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Entscheidung 10 U 37/24


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 10. Zivilsenat Entscheidungsdatum 20.02.2025
Aktenzeichen 10 U 37/24 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2025:0220.10U37.24.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 28. Februar 2024, Az. 4 O 581/21, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Cottbus ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.203,53 € festgesetzt.

Gründe

I.

Von der Darstellung tatsächlicher Feststellungen wird im Hinblick auf die Beschwer in Höhe von 4.203,53 € gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

II.

Die Berufung des Klägers bleibt ohne Erfolg. Sie ist zulässig, insbesondere frist- und formgerecht eingelegt worden, in der Sache aber unbegründet.

Die Berufung ist in Höhe von 1.375,24 € bereits deshalb unbegründet, weil der Kläger verkannt hat, dass ihm das Landgericht von seinem erstinstanzlich begehrten Betrag in Höhe von 11.211,62 € eine Summe in Höhe von insgesamt 4.203,43 € zugesprochen und den auf die Rechnung Nr. 5… entfallenden Betrag in Höhe von 4.180,00 € abgewiesen hat. Insoweit das Landgericht im Tenor von einem Betrag in Höhe von 4.203,53 € ausgegangen ist, beruht dies ersichtlich auf einem Versehen. Zur Begründung führte das Landgericht aus, dass die Rechnung Nr. 5… ach dem unbestrittenen Beklagtenvortrag Leistungen enthalte, die nicht die hiesige Beklagte betreffen. Dies hat der Kläger mit seiner Berufung nicht angegriffen. Wenn der Kläger mit seiner Klage aber einen Betrag in Höhe von 11.211,62 € geltend gemacht hat, ihm 4.203,43 € zuerkannt und ihm - unangegriffen - 4.180,00 € aberkannt wurden, verbleibt lediglich noch ein Betrag in Höhe von 2.828,19 € (und nicht wie beantragt 4.203,43 €), den er überhaupt mit seiner in der Berufung geführten Argumentation zu rechtfertigen vermag.

Aber auch die 2.828,19 € sind dem Kläger mit den Gründen des Landgerichts nicht zuzusprechen.

Zwar kann sich ein Anspruch des Klägers auf Zahlung seines restlichen Werklohns in Form der geschuldeten Umsatzsteuer grundsätzlich aufgrund ergänzender Auslegung des zwischen ihm und der Beklagten geschlossenen Bauvertrags gemäß §§ 133, 157 BGB ergeben.

Der BGH hat bereits mehrfach entschieden (vgl. BGH NJW-RR 2020, 1144; NJW 2019; NJW 2018, 2469; NJW 2022, 947 Rn. 23, 24; NJW 2022, 947; zuletzt BGH, Urteil vom 25. Juli 2024 – VII ZR 646/21), dass einem Bauunternehmer bei einem vor dem Erlass des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22. August 2013 (BFHE 243, 20 = DStR 2013, 2560) abgeschlossenen Bauvertrag mit einem Bauträger aufgrund ergänzender Vertragsauslegung ein Anspruch auf Zahlung von Restwerklohn in Höhe des Umsatzsteuerbetrags gegen seinen Vertragspartner zusteht, wenn (1.) beide Vertragsparteien übereinstimmend von der Steuerschuldnerschaft des Bauträgers gemäß § 13 b UStG ausgegangen sind, (2.) der Bauträger die auf die erbrachten Leistungen des Bauunternehmers entfallende Umsatzsteuer an das Finanzamt abgeführt hat und (3.) wegen eines Erstattungsverlangens des Bauträgers für den Bauunternehmer die Gefahr entsteht, wegen der Heranziehung als Steuerschuldner gemäß § 27 Abs. 19 UStG die Umsatzsteuer abführen zu müssen.

Diese Voraussetzungen liegen hier im Hinblick auf den Betrag in Höhe von 2.828,19 € aber nur zum Teil vor.

1. Beide Parteien sind unstreitig davon ausgegangen, dass ursprünglich die Beklagte Steuerschuldnerin war, was sich nach dem Urteil des BFH im Jahre 2013 als unzutreffend herausstellte.

2. Die Beklagte hat hier Umsatzsteuer abgeführt und zwar durch tatsächliche Zahlung in Höhe von 4.203,43 € sowie durch Verrechnung mit der Vorsteuer, denn insoweit gilt steuerrechtlich die Umsatzsteuer auch durch Verrechnung mit der Vorsteuer als abgeführt (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juli 2024 – VII ZR 646/21, DStR 2024, 2393 Rn. 6, beck-online). Die Vorsteuerabzugsberechtigung der Beklagten und die teilweise Verrechnung mit der Vorsteuer hat der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung vom 16. Januar 2025 vor dem Senat bestätigt. Schließlich hätte für die Beklagte bei ordnungsgemäßer steuerrechtlicher Abwicklung des Bauvertrags auch keine Möglichkeit bestanden, die Leistungen des Klägers ohne umsatzsteuerrechtliche Belastung entgegenzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 14. Oktober 2021 – VII ZR 242/20, DStR 2022, 57 Rn. 34; BFH, Urteil vom 23. Februar 2017 – V R 16, 24/16, BStBl. II 2017, 760, BFHE 257, 177, DStR 2017, 777 mAnm Heuermann, Rn. 57; BGH, Urteil vom 25. Juli 2024 – VII ZR 646/21, DStR 2024, 2393 Rn. 31, beck-online).

3. Mit dem Landgericht ist allerdings davon auszugehen, dass der Kläger nicht hinreichend dargelegt hat, dass für ihn als Bauunternehmer wegen eines Erstattungsverlangens der Beklagten in Höhe von weiteren 2.828,19 € die Gefahr entstanden ist, wegen der Heranziehung als Steuerschuldner gemäß § 27 Abs. 19 UStG die Umsatzsteuer abführen zu müssen.

Dabei ist zunächst zu unterscheiden zwischen der grundsätzlichen Begründung der Gefahr der Inanspruchnahme (a) und der konkreten Gefahr der Inanspruchnahme als Steuerschuldner (b). Letztere hat der Kläger in Höhe von 2.828,19 € nicht hinreichend dargelegt (c).

a)    Zur grundsätzlichen Begründung der Gefahr der Inanspruchnahme als Steuerschuldner genügt es bereits, dass der Bauträger einen Erstattungsantrag gegenüber dem Finanzamt gestellt hat (vgl. BGH, Urteil vom 14. Oktober 2021 - VII ZR 242/20, NJW 2022, 947 Rn. 23, 24, beck-online; BGH, Urteil vom 17. Mai 2018 – VII ZR 157/17, BGH NJW 2018, 2469 Rn. 24, beck-online). Sofern kein Erstattungsantrag gestellt ist, genügt für die Annahme einer solchen Gefahr auch, dass die Bauunternehmerin in Anspruch genommen wird, weil die Finanzverwaltung die Umsatzsteuer von der Beklagten nicht erhalten hat und § 27 Abs. 19 UStG deshalb entsprechend anwendet (vgl. BGH, Urteil vom 10. Januar 2019 – VII ZR 6/18, NZBau 2019, 242 Rn. 25, 26, beck-online). Realisiert hat sich die Gefahr, wenn das Finanzamt die Bauunternehmerin zur Erstellung einer korrigierten Rechnung veranlasst hat (vgl. BGH, Urteil vom 10. Januar 2019 – VII ZR 6/18, NZBau 2019, 242, beck-online) oder einen Zahlungsbetrag festgesetzt hat.

Hier hat sich die Gefahr bereits realisiert. Das Finanzamt hat den Kläger unstreitig mit Schreiben vom 10. November 2014 zur korrigierten Rechnungserteilung aufgefordert. Das Finanzamt hat mit - bestrittenem - Bescheid vom 21. August 2015 die Steuerschuld gegenüber dem Kläger auch festgesetzt.

b)    Gleichwohl bestimmt die Festsetzung der Steuerschuld durch das Finanzamt für den Kläger nicht das Ausmaß der konkreten Gefahr seiner Inanspruchnahme als Steuerschuldner. Ebenso wenig ist dazu auf die gesetzliche Umsatzsteuerschuld des Klägers basierend auf seinen erbrachten Leistungen abzustellen. Es kommt vielmehr entscheidend auf den Umfang der vom Bauträger gegenüber dem Finanzamt gestellten Erstattungsanträge an.

Zwar ist dem Kläger insoweit Recht zu geben, dass es hier um eine Steuerschuldnerschaft geht, die aufgrund einer bestimmten und hier unstreitigen Leistung des Werkunternehmers zu berechnen ist. Diese ist nach der gesetzlichen Regelung einheitlich auf Grundlage der erbrachten Leistungen zu bemessen, wobei eine etwaige Vorsteuerabzugsberechtigung der Beklagten beim Entstehen der Steuerschuld und dementsprechend beim Ausweis der zu zahlenden Umsatzsteuer in den Rechnungen des Klägers nicht berücksichtigt wird. Beachtlich ist dabei jedoch, dass die Steuerschuld nicht erst durch die (korrigierte) Rechnungsstellung des Klägers entstanden ist. Die Steuerschuld entsteht vielmehr nach § 13 Abs. 1 UStG mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind (wenn der Werkunternehmer Steuerschuldner ist) bzw. nach § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG spätestens mit Ablauf des der Ausführung der Leistung folgenden Kalendermonats (wenn der Besteller Steuerschuldner ist). Folglich ist die hier maßgebende Steuerschuld im Grundsatz bereits nach Ausführung der klägerischen Leistungen im Jahre 2009/2010 entstanden - und zwar aufgrund der vertraglichen Regelung der Parteien und der früheren Ansicht der Finanzbehörden zunächst bei der Beklagten als Bauträgerin.

Diese infolge der BFH-Rechtsprechung aber zu Unrecht angenommene Steuerschuldnerschaft der Beklagten ist nach § 27 Abs. 19 UStG zu berichtigen, soweit sie als Leistungsempfängerin die Erstattung der Steuer fordert, die sie in der Annahme entrichtet hatte, Steuerschuldnerin zu sein. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 27 Abs. 19 UStG („soweit“) hat es der Gesetzgeber also dem Bauträger überlassen, in welcher Höhe er die Erstattung seitens des Finanzamts beansprucht und damit letztlich, in welcher Höhe das Finanzamt die Steuer gegenüber dem Werkunternehmer festsetzen darf. Dies erscheint auch interessengerecht, insbesondere wenn der Bauträger aus etwaigen steuerrechtlichen Gründen die Rückerstattung eines Teils der abgeführten Umsatzsteuer nicht beantragt und diesen Teil beim Finanzamt belässt, um ihn zu einem späteren Zeitpunkt nicht abermals abführen zu müssen. Zudem wird mit § 27 Abs. 19 UStG ein Mechanismus vorgesehen (Abtretung), der bewirken soll, dass diese Bauträger die gemäß § 13b UStG erklärte Umsatzsteuer zwar tatsächlich rückgängig machen können, dafür aber der Werkunternehmer zur Abführung der Umsatzsteuer verpflichtet ist. Die Belastung des Werkunternehmers soll wiederum vermieden werden, indem er die Umsatzsteuer zivilrechtlich vom Bauträger nachfordert und seinen zivilrechtlichen Anspruch zur Begleichung seiner Steuerschuld an sein Finanzamt abtritt (vgl. Bunjes/Robisch, 23. Aufl. 2024, UStG § 27, beck-online). Das Finanzamt könnte wiederum mit diesem abgetretenen Anspruch des Werkunternehmers gegen den Erstattungsanspruch des Bauträgers aufrechnen. Dieses – vom Gesetzgeber wohl vorgesehene, aber in der praktischen Umsetzung problembehaftete – „Nullsummenspiel“ (vgl. Sölch/Ringleb/Heuermann, 102. EL Oktober 2024, UStG § 27 Rn. 59, beck-online) würde durchbrochen, wenn der Bauträger unabhängig vom tatsächlichen Umfang der beantragten Erstattung stets der vollen gesetzlichen Umsatzsteuerschuld des Werkunternehmers ausgesetzt wäre. Nicht zuletzt spricht für eine restriktive Anwendung auch der Umstand, dass der § 27 Abs. 19 UStG die Durchbrechung des grundsätzlich geltenden Vertrauensschutzes des Steuerpflichtigen (§ 176 AO) darstellt.

Es ist deshalb für den Umfang der begründeten Gefahr der Inanspruchnahme des Klägers allein auf den Umfang des konkret gestellten Erstattungsantrags der Beklagten abzustellen.

c)    Der für seinen Anspruch darlegungs- und beweislaste Kläger vermochte nicht hinreichend darzulegen, dass die Beklagte beim Finanzamt die Rückerstattung eines weiteren Betrages in Höhe von 2.828,19 € beantragt hat. Die Beklagte hat ihre Zahlbeträge und die mit der Vorsteuer verrechneten Summen unter Vorlage einer dezidierten Aufstellung (Anlage B 13, Bl. 275 LG) erläutert und vorgetragen, insgesamt 4.203,43 € als Rückerstattung beantragt zu haben. Dies entspricht im Wesentlichen auch der Summe in Höhe von 4.206,84 €, die das Finanzamt in einem an die Beklagte gerichteten Auskunftsersuchen als deren Rückforderungsbetrag benannt hat (vgl. Schreiben des Finanzamts vom 16. Dezember 2020 und die diesem beigefügte „Verbindliche Erklärung“, Bl. 46 LG). Das Vorbingen der Beklagten ist auch nicht widersprüchlich, wie der Kläger meint. In der Klageerwiderung vom 27. April 2022 (S. 2, Bl. 70 LG) führte die Beklagte vielmehr aus, dass sie die von ihr zu Unrecht verlangte und „gezahlte“ Umsatzsteuer zur Rückzahlung beantragt habe. Dies beinhaltet mithin keine Aussage über die im Wege der Vorsteuer verrechnete Umsatzsteuer. Die Erklärung der Beklagten dazu, warum sie keine Erstattung der als Vorsteuer abgeführten Beträge beantragt habe, ist ebenfalls im Grundsatz nachvollziehbar, denn wenn sie für die Errichtung von zu eigenen Zwecken genutzten Eigentumswohnungen kein Bauträger, sondern Leistungsempfänger i.S.d. § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG war, bleibt sie Steuerschuldnerin. Eine Verlagerung gemäß § 27 Abs. 19 UStG und damit die Beantragung der Rückerstattung wären obsolet.

Demgegenüber hat der Kläger den Vortrag der Beklagten lediglich bestritten, ohne greifbare Anhaltspunkte aufzuzeigen, die den Beklagtenvortrag in Zweifel zu ziehen vermögen, obwohl ihm dies möglich gewesen wäre. Der Kläger hätte das an ihn gerichtete Schreiben des Finanzamtes vom 10. November 2014, mit dem das Finanzamt ihn über die Erstattungsanträge der Beklagten informiert und den Kläger zur Berichtigung der Jahressteuererklärungen aufgefordert hat, sowie den (bestrittenen) Steuerbescheid vom 21. August 2015 zur Akte reichen können. Auch wenn die Dokumente des Finanzamts grundsätzlich nichts über die Höhe des klägerischen Anspruchs aussagen, wären sie womöglich dennoch geeignet gewesen, etwaige Diskrepanzen zwischen der Steuerfestsetzung gegenüber dem Kläger und dem Beklagtenvortrag aufzuzeigen. Dahingehende Schriftstücke oder sonstige Anhaltspunkte hat der Kläger aber nicht vorgebracht, auch nicht nachdem sowohl das Landgericht in seiner mündlichen Verhandlung als auch in seinem Urteil sowie der Senat in der mündlichen Verhandlung vom 16. Januar 2025 die Substantiierungslast des Klägers umfassend erörtert hat. Dies geht zu seinen Lasten.

4.    Darüber hinaus steht dem Kläger ein Anspruch auf Zahlung weiterer 2.828,19 € auch deshalb nicht zu, weil seine Forderung verjährt ist.

Die Verjährung des Anspruchs beginnt hier gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Erstattungsantrag gestellt ist und der Bauunternehmer davon Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste (vgl. BGH, NJW 2018, 2469, beck-online). Die Erstattungsanträge sind von der Beklagten am 12. Februar 2014 gestellt worden, worüber das Finanzamt den Kläger mit Schreiben vom 10. November 2014 in Kenntnis gesetzt hat. Die Verjährung begann infolge dessen am 31. Dezember 2014 zu laufen und endete grundsätzlich am 31. Dezember 2017.

Der Lauf der Verjährungsfrist ist jedoch bis jedenfalls Ende Oktober 2021 gehemmt worden. Mit dem Landgericht ist davon auszugehen, dass die Vereinbarung vom 23. April 2015 ein sog. Stillhalteabkommen darstellt (vgl. BGH NJW 1983, 2496 (2497); BeckOK BGB/Henrich, 72. Ed. 1.11.2024, BGB § 205 Rn. 3, beck-online), welches zur Hemmung der Verjährung nach § 205 BGB geführt hat. Da der Zeitraum der Verjährungshemmung nicht in die Verjährung eingerechnet wird (§ 209 BGB), verlängerte sich die Verjährungsfrist vom 23. April 2015 bis zur Rechtskraft des Musterprozesses am 12. Dezember 2018 um 1330 Tage - mithin bis zum 22. August 2021. Hinzuzurechnen ist zudem eine weitere verjährungsgehemmte Zeit von zwei Monaten nach § 203 BGB, in der die Verhandlungen zu der Vereinbarung vom 23. April 2015 geführt wurden, u.a. bei einem Treffen am 19. Februar 2015 und in den weiteren zur Akte gereichten Schreiben.

Da die Verjährungsfrist infolge dessen bereits Ende Oktober 2021 abgelaufen war, konnte die erst am 30. Dezember 2021 bei Gericht eingegangene und demnächst i.S.v. § 167 ZPO zugestellte Klage die Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht mehr hemmen.

Selbst wenn die Vereinbarung vom 23. April 2015 mit dem Landgericht als ein Anerkenntnis der Forderung der Parteien verstanden würde und die Verjährung nach § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB mit Eintritt der Bedingung (Rechtskraft des Musterprozesses) am 12. Dezember 2018 neu begonnen und dementsprechend am 12. Dezember 2021 bzw. aufgrund fortwährender Verhandlungen spätestens am 31. Dezember 2021 geendet hätte, wäre die am 30. Dezember 2021 eingereichte Klage nicht geeignet gewesen, die Verjährung zu hemmen. Ihr fehlte die zur Verjährungshemmung nach § 253 Abs. 2 ZPO notwendige Bestimmtheit. Wird in der Klageschrift der Streitgegenstand entgegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht eindeutig und unmissverständlich identifiziert, so hemmt die Klageerhebung mangels Individualisierung des Klagebegehrens die Verjährung nicht nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 ZPO (vgl. BGH NJW 2001, 305 (307); NJW 2016, 2747 Rn. 18; NJW-RR 2013, 992 Rn. 14 f.; NJW 2023, 1888 Rn. 17, beck-online).

Für die bestimmte Angabe von Gegenstand und Grund des Anspruchs in der Klageschrift nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist es erforderlich, aber im Allgemeinen auch ausreichend, dass der Anspruch als solcher identifizierbar ist, indem er durch seine Kennzeichnung von anderen Ansprüchen so unterschieden und abgegrenzt werden kann, dass er Grundlage eines der materiellen Rechtskraft fähigen Vollstreckungstitels sein kann (vgl. BGH NJW 2016, 2747 Rn. 19; NJW-RR 2017, 380 Rn. 12; NJW 2020, 3102 Rn. 22; NJW 2023, 1888 Rn. 17, beck-online). Diesen Anforderungen genügte der Inhalt der Klageschrift vom 30. Dezember 2021 nicht. Der Kläger hat die Verurteilung der Beklagten zu 1), 2), 3) und 4) zur Zahlung eines Betrages in Höhe von insgesamt 146.776,24 € begehrt, ohne den dieser Gesamtforderung zugrunde liegenden Sachverhalt im Einzelnen darzulegen oder gar zu differenzieren, welche konkrete Forderung gegen welche Beklagtenpartei bestanden haben soll. Sein Vortrag erschöpfte sich lediglich darin, dass die Beklagten den Kläger im Rahmen verschiedener Bauprojekte vertraglich gebunden haben (vgl. Klageschrift S. 4, Bl. 4 LG).

Die für die Verjährungshemmung erforderliche Bestimmtheit erlangte die Klageforderung schließlich erst nach gerichtlichem Hinweis mit Schriftsatz vom 24. November 2022, mit dem der Kläger die Forderungen gegen die jeweilige Beklagtenpartei konkret beziffert und entsprechende Rechnungen vorgelegt hat. Zu diesem Zeitpunkt war die Verjährungsfrist aber bereits abgelaufen. Eine über den 31. Dezember 2021 hinausgehende Hemmung der Verjährung vermag der Senat nicht zu erkennen. Sofern die Vereinbarung vom 23. April 2015 eine bis zum Ende des Musterprozesses am 12. Dezember 2018 fortwährende Verhandlung über den Anspruch i.S.d. § 203 BGB dargestellt hat, war dem Kläger eine über den 31. Dezember 2018 hinausgehende Prüfungsfrist im Hinblick auf sein weiteres Vorgehen nach der Berufungsrücknahme nicht einzuräumen. Schließlich ist durch die Berufungsrücknahme vom 12. Dezember 2018 das erstinstanzliche Urteil rechtskräftig geworden, das dem Kläger bereits seit 2016 bekannt war. Der ausgeurteilte Freistellungsanspruch betraf zudem den Kläger selbst als denjenigen, der den Musterprozess geführt hat. Darüber hinaus gab es bei näherer Betrachtung der Korrespondenz der Parteien im Anschluss an die Berufungsrücknahme auch keinen weiteren Schriftverkehr, aufgrund dessen der Kläger vom Andauern etwaiger Verhandlungen über den Anspruch ausgehen konnte. Es fehlte an einem für Verhandlungen i.S.d. § 203 BGB zweiseitigen kommunikativen Prozess, denn die Geltendmachung eines Anspruchs, das Angebot zu Verhandlungen oder gar Vorschläge zu einem konkreten Entgegenkommen sind noch keine Verhandlungen, wenn sie unerwidert bleiben. Ebenso schweben keine Verhandlungen, wenn der Schuldner auf die Erklärung des Gläubigers hin sofort und erkennbar eine Leistung ablehnt (vgl. BeckOGK/Meller-Hannich, 15.10.2024, BGB, § 203, Rn. 17, beck-online). Dies war hier der Fall. Der Kläger hat die Beklagte nach der Berufungsrücknahme erstmals wieder mit Schreiben vom 9. Mai 2019 zur Zahlung der streitgegenständlichen Forderung an das Finanzamt aufgefordert. Auf dieses Schreiben als auch auf das Forderungsschreiben des Klägers vom 26. September 2019 reagierte die Beklagte aber zunächst nicht, bis sie die wiederholte Forderung des Klägers vom 29. April 2020, die Abtretung an das Finanzamt anzuerkennen, mit Schreiben vom 15. Mai 2020 zurückwies. Danach folgte am 6. April 2021 nochmals eine Aufforderung des Klägers zur Anerkennung der Abtretung, welche die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 8. April 2021 unmittelbar ablehnte. Das daran anschließende Aufforderungsschreiben des Klägers vom 14. Mai 2021 blieb wiederum unbeantwortet. Allenfalls die nach Klageerhebung von Mai bis Juli 2022 geführten Vergleichsverhandlungen der Parteien sind als verjährungshemmend i.S.d. § 203 BGB anzusehen, vermögen aber an dem Umstand, dass die Verjährungsfrist im Zeitpunkt der hinreichenden Individualisierung des Klageanspruchs am 24. November 2022 bereits abgelaufen war, nichts zu ändern.

Da im Rahmen der Verjährungshemmung auch eine rückwirkende Heilung der Unbestimmtheit durch eine nachträgliche Individualisierung der Klageforderung nach Ablauf der Verjährungsfrist nicht in Betracht kommt (vgl. BGH NJW 2009, 56 Rn. 20; OLG Karlsruhe, Urteil vom 16. Dezember 2014 – 17 U 56/14, BeckRS 2015, 142 Rn. 28, beck-online), ist der Anspruch des Klägers verjährt.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Eine Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung aufweist, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 48 GKG iVm § 3 ZPO.