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Agrarsubvention, Cross-Compliance, Verstoß, Kürzung, Strafverfahren, Doppelbestrafung, Vorrang des Unionsrechts


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg Der 3. Senat Entscheidungsdatum 02.04.2025
Aktenzeichen 3 N 12/25 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2025:0402.3N12.25.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen Art. 39 VO (EU) Nr. 640/2114 , Art. 97 VO (EU) Nr. 1306/2013, Art. 50 GrCh, Art. 103 Abs. 3 GG, § 86 Abs. 1 VwGO

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 12. Dezember 2024 wird abgelehnt.

Die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens trägt der Kläger.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 4.013,97 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

Unter Zugrundelegung des allein maßgeblichen Zulassungsvorbringens bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Mit dem Einwand, das Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt unzureichend gewürdigt, es übersehe, dass es sich bei der Höhe der von dem Beklagten nach Art. 39 Abs. 1 VO (EU) Nr. 640/2014 verfügten Kürzung nicht um eine streitige Tatsache, sondern um eine Rechtsfrage handele, die dem Amtsermittlungsgrundsatz unterliege, stellt der Kläger die angegriffene Entscheidung nicht schlüssig in Frage. Der Zulassungsantrag legt insoweit weder hinreichend substantiiert dar, welche andere (konkrete) Würdigung aus seiner Sicht geboten gewesen wäre, noch zeigt er auf, warum sich dem Verwaltungsgericht weitere Ermittlungen hätten aufdrängen müssen, nachdem der schon im erstinstanzlichen Verfahren anwaltlich vertretene Kläger keinen Beweisantrag gestellt hatte. Vor diesem Hintergrund kann sich der Zulassungsantrag auch nicht mit Erfolg auf einen Verfahrensfehler im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO berufen. Unabhängig davon werden Rechtsfragen – von einer solchen geht der Zulassungsantrag hier aus - grundsätzlich nicht von § 86 Abs. 1 VwGO erfasst, denn die Amtsermittlung bezieht sich allein auf die „Erforschung des Sachverhaltes“, d.h. auf die aus der Sicht des Gerichts entscheidungserheblichen Tatsachen (vgl. Schübel-Pfister, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl., § 86 Rn. 28; Panzer, in: Schoch/Schneider, VwGO, § 86 Rn. 20).

Die weitere Rüge, das Verwaltungsgericht habe die Kürzung in Höhe von 3% nicht daraufhin untersucht, ob sie angesichts der Umstände des Einzelfalles verhältnismäßig sei, führt ebenfalls nicht zur Zulassung der Berufung. Die erstinstanzliche Würdigung wird noch nicht dadurch schlüssig in Frage gestellt, dass der Zulassungsantrag – ohne weitere Substantiierung - eine Einzelfallbetrachtung nebst Abwägung fordert und einen pauschalen Hinweis auf die durch die Verordnung festgelegten Grenzen als nicht ausreichend ansieht. Abgesehen davon lässt sich dem erstinstanzlichen Urteil insoweit (im Ergebnis) entnehmen, dass aus der Sicht des Verwaltungsgerichts hier offensichtlich nichts vorliegt, was ein Abweichen von der in Art. 39 Abs. 1 VO (EU) Nr. 640/2014 normierten Regelkürzung nach oben oder nach unten rechtfertigt. Der Vortrag, dass der Kläger – wie der Zulassungsantrag geltend macht – die Kürzung prozessual durch die von ihm gewählte Klageart (insgesamt) in Frage gestellt habe, ersetzt nicht die erforderlichen Ausführungen dazu, welche besonderen Umstände entgegen dem angegriffenen Urteil ein Abweichen von dem Regelfall gebieten. Der Hinweis auf die wirtschaftliche Bedeutung der Subventionen für die Landwirtschaft reicht ebenso wenig aus wie Zitate aus anderen erstinstanzlichen Urteilen, die im Wesentlichen allgemeine Grundsätze ohne den hier maßgeblichen konkreten Bezug enthalten.

Soweit der Zulassungsantrag im Hinblick auf das gegen den Kläger geführte strafrechtliche Ermittlungsverfahren sowie das Verfahren nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz, die beide eingestellt worden seien, eine fehlerhafte, nicht den in Rechtsprechung und Literatur anerkannten Grundsätzen entsprechenden Auslegung und Anwendung von Art. 103 Abs. 3 GG durch das Verwaltungsgericht geltend macht, berücksichtigt er nicht hinreichend, dass sich das Verbot der Doppelbestrafung des Art. 103 Abs.3 GG – wie auch das Verwaltungsgericht festgestellt hat – allein auf eine Bestrafung „auf Grund der allgemeinen Strafgesetze“ bezieht. Hierzu gehören die unionsrechtlichen Verwaltungssanktionen in Gestalt einer Beihilfekürzung nach Art. 97 VO (EU) Nr. 1306/2013 nicht. Dies ist zu Recht in der bereits von dem Verwaltungsgericht zum Teil angeführten obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannt. Sanktionen bei Nichteinhaltung anderweitiger Verpflichtungen im Bereich der Gemeinsamen Agrarpolitik stellen ein spezielles Instrument der Verwaltung dar, das integraler Bestandteil des Systems der Agrarsubventionen ist und die Einhaltung dieser Verpflichtungen fördern soll, ohne dass den Sanktionen strafrechtlicher Charakter zukommt. So liegt es auch im Fall von Art. 97 Abs. 1 VO (EU) Nr. 1306/2013, wonach die Auszahlung der Agrarsubventionen von Verpflichtungen in den Bereichen Gesundheits-, Umwelt- und Tierschutz abhängt (sog. Cross-Compliance). Entscheidet sich der Landwirt, die Subventionen – aus freien Stücken – in Anspruch zu nehmen, so muss er bei nicht regelgerechtem Verhalten eine Kürzung dieser Beihilfen hinnehmen. So können die finanziellen Interessen der Union geschützt und die Ziele der gemeinsamen Agrarpolitik verwirklicht werden (vgl. VGH München, Beschluss vom 9. März 2021 – 6 ZB 21.94 – juris Rn. 25 ff.; OVG Münster, Beschluss vom 7. Juli 2022 – 12 A 290/20 – juris Rn. 19 ff.; OVG Magdeburg, Beschluss vom 28. November 2023 – 1 L 70/20 – juris Rn. 95). Entsprechendes ergibt sich auch aus der – von dem Verwaltungsgericht und den obergerichtlichen Entscheidungen - zitierten Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (vgl. z.B. EuGH, Urteil vom 11. Juli 2002 – C-210/00 – juris Rn. 35 ff.).

Der eigenständige, von einer strafrechtlichen Sanktionierung unabhängige Zweck der Kürzung ergibt sich ferner aus dem Erwägungsgrund 57 der VO (EU) Nr. 1306/2013. Danach sollten die Sanktionen bei einem Verstoß gegen die Cross-Compliance-Regelung „sonstige Sanktionen unberührt lassen, die im Rahmen sonstigen Unions- oder nationalen Rechts vorgesehen sind“. Nach alledem zeigt der Zulassungsantrag auch nicht hinreichend substantiiert auf, warum die Anwendung von Art. 97 VO (EU) Nr. 1306/2013 hier gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen könnte.

Soweit sich das Rechtsmittel auf verfassungsgerichtliche Rechtsprechung beruft (BVerfG, Beschluss vom 2. Mai 1967 – 2 BvR 391/64 – juris = NJW 1967, 1651), kann der Kläger daraus nichts zu seinen Gunsten ableiten. Das Bundesverfassungsgericht stellt dort zum einen klar, dass Art. 103 Abs. 3 GG unter den allgemeinen Strafgesetzen (nur) die Kriminalstrafgesetze und nicht z.B. die herkömmlichen Disziplinargesetze versteht (juris Rn. 17). Auch wenn danach ungeachtet dessen die Verhängung eines Arrests im (Wehr-)Disziplinarwesen, der keine Kriminalstrafe darstellt, jedenfalls im Hinblick auf das Rechtsstaatsgebot dazu führen muss, dass er bei einer strafgerichtlichen Verurteilung wegen derselben Tat bei der Bemessung zu berücksichtigen ist, lässt sich dieser Sachverhalt – auch aus den dargelegten Gründen - nicht mit der hier verfügten Kürzung der dem Kläger gewährten Agrarsubvention vergleichen.

Schließlich legt der Zulassungsantrag nicht mit Erfolg dar, dass die Rechtsprechung des EuGH zu Art. 50 GRCh zu einem anderen Ergebnis führen müsste. Insoweit fehlt es bereits an einer hinreichend substantiierten Auseinandersetzung mit der ausführlichen Würdigung der angegriffenen Entscheidung, die sowohl die Rechtsprechung des EuGH als auch obergerichtliche Rechtsprechung einbezieht und auswertet. Im Übrigen handelt es sich – wie oben und in dem erstinstanzlichen Urteil im Einzelnen dargelegt - bei der Kürzung gemäß Art. 97 VO (EU) Nr. 1306/2013 nicht um eine Sanktion im Sinne von Art. 50 GrCh.

Unabhängig von alledem könnte der Kläger selbst bei unterstellter Identität oder Vergleichbarkeit der Beihilfekürzung mit daneben ergriffenen nationalen Maßnahmen aus dem Bereich des Strafrechts oder des Rechts der Ordnungswidrigkeiten allenfalls geltend machen, dass (nur) die für Letztere zuständigen nationalen Behörden oder Gerichte ihm gegenüber neben der unionsrechtlichen Beihilfekürzung keine (weiteren) Maßnahmen verhängen dürfen, die auf nationalem Recht beruhen. Art. 97 VO (EU) Nr. 1306/2013 stellt eine unmittelbar geltende unionsrechtliche Maßnahme dar, deren Anwendbarkeit nationalen Sanktionen vorginge, soweit diese nach Art. 103 Abs. 3 GG oder nach Art. 50 GrCh nicht zusätzlich verhängt werden dürften (zum Anwendungsvorrang des Unionsrechts vgl. Schmidt-Aßmann/Schenk, in: Schoch/Schneider, VwGO, Einleitung, Rn. 110 ff.). Dementsprechend erfolgte z.B. eine Vorlage an den EuGH zur Klärung der Frage, ob der unionsrechtliche Ausschluss oder die Kürzung einer landwirtschaftlichen Beihilfe einer nationalen strafrechtlichen Regelung entgegensteht, in dem hierzu anhängigen Strafverfahren (vgl. EuGH, Urteil vom 5. Juni 2012 – C-489/10 – juris Rn. 2).

Schließlich legt der Zulassungsantrag nicht mit Erfolg dar, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat. Er zeigt nicht auf, dass die von ihm aufgeworfene Frage, „ob es sich bei den verwaltungsrechtlichen Sanktionen gemäß Art. 91 Abs. 1 VO (EU) Nr. 1306/2013 um eine mit dem Strafrecht vergleichbare Maßnahme handelt, die eine sanktionierende Wirkung hat, hilfsweise, ob die Maßnahme in kumulativer Betrachtung das Maß des Doppelbestrafungsverbots erreicht,“ der Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf. Insoweit setzt er sich weder hinreichend mit der – auch von dem Verwaltungsgericht zitierten – obergerichtlichen Rechtsprechung noch mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu Sanktionen im System der Agrarbeihilfen auseinander. Unabhängig davon bedarf die Frage – wie ausgeführt – keiner Klärung, denn sie lässt sich ohne Weiteres anhand der vorhandenen Rechtsprechung beantworten. Schließlich ist die Frage auch nicht entscheidungserheblich, weil – wie dargelegt – bei unterstellter „Doppelbestrafung“ die unionsrechtliche Kürzungsvorschrift Vorrang vor vergleichbaren nationalen Sanktionen hätte.

Die weitere Frage, „ob eine Pauschalierung der Sanktionen auf 3% ohne Rücksicht auf den Einzelfall zulässig ist“, ist keiner grundsätzlichen Klärung zugänglich, weil die konkrete Höhe der Sanktion [dem Verwaltungsgericht zufolge nach Art. 39 Abs. 1 VO (EU) Nr. 640/2014] von den jeweiligen Umständen abhängt. Abgesehen davon ist die Frage aus der insoweit allein maßgeblichen Sicht des angegriffenen Urteils nicht entscheidungserheblich, weil es von dem in Art. 39 Abs. 1 Satz 2 VO (EU) Nr. 640/2014 normierten Regelfall der Kürzung auf 3% ausgegangen ist. Dass hier Umstände vorliegen, die ein Abweichen von diesem Regelfall gebieten, ergibt sich weder aus dem angegriffenen Urteil noch zeigt der Zulassungsantrag – wie ausgeführt – dies hinreichend auf.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).