Gericht | VG Cottbus 3. Kammer | Entscheidungsdatum | 24.09.2024 | |
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Aktenzeichen | VG 3 L 506/24 | ECLI | ECLI:DE:VGCOTTB:2024:0924.3L506.24.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | 80 Abs. 3, Abs. 5 VwGO §, 81 b Abs. 1, 2. Alt. StPO §, 28, 37,45 VwVfG §§ |
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
I.
Das Begehren des Antragstellers auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) mit dem Antrag,
die aufschiebende Wirkung seines Widerspruches vom 21. Juni 2024 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 4. Juni 2024 (S_____) wiederherzustellen,
hat keinen Erfolg.
1.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers hat der Antragsgegner die sofortige Vollziehung der Anordnung zur Durchführung einer erkennungsdienstlichen Behandlung vom 4. Juni 2024 in ordnungsgemäßer Weise angeordnet. Die vom Antragsgegner abgegebene Begründung für die Anordnung der sofortigen Vollziehung genügt den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, wonach im Falle des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen ist (vgl. zu den Anforderungen: OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19. September 2018 - OVG 10 S 6.18 - juris Rn. 6; Beschluss vom 23. April 2015 - OVG 11 S 39.14 - juris Rn. 4; Beschluss vom 9. August 2013 - OVG 11 S 13.13 - juris Rn. 11; Külpmann in: Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Auflage 2017, Rn. 745 ff.). Das Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO soll die Behörde anhalten, sich des Ausnahmecharakters der Vollziehungsanordnung mit Blick auf den grundsätzlich gemäß § 80 Abs. 1 VwGO durch einen Rechtsbehelf eintretenden Suspensiveffekt bewusst zu werden und die Frage des Sofortvollzuges sorgfältig zu prüfen. Die Begründung darf sich dabei nicht in der formelhaften Wiedergabe des Gesetzeswortlautes oder der bloßen Bezugnahme auf die eigentliche Entscheidung erschöpfen. Insbesondere im Bereich der Gefahrenabwehr kann sich die Behörde aber auch auf die den Verwaltungsakt selbst tragenden Erwägungen stützen, wenn die seinen Erlass rechtfertigenden Gründe zugleich die Dringlichkeit der Vollziehung belegen und die von der Behörde getroffene Interessenabwägung klar erkennbar ist (vgl. Beschluss der Kammer vom 14. Februar 2018 - 3 L 95/18 - juris Rn. 4). In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass eine Verfügung nach § 81b Abs. 1, 2. Alt. der Strafprozessordnung (StPO) typischerweise mit einem Vollziehungsinteresse verbunden ist, da die vorbeugende Verbrechensbekämpfung intendiert ist. Daher sind keine höheren Anforderungen an die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung zu stellen (vgl. Beschlüsse der Kammer vom 30. Juli 2019 - 3 L 311/19 -, juris Rn. 4, und vom 30. November 2017 - 3 L 681/17 -, juris Rn. 6). Die Erfordernisse des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO haben hiernach für die gerichtliche Entscheidung vorwiegend die Bedeutung, dass es um den mit dieser Vorschrift verfolgten Zweck geht, der Behörde den Ausnahmecharakter des Sofortvollzugs vor Augen zu führen. Ist dies hinreichend erkennbar, kommt es für die Frage der ordnungsgemäßen Begründung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht darauf an, ob die Annahme eines Überwiegens des sofortigen Vollzugsinteresses aus den angegebenen Gründen bereits voll zu überzeugen vermag (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. Januar 2017 - OVG 1 S 96.16 -; Beschluss der Kammer vom 14. Februar 2018 - 3 L 95/18 - juris Rn. 4).
Gemessen hieran hat der Antragsgegner die Anordnung der sofortigen Vollziehung in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise begründet. So hat er im Rahmen des Bescheides vom 4. Juni 2024 ausgeführt, aufgrund der prognostizierten Gefahr, dass der Antragsteller wiederholt Straftaten begehen wird, sei nach Abwägung des öffentlichen Interesses auf Schutz der Rechtsordnung und der zeitnahen Aufklärung von Straftaten diesem Vorrang vor seinem Persönlichkeitsrecht einzuräumen. Es sei im Falle des Antragstellers nicht hinnehmbar, dass die Aufklärung weiterer Straftaten durch das Ausschöpfen des Rechtsweges verzögert oder verhindert werde, weil wesentliche Informationen für die Ermittlungstätigkeit durch die aufschiebende Wirkung eines etwaigen Rechtsschutzverfahrens nicht zur Verfügung stehen. Der Sache nach hat der Antragsgegner damit auf die sich (auch) aus der Anlasstat ergebende Gefahr weiterer Straftaten verwiesen und diese höher als das Individualinteresse, vorläufig von einer Durchführung der angeordneten erkennungsdienstlichen Maßnahmen verschont zu bleiben, gewichtet. Schon diese Ausführungen dürften in ausreichender Weise erkennen lassen, dass sich der Antragsgegner des Ausnahmecharakters des Sofortvollzuges bewusst war und insoweit eine Interessenabwägung vorgenommen hat, und daher dem formellen Begründungserfordernis nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügt wird. Soweit sich die Ausführungen im Hinblick auf die Begründung des besonderen Vollzugsinteresses mit der Begründung der Anordnung der Durchführung der erkennungsdienstlichen Behandlung teilweise decken, ist dies insoweit unschädlich, weil sich bei Gefahrenabwehrmaßnahmen aufgrund der typischerweise gesteigerten Gefährdungslage für das öffentliche Interesse eine (teilweise) Identität der Begründung schon aus der besonderen Dringlichkeit rechtfertigen lässt (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10. Juni 2009 - OVG 1 S 97.09 - juris Rn. 3; Beschlüsse der Kammer vom 14. Februar 2018 - 3 L 95/18 - juris Rn. 5, und vom 30. November 2017 - 3 L 681/17 -, juris Rn. 6). Jedenfalls unter Berücksichtigung der im gerichtlichen Verfahren mit Schriftsatz des Antragsgegners vom 28. Juni 2024 (dort unter Ziffer III) weiter angeführten Gründe steht die formelle Rechtmäßigkeit der Sofortvollzugsanordnung nicht in Zweifel. Eine unzulängliche oder unterbliebene Begründung im Sinne von § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO kann nämlich noch im Laufe eines gerichtlichen Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO mit heilender Wirkung nachgeholt oder ergänzt werden; nicht zuletzt aus Gründen der Prozessökonomie ist dies sach- und interessensgerecht und zudem ohne weiteres mit den von § 80 Abs. 3 VwGO verfolgten Zielen vereinbar (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. April 2008 - OVG 3 S 106.07 -, juris; vgl. auch: Beschluss vom 26. Juli 2011 - OVG 4 S 16.11 -; ständige Rechtsprechung der Kammer: VG Cottbus, Beschlüsse vom 30. August 2016 - 3 L 171/16 -; vom 11. Juli 2016 - 3 L 1/16 -; vom 16. Dezember 2015 - 3 L 634/15 -). In seiner ergänzenden Begründung des Sofortvollzugs führt der Antragsgegner bezogen auf den Fall des Antragstellers aus, welche der im öffentlichen Interesse geschützten Rechtsgüter - hier namentlich das Eigentum - aus seiner Sicht betroffen sind und dass aufgrund der hohen kriminellen Energie bei der Begehung der Handlungen und eines beim Antragsteller fehlenden Unrechtsbewusstseins dem öffentlichen Interesse am Schutz des Eigentums jedes Einzelnen gegenüber dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Vorrang einzuräumen sei. Deshalb sei es aus seiner Sicht nicht hinnehmbar, wenn wesentliche Informationen - wie sie durch die erkennungsdienstliche Maßnahme gewonnen werden sollen - für die Ermittlungstätigkeit durch die aufschiebende Wirkung nicht zur Verfügung stünden. Dies genügt dem formellen Begründungserfordernis.
2.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs in den Fällen, in denen - wie hier - die sofortige Vollziehung des Verwaltungsaktes gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet worden ist, wiederherstellen, wenn das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes überwiegt. Hierfür ist maßgeblich auf die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache abzustellen. Dabei überwiegt das private Aussetzungsinteresse jedenfalls dann, wenn der angegriffene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist, da nach dem Rechtsstaatsgebot des Art. 20 Abs. 3 GG an der sofortigen Vollziehung eines noch nicht bestandskräftigen, offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsaktes ein öffentliches Interesse nicht bestehen kann. Dagegen überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts das private Interesse des Antragstellers, von der Vollziehung vorläufig verschont zu bleiben, regelmäßig dann, wenn sich der Verwaltungsakt als offensichtlich rechtmäßig erweist und - in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO - zusätzlich ein besonderes Vollzugsinteresse hinzutritt.
Hiervon ausgehend fällt die Interessenabwägung zu Lasten des Antragstellers aus.
a.
In formeller Hinsicht ist zunächst auszuführen, dass die Anordnung zur Durchführung einer erkennungsdienstlichen Behandlung nicht mangels hinreichender Bestimmtheit rechtswidrig ist. Nach § 1 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Brandenburg (VwVfGBbg) i.V.m. § 37 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) muss ein Verwaltungsakt hinreichend bestimmt sein. Dies ist dann der Fall, wenn der Inhalt des Verwaltungsaktes im Zusammenhang mit den Gründen und sonstigen bekannten und ohne Weiteres erkennbaren Umständen für den Adressaten so vollständig, klar und eindeutig erkennbar ist, dass dieser sein Verhalten danach richten kann (vgl. Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 23. Auflage 2022, § 37 Rn. 5 f.). Vorliegend ist für den Antragsteller eindeutig erkennbar, dass von ihm ein 5-teiliges Lichtbild, eine Ganzaufnahme, eine Personenbeschreibung und Finger- und Handflächenabdrücke angefertigt werden sollen. Die ebenfalls angeordnete Maßnahme der Anfertigung einer „anderen Abbildung“ wurde zwar im Rahmen des Bescheides vom 4. Juni 2024 weder durch einen Zusatz konkretisiert noch wurde in der Begründung genannt oder erläutert, welche weitere Maßnahme der Antragsgegner hiermit beabsichtigt. Die insoweit fehlende Bestimmtheit wurde jedoch im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens mit Rückwirkung geheilt (vgl. zur diesbezüglichen Heilungsmöglichkeit: Tegethoff in: Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 37 Rn. 17b; BVerwG, Beschluss vom 21. Juni 2006 - 4 B 32/06 -, juris). Im Rahmen des Schriftsatzes des Antragsgegners vom 28. Juni 2024 (dort unter Ziffer I) wird konkret ausgeführt, dass mit dieser Maßnahme - wenn vorhanden - Aufnahmen von z.B. Tätowierungen, Narben, Piercings etc. und weiteren auffallenden oder besonderen körperlichen Merkmalen gefertigt werden sollen. Damit ist auch diese Maßnahme hinreichend präzisiert.
Soweit der Antragsteller die formelle Rechtmäßigkeit der Anordnung zur Durchführung der erkennungsdienstlichen Behandlung in Frage stellt, weil er vor deren Erlass nicht gemäß § 1 Abs. 1 VwVfGBbg i.V.m. § 28 VwVfG ordnungsgemäß angehört worden sei, rechtfertigt dies eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung derzeit nicht. Zwar lässt sich nach Aktenlage nicht feststellen, dass der Antragsteller angehört worden ist. Allerdings kann eine fehlende Anhörung nach § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG noch bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens - und damit auch in dem hier noch offenen Widerspruchsverfahren - ohne weiteres nachgeholt und der Fehler damit unbeachtlich werden, sofern die Funktion der Anhörung für den Entscheidungsprozess der Behörde uneingeschränkt erreicht wird (vgl. zu dieser Voraussetzung: OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 9. Juli 2013 - OVG 7 N 113.13 -, juris Rn. 9). Dies setzt im Wesentlichen (nur) voraus, dass die Behörde ein etwaiges Vorbringen des Betroffenen im Widerspruchsverfahren zur Kenntnis nimmt und bei ihrer Entscheidung in Erwägung zieht (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urteil vom 17. August 1982 - 1 C 22/81 -, juris Rn. 16 ff.). Kann die Anhörung aber - wie hier - noch heilend nachgeholt werden, rechtfertigt allein ein heilbarer formeller Mangel des Bescheides nicht die Annahme, der Widerspruch des Antragstellers werde voraussichtlich erfolgreich sein; es kann auch regelmäßig davon ausgegangen werden, dass die Behörde - auf entsprechendes Vorbringen der Antragstellerseite im Eilverfahren und auf die gerichtliche Würdigung - im noch nicht abgeschlossenen Widerspruchsverfahren bzw. (spätestens) in einem nachfolgenden Klageverfahren rechtzeitig und gegebenenfalls auch vorsorglich reagieren wird, um einen in der Sache gebotenen Gesetzesvollzug nicht zu gefährden. Eine Aussetzung des Sofortvollzuges ist daher angesichts einer zu erwartenden Heilung einer (teilweise) unterbliebenen oder sonst nicht ordnungsgemäßen Anhörung nicht geboten (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. August 2017 - OVG 11 S 56.17 -, juris Rn. 9; Beschluss vom 26. Juni 2008 - OVG 1 S 36.08 -, juris Rn. 17; Beschluss der Kammer vom 14. Februar 2018 - 3 L 95/18 -, juris Rn. 8; VG Cottbus, Beschluss vom 29. März 2017 - 1 L 131/17 -, juris Rn. 12).
Soweit der Antragsteller mit seiner Rüge, die angegriffene Anordnung sei formularmäßig gefertigt und lasse eine konkrete Darstellung des Tatverdachts und der Art der Tatbeteiligung sowie eine Erfassung und Bewertung der konkreten Tatumstände und Täterpersönlichkeit vermissen, der Sache nach einen Begründungsmangel des Bescheides vom 4. Juni 2024 geltend macht, so greift dies ebenfalls nicht durch. Gemäß § 1 Abs. 1 VwVfGBbg i.V.m. § 39 Abs. 1 Satz 1 VwVfG ist ein schriftlicher Verwaltungsakt mit einer Begründung zu versehen. In der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung erwogen haben, § 39 Abs. 1 Satz 2 VwVfG. Dem wird die in der Anordnung gegebene Begründung (noch) gerecht. Unter ausdrücklicher Nennung der Rechtsgrundlage (§ 81b Abs. 1, 2. Alt. StPO) führt der Antragsgegner sinngemäß aus, dass gegen den Antragsteller als Beschuldigten Ermittlungen in Bezug auf einen Bandendiebstahl gemäß § 244 des Strafgesetzbuches (StGB) geführt werden. Dies wird sodann hinsichtlich der Tatorte, Tatzeiten, Tatobjekte und der entstandenen Sachschäden näher ausgeführt und ferner mitgeteilt, dass im Hinblick auf die Begehung einer weiteren Straftat (Diebstahl von Bauzäunen) und mit Blick darauf, dass der Antragsteller seit 2014 wegen unterschiedlichster Eigentums- und Verkehrsdelikte in Erscheinung getreten sei, die Gefahr der Begehung künftiger Straftaten bestehe, für deren Aufklärung die erkennungsdienstlichen Maßnahmen vonnöten seien. Damit hat der Antragsgegner die aus seiner Sicht im konkreten Fall des Antragstellers tragenden rechtlichen und tatsächlichen Gründe für die Entscheidung dargelegt. Dies genügt nach § 39 Abs. 1 VwVfG; ob diese Gründe ausreichend sind, dass der Bescheid einer Überprüfung in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht standhält, ist hingegen keine Frage des formellen Begründungsgebots nach § 39 Abs. 1 VwVfG (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Juni 1985 - 2 C 56/82 -, BVerwGE 71, 354-359, Rn. 26; Ramsauer in: Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 39 Rn. 18 ff.). Zudem gilt auch hier, dass ein etwaiger formeller Begründungsmangel insbesondere im Rahmen des noch offenen Widerspruchsverfahrens geheilt werden könnte und daher eine Aussetzung der sofortigen Vollziehung nicht geboten ist.
b.
Auch in materieller Hinsicht begegnet die Anordnung zur Durchführung einer erkennungsdienstlichen Behandlung vom 4. Juni 2024 nach dem Ergebnis der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen, aber auch nur gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Rechtsgrundlage für die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen ist § 81b Abs. 1, 2. Alt. StPO. Danach dürfen Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden, soweit dies für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist.
Diese Vorschrift regelt die Zulässigkeit von präventivpolizeilichen erkennungsdienstlichen Maßnahmen gegen einen Beschuldigten abschließend. Diese - im Strafprozessrecht angesiedelte - Norm dient nicht der Aufklärung und Durchführung des konkreten (Anlass-) Ermittlungs- bzw. Strafverfahrens, sondern der vorsorgenden Bereitstellung von Hilfsmitteln für die künftige Erforschung und Aufklärung von Straftaten. Sie verpflichtet den Betroffenen zur Duldung erkennungsdienstlicher Maßnahmen, wenn er Beschuldigter in einem Ermittlungs- bzw. Strafverfahren ist und die Notwendigkeit erkennungsdienstlicher Maßnahmen konkret aus diesem gegen den Beschuldigten geführten Ermittlungs- bzw. Strafverfahren hervorgeht oder sich jedenfalls auch aus den Ergebnissen dieses Verfahrens herleitet (vgl. dazu OVG Sachsen, Beschluss vom 10. Oktober 2000 - 3 BS 53/00 -, NVwZ-RR 2001, 238 m.w.N.). Dass eine erkennungsdienstliche Behandlung nach den gesetzlichen Vorgaben nur gegen einen Beschuldigten angeordnet werden darf, besagt dabei lediglich, dass die Anordnung nicht an beliebige Tatsachen anknüpfen und zu einem beliebigen Zeitpunkt ergehen kann, sondern dass sie aus einem konkret gegen den Betroffenen als Beschuldigten geführten Ermittlungs- bzw. Strafverfahren hervorgehen und sich jedenfalls auch aus den Ergebnissen dieses Verfahrens die gesetzlich geforderte Notwendigkeit der erkennungsdienstlichen Behandlung herleiten muss. Der spätere - ggfs. bereits vor Erlass des Widerspruchsbescheides eintretende - Wegfall der Beschuldigteneigenschaft infolge der Beendigung des Ermittlungs- bzw. Strafverfahrens durch Einstellung, Verurteilung oder Freispruch lässt die Rechtmäßigkeit der angeordneten erkennungsdienstlichen Maßnahmen grundsätzlich unberührt (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2018 - 6 C 39/16 -, juris; Urteil vom 19. Oktober 1982 - 1 C 29.79 -, juris Rn. 28; OVG für das Land Brandenburg, Beschluss vom 30. August 1999 - 4 B 37/99 -, juris).
Der in § 81b Abs. 1, 2. Alt. StPO enthaltene Begriff der Notwendigkeit ist bei der Beurteilung des Einzelfalles dasjenige Tatbestandsmerkmal, das dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung trägt und eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an einer wirksamen Bekämpfung der Kriminalität und dem persönlichen Interesse des Betroffenen erfordert, nicht aufgrund erkennungsdienstlicher Unterlagen ungerechtfertigt in Ermittlungsverfahren verwickelt zu werden mit den vielfältigen sich daraus ergebenden Folgen. Ausgehend von dem Grundsatz, dass die Polizei nicht jeden, der einmal aufgefallen oder angezeigt worden ist, bereits deswegen als potenziellen Rechtsbrecher erkennungsdienstlich behandeln darf, muss sich die Notwendigkeit im Sinne des § 81b Abs. 1, 2. Alt. StPO danach richten, ob der anlässlich des gegen den Betroffenen gerichteten Strafverfahrens festgestellte Sachverhalt nach kriminalistischer Erfahrung angesichts aller Umstände des Einzelfalls Anhaltspunkte für die Annahme bietet, dass der Betroffene künftig oder gegenwärtig mit guten Gründen als Verdächtiger in den Kreis potentieller Beteiligter an einer noch aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden könnte, und dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen - den Betreffenden schließlich überführend oder entlastend - fördern könnten (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2018 - 6 C 39/16 -, juris Rn. 22; Urteil vom 19. Oktober 1982 - 1 C 29/79 -, juris Rn. 33). Kriterien für die prognostizierende Wiederholungswahrscheinlichkeit sind insbesondere Art, Schwere und Begehungsweise der dem Betroffenen im strafrechtlichen (Anlass-) Ermittlungs- bzw. Strafverfahren zur Last gelegten Taten, seine Persönlichkeit sowie der Zeitraum, während dessen er strafrechtlich nicht (mehr) in Erscheinung getreten ist (vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 19. Oktober 1982 - 1 C 29/79 - juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13. Juni 2016 - OVG 1 S 71.15 -, juris Rn. 12).
Während es für die Frage des Vorliegens der Beschuldigteneigenschaft allein auf den Zeitpunkt des Erlasses der Anordnung zur Durchführung der erkennungsdienstlichen Maßnahmen ankommt (vgl. hierzu nochmals BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2018 - 6 C 39/16 -, juris), ist für die Frage, ob die angeordneten Maßnahmen notwendig sind, auf den Zeitpunkt des Vollzugs der erkennungsdienstlichen Behandlung bzw. der gerichtlichen Entscheidung abzustellen (vgl. Urteil der Kammer vom 22. März 2017 - 3 K 1991/15 -, juris Rn. 22 m.w.N.).
Ausgehend von diesen Grundsätzen liegen die Voraussetzungen des § 81b Abs. 1, 2. Alt. StPO vor.
Der Antragsteller war zum Zeitpunkt der Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung Beschuldigter in dem unter der Tgb.-Nr. S_____ des Antragsgegners bzw. unter dem Az. 4_____ der Staatsanwaltschaft P_____ geführten Ermittlungsverfahren wegen Bandendiebstahls gemäß § 244 StGB. Dies folgt aus den in den Verwaltungsvorgängen des Antragsgegners dokumentierten Unterlagen, insbesondere der Anregung zur Durchsuchung vom 16. Mai 2024 (Bl. 39 ff. der VV), dem Durchsuchungsbericht vom 28. Mai 2024 (Bl. 51 ff. der VV) und dem Erfassungsbeleg als Täter / Tatverdächtiger vom 4. Juni 2024 (Bl. 30 der VV). Dabei kommt es für dieses Tatbestandsmerkmal nicht darauf an, ob in dem Anlass gebenden Ermittlungsverfahren (Anlassverfahren) bereits ein hinreichender Tatverdacht gegeben ist. Andererseits kann ein bloß vager Tatverdacht keinen Anlass für eine erkennungsdienstliche Behandlung geben; vielmehr müssen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte im Sinne von § 152 Abs. 2 StPO vorliegen, die nach pflichtgemäßer Beurteilung der Strafverfolgungsbehörden Anlass zu einem Strafverdacht (sog. Anfangsverdacht) geben. Dabei bleibt es grundsätzlich der pflichtgemäßen Beurteilung der Strafverfolgungsbehörde als Herrin des Ermittlungsverfahrens überlassen, ob sie einen solchen Grad des Verdachts auf eine strafbare Handlung für gegeben hält, dass sie jemanden als Beschuldigten verfolgt (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 3. Dezember 2013 - OVG 1 S 234.13 -, juris Rn. 7). Erhebliche Zweifel daran, dass hier im Zeitpunkt des Erlasses der Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung ein Anfangsverdacht für einen Verstoß gegen § 244 StGB - jedenfalls im Sinne einer Mittäterschaft - vorlag, der eine Verurteilung des Antragstellers zumindest als möglich erschienen ließ, bestehen angesichts der von der Strafverfolgungsbehörde vorgenommenen Handyauswertungen (vgl. Bl. 32 ff. der VV), des Inhalts des genannten Durchsuchungsberichts und der Ausführungen im Abschlussbericht vom 4. Juni 2024 (vgl. insoweit Bl. 63 ff. der VV) jedoch nicht.
Die angeordneten erkennungsdienstlichen Maßnahmen sind auch notwendig. Es besteht die begründete Gefahr, dass der Antragsteller künftig in weiteren Fällen als Verdächtiger von Straftaten, insbesondere im Zusammenhang mit Eigentumsdelikten, in Betracht kommen wird. Bereits die Art des Anlassverfahrens, die Anzahl der im entsprechenden Ermittlungsverfahren verfolgten Taten sowie deren Begehungsweise bilden hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass auch künftig Ermittlungsverfahren gegen ihn geführt werden, bei denen die infolge der Maßnahmen gewonnenen Unterlagen die polizeilichen Ermittlungen fördern können. So wird dem Antragsteller ausweislich der im Verwaltungsvorgang ersichtlichen Erkenntnisse vorgeworfen, im Zeitraum von Juli 2023 bis Dezember 2023 an insgesamt acht Diebstahlstaten als Mittäter beteiligt gewesen zu sein, bei denen ganz überwiegend eine hohe Anzahl von Kompletträdern unter Beschädigung der betroffenen Fahrzeuge (Einschlagen der Seitenscheiben zur Erlangung der jeweiligen Felgenschlüssel) aus Autohäusern in Brandenburg und Sachsen entwendet und anschließend veräußert wurden. Diesen Taten lag erkennbar ein geplantes, zielgerichtetes und mit hoher krimineller Energie umgesetztes Verhalten zugrunde, welches für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr spricht. So ist eine Wiederholungsgefahr insbesondere anzunehmen bei einem Tatbild, das - wie hier - nicht einem spontanen und zufälligen, sondern einem planvollen und auf serienmäßige Begehung angelegten Verhalten entspricht, bzw. bei Rückfalltätern und bei gewohnheits- und gewerbsmäßiger Begehung (vgl. Trück in: Münchener Kommentar zur StPO, 2. Auflage 2023, § 81b Rn. 12 m.w.N. auch aus der Rechtsprechung). Darüber hinaus wird die Wiederholungsprognose durch das weitere (auch) gegen den Antragsteller als Beschuldigten eröffnete Ermittlungsverfahren wegen eines im Januar 2024 - wiederum zusammen mit einem weiteren Tatbeteiligten - begangenen Diebstahls von insgesamt 40 Stahlbauzäunen untermauert. Ferner ist es nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner im Rahmen der Prognose auf die Verurteilung des Antragstellers zu einer Geldstrafe wegen einer (andersartigen) im April 2021 begangenen Straftat (vorsätzliches Fahren ohne die erforderliche Fahrerlaubnis gem. § 21 Abs. 1 Nr. 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG), vgl. Bl. 81 der VV) abgestellt und hieraus (weitere) Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des Antragstellers dahingehend abgeleitet hat, dieser habe offensichtlich Schwierigkeiten, sich an gesetzliche Vorgaben zu halten. Jedenfalls bei einer Gesamtschau dieser Umstände vor allem mit Blick auf die Anzahl der gegen den Antragsteller geführten Ermittlungs- bzw. Strafverfahren und die Schwere der insoweit zugrundeliegenden Delikte, bei denen es sich nicht um Bagatelldelikte handelt und die überwiegend - insbesondere wie die Anlasstat - auf eine fortgesetzte Begehung bzw. auf eine Einnahmequelle ausgerichtet waren und insofern ein fehlendes - bzw. zumindest herabgesetztes - Unrechtsbewusstsein des Antragstellers nahelegen, ist das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr nicht zweifelhaft. Daher kommt es auf die weiteren, bereits länger zurückliegenden (in den Jahren 2014 bis 2017) gegen den Antragsteller geführten und wohl nicht mit einer Verurteilung geendeten Ermittlungsverfahren (u.a. wegen drei besonders schwerer Fälle von Diebstahl) sowie die Frage, ob insoweit hinreichende, eine Wiederholungsgefahr untersetzende Restverdachtsmomente verblieben sind, nicht entscheidend an.
Die Durchführung der konkret angeordneten erkennungsdienstlichen Maßnahmen ist auch geeignet, künftige Ermittlungen gerade in Bezug auf solche Taten zu fördern, für welche die Wiederholungsgefahr begründet ist. Sie können bei der Erforschung und Aufklärung von Straftaten im genannten Bereich dafür dienen, den Antragsteller als Täter künftiger oder weiterer einschlägiger Taten entweder zu überführen oder ihn zu entlasten. So können die Maßnahmen zur Erfassung des äußeren Erscheinungsbildes (5-teilige Lichtbildaufnahme, Ganzaufnahme, Personenbeschreibung, Abbildungen von Tätowierungen, Narben, Piercings und / oder sonstigen auffallenden oder besonderen körperlichen Merkmalen) helfen, den Antragsteller durch Dritte bzw. Zeugen oder auf Fotos zu identifizieren oder eben aus dem Kreis der Verdächtigen auszuschließen. Die Finger- und Handflächenabdrücke können dem Nachweis dienen, ob er mit bestimmten Beweismitteln - wie beispielsweise mit Tatwerkzeugen, Tatobjekten oder am Tatort zurückgelassenen Gegenständen - Kontakt hatte. Die Maßnahmen sind ferner erforderlich, da der Antragsteller bislang noch nicht erkennungsdienstlich behandelt wurde. Mit Blick auf die nicht zu beanstandende Wiederholungsprognose des Antragsgegners greifen die angeordneten Maßnahmen auch nicht unangemessen schwer in das Persönlichkeitsrecht des Antragstellers auf informationelle Selbstbestimmung ein.
c.
Da auch gegenwärtig nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich die prognostizierte Wiederholungsgefahr in naher Zukunft realisiert und deshalb nicht bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens mit der Durchführung der erkennungsdienstlichen Maßnahmen zugewartet werden kann, deckt sich insoweit das allgemeine Vollzugsinteresse mit dem besonderen öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung (vgl. Beschluss der Kammer vom 14. Februar 2018 - 3 L 95/18 -, juris Rn. 20; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 29. Juni 2016 - 11 ME 100/16 -, juris Rn. 19 ff.). Zwar sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt seit der Anlasstat bzw. der diesbezüglich letzten Tathandlung etwa neun Monate vergangen. Jedoch ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass zwischenzeitlich Umstände eingetreten sind, aus denen sich gerade im Falle des Antragstellers eine andere Beurteilung im Hinblick auf die zu besorgende Verwirklichung der Wiederholungsgefahr ergeben könnte.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Wert des Streitgegenstandes entspricht der Bedeutung der Sache für den Antragsteller, §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i.V.m. Ziffer 35.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, wobei der danach anzusetzende Streitwert von 5.000,00 Euro im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu halbieren ist (vgl. Ziffer 1.5 des Streitwertkataloges).
Rechtsmittelbelehrung: