Gericht | FG Cottbus 16. Senat | Entscheidungsdatum | 12.03.2025 | |
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Aktenzeichen | 16 V 16040/25 | ECLI | ECLI:DE:FGBEBB:2025:0312.16V16040.25.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 69 Abs. 3 FGO |
Leitsätze:
Der Antrag wird als unzulässig verworfen.
Die Beschwerde zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
A.
Der Antragsteller begehrt mit seiner Antragsschrift vom 17.02.2025, eingegangen am 18.02.2025, Aussetzung der Vollziehung – AdV – des Bescheids vom 18.10.2022, wobei im Betreff seiner Antragsschrift „Grundsteuermessbetrag/Grundsteuerwert“ angegeben ist, im Text hingegen „mit Bescheid vom 18.10.2022 festgesetzten Grundsteuermessbetrages“.
Gegen den Grundsteuerwertbescheid vom 18.10.2022 (Grundsteuerwert 281.500 €) hat der Ast. am 02.11.2022 Einspruch eingelegt und beim FA AdV beantragt. Über den Einspruch ist noch nicht entschieden. Mit Bescheid vom 06.02.2025 lehnte das FA den Antrag auf AdV des Grundsteuerwertbescheids ab. Gegen den Grundsteuermessbescheid ebenfalls vom 18.10.2022 (Grundsteuermessbetrag 87,27 €) wurde weder Einspruch eingelegt noch wurde dessen AdV beim FA beantragt.
Der gerichtliche Antrag auf AdV wird gestützt auf Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Bewertungsvorschriften für die Grundsteuer, insbesondere eine Verletzung des Gleichheitssatzes. Wegen der Einzelheiten wird auf die Antragsschrift verwiesen.
Zum Aussetzungsinteresse ist ausgeführt:
„Die unbillige Härte ist vorliegend gegeben, weil mir durch die sofortige Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheides wirtschaftliche Nachteile drohen, die über die eigentliche Verwirklichung des Regelungsinhalts des Verwaltungsakts hinausgehen und von mir insbesondere die Duldung der Zwangsvollstreckung fordern.
Diese unbillige Härte ist gerade durch die Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheides verursacht und geht angesichts der Kausalität von Sofortvollzug und unbilliger Härte über bloße Billigkeitserwägungen weit hinaus. Die Aussetzung wegen unbilliger Härte ist auch deshalb geboten, weil Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte nicht auszuschließen sind. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts sind zu bejahen, wenn die im konkreten Streitfall einschlägige Rechtsnorm möglicherweise verfassungswidrig ist. Die Prüfung der möglichen Verfassungsmäßigkeit hat das Gericht unter Anwendung der Prüfungsmaßstäbe des Bundesverfassungsgerichts vorzunehmen. Vgl. Finanzgericht München, Beschluss vom 13.08.2018 —14 V 736/18 —, EFG 2018, 1608-1610. Die Vollziehung des Steuerbescheides vor einer Entscheidung der Finanzbehörde im Einspruchsverfahren bzw. des Finanzgerichts im Klageverfahren ist durch das öffentliche Interesse an dem Einzug der noch nicht bestandskräftig festgesetzten Steuern somit nicht gerechtfertigt. Die Aussetzung der Vollziehung ist wegen unbilliger Härte anzuordnen (§ 69 Absatz 2 Satz 2 Alternative 2 FGO). Es besteht Vollstreckungslage.“
Auf das Schreiben des Berichterstatters vom 27.02.2025, zugestellt am 03.03.2025, mit dem auf die Notwendigkeit eines besonderen Aussetzungsinteresses im Einzelnen hingewiesen wurde, hat der Ast. mit Faxschriftsatz vom 06.03.2025 lediglich ausgeführt, dass seine Zweifel an der Verfassungsgemäßheit fortbestünden. Wegen der Einzelheiten wird auf diesen Schriftsatz Bezug genommen.
Der Antragsgegner, das Finanzamt – FA –, beantragt, den Antrag, verstanden als auf AdV des Grundsteuermessbescheids gerichtet, als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise den Antrag, verstanden als auf AdV des Grundsteuerwertbescheids gerichtet, als unbegründet zurückzuweisen mangels Aussetzungsinteresse.
B.
I.
Der Senat versteht den Antrag rechtsschutzgewährend dahin, dass AdV des Grundsteuerwertbescheids begehrt wird, nicht des Grundsteuermessbescheids. Denn Mängel im System der Bewertung des Grundbesitzes für die Grundsteuer können nur mit einem Rechtsbehelf gegen den Grundsteuerwertbescheid und nicht im Rechtsbehelfsverfahren gegen den Grundsteuermessbescheid geltend gemacht werden (vgl. Bundesfinanzhof – BFH –, Beschluss vom 15.04.2014 II B 71/13, BFH/NV 2015, 7, Juris, zwar zum Verhältnis von Einheitswertbescheid und Grundsteuermessbescheid nach der früheren Rechtslage, jedoch ist der Einheitswertbescheid durch den Grundsteuerwertbescheid nach neuem Recht ersetzt worden, so Ratschow in Klein, AO, 16. Aufl. 2022, § 180 Rn. 4, so dass die Erwägungen im Beschluss des BFH insoweit entsprechend gelten).
II.
Der so verstandene Antrag auf AdV des Grundsteuerwertbescheids ist unzulässig, da der Antragsteller das für eine AdV wegen Verfassungswidrigkeit notwendige besondere Aussetzungsinteresse schon nicht schlüssig dargetan hat.
1.
Der für die Grundstücksbewertung im BFH zuständige dortige 2. Senat hat bereits mit Beschluss vom 15.04.2014 II B 71/13, BFH/NV 2015, 7, Juris, ausgeführt, dass die Gewährung von AdV voraussetzt, dass nach den Umständen des Einzelfalles ein besonderes berechtigtes Interesse des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes besteht.
Zwar haben andere Senate des BFH nachfolgend zur Frage der Notwendigkeit eines besonderen Aussetzungsinteresses eine andere Auffassung vertreten. Der beschließende Senat folgt jedoch der zuletzt insbesondere vom FG Münster, Beschluss vom 29.10.2024 3 V 1270/24, EFG 2015, 156, Juris, ausführlich dargelegten Ansicht, wonach ein solches besonderes Aussetzungsinteresse bei einem Antrag auf AdV betreffend einer Grundsteuerwertfeststellung wegen geltend gemachter Verfassungswidrigkeit der Grundsteuerwertermittlung erforderlich ist.
Der BFH hat in Fällen, in denen die ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes auf verfassungsrechtlichen Zweifeln an der Gültigkeit einer dem Verwaltungsakt zugrunde liegenden Norm beruhen, in verschiedenen Fallgruppen dem Aussetzungsinteresse des Steuerpflichtigen den Vorrang vor den öffentlichen Interessen eingeräumt, und zwar (1.) wenn dem Steuerpflichtigen durch den sofortigen Vollzug irreparable Nachteile drohen, (2.) wenn das zu versteuernde Einkommen abzüglich der darauf zu entrichtenden Einkommensteuer unter dem sozialhilferechtlich garantierten Existenzminimum liegt, (3.) wenn das BVerfG eine ähnliche Vorschrift für nichtig erklärt hatte, (4.) wenn der BFH die vom Steuerpflichtigen als verfassungswidrig angesehene Vorschrift bereits dem BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit vorgelegt hatte, (5.) wenn ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Beschränkung des bisher zulässigen Abzugs von laufenden erwerbsbedingten Aufwendungen als Werbungskosten bestehen (6.) oder wenn es um das aus verfassungsrechtlichen Gründen schutzwürdige Vertrauen auf die Beibehaltung der bisherigen Rechtslage oder um ausgelaufenes Recht geht (BFH-Beschlüsse vom 18.01.2023, II B 53/22, BFH/NV 2023, 382 Rn. 10, Juris; und vom 01.04.2010, II B 168/09, BFHE 228, 149, BStBl II 2010, 558, Rn. 10).
2.
Keiner dieser Fälle ist vom Antragsteller auch nur ansatzweise dargetan worden.
a)
Es ergibt sich aus seinem insgesamt vage bleibenden Vortrag insbesondere nicht, welcher nicht wiedergutzumachende Schaden bei ihm eintreten würde, wenn er die Grundsteuer zunächst bezahlen würde und, falls das Bundesverfassungsgericht später die Verfassungswidrigkeit der Bewertungsvorschriften feststellen würde, diese zurückerstattet bekäme. Insbesondere hat der Antragsteller keine Angaben zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen und zur Höhe der aus dem verfahrensgegenständlichen Grundsteuerwertbescheid letztlich resultierenden Grundsteuer gemacht.
b)
Die anderen Fallgruppen liegen ersichtlich nicht vor.
III.
Der Senat weist zur Begründetheit des Antrages, wäre er denn zulässig, vorsorglich auf die beiden Urteile des 3. Senats des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 04.12.2024 (Aktenzeichen 3 K 3142/23 und 3 K 3170/22, in Juris veröffentlicht) hin. Nach diesen Urteilen bestehen keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung.
Dass der Grundsteuerwertbescheid den einfachgesetzlichen Vorschriften, insbesondere des Bewertungsgesetzes, nicht entspricht, hat der Antragsteller nicht vorgetragen.
IV.1.
Die Beschwerde wird gemäß § 128 Abs. 3 i. V. m. § 115 Abs. 2 FGO zugelassen, weil die Frage, ob bei einem Antrag auf AdV, der mit der Verfassungswidrigkeit der zugrunde liegenden Normen begründet wird, ein besonderes Aussetzungsinteresse erforderlich ist, derzeit nicht abschließend geklärt erscheint.
2.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten nach § 128 Abs. 1 FGO die Beschwerde zu.
Die Beschwerde ist beim Finanzgericht Berlin-Brandenburg schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des vollständigen Beschlusses einzulegen. Die Frist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der genannten zwei Wochen beim Bundesfinanzhof eingeht.
Bei der Einlegung und Begründung der Beschwerde muss sich jeder Beteiligte durch einen Steuerberater, einen Steuerbevollmächtigten, einen Rechtsanwalt, einen niedergelassenen europäischen Rechtsanwalt, einen Wirtschaftsprüfer oder einen vereidigten Buchprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen. Zur Vertretung berechtigt sind auch Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften sowie Partnerschaftsgesellschaften, die durch einen der in dem vorherigen Satz aufgeführten Berufsangehörigen tätig werden. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst oder durch entsprechend befähigte Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg hat die Postanschrift: Postfach 10 04 65, 03004 Cottbus, und die Hausanschrift: Von-Schön-Str. 10, 03050 Cottbus, sowie den Telefax-Anschluss: 0355/ 48644 1000; der Bundesfinanzhof hat die Postanschrift: Postfach 86 02 40, 81629 München, und die Hausanschrift: Ismaninger Str. 109, 81675 München, sowie den Telefax-Anschluss: 089/ 9231-201.
Die Beschwerde kann auch über den elektronischen Gerichtsbriefkasten des Bundesfinanzhofs oder des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg eingelegt werden. Die hierfür erforderliche Zugangs- und Übertragungssoftware kann über die Internetseite „www.egvp.de“ lizenzkostenfrei heruntergeladen werden. Hier finden Sie auch weitere Informationen über die Einzelheiten des Verfahrens.
Nach Maßgabe von § 52d FGO sind Rechtsanwälte, Behörden und die übrigen in dieser Vorschrift genannten Personen verpflichtet, vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument zu übermitteln.