaktbefugnis der Behörde ernsthaft in Zweifel steht (vgl. in anderem Zusammenhang: Niedersächsisches OVG, Urteil vom 13. März 2008 8 LC 2/07 , juris Rn. 42).
So liegt es hier. Während das Verwaltungsgericht Köln (Urteil vom 25. Januar 2023 26 K 6414/22 , juris Rn. 151 ff.) und ihm folgend weitere erstinstanzliche Gerichte (vgl. VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 29. Februar 2024 21 K 9194/23 , juris Rn. 21 ff.; VG Magdeburg, Gerichtsbescheid vom 18. Juli 2024 6 A 420/23 MD , juris Rn. 37 ff.; VG Trier, Urteil vom 23. Juli 2024 2 K 4619/23.TR , juris Rn. 37 ff.; VG Koblenz, Gerichtsbescheid vom 20. August 2014 3 K 1139/23.KO , juris Rn. 20) davon ausgehen, dass eine entsprechende Befugnis der Klägerin nicht bestehe, weil Ziffer 8 der Bewilligungsbescheide (anders als Ziffer 7 hinsichtlich der Rückforderung des Garantiebetrages selbst) einen Vorbehalt zur Geltendmachung der Rückstandzinsen mittels Verwaltungsaktes gerade nicht enthalte, geht das Verwaltungsgericht Berlin (Urteil vom 15. November 2024 18 K 714/23 , juris Rn. 15 ff.) von einer Verwaltungsaktbefugnis der Klägerin auch hinsichtlich der Geltendmachung der Zinsen aus.
Welcher dieser Auffassungen letztlich zu folgen ist, bedarf keiner Entscheidung. Denn der Klägerin fehlt nach dem oben Gesagten auch dann nicht das Rechtsschutzbedürfnis für die erhobene Leistungsklage, wenn man sich insoweit wofür aus Sicht der Einzelrichterin gute Gründe bestehen der Auffassung des Verwaltungsgerichts Berlin anschließen und von einer Verwaltungsaktbefugnis der Klägerin ausgehen wollte.
Solange das für Anfechtungsklagen gegen entsprechende Zinsbescheide der Klägerin nach § 52 Nr. 2 Satz 1 VwGO bundesweit allein zuständige (!) Verwaltungsgericht Köln der Klägerin die Verwaltungsaktbefugnis abspricht und gegenteilige Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen oder des Bundesverwaltungsgerichts nicht vorliegen, kann der Klägerin ein Rechtsschutzbedürfnis für die hier erhobene Leistungsklage nicht abgesprochen werden. Sie muss sich in dieser Situation nicht darauf verweisen lassen, das Risiko des Erlasses von Zinsbescheiden gleichsam in der Hoffnung auf sich zu nehmen, die Betroffenen ließen diese trotz der bekannten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Köln bestandskräftig werden. Bei dem Erlass eines Zinsbescheides handelt sich angesichts des offensichtlichen Risikos von dessen Aufhebung insoweit weder um den einfacheren noch um den schnelleren Weg.
Hinzu kommt, dass die gegenteilige Auffassung des Verwaltungsgerichts Berlin vor dem Hintergrund der bereits angesprochenen bundesweiten Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts Köln für Anfechtungsklagen gegen Zinsbescheide des B_____dazu führen würde, dass die Klägerin entsprechende Forderungen jedenfalls solange das Verwaltungsgericht Köln an seiner Rechtsprechung festhält außerhalb von dessen Einzugsgebiet letztlich gar nicht durchsetzen könnte. Es liegt aus Sicht der erkennenden Einzelrichterin auf der Hand, dass dies der Klägerin angesichts der drohenden Verjährung der Forderungen nicht einmal für einen vorübergehenden Zeitraum nicht zugemutet werden kann.
Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Der Zinsanspruch der Klägerin ergibt sich aus Ziffer 8 i. V. m. Ziffer 7 der Bescheide vom 5. April 2004 und vom 1. Juli 2004 über die Bewilligung des Bildungskredites und die Übernahme der Bundesgarantie nach den Förderbestimmungen des BMBF. Danach ist der im Rahmen der Einlösung der Bundesgarantie gegenüber der KfW verauslagte und zu erstattende Betrag von dem Zeitpunkt an, in dem seine Höhe wirksam festgesetzt ist, "in Höhe des aktuellen Basiszinssatzes der Europäischen Zentralbank zuzüglich 5 v. H." zu verzinsen.
Das Gericht hat keine durchgreifenden Bedenken daran, dass diese Nebenbestimmung Grundlage für die Zinsforderung der Klägerin sein kann. Die Bestimmung ist zwar hinsichtlich der Höhe des Zinses und des maßgeblichen Zinszeitraumes auslegungsbedürftig, sie ist aber noch ausreichend bestimmt im Sinne des § 37 Abs. 1 VwVfG. Geht man entsprechend der §§ 133, 157 BGB von dem aus, was ein objektiver Empfänger einer solchen Regelung versteht, wenn er diese objektiv würdigt und alle für ihn erkennbaren Umstände berücksichtigt, wird zunächst erkennbar, dass nicht der „Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank“, sondern derjenige nach § 247 BGB gemeint ist, den die Deutsche Bundesbank halbjährlich bekanntgibt. Eine Verwechselungsgefahr besteht insoweit nicht, weil es einen „Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank“ nicht gibt. Mit dem aktuellen Zinssatz meint die Klägerin zudem erkennbar nicht den Basiszinssatz, der bei Erlass des Bewilligungsbescheides galt, sondern denjenigen, der für den jeweiligen Zinszeitraum maßgeblich ist. Ansonsten wäre es nicht sinnvoll gewesen, einen variablen Zinssatz in Bezug zu nehmen. Darüber hinaus bezieht sich die Angabe „zzgl. 5 v. H.“ bei verständiger Würdigung auf den festzusetzenden Rückzahlungsbetrag, das heißt es sollen der Basiszins zuzüglich fünf Prozentpunkte geschuldet sein. Bei dem so ermittelten Zinssatz handelt es sich schließlich um einen Jahreszins, auch wenn der Bewilligungsbescheid dies nicht ausdrücklich erwähnt. Jahreszinsen sind üblich und für Tages- und Monatszinsen wäre der Zinssatz offensichtlich zu hoch (VG Koblenz, Gerichtsbescheid vom 20. August 2024 3 K 1139/23.KO , juris Rn. 24 f.; VG Köln, Urteil vom 22. Mai 2024 26 K 7031/23 , juris Rn. 46 ff.).
Dies vorausgeschickt besteht der geltend gemachte Anspruch dem Grunde nach. Die Voraussetzungen von Ziffer 8 i. V. m. Ziffer 7 der Bewilligungsbescheide liegen vor. Der verauslagte Betrag ist durch den Rückforderungsbescheid vom 19. November 2011 wirksam festgesetzt worden. Für den hier in Rede stehenden Zeitraum ab dem 1. Januar 2020 war dem Beklagten auch längst keine Stundung mehr gewährt worden, die (Rest-)Forderung mithin fällig.
Ausgehend von den für den genannten Zeitraum von der Bundesbank veröffentlichten (https://www.bundesbank.de/de/bundesbank/organisation/agb-und-regelungen/basiszinssatz-607820) Basiszinssätzen (-0,88 bis 31. Dezember 2022, 1,62 vom 1. Januar 2023 bis 30. Juni 2023 und 3,12 vom 1. Juli 2023 bis zum 31. Dezember 2023) zuzüglich 5 Prozentpunkte hat die Klägerin auch die richtigen Zinssätze zugrunde gelegt.
Allerdings bestehen gegen die Berechnung des danach geschuldeten Betrages Bedenken, soweit die Klägerin entsprechend der sog. „Deutschen Zinsmethode“ (vgl. Toussaint in: Herberger u. a., jurisPK-BGB, 10. Auflage, Stand: 1. Februar 2023, § 246 BGB, Rn. 37) für jeden vollen Monat gleichbleibend 30 Tage sowie für angefangene Monate die tatsächliche Anzahl der Tage zu Grunde gelegt hat (wie hier: VG Koblenz, Gerichtsbescheid vom 20. August 2024 3 K 1139/23.KO , juris Rn. 28; a. A. VG Köln, Urteil vom 22. Mai 2024 26 K 7031/23 , juris Rn. 63 ff.; VG Trier, Urteil vom 23. Juli 2024 2 K 4619/23.TR , juris Rn. 51; VG Magdeburg, Gerichtsbescheid vom 18. Juli 2024 6 A 420/23 MD , juris Rn. 76). Eine rechtliche Grundlage hierfür besteht nicht. Insbesondere ist eine solche, für den Beklagten hier wenn auch nur in geringem Umfang nachteilige Berechnungsmethode, in den Bewilligungsbescheiden bzw. in den darin einbezogenen Förderbestimmungen nicht vorgesehen. Dort finden sich keine Regelungen zur Zinsberechnung.
Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass die KfW ausweislich ihres Internetauftrittes mit der Deutschen Zinsmethode rechnet. Denn einerseits hat die Klägerin diese Internetseite nicht zum Bestandteil ihrer Nebenbestimmungen zum Bewilligungsbescheid gemacht und andererseits kommt es auf das „übliche“ Vorgehen der KfW nicht an. Etwaigen im Handelsverkehr üblichen Gewohnheiten und Gebräuchen kommt nur im Rechtsverkehr zwischen Kaufleuten Bedeutung zu (vgl. § 346 Handelsgesetzbuch). Für das Verhältnis zwischen Behörde und Bürger sind sie nicht maßgeblich. Auch die KfW hat die „Deutsche Zinsmethode“ nicht in den Kreditvertrag mit dem Beklagten einbezogen. Soweit dieser Vertrag auf eine Berechnungsmethode hinweist, wird dort vielmehr eine „taggenaue“ Verrechnung in Aussicht gestellt (vgl. Ziffer 2.3.7., Bl. 83 GA). Von daher muss es bei einer taggenauen Berechnung des Verzugszinses bleiben (VG Koblenz, Gerichtsbescheid vom 20. August 2024 3 K 1139/23.KO , juris Rn. 28; zum Erfordernis einer taggenauen Berechnung mangels anderweitiger Regelungen vgl. auch BSG, Urteil vom 8. September 2009 B 1 KR 8/09 R , juris Rn. 31; Bergdolt, in: DaunerLieb/Langen, BGB Schuldrecht, 4. Auflage 2021; § 246 BGB Rn. 5).
Danach besteht der geltend gemachte Zinsanspruch nur in einer Höhe von 294,63 Euro:
Zinssatz (%) |
Kreditschuld in EUR |
Zahlungsrückstand von |
Zahlungsrückstand bis |
Zinstage |
Zinsen in EUR |
4,12 |
1.719,67 |
01.01.2020 |
30.06.2020 |
182 |
35,23 |
4,12 |
1.719,67 |
01.07.2020 |
31.12.2020 |
184 |
35,62 |
4,12 |
1.719,67 |
01.01.2021 |
30.06.2021 |
181 |
35,13 |
4,12 |
1.719,67 |
01.07.2021 |
31.12.2021 |
184 |
35,72 |
4,12 |
1.719,67 |
01.01.2022 |
30.06.2022 |
181 |
35,13 |
4,12 |
1.719,67 |
01.07.2022 |
31.12.2022 |
184 |
35,72 |
6,62 |
1.719,67 |
01.01.2023 |
30.06.2023 |
181 |
56,45 |
8,12 |
1.719,67 |
01.07.2023 |
25.08.2023 |
56 |
21,42 |
8,12 |
1.719,67 |
26.08.2023 |
05.09.2023 |
11 |
4,21 |
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.
Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 188 Satz 2 VwGO. Soweit das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen der Auffassung ist, Streitigkeit um Zinsforderungen der vorliegenden Art unterfielen nicht der Gerichtskostenfreiheit nach § 188 Satz 2 Hs. 1 VwGO (Beschluss vom 14. Juni 2024 15 K 5644/23 , juris Rn. 60 ff.), ist diese Auffassung bisher vereinzelt geblieben und überzeugt auch die erkennende Einzelrichterin nicht.
Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen begründet seine Auffassung damit, dass es sich bei den von der Klägerin gewährten Bildungskrediten der Sache nach nicht um sozial-, sondern um subventionsrechtliche Leistungen handele, weil die Kredite unabhängig von der Einkommens- oder Vermögenslage des Einzelnen gewährt würden und keinen sozialen Zwecken dienten (vgl. VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 14. Juni 2024 15 K 5644/23 , juris Rn. 64 ff.). Ihm ist insoweit zwar zuzugeben, dass in Angelegenheiten der Fürsorge typischerweise eine nach Einkommens- und Vermögensgrenzen zu bestimmende Bedürftigkeit besteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. April 2019 5 C 2.18 , juris Rn. 45). Dies schließt es zur Überzeugung der erkennenden Einzelrichterin aber nicht aus, auch Sachgebiete vom Fürsorgebegriff als umfasst anzusehen, in denen eine konkrete Bedürftigkeitsprüfung wie hier nicht stattfindet, solange mit der Leistung ungeachtet dessen primär fürsorgerische Zwecke verfolgt werden.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts umfasst der Begriff der Fürsorge alle Reaktionen des Gesetzgebers auf Situationen zumindest potenzieller Bedürftigkeit, wobei es genügt, wenn eine - sei es auch nur typisierend bezeichnete und nicht notwendig akute - Bedarfslage im Sinne einer mit besonderen Belastungen einhergehenden Lebenssituation besteht, auf deren Beseitigung oder Minderung das Gesetz zielt (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. April 2019 5 C 2.18 , juris Rn. 39). Die Feststellung einer akuten Bedarfslage im Rahmen einer Bedürftigkeitsprüfung mag danach zwar der Regelfall sein. Sie ist indes nicht zwingend für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 188 Satz 2 VwGO, solange die in Rede stehende Leistung auf eine typische Bedarfslage in einer besonderen Lebenssituation reagiert und insoweit fürsorgerische Zwecke verfolgt (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 23. April 2019 5 C 2.18 , juris Rn. 36 und Rn. 41).
So liegt es auch im Falle der Bildungskredite, die ausweislich der in § 1 der Förderbestimmungen des BMBF niedergelegten Zweckbestimmung der Unterstützung von Auszubildenden in fortgeschrittenen Ausbildungsphasen dienen und damit eine finanzielle Unterstützung von Personen gewährleisten sollen, die sich typischerweise in einer angespannten finanziellen Lage und damit einhergehend in einer besonderen Belastungssituation befinden. Die Bildungskredite sind in diesem Zusammenhang als eine die Förderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) ergänzende Leistung konzipiert, die bei nicht nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz geförderten Auszubildenden der Sicherung und Beschleunigung der Ausbildung und bei nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz geförderten Auszubildenden der Finanzierung von außergewöhnlichem, nicht durch das Bundesausbildungsförderungsgesetz erfasstem Aufwand dienen (vgl. § 1 der Förderbestimmungen des BMBF, Bl. 6 GA).
Soweit das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen diese Zwecksetzung für „gegriffen“ hält (Beschluss vom 14. Juni 2024 15 K 5644/23 , juris Rn. 70 ff.), bleibt unklar, was genau es damit sagen will. Soweit es offenbar der Auffassung ist, dass die Bildungskredite ungeachtet der Zweckbestimmung seitens des BMBF tatsächlich keinen Bezug zur Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz aufwiesen, ändert dies nichts daran, dass die Leistung jedenfalls der besonderen Belastungssituation gerade von Auszubildenden Rechnung tragen soll. Es obliegt im Übrigen der gewährenden Stelle, den Zweck einer öffentlichen Leistung zu bestimmen. Misst diese wie hier das BMBF in § 1 seiner Förderbestimmungen der Leistung einen fürsorgenden Zweck bei, ist es nicht Aufgabe des Gerichts, dies durch eigene Wertungen zu ersetzen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 709 Satz 2 ZPO.
Für eine Zulassung der Berufung nach §124a Abs. 1 Satz 1 VwGO bestand kein Anlass. Insbesondere kommt der Rechtsstreitigkeit auch angesichts der abweichenden Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin im Urteil vom 15. November 2024 keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu. In Anwendung der dargelegten Maßstäbe des Bundesverwaltungsgerichts liegt die Zulässigkeit der Leistungsklage vorliegend auf der Hand, so dass eine klärungsbedürftige Frage nicht vorliegt.