Gericht | VG Cottbus 5. Kammer | Entscheidungsdatum | 17.01.2025 | |
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Aktenzeichen | VG 5 K 1030/20.A | ECLI | ECLI:DE:VGCOTTB:2025:0117.5K1030.20.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Wegen der Kosten ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Den Klägern wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenen Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
Die Kläger, am 3_____ geborene syrische Staatsangehörige wenden sich gegen die auf die Zuerkennung internationalen Schutzes in Griechenland gestützte Ablehnung ihres in Deutschland gestellten Asylantrages als unzulässig, erstreben jedenfalls Abschiebungsverbote hinsichtlich Griechenlands.
Nachdem die Kläger am 26. September 2017 in Griechenland Asylanträge gestellt und dort am 9. Mai 2018 internationalen Schutz erhalten hatten, verließen sie Griechenland nach knapp zwei Jahren und stellten nach einem Zwischenaufenthalt in Finnland am 23. Januar 2020 in Deutschland abermals Asylanträge.
In ihrer Anhörung am 24. Januar 2020 trugen sie vor, in einem Flüchtlingslager in Thessaloniki bis zur Ausreise gelebt zu haben. Monatlich hätten sie 500 Euro als Hilfe erhalten, was aber für fürs Essen nicht gereicht habe. Der Flug nach Finnland habe 500 Euro gekostet. In Griechenland sei die Suche nach Arbeit ergebnislos verlaufen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Bescheid vom 8. April 2020 Bezug genommen.
Mit Bescheid vom 8. April 2020 lehnte das Bundesamt die Asylanträge als unzulässig ab, verneinte Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes und drohte eine Abschiebung nach Griechenland an. Ferner stellte es fest, dass die Kläger nicht nach Syrien abgeschoben werden dürfen und verhängte ein auf 30 Monate befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot. Wegen der Begründung wird auf den Bescheid selbst Bezug genommen.
Hiergegen haben die Kläger am 26. Mai 2020 Klage erhoben.
Zur Begründung berufen sich die Kläger auf gegen Art. 3 EMRK verstoßende sozioökonomische Bedingungen und verweisen auf eine Stellungnahme von Amnesty International. Ferner machen sie geltend, dass die Klägerin zu 5. wegen ihrer schlechten Schilddrüsenwerte auf eine engmaschige medizinische Behandlung im Bundesgebiet angewiesen sei. Hierzu legen sie ein ärztliches Schreiben vom 25. Februar 2020 und Endbefunde eines Labors vom März 2020 vor.
Auf gerichtliche Anfrage haben die mittlerweile volljährigen Kläger zu 3. und 4., dass sie auch dann mit ihren Eltern und ihren Geschwistern leben würden, wenn sie nach Griechenland zurückkehren müssten.
Die Kläger beantragen schriftsätzlich,
den Bescheid des Bundesamtes vom 8. April 2020 aufzuheben,
hilfsweise die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des vorgenannten Bescheides zu verpflichten, zu Gunsten der Kläger Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes hinsichtlich Griechenlands festzustellen.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf die Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge Bezug genommen.
Die Klage bleibt insgesamt ohne Erfolg.
Die Anfechtungsklage gegen die Ablehnungsentscheidung und die Abschiebungsandrohung ist unbegründet.
Die hilfsweise erhobene Verpflichtungsklage auf Feststellung von Abschiebungsverboten hinsichtlich Griechenlands ist ebenfalls unbegründet.
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.
Die Unzulässigkeitsentscheidung über den Asylantrag findet in § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ihre Grundlage. Die geschriebenen Voraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt hat. Dies ist vorliegend unstreitig der Fall.
Dem Unzulässigkeitsverdikt steht auch kein höherrangiges Recht entgegen.
Dieses Unzulässigkeitsverdikt ist nur dann rechtswidrig, wenn eine Verletzung von Art. 4 der EU-GR-Charta droht (EuGH, Beschluss vom 13. November 2019 – C-540/17 und C-541/17 – Rn. 35, 44).
Gemessen daran ist die Unzulässigkeitsentscheidung der Beklagten nicht zu beanstanden. Maßgeblich sind dabei die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG).
Gegen eine Verletzung von Art. 4 der EU-GR-Charta streitet die im Kontext des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems geltende Vermutung, dass die Behandlung der Personen, die internationalen Schutz beantragen, in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta, der Genfer Konvention und der EMRK steht. Dies gilt insbesondere bei der Anwendung von Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/32/EU (Verfahrensrichtlinie), in dem im Rahmen des mit dieser Richtlinie eingerichteten gemeinsamen Asylverfahrens der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens zum Ausdruck kommt (EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-297/17 u.a. – Juris Rn. 85) und dessen Umsetzung ins nationale Recht § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG dient.
Die Anwendung dieser Vermutung ist nicht disponibel, sondern zwingend (EuGH, Urteil vom 19. März 2019 – C-297/17 u.a. – Rn. 41).
Die zur Widerlegung dieser Vermutung besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit wäre erst erreicht, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere, sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre (EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-297/17 – Juris Rn. 90). Daher ist das Gericht, das mit einem Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung befasst ist, mit der ein neuer Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig abgelehnt wurde, in dem Fall, dass es über Angaben verfügt, die der Kläger vorgelegt hat, um das Vorliegen eines solchen Risikos in dem bereits internationalen Schutz gewährenden Mitgliedstaat nachzuweisen, verpflichtet, auf der Grundlage objektiver, zuverlässiger, genauer und gebührend aktualisierter Angaben und im Hinblick auf den durch das Unionsrecht gewährleisteten Schutzstandard der Grundrechte zu würdigen, ob entweder systemische oder allgemeine oder aber bestimmte Personengruppen betreffende Schwachstellen vorliegen (EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-297/17 – Juris Rn. 88).
Die dem Gericht vorliegenden Erkenntnisse lassen eine solche Gefahr nicht besorgen.
Im Falle der Kläger lässt sich nicht feststellen, dass ihnen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein menschenunwürdiger Zustand der Verelendung droht (vgl. zum Prognosemaßstab BVerwG, Beschluss vom 19. Januar 2022 – 1 B 83.21 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 36 Rn. 12).
Maßgeblich sind dabei die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG).
Es ist nicht die Aufgabe des Gerichts, durch Erhebungen über konkrete Lohnhöhe und Lebenshaltungskosten den Klägern nachzuweisen, dass sie in Griechenland ihren existentiellen Lebensunterhalt sichern können werden. Denn ein ernsthaftes Risiko eines Verstoßes gegen Art. 3 EMRK besteht nicht bereits dann, wenn nicht sicher festzustellen ist, ob im Falle einer Rücküberstellung die Befriedigung der bezeichneten Grundbedürfnisse sichergestellt ist, sondern nur für den Fall, dass die Befriedigung eines der bezeichneten Grundbedürfnisse mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit nicht zu erwarten ist und der Drittstaatsangehörige dadurch Gefahr läuft, erheblich in seiner Gesundheit beeinträchtigt zu werden oder in einen menschenunwürdigen Zustand der Verelendung versetzt zu werden (BVerwG, Beschluss vom 19. Januar 2022 – 1 B 83.21 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 36 Rn. 12).
Die allgemeinen dem Gericht vorliegenden Informationen zur Lage in Griechenland lassen im Falle der Kläger nicht den Schluss zu, dass die Befriedigung eines der Grundbedürfnisse mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit nicht zu erwarten ist.
Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung der bei einer Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG im Hinblick auf Art. 4 GRC drohenden Gefahrenlage ist von der Regelvermutung einer gemeinsamen Rückkehr der Kernfamilie in einen anderen Mitgliedstaat auszugehen (BVerwG, Urteil vom 24. April 2024 – 1 C 8.23 – Juris Rn. 12 bis 14) – also der Kläger 1., 2., 5. und 6. - zugrunde zu legen. Vorliegend ist diese auf die Eltern und ihre gemeinsamen minderjährigen Kinder abstellende Prognose dahin zu modifizieren, dass auch die Kläger zu 3. und 4. mit den übrigen Familienmitgliedern nach Griechenland zurückkehren und dort – jedenfalls für die absehbare Zukunft - in familiärer Gemeinschaft leben würden. Diese beiden mittlerweile volljährigen Söhne der Kläger zu 1. und 2. teilen die Fluchtgeschichte der übrigen Familie seit der Ausreise aus Syrien, über die Aufenthalte in Griechenland und in Finnland und schließlich in Deutschland, wo sie auch nach ihrer Volljährigkeit zusammen mit der übrigen Familie weiterwohnen. Auch gegenüber dem Gericht haben sie erklärt, dass sie im Falle einer Rückkehr nach Griechenland in familiärer Lebensgemeinschaft mit ihren Eltern und ihren jüngeren Geschwistern leben würden. Gleiches ist auf Grund ihres kulturellen Hintergrundes auch für die kürzlich volljährig gewordene und unverheiratete Klägerin zu 5. anzunehmen. Nach alledem ist davon auszugehen, dass sämtliche Kläger auch in Griechenland gemeinsam haushalten und einander beistehen würden.
Die Kläger zu. 1. bis 5. sind gesund und erwerbsfähig (zur Klägerin zu 5. vgl. weiter unten). Dies gilt auch für die Klägerin zu 2. Insbesondere ist sie durch die Betreuung der Klägerin zu 6. nicht an der Arbeitsaufnahme gehindert. Auch das jüngste am 18. Dezember 2008 geborene Kind ist nämlich mit seinen gut 16 Jahren bereits schulpflichtig und bedarf keiner ganztägigen Betreuung. Die Schulpflicht setzt in Griechenland mit der Vollendung des 6. Lebensjahres ein (Wikipedia: Bildungssystem in Griechenland, Stand 18. November 2023). Dabei steht ist davon auszugehen, dass die Klägerin einer Vollzeitbeschäftigung nachgehen kann.
Angesichts der Arbeitsmarktsituation ist es nicht beachtlich wahrscheinlich, dass fünf erwerbsfähige, erwachsene Personen außerstande sind, durch eigene Erwerbstätigkeit ein Existenzminimum oberhalb der Schwelle des Art. 3 EMRK für sich und das 16jährige Kind zu erwirtschaften.
Nach den neuesten Angaben des staatlichen Statistikamts Elstat ging die Arbeitslosenquote im September 2023 auf zehn Prozent zurück. Das war der niedrigste Stand seit September 2009, als die Quote 10,1 Prozent betrug. Die positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt spiegelt die starke Konjunktur wider. Griechenlands Bruttoinlandsprodukt (BIP) legte in den beiden vergangenen Jahren insgesamt um 14 Prozent zu. Eine Rezession ist nicht in Sicht. Für das Jahr 2023 erwartet die griechische Regierung ein Plus von 2,3 Prozent. Für 2024 rechnet Wirtschafts- und Finanzminister Kostis Hatzidakis sogar mit drei Prozent Wachstum (Handelsblatt vom 7. November 2023: „Arbeitslosigkeit in Griechenland fällt unter Vorkrisenniveau“). Auch Wirtschaftsexperten außerhalb der griechischen Regierung bestätigen diese Entwicklung. Eine Analyse des britischen Wirtschaftsmagazins »Economist« stellt fest, dass die griechische Wirtschaft im Vergleich zu 35 anderen OECD-Staaten, darunter auch Deutschland, zum zweiten Mal in Folge am besten abgeschnitten hat. Untersucht wurden dafür fünf Wirtschaftsindikatoren, nämlich die Inflation, die sogenannte Inflationsbreite, das Bruttoinlandsprodukt, Beschäftigungswachstum und die Börsenentwicklung (www.spiegel.de vom 28. Dezember 2023 : „Economist“ kürt Griechenland zur besten Wirtschaft des Jahres“).
Die Beschäftigungschancen hängen nicht von Qualifikationen ab, die den Klägern abgehen. Denn zu den Branchen mit der besten Entwicklung und dem höchsten Anstieg der Beschäftigung gehören auch das verarbeitende Gewerbe, Transportwesen und das Lagerwesen. Insbesondere für ungelernte Arbeitskräfte wirkt sich aber aus, dass gerade in der Tourismusbranche, in der Landwirtschaft und im Bauwesen eine Vielzahl von Arbeitsplätzen angeboten wird (vgl. EURES, Arbeitsmarktinformationen: Griechenland vom 10. August 2023). Seit Mitte 2022 gibt es immer häufiger Berichte, denen zufolge in diesen Branchen (Landwirtschaft, Bau, Tourismus) auf Grund des Arbeitskräftemangels Arbeitgeber aktiv nach Arbeitskräften auch unter Schutzberechtigten suchen (Deutsche Botschaft Athen, Unterbringung und Sicherung des Existenzminimums anerkannt Schutzberechtigter in Griechenland, Stand Februar 2023, Seite 7, Ziffer 3.4). In der Landwirtschaft herrscht ein Mangel an Arbeitskräften, der u.a. der Abwanderung von Landarbeitern aus Drittländern während der Corona-Krise geschuldet ist. Im Obst-, Gemüse und Olivenanbau sowie bei den Viehzüchtern sollen 70.000 Arbeitskräfte fehlen (Deutschlandfunk, Bericht vom 18. Dezember 2023, „Griechenland will 30.000 Migranten eine Arbeitserlaubnis erteilen“). In der Tourismusbranche fehlen rund 100.000 Beschäftigte. Während der Corona-Pandemie haben sich nämlich viele Arbeitnehmer umorientiert (GTAI, Wirtschaftsumfeld/Griechenland/Arbeitsmarkt, Bericht vom 10. Oktober 2023). Diese Nachfrage nach ungelernten Arbeitskräften hat der griechische Gesetzgeber zum Anlass genommen, am 19. Dezember 2023 ein Gesetz zu verabschieden, um zehntausende Arbeitserlaubnisse selbst an jene Migranten zu erteilen, die sich noch in Asylverfahren befinden oder illegal in Griechenland leben (vgl. RND, Bericht vom 20. Dezember 2023, „Griechenland: Zehntausende Migranten erhalten Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung“). Vor diesem Hintergrund steht nicht zu erwarten, dass ein etwaiges Erlöschen der Steueridentifikationsnummer und der Arbeitserlaubnis, deren Erneuerung u.U. mehrere Monate dauern könnte, der Arbeitsaufnahme entgegensteht. Ginge – wie hier – das Erlöschen der Aufenthaltserlaubnis und der Steueridentifikationsnummer auf Unterlassen eines Antrags auf Verlängerung können sich die Kläger hierauf ohnehin nicht berufen (vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 20. April 2023 – 24 ZB 23.30078 – Juris Rn. 16). Jedenfalls ist zur Abwendung extremer materieller Not auch der Verweis auf Tätigkeiten im Bereich der sogenannten "Schatten- oder Nischenwirtschaft" zumutbar (BVerwG, Beschluss vom 19. Januar 2022 – 1 B 83.21 – Buchholz 310 § 132 Abs 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 36 = Juris Rn. 25). Dies gilt umso mehr, als es nur um die Zeit bis zur Neuerteilung geht.
Obdachlosigkeit unter Flüchtlingen und Migranten stellt nach dem Bericht der Deutschen Botschaft Athen (a.a.O. Seite 9, Ziffer 3.7.1) weiterhin kein augenscheinliches Massenphänomen dar, was unter Bezugnahme auf die diesbezügliche Auskunft vom 06.12.2018 an das VG Stade (Az. 10 A 1632/18) auf die Bildung von eigenen Strukturen und Vernetzung innerhalb der jeweiligen Landsmannschaften – die dem Kläger zu 1. bereits während seines Voraufenthaltes einen Arbeitsplatz auf dem Bau verschafft hat - zurückgeführt wird, über welche auf informelle Möglichkeiten zurückgegriffen werden kann. Für die Erfüllung der an Art. 3 EMRK zu messenden Grundbedürfnisse gelten.
Dass den Klägern in Griechenland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein menschenunwürdiger Zustand der Verelendung droht, ist auch nicht mit Blick auf die zur Lage von Inhabern internationalen Schutzes ergangene Rechtsprechung. Die unionsrechtliche Vermutung für eine Charta-konforme Behandlung kann nur auf der Grundlage gebührend aktualisierter Angaben widerlegt werden (EuGH, Urteil vom 19. März 2019 – C-297/17 – Juris Rn. 85 und 88; Urteil vom 30. November 2023 – C 228/21 u. a. – Rn. 136; BVerwG, Beschluss vom 19. Dezember 2022 – 1 B 73.22 – Juris Rn. 8). Deshalb kann in Verfahren der vorliegenden Art in der Regel nicht angenommen werden, dass eine obergerichtliche Grundsatzentscheidung zu einer bestimmten Tatsachenfrage nach längerem Zeitablauf noch unverändert Gültigkeit beanspruchen kann (eine Divergenz verneinend OVG Lüneburg, Beschluss vom 4. Dezember 2020 – 10 LA 264/19 – Juris Rn. 16; zur Bedeutung von Vorerlebnissen (BVerwG, Beschluss vom 6. Juni 2014 – 10 B 35.14 – Buchholz 402.25 § 27a AsylVfG Nr. 2). So verhält es sich insbesondere mit Blick auf das Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 23. November 2021 – 3 B 54.19 – Juris. Dieses Urteil beruht auf Erkenntnissen, welche in dem Zeitraum Ende 2020 bis Spätsommer 2021 publiziert wurden, also reale Verhältnisse wiedergeben, die mittlerweile drei Jahre oder länger zurückliegen. Es kommt hinzu, dass diese Erkenntnisse eine Situation widerspiegeln, die maßgeblich von der Corona-Pandemie geprägt gewesen ist, die sich ihrerseits besonders stark auf den Tourismussektor ausgewirkt hat und deshalb die Chancen ungelernter Arbeitskräfte ohne soziales Netzwerk besonders verschlechtert hat. Gleiches gilt auch für das zitierte Urteil des OVG Münster.
Der Wunsch der Kläger im Bundesgebiet zu verbleiben, steht auch in Ansehung der insoweit geltend gemachten Aufenthaltsdauer und etwa bereits unternommener Integrationsanstrengungen einer Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG nicht entgegen. Aus Völker- oder Unionsrecht folgt kein Recht auf Wahl des Zufluchtslandes. Hat ein Schutzsuchender in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union Schutz vor Verfolgung gefunden, folgt hieraus grundsätzlich kein Recht auf Weiterwanderung in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder auf die Durchführung eines weiteren Asyl Verfahrens. Ein solches Recht ergibt sich auch nicht aus dem Grundgesetz, namentlich auch nicht aus der Garantie der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG). Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG regelt im Einklang mit dem Grundgesetz (BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93, BVerfGE 94, 49) für das nationale Asylrecht, dass sich auf den Schutz politisch Verfolgter durch das Asylrecht nicht berufen kann, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Dies schließt auch einen unmittelbar aus der Menschenwürde abgeleiteten Anspruch auf Beachtung ihres Wunsches aus, als Schutzberechtigte in Deutschland und nicht in Griechenland leben zu wollen (vgl. zum Ganzen BVerwG, Urteil vom 7. September 2021 – 1 C 3.21 – Rn. 15).
Schließlich drohen die Kläger, insbesondere die Klägerin zu 5., auch mit Blick auf ihre gesundheitliche Verfassung nicht in eine solch schwerwiegende Situation zu geraten, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden kann. Angesichts Art. 30 der Richtlinie 2011/95/EU besteht nämlich auch im Falle anerkannter Schutzberechtigter eine starke unionsrechtliche Vermutung dafür, dass die ihnen in Italien gebotene medizinische Versorgung angemessen sein wird (vgl. EuGH, Urteil vom 16. Februar 2017 – C-578/16 PPU – Rn. 70 zu Art. 17 bis 19 der Richtlinie 2013/22/EU). Soweit für die Klägerin zu 5. unter Vorlage ärztlicher Schreiben aus März 2020 geltend gemacht wurde, dass sie wegen ihrer Schilddrüsenwerte engmaschiger ärztlicher Betreuung im Bundesgebiet bedürfe, kann dieses Vorbringen schon deshalb nicht mehr durchgreifen, weil die ärztlichen Schreiben einen mittlerweile fünf Jahre zurückliegenden Zustand dokumentieren. Dass die Schilddrüsenwerte der Klägerin zu 5. weiterhin von der Norm abweichen, hat sie nicht mehr auch nur ansatzweise geltend gemacht, obwohl ihr dies oblegen hätte (vgl. § 60a Abs. 2c AufenthG). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Aussagekraft der damaligen Schreiben auch deshalb entwertet ist, weil die Klägerin damals 14 Jahre alt gewesen, sich ihr Körper also im Wachstum befand, weshalb die noch im Kindesalter gestellte Diagnose betreffend die Schilddrüsenfunktion nicht mehr für eine mittlerweile 18jährige Frau geltend kann. Im Übrigen lässt sich den damals vorgelegten Schreiben schon nicht entnehmen, dass eine engmaschige medizinische Betreuung erforderlich war, geschwiege denn dass sie den Anforderungen des § 60a Abs. 2c AufenthG genügten.
Abschiebungsverbote liegen nicht vor, stehen deshalb der Abschiebungsandrohung nicht entgegen.
Gem. § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
Im Falle einer Abschiebung nach Griechenland droht keine konventionswidrige Behandlung. Dagegen streitet die im Kontext des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems geltende Vermutung, dass die Behandlung der Personen, die internationalen Schutz beantragen, in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta, der Genfer Konvention und der EMRK steht. Dies gilt insbesondere bei der Anwendung von Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Verfahrensrichtlinie in dem im Rahmen des mit dieser Richtlinie eingerichteten gemeinsamen Asylverfahrens der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens zum Ausdruck kommt (EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-297/17 u.a. – Juris Rn. 85). Diese Vermutung wird nach dem Vorstehenden vorliegend nicht widerlegt.
Ebenso wenig greift ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ein. Danach soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Das normative Vergewisserungskonzept des Art. 16a Abs. 2 GG umfasst auch solche Gefährdungen; einer Prüfung bedarf es deshalb vor einer Aufenthaltsbeendigung in sichere Drittstaaten, wozu auch Griechenland als Mitglied der EU gehört, auch insoweit nicht (vgl. zu § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 – 2 BvR 1938/93 –, BVerfGE 94, 49-114, Rn. 186).
Nach dem Vorstehenden muss auch dem auf Verpflichtung zur Feststellung von Abschiebungsverboten gerichteten Hilfsantrag der Erfolg versagt bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 83 b AsylG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung: