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Abgeordneter, Versorgungsempfänger, Deutscher Bundestag, Zuschuss, Bemessungsgrundlage, Krankenversicherungsbeitrag, gesetzlche Krankenversicherung, freiwillig gesetzlich versichert, hauptberufliche selbständige Tätigkeit


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg Der 3. Senat Entscheidungsdatum 26.11.2024
Aktenzeichen 3 B 74/23 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2024:1126.3B74.23.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 27 Abs. 2 AbgG

Tenor

Die Berufung der Beklagten wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte verpflichtet wird, dem Kläger für den Zeitraum vom 1. Januar 2021 bis zum 30. Juni 2022 einen Zuschuss in Höhe der Hälfte des aus eigenen Mitteln geleisteten Krankenversicherungsbeitrages zu gewähren, für die Zeit vom 1. Dezember 2021 bis zum 30. Juni 2022 unter Berücksichtigung des Zuschusses der Rentenversicherung.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt einen Zuschuss zu den Krankenversicherungsbeiträgen nach den Vorschriften des Abgeordnetengesetzes.

Er erhält als ehemaliges Mitglied des Deutschen Bundestages seit dem 1. Dezember 2013 eine Altersentschädigung. Daneben hat er Einkünfte aus einer selbstständigen Tätigkeit sowie aus einer Beamtenversorgung. Seit dem 1. Dezember 2021 bezieht er zudem eine Regelaltersrente der gesetzlichen Rentenversicherung, die seitdem auch einen Zuschuss zur Krankenversicherung gewährt. Bis zum 30. Juni 2022 war der Kläger freiwillig gesetzlich krankenversichert. Seit dem 1. Juli 2022 ist er in der Krankenversicherung der Rentner pflichtversichert.

Nach dem Ausscheiden aus dem Deutschen Bundestag entschied sich der Kläger gemäß § 27 Abs. 4 AbgG für einen Zuschuss zu den Krankenversicherungsbeiträgen nach § 27 Abs. 2 AbgG. Der Bundestag bewilligte ihm mit Bescheid vom 29. Januar 2014 einen Zuschuss in Höhe der Hälfte des Krankenversicherungsbeitrages. Nach Inkrafttreten des Dreißigsten Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes und Dreiundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes vom 11. Juli 2014 setzte er mit weiterem Bescheid vom 28. Juli 2014 den Zuschuss neu fest. Der Berechnung legte er jeweils den Gesamtbetrag des Krankenversicherungsbeitrags zugrunde.

Im Dezember 2020 informierte der Bundestag den Kläger darüber, dass ab dem 1. Januar 2021 nur noch Krankenversicherungsbeiträge bezuschusst werden könnten, die auf die Versorgungsleistungen des Bundestages erhoben würden. Da seine Krankenkasse auf die Versorgungsbezüge keine Beiträge erhebe, könne kein Zuschuss mehr gezahlt werden.

Mit Bescheid vom 2. Februar 2021 hob der Bundestag den Bescheid vom 29. Januar 2014 und alle nachfolgenden Änderungsbescheide mit Wirkung ab dem 1. Januar 2021 hinsichtlich ihrer Höhe auf und setzte den Zuschuss neu auf 0 Euro fest. Zur Begründung führte er aus, nach Mitteilung der Krankenkasse des Klägers würden keine Beiträge auf die Versorgungsleistungen des Bundestages erhoben, sondern lediglich auf die Einkünfte aus der hauptberuflichen selbständigen Tätigkeit. Darauf könne jedoch kein Zuschuss gezahlt werden. Auf ein schutzwürdiges Vertrauen könne sich der Kläger aufgrund der Mitteilung vom Dezember 2020 seit dem 1. Januar 2021 nicht mehr berufen.

Der Kläger erhob hiergegen am 3. März 2021 Klage. Nachdem bekannt geworden war, dass seine Krankenkasse aufgrund seiner Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung seit dem 1. Juli 2022 für die Beitragsberechnung neben der gesetzlichen Rente auch den Versorgungsbezug des Deutschen Bundestags berücksichtigt, setzte der Bundestag den Zuschuss mit Bescheid vom 31. August 2022 ab dem 1. Juli 2022 neu auf 341,14 Euro fest. Hierauf erklärten die Beteiligten das Klagebegehren ab diesem Datum übereinstimmend für erledigt.

Mit Urteil vom 8. September 2023 verurteilte das Verwaltungsgericht die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Deutschen Bundestages vom 2. Februar 2021 dazu, dem Kläger für den Zeitraum vom 1. Januar 2021 bis zum 30. Juni 2022 einen Zuschuss in Höhe der Hälfte des aus eigenen Mitteln geleisteten Krankenversicherungsbeitrages zu zahlen, für die Zeit vom 1. Dezember 2021 bis zum 30. Juni 2022 unter Berücksichtigung des Zuschusses der Rentenversicherung. Dies begründete es im Wesentlichen damit, dass der Wortlaut des § 27 Abs. 3 Satz 2 AbgG für die von der Beklagten vertretene Auslegung nichts hergebe. Der Zusatz, nach dem der Zuschuss in Anlehnung an § 249 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch zu zahlen sei, führe nicht zu einer Begrenzung des Zuschusses. Damit habe nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/477, S. 13) lediglich bestimmt werden sollen, dass nicht auch der Zusatzbeitrag von 0,9 Beitragssatzpunkten hälftig bezuschusst werde. Der Zuschuss sei seit seiner Einführung als pauschale Leistung konzipiert gewesen. Wenn eine Systemumstellung zu einer individuellen, von der Beitragsberechnung und dessen Aufschlüsselung abhängigen Bezuschussung gewollt gewesen wäre, die im Einzelfall zu einer erheblichen Reduzierung oder zu einem Wegfall des Zuschusses führen könne, hätte dies aus dem Wortlaut oder der Gesetzesbegründung hervorgehen müssen. Gegen einen solchen Systemwechsel spreche auch, dass es dann zu einem erheblichen Auseinanderfallen des Zuschusses nach § 27 Abs. 1 AbgG und des Zuschusses nach § 27 Abs. 2 AbgG kommen könne. Da Versorgungsempfänger gemäß § 27 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 AbgG an die Wahl des Zuschusses nach § 27 Abs. 2 AbgG gebunden seien, hätte es aus Gründen des Vertrauensschutzes nahe gelegen, eine Übergangsregelung zu treffen, wenn tatsächlich eine über die Gesetzesbegründung hinausgehende Begrenzung der Zuschusshöhe beabsichtigt gewesen wäre.

Die Beklagte trägt zur Begründung ihrer vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung vor, der Wortlaut des § 27 Abs. 2 Satz 3 AbgG stütze eine nur anteilige Bezuschussung, da mit der Anlehnung an § 249 SGB V eine Übernahme der dortigen Strukturprinzipien gemeint sei. Aus der Gesetzesbegründung werde deutlich, dass beabsichtigt gewesen sei, den Zusatzbeitrag im Gleichlauf zu allen anderen gesetzlich Krankenversicherten allein von den Abgeordneten tragen zu lassen. Wenn der Gesetzgeber bereits hinsichtlich dieses Teils des Zuschusses eine Besserstellung von Abgeordneten habe vermeiden wollen, müsse dies auch für den gesamten Zuschuss gelten. Dass die Beihilfeansprüche nach § 27 Abs. 1 AbgG und der Zuschuss nach § 27 Abs. 2 AbgG bei einer anteiligen Zuschussgewährung auseinander fielen, sei wegen der von vornherein bestehenden systematischen Unterschiede nicht zu beanstanden. Besondere Übergangsregelungen oder Härtefallklauseln seien nicht erforderlich gewesen. Der Gesetzgeber habe mit § 27 AbgG hinsichtlich der Absicherung der Abgeordneten auf bereits bestehende Absicherungssysteme abstellen wollen. Wie aus den Anrechnungsregelungen des § 27 Abs. 2 AbgG hervorgehe, vermeide die gesetzliche Regelung eine Besserstellung von Abgeordneten. Eine Bezuschussung des gesamten Krankenversicherungsbeitrags unabhängig von der Einkommensquelle stehe diesem Anliegen diametral entgegen, da sie zu einer Besserstellung von Abgeordneten gegenüber jeder anderen Gruppe von Krankenversicherten führte. Im Sozialversicherungsrecht sei eine solche vollständige Bezuschussung nicht nur nach § 249 SGB V fremd; entsprechendes gelte vielmehr auch für freiwillig gesetzlich Versicherte und für in der privaten Krankenversicherung Versicherte, die Anspruch auf einen Beitragszuschuss hätten (§ 257 Abs. 1 und 2 SGB V).

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Berlin vom 8. September 2023 abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er macht geltend, aus der Erwähnung des § 249 SGB V in § 27 Abs. 2 Satz  3 AbgG lasse sich eine nur anteilige Bezuschussung nicht begründen, denn § 249 SGB V betreffe die Zahlung von Beiträgen und nicht eines Zuschusses durch den Arbeitgeber. Wenn mit der Änderung des § 27 Abs. 2 Satz 3 AbgG ein Systemwechsel gewollt gewesen wäre, hätte auch § 27 Abs. 2 Satz 1 AbgG entsprechend geändert werden müssen. Soweit die §§ 245 und 257 SGB V in § 27 Abs. 2 Satz 1 AbgG erwähnt würden, gehe es dabei nicht darum, Strukturprinzipen des Sozialgesetzbuchs zu übernehmen. Der Kläger sei im streitgegenständlichen Zeitraum nach der Vermutungsregelung des § 5 Abs. 5 Satz 2 SGB V als hauptberuflich Selbständiger ohne Beitragszuschuss des Arbeitgebers freiwillig gesetzlich versichert gewesen und habe damit die Voraussetzungen nach § 27 Abs. 2 Satz 1 AbgG erfüllt. Er dürfe darauf vertrauen, als Versorgungsempfänger ebenso wie zuvor in seiner aktiven Zeit als Mitglied des Bundestages den vollen Zuschuss zu seinem aus eigenen Mitteln geleisteten Krankenversicherungsbeitrag zu erhalten, weil im Zeitpunkt seiner Entscheidung für den Zuschuss nach § 27 Abs. 2 AbgG im November 2013 die Worte „in Anlehnung an § 249 SGB V“ noch nicht in § 27 Abs. 2 Satz 3 AbgG enthalten gewesen seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung waren.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der Klage, die allein noch die Gewährung des Zuschusses nach § 27 Abs. 2 AbgG für den Zeitraum vom 1. Januar 2021 bis zum 30. Juni 2022 betrifft, zu Recht stattgegeben.

Die Klage ist mit der Maßgabe begründet, dass anstelle der vom Verwaltungsgericht ausgesprochenen Verurteilung zur Zahlung eines Zuschusses die Verpflichtung der Beklagten auszusprechen ist, dem Kläger für den genannten Zeitraum einen Zuschuss in Höhe der Hälfte des aus eigenen Mitteln geleisteten Krankenversicherungsbeitrages zu gewähren (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Anders als bei Dienstbezügen, die regelmäßig ohne vorhergehenden Festsetzungs- oder Bewilligungsbescheid unmittelbar auf der Grundlage der besoldungsrechtlichen Vorschriften gezahlt werden (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10. Juni 2015 – OVG 6 B 11.15 – juris Rn. 12; BVerwG, Beschluss vom 24. Januar 2008 – 2 B 72.07 – juris Rn. 6), ergeben sich der von dem Kläger zu beanspruchende Zuschuss und dessen Höhe nicht unmittelbar aus der gesetzlichen Regelung (§ 27 Abs. 2 AbgG). Es bedarf vielmehr einer gesonderten Feststellung der Voraussetzungen sowie der für die Höhe des Zuschusses maßgebenden Umstände, die nicht ohne weiteres aus der gesetzlichen Regelung ablesbar sind. Statthaft ist deshalb nicht eine allgemeine Leistungsklage, sondern eine Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO). Dies ändert nichts an der Zulässigkeit der Klage, weil der erstinstanzlich aufgenommene Antrag sachdienlich in einen Verpflichtungsantrag umgedeutet werden kann (§ 88 VwGO), führt aber zur Änderung des Sachausspruchs im Sinne eines Verpflichtungsurteils.

Wie das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen hat, kann der Kläger den Zuschuss gemäß § 27 Abs. 2 AbgG über den 31. Dezember 2020 hinaus für den noch im Streit stehenden Zeitraum bis zum 30. Juni 2022 in der Höhe der Hälfte des aus eigenen Mitteln geleisteten Krankenversicherungsbetrags beanspruchen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Zu Recht hat das Verwaltungsgericht deshalb auch den Bescheid der Beklagten vom 2. Februar 2021 aufgehoben, mit dem der Bundestag den Zuschuss ab dem 1. Januar 2021 unter Änderung vorangegangener Bescheide auf 0 Euro festgesetzt hat.

Nach § 27 AbgG erhalten Versorgungsempfänger des Deutschen Bundestages ebenso wie aktive Mitglieder neben ihren Bezügen (vgl. § 11 bzw. § 19 AbgG) Leistungen für Kosten in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen, und zwar entweder als Zuschuss zu den notwendigen Kosten nach den Grundsätzen des beamtenrechtlichen Beihilferechts (vgl. § 27 Abs. 1 AbgG) oder als Zuschuss zu den Krankenversicherungsbeiträgen (vgl. § 27 Abs. 2 AbgG). Nach § 27 Abs. 4 Satz 2 AbgG müssen Versorgungsempfänger innerhalb von vier Monaten nach Bekanntgabe des Versorgungsbescheides dem Präsidenten des Bundestages mitteilen, ob sie Leistungen nach Absatz 1 oder Absatz 2 in Anspruch nehmen wollen, und bleiben an diese Entscheidung gebunden. Voraussetzung für den Zuschuss nach § 27 Abs. 2 AbgG ist, dass der Arbeitgeber keine Beiträge nach §  249 SGB V zahlt oder kein Anspruch auf einen Beitragszuschuss des Arbeitgebers nach § 257 SGB V besteht (§ 27 Abs. 2 Satz 1 AbgG). Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung, die eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen und entweder den darauf entfallenden Krankenversicherungsbeitrag nach § 249a SGB V nur zur Hälfte tragen oder gemäß § 106 SGB VI einen Beitragszuschuss beziehen, erhalten für diesen rentenbezogenen Krankenversicherungsbeitrag keinen Zuschuss (§ 27 Abs. 2 Satz 2 AbgG). Zur Höhe des Zuschusses bestimmt § 27 Abs. 2 Satz 3 AbgG, dass als Zuschuss die Hälfte des aus eigenen Mitteln geleisteten Krankenversicherungsbeitrages in Anlehnung an § 249 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch zu zahlen ist.

Dass die Voraussetzungen des § 27 Abs. 2 Satz 1 AbgG im streitgegenständlichen Zeitraum erfüllt waren, steht im Hinblick darauf, dass der Kläger als hauptberuflich Selbständiger (vgl. § 5 Abs. 5 SGB V) freiwillig gesetzlich krankenversichert war, nicht im Streit. Weder war deshalb ein hälftiger Anteil seines Krankenkassenbeitrags von seinem Arbeitgeber zu tragen (§ 249 Abs. 1 SGB V) noch konnte der Kläger einen Zuschuss seines Arbeitgebers nach § 257 Abs. 1 SGB V beanspruchen.

Entgegen der von der Beklagten vorgenommenen Auslegung rechtfertigt es § 27 Abs. 2 Satz 3 AbgG im Hinblick auf die Höhe des Zuschusses nicht, den Zuschuss allein auf der Grundlage derjenigen Krankenversicherungsbeiträge zu berechnen, die von den gesetzlichen Krankenkassen auf die Versorgungsleistungen des Bundestages erhoben werden. Der Beklagte stellt mit ihrer ab dem 1. Januar 2021 geänderten Verwaltungspraxis darauf ab, ob die Versorgungsbezüge bei der Beitragsbemessung durch die Krankenkasse zugrunde gelegt wurden. Welche Arten von Einnahmen der Beitragsberechnung zugrunde zu legen und in welcher Reihenfolge sie zu berücksichtigen sind, ist für den Fall, dass die Krankenkasse – wie bei dem Kläger – das Vorliegen einer hauptberuflichen selbständigen Erwerbstätigkeit feststellt, in § 7 Abs. 3 Satz 1 der vom GKV-Spitzenverband u.a. aufgrund von § 240 SGB V erlassenen Einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung (…) vom 27. Oktober 2008, inzwischen zuletzt geändert am 20. März 2024, geregelt. Danach ist an erster Stelle das Arbeitseinkommen aus der hauptberuflichen selbständigen Erwerbstätigkeit zugrunde zu legen (§ 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Beitragsverfahrensgrundsätze), während Versorgungsbezüge erst an dritter Stelle zu berücksichtigen sind (§ 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 der Beitragsverfahrensgrundsätze). Dies hat zur Folge, dass Versorgungsbezüge nicht in die Berechnung des Krankenversicherungsbeitrags einfließen, wenn der freiwillig versicherte Versorgungsempfänger daneben ein die Beitragsbemessungsgrenze übersteigendes Einkommen aus einer hauptberuflichen selbstständigen Erwerbstätigkeit bezieht. Dies führte für den Kläger zur Festsetzung des Zuschusses auf 0, weil sein Krankenversicherungsbeitrag nach den von der Beklagten zugrunde gelegten Mitteilungen seiner Krankenkasse allein aus seinem Erwerbseinkommen berechnet worden war.

Eine derartige Beschränkung der für den Zuschuss maßgeblichen Bemessungsgrundlage lässt sich jedoch weder aus dem Wortlaut des § 27 Abs. 2 Satz 3 AbgG noch aus den maßgeblichen Gesetzesmaterialien ableiten. Auch teleologische oder systematische Erwägungen können eine Auslegung im Sinne der Beklagten nicht tragen.

Der Wortlaut des § 27 Abs. 2 Satz 3 AbgG ergibt zunächst, dass als Zuschuss die Hälfte „des von dem Versorgungsempfänger aus eigenen Mitteln geleisteten Krankenversicherungsbeitrages“ zu zahlen ist. Daraus lässt sich kein Anhaltspunkt für die von der Beklagten angenommene Begrenzung auf eine bestimmte Bemessungsgrundlage für den Zuschuss ableiten. Auch aus den mit Wirkung vom 16. Juli 2014 eingefügten Worten „in Anlehnung an § 249 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch“ ergibt sich dies jedenfalls nicht bestimmt genug. Der Ausdruck „in Anlehnung an“ bedeutet zwar, dass sich die Bemessung des Zuschusses an § 249 SGB V orientieren soll. Damit wird jedoch nicht klar genug bestimmt, welcher konkrete Regelungsinhalt des § 249 SGB V maßgeblich sein soll.

Dies wird allerdings aus der Begründung des Gesetzentwurfs des Dreißigsten Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes und Dreiundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes vom 11. Juli 2014 (BGBl. I S. 906) deutlich, mit dem die Worte „in Anlehnung an § 249 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch“ eingefügt wurden. Dort ist (zu Art. 1 Nr. 7 Buchst. a des Gesetzes) ausgeführt (BT-Drs. 18/477, S. 13):

„Gemäß § 249 Absatz 1 Satz 1 SGB V trägt bei versicherungspflichtig Beschäftigten der Arbeitgeber die Hälfte der Beiträge des Mitglieds aus dem Arbeitsentgelt nach dem um 0,9 Beitragssatzpunkte verminderten allgemeinen oder ermäßigten Beitragssatz; im Übrigen tragen die Beschäftigten die Beiträge. Die Änderung trägt dem Umstand Rechnung, dass bislang die Hälfte des Zusatzbeitrages von 0,9 Prozent bezuschusst und nicht allein vom Mitglied des Deutschen Bundestages getragen wird und folgt der Systematik des § 27 AbgG, der in seinem Absatz 2 Satz 1 ebenfalls auf das SGB V Bezug nimmt.“

Dies bezog sich auf die damals (vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Dezember 2014) geltende Fassung des § 249 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Sie lautete:

„Bei versicherungspflichtig Beschäftigten nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 und 13 trägt der Arbeitgeber die Hälfte der Beiträge des Mitglieds aus dem Arbeitsentgelt nach dem um 0,9 Beitragssatzpunkte verminderten allgemeinen Beitragssatz; im Übrigen tragen die Beschäftigten die Beiträge.“

Das SGB V sah damit eine partielle Ausnahme von dem inzwischen wieder ausnahmslos geltenden Grundsatz der paritätischen Beitragstragung durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer vor, indem ein aus 0,9 Beitragssatzpunkten bemessener Anteil des Krankenversicherungsbeitrags allein von dem versicherungspflichtig beschäftigten Arbeitnehmer zu tragen war. Nach der Gesetzesbegründung zur Änderung des Abgeordnetengesetzes sollte dieser – in der Gesetzesbegründung als „Zusatzbeitrag von 0,9 Prozent“ bezeichnete – Anteil des Krankenversicherungsbeitrags künftig von der (hälftigen) Bezuschussung der Krankenversicherungsbeiträge der Abgeordneten und Versorgungsempfänger des Bundestages ausgenommen werden.

Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt der Bezugnahme auf § 249 SGB V in § 27 Abs. 2 Satz 3 AbgG auch nach dem objektiven Regelungsgehalt der Vorschrift keine weitergehende Bedeutung zu, die über die nach der Gesetzesbegründung gewollte Herausnahme des nach 0,9 Beitragssatzpunkten bemessenen Beitragsanteils aus der Berechnung des Zuschusses hinausgeht. Die Beklagte argumentiert insbesondere damit, dass § 27 Abs. 2 AbgG in Absatz 1 ebenfalls auf das SGB V Bezug nehme und dass der Gesetzgeber mit der Einfügung der Worte „in Anlehnung an § 249 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch“ eine Gleichstellung von Abgeordneten und Versorgungsempfängern des Deutschen Bundestages mit gesetzlich Versicherten beabsichtigt habe. Diese teils systematischen, teils teleologischen Erwägungen tragen die von der Beklagten vorgenommene Auslegung der Vorschrift jedoch nicht, weil die Gesetzesänderung nach ihrer Interpretation gegenüber der bisherigen Fassung der Vorschrift eine so grundlegende Änderung bedeuten würde, dass dies, wenn nicht im Wortlaut, so doch jedenfalls in der Gesetzesbegründung hätte zum Ausdruck kommen müssen.

Dabei muss berücksichtigt werden, dass § 27 Abs. 2 Satz 3 AbgG in der bis zum 15. Juli 2014 geltenden Fassung, die allein die Aussage enthielt, dass als Zuschuss die Hälfte des aus eigenen Mitteln geleisteten Krankenversicherungsbeitrages zu zahlen sei, den Zuschuss als eine pauschale Leistung bestimmte, für die es allein darauf ankam, welchen Krankenversicherungsbeitrag der Abgeordnete oder Versorgungsempfänger aus eigenen Mitteln geleistet hatte, nicht aber darauf, welche Einkünfte von der Krankenkasse für die Beitragsbemessung zu berücksichtigen waren oder berücksichtigt wurden. Hieran gemessen hätte die Ergänzung des § 27 Abs. 2 Satz 3 AbgG im Jahre 2014 nach der Auslegung der Beklagten, was auch das Verwaltungsgericht zu Recht zugrunde gelegt hat, gleichsam einen „Systemwechsel“ bedeutet, indem das bisherige System eines pauschalen Zuschusses durch ein individuelles, von der Beitragsberechnung und dessen Aufschlüsselung im Einzelfall abhängiges System abgelöst worden wäre. Für eine so weitreichende Änderung bietet jedoch, wie schon ausgeführt, der Wortlaut der geänderten Vorschrift keine hinreichende Grundlage. Einem solchen Verständnis widerstreitet auch die Gesetzesbegründung, denn dann wäre anstelle der lediglich auf den „Zusatzbeitrag von 0,9 Prozent“ bezogenen Erläuterung des Verweises auf § 249 SGB V eine Erklärung dafür zu erwarten gewesen, warum es nunmehr darauf ankommen sollte, auf welchem Einkommen die Berechnung des Krankenversicherungsbeitrags beruht. Dass schon nach der bisherigen Rechtslage hierauf hätte abgestellt werden müssen, macht auch die Beklagte nicht geltend. Sie hat in der mündlichen Verhandlung vielmehr erklärt, die Änderung ihrer Praxis ergebe sich allein aus der Gesetzesänderung im Jahre 2014, während sie es für rechtmäßig halte, dass sie den Zuschuss zuvor unabhängig davon gewährt habe, auf welches Einkommen er sich bezog.

Gegen die von der Beklagten favorisierte Auslegung spricht auch, dass dann im Hinblick auf den rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes die Schaffung einer Übergangsvorschrift mehr als nahe gelegen hätte. Wie bereits erwähnt, bleiben Versorgungsempfänger, die sich wie der Kläger nach Bekanntgabe des Versorgungsbescheides für einen Zuschuss gemäß § 27 Abs. 2 AbgG entschieden haben, daran gebunden (vgl. § 27 Abs. 4 Satz 2 AbgG). Deshalb ist jedenfalls das Vertrauen, dass die Zuschussregelung nach § 27 Abs. 2 AbgG nicht im Nachhinein deutlich nachteilig im Vergleich zu § 27 Abs. 1 AbgG ausgestaltet wird, schutzwürdig. In dieses Vertrauen hätte aber die Gesetzesänderung im Jahre 2014, versteht man sie im Sinne der Beklagten, eingegriffen, so dass eine Übergangsregelung – etwa dahingehend, dass den betroffenen Versorgungsempfängern die Möglichkeit eingeräumt wird, die Entscheidung nach § 27 Abs. 4 AbgG nochmals zu ändern – geboten oder jedenfalls zu erwägen gewesen wäre. Hierzu verhält sich die Gesetzesbegründung jedoch nicht.

Die von der Beklagten vertretene Auslegung lässt sich auch nicht mit dem Argument rechtfertigen, es sei Sinn und Zweck der Gesetzesänderung gewesen, Abgeordnete und Versorgungsempfänger des Deutschen Bundestages gesetzlich Krankenversicherten gleichzustellen. Zwar war eine Gleichstellung hinsichtlich des von den versicherungspflichtig Beschäftigten nach § 249 Abs. 1 Satz 1 SGB V allein zu tragenden Beitragsanteils von 0,9 Prozentpunkten beabsichtigt, der nunmehr auch für Abgeordnete und Versorgungsempfänger von der Bezuschussung ausgenommen werden sollte. Daraus lässt sich jedoch nicht ableiten, dass der Zuschuss darüber hinaus - aus Gründen der Gleichstellung - nur noch für solche Teile des Krankenversicherungsbeitrags geleistet werden sollte, die auf Versorgungsleistungen des Bundestages erhoben werden.

Ebenso wenig lässt sich aus dem Gesamtzusammenhang der in § 27 Abs. 2 AbgG getroffenen Regelungen schließen, es seien die Strukturprinzipien der gesetzlichen Krankenversicherung mit der Folge übernommen worden, dass als Bemessungsgrundlage des (hälftigen) Zuschusses nur derjenige Beitragsanteil heranzuziehen ist, der auf die Abgeordneten- oder Versorgungsbezüge erhoben wird. Wie bereits ausgeführt, rechtfertigt § 27 Abs. 2 Satz 3 AbgG für sich genommen kein solches Verständnis. Auch die Bezugnahme in § 27 Abs. 2 Satz 1 AbgG auf § 249 SGB V und § 257 SGB V hat eine andere Bedeutung. Danach setzt die Zuschussgewährung voraus, dass der Arbeitgeber keine Beiträge nach § 249 SGB V zahlt bzw. kein Anspruch auf einen Beitragszuschuss nach § 257 SGB V besteht. Dahinter steht die Erwägung, dass Abgeordnete und Versorgungsempfänger, die schon von ihrem Arbeitgeber um die Hälfte des Beitrags entlastet werden, keinen Zuschuss nach § 27 Abs. 2 AbgG als Fürsorgeleistung benötigen. Damit verhält sich die Regelung aber nicht zu der hier aufgeworfenen Frage, ob ein von dem Versorgungsempfänger aus eigenen Mitteln zu tragender Krankenversicherungsbeitrag der Zuschussbemessung deshalb nicht zugrunde zu legen ist, weil er nach den für die Beitragsbemessung maßgeblichen Vorschriften aus vorrangig zu berücksichtigenden anderen Einkünften zu berechnen ist.

Dass die mit der „Anlehnung an § 249 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch“ beabsichtigte Regelung mit der zum 1. Januar 2015 erfolgten Änderung des § 249 Abs. 1 SGB V durch Art. 1 Nr. 23 Buchst. a des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 21. Juli 2014 (BGBl. I S. 1133, vgl. dazu BR-Drs. 151/14, S. 49) obsolet geworden ist, rechtfertigt keine andere Auslegung. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt hat, ist es vielmehr als ein Redaktionsversehen zu bewerten, dass der Gesetzgeber § 27 Abs. 2 Satz 3 AbgG angepasst hat, als bereits eine Änderung der in Bezug genommenen Vorschrift absehbar war und sie auch danach nicht erneut geändert hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.

Die Revision ist gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der höchstrichterlich noch nicht entschiedenen Frage zuzulassen, ob der Zuschuss nach § 27 Abs. 2 Satz 3 AbgG auf die Hälfte des Krankenversicherungsbeitrags begrenzt ist, der auf die zur Beitragsbemessung herangezogenen Versorgungsbezüge entfällt.