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Entscheidung VG 1 L 455/24


Metadaten

Gericht VG Cottbus 1. Kammer Entscheidungsdatum 28.10.2024
Aktenzeichen VG 1 L 455/24 ECLI ECLI:DE:VGCOTTB:2024:1028.1L455.24.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

  1. Der Antrag wird abgelehnt.

    Die Antragsgegner tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.

  2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Das Gericht hat durch den Berichterstatter als Einzelrichter entschieden, weil ihm die Kammer den Rechtsstreit durch Beschluss gemäß § 6 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) übertragen hat.

I. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem sinngemäßen Begehren, das Kind der Antragsteller zum Schuljahr 2024/2025 vorläufig in die 7. Klasse der Grund- und Gesamtschule S_____im Bildungsgang „Fachoberschulreife“ aufzunehmen, ist zulässig.

Der Antrag ist gemäß § 122 Abs. 1 i. V. m. § 88 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) dahingehend auszulegen, dass die anwaltlich vertretenen Antragsteller eine vorläufige Aufnahme ihres Kindes in die 7. Klasse der Grund- und Gesamtschule S_____ im Bildungsgang Fachoberschulreife (FOR) begehren. Die Antragsbegründung (Bl. 16 bis 18 der Gerichtsakte [GA]) setzt sich allein mit der Frage auseinander, ob das Kind der Antragsteller im Aufnahmeverfahren für den Bildungsgang FOR hätte berücksichtigt und entsprechend an der Grund- und Gesamtschule S_____ aufgenommen werden müssen. Die Ablehnung der Aufnahme im Bildungsgang Allgemeinde Hochschulreife (AHR) wird dagegen nicht in Zweifel gezogen. Auch das Widerspruchsschreiben der Antragteller vom 25. Mai 2024 (S. 23 f. des Verwaltungsvorgangs der Antragsgegnerin [VV], Beiakte [BA] I) spricht für diese Annahme. Danach habe es sich bei der Wahl des Bildungsgangs AHR „anstelle“ des Bildungsgangs FOR im Anmeldeformular vom 06. Februar 2024 um ein Versehen gehandelt und die Antragsgegnerin werde gebeten, „einen erneuten Antrag mit dem Bildungsweg FOB [sic] zur Aufnahme an die Grund- und Gesamtschule S_____ zu gewähren“. Gestützt wird dieser Befund schließlich durch die Ausführungen der Antragsteller im Widerspruch vom 08. Juli 2024 (S. 31 VV, BA I) gegen die Zuweisung des S_____ vom 07. Juni 2024 (S. 26 f. VV, BA I), in dem sie auf ihr Widerspruchsschreiben an die Antragsgegnerin vom 25. Mai 2024 Bezug nehmen:

„(…) Mit dem Widerspruch erklärten wir gleichsam, dass wir auf den zuerst gewählten Bildungsweg der AHR verzichten und baten die Gesamtschule S_____rückwirkend den Bildungsweg FOR und damit einer möglichen Aufnahme an die Gesamtschule S_____zu gewährleisten. (…)“

Zweifel an dem für den Eilantrag erforderlichen allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis bestehen jedenfalls deshalb nicht, weil die Antragsgegnerin den Antragstellern mit Schreiben vom 23. Juli 2024 mitgeteilt hat, dass sie ihrem Widerspruch nicht abhelfe und die Ablehnung der Aufnahme ihres Kindes bestehen bleibe (S. 33 VV, BA I). Sie hat damit klar zu erkennen gegeben, dass eine Aufnahme des Kindes der Antragsteller auch im Bildungsgang FOR unterbleibt.

II. Der Antrag ist jedoch unbegründet.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt voraus, dass der jeweilige Antragsteller das Bestehen eines materiellen Anspruchs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) glaubhaft macht, § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 und § 294 der Zivilprozessordnung (ZPO).

Die Antragsteller haben einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.

1. Es ist bereits zweifelhaft, ob sie mit Widerspruchsschreiben vom 25. Mai 2024, vorab per E-Mail am 29. Mai 2024 bei der Antragsgegnerin eingegangen (S. 23 f. VV, BA I), überhaupt einen Antrag auf Aufnahme ihres Kindes an der Grund- und Gesamtschule im Bildungsgang FOR wirksam gestellt haben. Bedenken bestehen deshalb, weil mit dem Schreiben der ursprüngliche Antragsgegenstand (bislang: Aufnahme im Bildungsgang AHR) vollständig ausgewechselt wird (nunmehr: Aufnahme im Bildungsgang FOR). Die Problematik scheinen auch die Antragsteller erkannt zu haben, die in ihrem Widerspruch gegenüber dem Staatlichen Schulamt vom 08. Juli 2024 ausführen, sie hätten mit ihrem Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid der Antragsgegnerin „rückwirkend“ darum gebeten, ihr Kind im Bildungsgang FOR aufzunehmen.

2. Die Frage einer wirksamen Antragstellung am 29. Mai 2024 kann letztlich offen bleiben. Den Antragstellern steht – nach der im Verfahren des Eilrechtsschutzes gebotenen und einzig möglichen summarischen Prüfung – jedenfalls kein Anspruch auf Aufnahme ihres Kindes an der Grund- und Gesamtschule S_____ im Bildungsgang FOR zu, da dem geltend gemachten Begehren der Grundsatz von Treu und Glauben, § 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), entgegensteht.

Die Geltung des Grundsatzes von Treu und Glauben im öffentlichen Recht ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts anerkannt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. April 2004 – 6 B 8/04 –, juris Rn. 4 m. w. N.). Die Antragsteller haben mit ihrem „erneuten Antrag“ vom 29. Mai 2024, in dem sie nunmehr den Wunsch des Bildungsgangs FOR angegeben haben, gegen das aus dem Grundsatz von Treu und Glauben folgende Verbot widersprüchlichen Verhaltens verstoßen, indem sie im Anmeldeformular vom 06. Februar 2024 zunächst den gewünschten Bildungsgang AHR angezeigt und sodann den Ausgang des Auswahlverfahrens bis zur Ablehnung durch die Zweitwunschschule abgewartet haben.

Gemäß § 53 Abs. 1 Satz 2 des Brandenburgischen Schulgesetzes (BbgSchulG) wählen die Eltern durch einen Erstwunsch und einen Zweitwunsch je eine Schule, an der ihr Kind den gewünschten Bildungsgang belegen soll. Entsprechendes bestimmt § 6 Abs. 1 Satz 1 der Sekundarstufe I-Verordnung (Sek I-V). Danach kann für Erst- und Zweitwunschschule nur ein Bildungsgang einheitlich gewählt werden. Das für Schule zuständige Ministerium legt den Termin fest, bis zu dem die Anmeldungen abzugeben sind, § 6 Abs. 2 Satz 1 Sek I-V. Dem „Zeitplan für Übergangsverfahren in die Jahrgangsstufe 7 zum Schuljahr 2024/2025“ (https://mbjs.brandenburg.de/sixcms/media.php/140/zeitplan_ue7-verfahren_schuljahr_2024-25.pdf; abgerufen am 24. Juli 2024) nach waren die Anmeldeformulare spätestens bis zum 14. Februar 2024 in der Grundschule abzugeben. Diese wurden über die staatlichen Schulämter bis zum 23. Februar 2024 an die weiterführenden allgemeinbildenden Schulen übergeben. Das Aufnahmeverfahren an den Erstwunschschulen fand im Zeitraum vom 18. März 2024 bis 12. April 2024 und das Aufnahmeverfahren an den Zweitwunschschulen im Zeitraum vom 15. April 2024 bis 26. April 2024 statt. Soweit am 29. Mai 2024 ein „erneuter Antrag“ wirksam gestellt worden sein sollte, wäre dieser jedenfalls verspätet und im Aufnahmeverfahren der Grund- und Gesamtschule S_____ für den Bildungsgang FOR nicht mehr zu berücksichtigen.

Der Wechsel des Antragsgegenstandes, nachdem das Kind der Antragsteller das Aufnahmeverfahren in einem Bildungsgang an Erst- und Zweitwunschschule vollständig durchlaufen hatte, ist treuwidrig. Nur so kann die gebotene Gleichbehandlung des Kindes der Antragsteller mit den übrigen Schülerinnen und Schülern, die ebenfalls zur Aufnahme an einer weiterführenden allgemeinbildenden Schule der Jahrgangsstufe 7 im Land Brandenburg in dem betreffenden Schuljahr angemeldet worden sind, gewährleistet werden. Folgte man der von den Antragstellern vertretenen Auffassung, hätte dies eine ungerechtfertigte Privilegierung ihres Kindes gegenüber den übrigen Schülerinnen und Schülern zur Folge. Würde ihr Kind aufgrund des vermeintlichen „erneuten Antrages“ vom 29. Mai 2024 nunmehr auch an dem Aufnahmeverfahren der Grund- und Gesamtschule S_____ für den Bildungsgang FOR teilnehmen, hätte es nicht nur an dem vorgesehen Aufnahmeverfahren für Erst- und Zweitwunschschule in einem Bildungsgang aufgrund der Anmeldung vom 06. Februar 2024, sondern zusätzlich an einem weiteren Aufnahmeverfahren in einem anderen Bildungsgang teilgenommen und damit seine Chancen auf Aufnahme an einer der gewünschten Schulen zu Lasten anderer Schülerinnen und Schüler – vorliegend zu Lasten der Bewerberinnen und Bewerber an der Grund- und Gesamtschule S_____ im Bildungsgang FOR – vergrößert.

Was die Einbeziehung verspätet eingegangener Anträge in das laufende Aufnahmeverfahren angeht, gilt etwas anderes ausnahmsweise nur dann, wenn ein Kind nach Abschluss der Jahrgangsstufe 6 aus einem anderen Bundesland zuzieht, in dem die Grundschule nicht sechs, sondern weniger Jahrgangsstufen umfasst (vgl. § 6 Abs. 3 Satz 1 Sek I-V). Verspätete Anmeldungen dieser Schülerinnen und Schüler sind in das laufende Aufnahmeverfahren einzubeziehen, wenn sie vor dem Versand der Aufnahmebescheide (hier am 07. Juni 2024) eingehen. Zu dieser Gruppe von Schülerinnen und Schülern gehört das Kind der Antragsteller jedoch nicht. Im Übrigen würde es sich bei dem „Antrag“ vom 29. Mai 2024 nicht um einen lediglich verspätet eingegangenen Antrag, wie ihn die Ausnahmeregelung des § 6 Abs. 3 Satz 2 Sek I-V vor Augen hat, sondern – angesichts des bereits mit Anmeldeformular vom 06. Februar 2024 gestellten Antrags, der zu diesem Zeitpunkt bereits vollumfänglich abgelehnt worden war – um einen zusätzlichen Aufnahmeantrag handeln.

Die Antragsteller müssen sich daran festhalten lassen, dass sie mit Anmeldeformular vom 06. Februar 2024 (S. 1 VV, BA I) einen Antrag auf Aufnahme ihres Kindes an der Grund- und Gesamtschule S_____ im Bildungsgang AHR für das Schuljahr 2024/2025 gestellt haben. Ein „Beratungsfehler“ der Antragsgegnerin liegt insoweit nicht vor. Anders als in der Antragsbegründung ihres Verfahrensbevollmächtigten behauptet, haben die Antragsteller mit dem Anmeldeformular vom 06. Februar 2024 unter Ziffer 4. für ihr Kind allein den Wunsch nach dem Bildungsgang AHR angezeigt. Dass, liegt angesichts der Tatsache, dass sie in dem Antragsformular unter Ziffer 5. als Erstwunschschule das F_____, K_____, benannt haben, auch auf der Hand. In der Folge haben sie ihr Kind an der nach § 53 Abs. 5 Satz 1 BbgSchulG für die Erstwunschschule erforderlichen Eignungsprüfung für den sechsjährigen Bildungsgang an Gymnasien – dem Grundschulgutachten nach wurde der Besuch des Bildungsganges zum Erwerb des Realschulabschlusses/der Fachoberschulreife empfohlen (vgl. S. 5 VV, BA I), sodass die Voraussetzungen des § 53 Abs. 5 Satz 3 BbgSchulG nicht vorlagen – am 15. März 2024 unwidersprochen teilnehmen lassen (vgl. Schreiben des S_____ vom 18. März 2024 [S. 11 f. VV, BA I] und Bescheid des Schulleiters des F_____ vom 21. März 2024 [S. 13 f. VV, BA I]). Die Antragsgegnerin hat zudem mit Schreiben vom 20. August 2024 (Bl. 27 der Gerichtsakte [GA]), das im Übrigen unwidersprochen geblieben ist, glaubhaft versichert, dass das Anmeldeformular im Rahmen des Ü7-Auswahlverfahrens ausschließlich den gewünschten Bildungsgang AHR ausgewiesen habe und dieser Bildungsgang bei der Auswahlentscheidung berücksichtigt und zugrunde gelegt worden sei. Ebenfalls unwidersprochen geblieben ist die im Eilverfahren seitens der Antragsgegnerin vorgetragene Behauptung, an der zu zweifeln ebenfalls kein Anlass besteht, dass erst im Nachgang aufgrund des Widerspruchsschreibens der Antragsteller vom 25. Mai 2024 der Bildungsgang FOR angekreuzt worden sei. Die noch in der Antragsbegründung vorgetragene Behauptung, die im Übrigen nicht glaubhaft gemacht worden ist, die Antragsteller hätten bei Abfassung ihres Widerspruchsschreibens am 25. Mai 2024 keine Erinnerung mehr daran gehabt, dass sie als gewünschten Bildungsgang sowohl AHR als auch FOR angekreuzt hätten, erweist sich nach alledem als abwegig.

Ihre Behauptung, den Bildungsgang AHR im Antragsformular vom 06. Februar 2024 irrtümlich gewählt zu haben, haben die anwaltlich vertretenen Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Ohnehin wäre ihr Einwand unbeachtlich, weil sie den vermeintlichen Irrtum entgegen ihren Obliegenheiten im Antragsverfahren (vgl. § 5 Sek I-V) nicht entsprechend § 121 BGB unverzüglich angezeigt haben. Bereits mit Schreiben des Staatlichen Schulamts vom 26. Februar 2024 (Ladung zur Eignungsprüfung am 15. März 2024, S. 7 VV, BA I) wurde ihnen ausdrücklich mitgeteilt, ein Gymnasium gewählt zu haben. Gleichwohl ist eine unverzügliche Korrektur des Bildungsgangs ausgeblieben.

3. Auf die umfänglichen Ausführungen des Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin zur Auswertung des Grundschulgutachtens und des Halbjahreszeugnisses des Kindes der Antragsteller nach § 53 Abs. 3 Satz 7 i. V. m. § 53 Abs. 5 Satz 4 BbgSchulG – an Gesamtschulen findet eine Eignungsprüfung gemäß § 53 Abs. 5 Satz 1 BbgSchulG nicht statt – kommt es nicht entscheidungserheblich an, nachdem die Antragsteller nur noch die Aufnahme ihres Kindes im Bildungsgang FOR verfolgen.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 159 Satz 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 und § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i. V. m. Ziffer 38.4 des aktuellen Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Der Auffangwert ist in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren (Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs).

Rechtsmittelbelehrung: