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Entscheidung 1 OAus 1/25


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 1. Strafsenat Entscheidungsdatum 24.02.2025
Aktenzeichen 1 OAus 1/25 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2025:0224.1OAUS1.25.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Auslieferung des Verfolgten … Name (01) an die Ukraine zum Zwecke der Strafverfolgung wegen der im Beschluss des Z___ Bezirksgerichts der Stadt M___ vom 04. Dezember 2023 über die Auswahl der Vorbeugungsmaßnahme in Form der Verwahrung (Haftbefehl, Fall-Nr.: 487/8603/23, Verfahrens-Nr.: 1-ke 487/4871/23) bezeichneten strafbaren Handlungen wird für zulässig erklärt.

Die Fortdauer der Auslieferungshaft wird angeordnet.

Der Grundsatz der Spezialität ist zu beachten.

Gründe

I.

Mit einer Interpol-Fahndung (Red Notice) ersuchen die ukrainischen Behörden unter Bezugnahme auf den nationalen Haftbefehl des Bezirksgerichts von M___ vom 04. Dezember 2023 (Az.: 487/8603/23-1-ks/487/4871/23) um die Festnahme des Verfolgten … (Name 01) mit dem Ziel seiner Auslieferung zum Zweck der Strafverfolgung wegen des Vorwurfs der illegalen Inbesitznahme von Eigentum eines Unternehmens, einer Institution oder einer Organisation einschließlich der Anteile, Aktien und Wertpapiere ihrer Gründer, Anteilseigner, Aktionäre und Mitglieder durch Vornahme von Transaktionen unter Verwendung von gefälschten oder entwendeten Dokumenten, Siegeln und/oder Stempeln des Unternehmens, der Institution oder der Organisation, begangen durch einen Beamten, der sein Amt missbrauchte, wodurch ein beträchtlicher Schaden verursacht oder schwerwiegende Folgen herbeigeführt wurden (Teil 3 § 206 2 des ukrainischen Strafgesetzbuchs).

Nach der deutschen Übersetzung des nationalen Haftbefehls wird dem Verfolgten Folgendes vorgeworfen:

Im Herbst 2020, in Zeitraum zwischen Oktober 2020 bis zum 1. Dezember 2020, soll der Verfolgte mit seinen Mittätern … (Name 02), … (Name 03), … (Name 04) und … (Name 05) übereingekommen sein, in krimineller Absicht Unternehmensrechte sowie bewegliches und nicht bewegliches Eigentum der im Bezirk … (Ort 01) in der Ukraine ansässigen Produktionsgenossenschaft „… (Firma 01)“ zu erlangen. Dazu hätten die Mittäter entsprechende Beitrittsanträge erstellt und ein angebliches Protokoll einer Hauptversammlung vom 03. November 2020 gefälscht, aus dem insbesondere hervorgegangen sei, dass sie die notwendigen Beitrittsbeiträge entrichtet hätten und der Produktionsgenossenschaft beigetreten seien, ohne dass dies tatsächlich der Fall gewesen sei. Der Mittäter des Verfolgten … (Name 03) soll am 19. November 2020 dem Privatnotar … (Name 06) in … (Ort 01) das gefälschte Protokoll, welches unter anderem die Unterschrift des Verfolgten als angeblich gewähltem Sekretär der Hauptversammlung getragen habe, übergeben haben, woraufhin der Notar im guten Glauben die Echtheit der Unterschriften bestätigt habe. Am 25. November 2020 soll der Verfolgte gemäß dem Tatplan in Absprache mit seinen Mittätern der Abteilung für staatliche Registrierung von juristischen Personen und Einzelunternehmen des Stadtrats von … (Ort 01) das notariell beglaubigte Protokoll der Hauptversammlung der Produktionsgenossenschaft zur Registrierung vorgelegt haben. Am 26. November 2020 habe der staatliche Kanzler des Stadtrates von … (Ort 01) auf der Grundlage des Protokolls, aus dem sich neben einer Kapitalerhöhung von 496.480 UAH auf 4.679.480 UAH ergeben habe, dass der Mittäter des Verfolgten … (Name 03) nunmehr einen Stimmrechtsanteil von 90,45 % halte, dass als weitere Gründer der Verfolgte und die Mittäter hinzugetreten seien und, dass der Verfolgte ab dem 18. November 2020 zum Manager ernannt worden sei, die Eintragungen im Register entsprechend geändert. Dem gemeinsamen Tatplan entsprechend soll der Verfolgte dann als angeblicher „Direktor“ am 01. Dezember 2020 gegen 7:00 Uhr mit seinen Mittätern … (Name 04), … (Name 03) und … (Name 02) das Gelände der Produktionsgenossenschaft in …(Ort 02), … (Straße 01) in der Region … (Ort 01), betreten haben. Dabei sollen sie die Sicherheitskräfte und Mitarbeiter der Produktionsgenossenschaft über den Eigentümer- und Leitungswechsel informiert haben und widerrechtlich zahlreiche Fahrzeuge wie Lastwagen, Anhänger, Kipper, Lieferwagen, Mobilkräne, Tankwagen, Mobilbagger, eine Limousine und ein Bohrgerät im Gesamtwert von UAH 3.150.085 in Besitz genommen haben.

Infolge der Interpol-Fahndungsausschreibung wurde der Verfolgte am 26. Dezember 2024 anlässlich einer Grenzkontrolle im Zug nach … (Ort 03 - Stadt) in … (Ort 04) vorläufig festgenommen. Am 27. Dezember 2024 wurde er durch die Ermittlungsrichterin des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) im Beisein seines Beistands und eines Dolmetschers für die ukrainische Sprache vernommen. Dabei hat er sich zu den Tatvorwürfen nicht eingelassen; zu seinen persönlichen Verhältnissen hat er angegeben, bis zum 07. März 2023 mit seiner Ehefrau in … (Ort 05/ …) gelebt zu haben und seither „hin und her zu reisen“. Er habe zwei Kinder; sein festes Arbeitsverhältnis sei ihm gekündigt worden, er könne die Arbeitsstelle aber jederzeit wieder antreten. Mit seiner Auslieferung im vereinfachten Verfahren erklärte sich der Verfolgte im Rahmen seiner richterlichen Anhörung nicht einverstanden und verzichtete auch nicht auf die Beachtung des Grundsatzes der Spezialität.

Das Amtsgericht Frankfurt (Oder) erließ im Zuge der Anhörung am 27. Dezember 2024 eine Festhalteanordnung, der Senat unter dem 06. Januar 2025 einen vorläufigen Auslieferungshaftbefehl und nach Eingang der Auslieferungsunterlagen am 29. Januar 2025 einen unbeschränkten Auslieferungshaftbefehl. Der Verfolgte ist gegenwärtig in der Justizvollzugsanstalt … (X) inhaftiert.

Mit E-Mail vom 17. Januar 2025 übersandten die ukrainischen Behörden ergänzend zu ihrem Ersuchen die gemäß Art. 12 EuAlÜbk erforderlichen Unterlagen, insbesondere den nationalen Haftbefehl des Z___-Bezirksgerichts der Stadt M___ vom 04. Dezember 2023 sowie die Bescheinigung über die Beweise im vorliegenden Strafverfahren, den Hinweis auf den Verdacht einer Person, eine Straftat begangen zu haben, der nationalen Polizei der Ukraine, Ermittlungsabteilung der Hauptdirektion, vom 23. November 2023, die Entschließung zur Bekanntgabe der Fahndung nach dem Verdächtigen der nationalen Polizei der Ukraine, Ermittlungsabteilung der Hauptdirektion, vom 30. November 2023, die Bescheinigung über die Verjährungsfrist im vorliegenden Strafverfahren vom 30. Dezember 2024, die maßgeblichen Auszüge aus dem Strafgesetzbuch der Ukraine, die Urkunden zur Identitätsfeststellung des Verfolgten sowie die rechtlichen Vorschriften mit Angaben zur Verjährungsfrist.

Außerdem sicherten die ukrainischen Behörden zu, dass das Auslieferungsersuchen nicht auf eine Verfolgung aus politischen Gründen oder wegen Zugehörigkeit zu einer bestimmten Rasse, Religion oder Nationalität ziele, sowie, dass die den Verfolgten erwartenden Haftbedingungen den Bestimmungen der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten von 1950 und den Europäischen Strafvollzugsgrundätzen nach dem Anhang zur vom Ministerkomitee des Europarates am 11. Januar 2006 verabschiedeten Empfehlung entsprechen würden. Dem Verfolgten werde im Falle seiner Inhaftierung bei Bedarf eine angemessene ärztliche Hilfe gewährt, Amtspersonen der diplomatischen und konsularischen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland erhielten die Möglichkeit nicht überwachter Besuche. Der Verfolgte werde in einer der sicheren Justizvollzugsanstalten im Westen der Ukraine untergebracht werden. Zudem werde garantiert, dass die vorgerichtliche Untersuchung und die Gerichtsverhandlung an einem Ort durchgeführt würden, der von den Kriegsgebieten weit entfernt sei.

Zu dem von der Generalstaatsanwaltschaft der Ukraine übermittelten Auslieferungsersuchen ist der Verfolgte nochmals am 12. Februar 2025 gemäß § 28 IRG vor dem Amtsgericht Cottbus richterlich vernommen worden. Hierbei hat er sich mit seiner Auslieferung an die Ukraine im vereinfachten Verfahren weiterhin nicht einverstanden erklärt. Mithin bedarf es einer oberlandesgerichtlichen Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung. Ein Verzicht auf die Beachtung des Spezialitätsgrundsatzes erfolgte ebenfalls nicht. Der Verfolgte hat vorgebracht, die Tatvorwürfe träfen nicht zu. Mit dem Verfahren werde nur bezweckt, ihn als wehrpflichtigen Soldaten in der Ukraine einzuziehen. Er habe einen festen Wohnsitz in … (Ort 06) im Landkreis … (Ort 07), die genaue Adresse habe er sich „aber nicht fest eingeprägt“. Die deutsche Sprache beherrsche er nicht.

Mit Schreiben vom 13. Februar 2025, eingegangen beim Brandenburgischen Oberlandesgericht am 18. Februar 2025, hat die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg die Akten mit den Anträgen vorgelegt, die Auslieferung des Verfolgten … (Name 01) zum Zwecke der Strafverfolgung in die Ukraine für zulässig zu erklären und die Fortdauer der Auslieferungshaft anzuordnen. Dem Verfolgten wurde über seinen Rechtsbeistand rechtliches Gehör zu den vorgenannten Anträgen der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg gewährt.

II.

Auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft ist die Auslieferung des Verfolgten zur Strafverfolgung an die Ukraine für zulässig zu erklären und die Fortdauer der Untersuchungshaft anzuordnen.

1. Der Auslieferungsverkehr mit der Ukraine findet nach dem Europäischen Auslieferungsübereinkommen vom 13. Dezember 1957 (EuAlÜbk, BGBl. II 1964 S. 1369, 1371; II 1976 S. 1778; II 1998 S. 2749, 2750) in Verbindung mit dem Zweiten Zusatzprotokoll vom 17. März 1978 (BGBl. II 1990 S. 118, 119; II 1991, S. 874) und dem Dritten Zusatzprotokoll vom 10. November 2010 (BGBl. II 2014 S. 1062, 1063; II 2019, S. 2) statt, wobei die Auslieferungsersuchen zwischen dem Bundesamt für Justiz einerseits und dem Justizministerium oder der Generalstaatsanwaltschaft der Ukraine andererseits zu übermitteln sind (Anlage II Länderteil zur RiVASt).

2. Die Auslieferungsunterlagen wurden vorliegend auf dem vorgeschriebenen Geschäftsweg durch die ukrainischen Behörden übermittelt. Sie belegen schlüssig die gegen den Verfolgten erhobenen Tatvorwürfe. Zweifel an der Authentizität der vorgelegten Dokumente bestehen nicht.

3. Die dem Verfolgten vorgeworfene Tat soll in der Ukraine begangen worden sein und hat damit ausschließlich Auslandsbezug (Art. 7 EuAlÜbk).

4. Die Auslieferungsfähigkeit nach Art. 2 Abs. 1 S. 1 EuAlÜbk sowie nach §§ 3, 81 IRG ist angesichts der Androhung einer Freiheitsstrafe von fünf bis zu zehn Jahren nach dem einschlägigen Straftatbestand des Teils 3 § 206 2 des ukrainischen Strafgesetzbuchs und Erfüllung des Erfordernisses beiderseitiger Strafbarkeit der dem Verfolgten vorgeworfenen Tat gegeben. Die Tat wäre auch nach deutschem Recht jedenfalls als Betrug im besonders schweren Fall (§ 263 StGB), Urkundenfälschung (§ 267 StGB) und mittelbare Falschbeurkundung (§ 271 StGB) strafbar und im Höchstmaß mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr bedroht (Art. 2 Abs. 1 EuAlÜbk).

Anlass für die Durchführung einer vertraglich nicht vorgesehenen Tatverdachtsprüfung besteht nicht. Im Auslieferungsverfahren findet eine Prüfung des Tatverdachts gem. § 10 Abs. 2 IRG nur ausnahmsweise statt, wenn besondere Umstände hierzu Anlass geben. Solche Umstände sind hier nicht ersichtlich. Sie ergeben sich weder aus der vorliegenden Tatbeschreibung noch aus der pauschalen Behauptung des Verfolgten, er sei unschuldig.

5. Die dem Ersuchen zugrundeliegenden Taten sind nicht verjährt. Die Auslieferung wird nach Art. 10 EuAlÜbk nicht bewilligt, wenn nach den Rechtsvorschriften des ersuchenden oder des ersuchten Staates die Strafverfolgung oder Strafvollstreckung verjährt ist. Die Strafverfolgung ist weder nach deutschem noch nach ukrainischem Recht verjährt (Art. 10 EuAlÜbk). Ausweislich der Fahndungsausschreibung tritt Verjährung nach ukrainischem Recht frühestens am 01. Dezember 2035 ein.

6. Ferner handelt es sich bei den Taten, die Gegenstand des Haftbefehls sind, weder um politische noch um militärische Straftaten (Art. 3, 4 EuAlÜbk).

7. Der Zulässigkeit der Auslieferung steht auch kein Auslieferungshindernis nach § 73 IRG i.V.m. Art. 3 EMRK entgegen.

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts haben die deutschen Gerichte im Auslieferungsverfahren zu prüfen, ob die Auslieferung und die ihr zugrundeliegenden Akte mit dem nach Art. 25 GG in der Bundesrepublik Deutschland verbindlichen völkerrechtlichen Mindeststandard und mit den unabdingbaren verfassungsrechtlichen Grundsätzen ihrer öffentlichen Ordnung vereinbar sind (vgl. BVerfGE 63, 332; 75, 1; BVerfG, 1. Kammer des 2. Senats, Beschluss vom 8. April 2004, StV 2004, 440). Grenzen werden einer Auslieferung hiernach sowohl hinsichtlich der Ausgestaltung des Strafverfahrens als auch hinsichtlich des Vollstreckungsverfahrens gesetzt. Die deutschen Gerichte sind gehindert, an der Auslieferung eines Verfolgten mitzuwirken, dem im ersuchenden Staat eine grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung und Strafe droht (BVerfG, a.a.O.; OLG Köln, Beschluss vom 18. September 2014, AuslA 39/14-31, juris Rn. 22).

b) Eine solche Gefahr ist vorliegend zu verneinen.

aa) Mit dem an das Bundesamt der Justiz gerichtete Schreiben vom 17. Januar 2025 (BI. 168 ff., 172 R ff.) sichert die Generalstaatsanwaltschaft der Ukraine in Kiew zu, dass das Auslieferungsersuchen gegen den Verfolgten nicht aus politischen Gründen oder wegen seiner Rasse, Religion oder Nationalität erfolgt, der Verfolgte ausschließlich wegen der Straftat, die dem Haftbefehl und der Auslieferung zugrunde liegt, strafrechtlich verfolgt und auch nicht an einen dritten Staat ausgeliefert, ihm das Recht auf die gerechte Gerichtsverhandlung im Strafverfahren sowie auf Rechtsschutz und Hilfe eines Rechtsanwaltes gewährt werden wird.

bb) Des Weiteren hat der Generalstaatsanwalt der Ukraine in dem vorgenannten Schreiben zugesichert, dass eine etwaige Untersuchungshaft wie auch die Gerichtsverhandlung an einem Ort stattfinden wird, der sich „weit entfernt“ von den gegenwärtigen Kriegshandlungen „im Westen der Ukraine“ befindet. Dasselbe gelte für den Fall einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe, die der Verfolgte ebenfalls in einer Haftanstalt „weit entfernt“ von dem Kampfgebiet „im Westen der Ukraine“ verbüßen würde, wo die Haftbedingungen den internationalen Verpflichtungen der Ukraine im Bereich der Menschenrechte entsprechen. Für die mögliche Untersuchungshaft und für den Fall einer Verurteilung werde garantiert, dass die Haftbedingungen der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten von 1950 und den Europäischen Strafvollzugsgrundsätzen, die im Anhang zu der vom Ministerkomitee des Europarates am 11.01.2006 verabschiedeten Empfehlung N R (2006) 2 entsprechen. Der Verurteilte werde „keinem Umgang“ unterzogen, der seine physische oder psychische Integrität gefährden könnte; die Haftbedingungen würden weder unmenschlich noch erniedrigend sein. Die ärztliche Versorgung des Verfolgten in den Strafvollzugsanstalten sei sichergestellt.

Zudem garantiert der Generalstaatsanwalt der Ukraine, dass dem Verfolgten die Möglichkeit eingeräumt werden wird, sich jederzeit an Amtspersonen der diplomatischen bzw. konsularischen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in der Ukraine zu wenden. Den Mitarbeitern der Botschaft und Konsulate werde garantiert, den Verfolgten während einer Inhaftierung besuchen zu können, ohne dass das Treffen überwacht werde. Den Mitarbeitern der diplomatischen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in der Ukraine werde ermöglicht, bei den ukrainischen Staatsbehörden Auskunft über den Stand des Strafverfahrens zu erhalten und der gerichtlichen Verhandlung beizuwohnen; der deutschen Botschaft bzw. den Konsulaten werde zudem auf Anforderung die gegen den Verfolgten getroffene abschließende Entscheidung des Strafverfahrens mitgeteilt.

c) Nicht nur im Rechtshilfeverkehr unter Mitgliedstaaten der Europäischen Union, sondern auch im allgemeinen völkerrechtlichen Auslieferungsverkehr gilt der Grundsatz, dass dem ersuchenden Staat im Hinblick auf die Einhaltung der Grundsätze der Rechtshilfe in Strafsachen sowie des Völkerrechts Vertrauen entgegenzubringen ist. Auch im allgemeinen Auslieferungsverkehr hat der ersuchende Staat ein erhebliches Interesse an der Aufrechterhaltung und Funktionsfähigkeit der gegenseitigen Rechtshilfe. Von der Begehung von Rechtsverletzungen, die die zukünftige Funktionsfähigkeit des Auslieferungsverkehrs zwangsläufig beeinträchtigen würden, wird ein ersuchender Staat schon deshalb regelmäßig Abstand nehmen. Dieser Grundsatz gegenseitigen Vertrauens kann so lange Geltung beanspruchen, wie er nicht durch entgegenstehende Tatsachen erschüttert wird. Dies ist der Fall, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass im Fall einer Auslieferung die unabdingbaren verfassungsrechtlichen Grundsätze beziehungsweise das unabdingbare Maß an Grundrechtsschutz oder der verbindliche völkerrechtliche Mindeststandard gemäß Art. 25 GG nicht eingehalten werden, etwa, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine politische Verfolgung im Zielstaat droht oder im Zielstaat erhebliche systemische Defizite im Strafvollzug herrschen. Dafür müssen stichhaltige Gründe gegeben sein, nach denen gerade im konkreten Fall eine beachtliche Wahrscheinlichkeit besteht, dass in dem ersuchenden Staat die völkerrechtlichen Mindeststandards nicht beachtet werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind vom ersuchenden Staat im Auslieferungsverkehr gegebene völkerrechtlich verbindliche Zusicherungen geeignet, etwaige Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Auslieferung auszuräumen, sofern nicht im Einzelfall zu erwarten ist, dass die Zusicherung nicht eingehalten wird. Eine Zusicherung entbindet das über die Zulässigkeit einer Auslieferung befindende Gericht jedoch nicht von der Pflicht, eine eigene Gefahrenprognose anzustellen, etwa im Hinblick auf Anhaltspunkte für die Gefahr politischer Verfolgung im Zielstaat. Dabei muss das Gericht den auf die Gefahr politischer Verfolgung bezogenen Vortrag des Beschwerdeführers nachvollziehbar und willkürfrei würdigen (vgl. BVerfG, stattgebende Kammerbeschlüsse vom 04. Dezember 2019, 2 BvR 1832/19, juris Rn. 42 ff.; vom 22. November 2019, 2 BvR 517/19, juris Rn. 35 ff.; vom 30. Oktober 2019, 2 BvR 828/19, juris Rn. 42 ff.; vom 22. Oktober 2019, 2 BvR 1661/19, juris Rn. 48; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 13. Oktober 2020, Ausl 301 AR 37/20, juris Rn. 17 ff.).

d) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist vorliegend eine Gefahr, dass der ersuchende Staat die völkerrechtlichen Mindeststandards nicht einhalten werde, zu verneinen.

aa) Auch eine Gefahr, dass der Verfolgte im Fall seiner Auslieferung in der Ukraine unter grausamen, unmenschlichen oder erniedrigenden Bedingungen in Haft gehalten werden wird, besteht nicht.

Zwar ergibt sich aus dem Bericht des Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) vom 26. April 2024 über den Besuch ukrainischer Haftanstalten im Oktober 2023, dass trotz der Anstrengungen, die die ukrainischen Behörden zur Reduzierung der Anzahl der Häftlinge in den Gefängnissen unternommen haben, viele Untersuchungshäftlinge weiterhin für längere Zeit in überfüllten Zellen festgehalten würden. Der Besuch offenbarte weiterhin, dass das Phänomen der informellen Gefangenenhierarchie noch verbreitet sei. Indes habe die Delegation keine Beschwerden über Misshandlungen durch Gefängnismitarbeiter in jüngster Zeit erhalten. Allerdings stellte das Komitee fest, dass die meisten Haftanstalten in alten Gebäuden untergebracht seien, die seit langer Zeit keiner größeren Modernisierung unterzogen wurden. Als Resultat zeigten sich die Unterkünfte für die Gefangenen in einem schlechten Zustand (feuchte und bröckelnde Wände, beschädigte Böden, verrostete Sanitäranlagen, wanzenverseuchtes Bettzeug, eingeschränkter Zugang zu Tageslicht und Belüftung usw.). Für die erwachsenen Untersuchungshäftlinge seien kaum Möglichkeiten für Aktivitäten außerhalb der Zelle verfügbar.

bb) Mit Rundschreiben vom 18. Oktober 2024 hat das Bundesamt für Justiz jedoch darüber informiert, dass die Renovierungen der im Schreiben aufgeführten Haftanstalten inzwischen überwiegend abgeschlossen seien. Im Wege der Auslieferung überstellte Verfolgte würden in Haftanstalten untergebracht, die weit entfernt von Kampfhandlungen lägen. Das Auswärtige Amt sieht die von der Ukraine mitgeteilten Informationen und Zusicherungen als belastbar und Auslieferungen an die Ukraine grundsätzlich als bewilligungsfähig an. Das Bundesamt für Justiz hat sich dieser Bewertung angeschlossen.

Vor diesem Hintergrund ist die von Seiten der Ukraine mit Übersendung der Auslieferungsunterlagen abgegebene Zusicherung, dass der Verfolgte im Falle der Verhängung einer Freiheitsstrafe entsprechend den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention untergebracht werde, dass er keiner Behandlung unterzogen werde, die seine physische oder psychische Integrität gefährden könnte, und dass seine Haftbedingungen nicht unmenschlich bzw. erniedrigend sein werden, als belastbar anzusehen (vgl. dazu auch Senatsbeschluss vom 23. Dezember 2024, 1 OAus 40/24; OLG Brandenburg, 2. Strafsenat, Beschluss vom 14. August 2024, 2 OAus 29/24).

cc) Der Einwand des Verfolgten, das Verfahren werde nur unter dem Vorwand seiner Einziehung als Soldat betrieben, entbehrt einer konkreten Grundlage. Die Möglichkeit, dass der Verfolgte im Falle seiner Auslieferung zum Militärdienst eingezogen werden könnte, begründet kein Auslieferungshindernis.

III.

Bezüglich der Auslieferungshaft sind seit der letzten oberlandesgerichtlichen Entscheidung keine neuen Umstände hinzugetreten, die zu einer anderen Beurteilung der Haftfrage Anlass geben könnten. Es besteht weiterhin der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 15 Abs. 1 Ziff. 1 IRG).

Der Verfolgte hat im Fall seiner Auslieferung und Verurteilung mit der Verhängung einer mehrjährigen Freiheitsstrafe zur rechnen, dies bietet einen erheblichen Fluchtanreiz. Nach Darstellung der ukrainischen Behörden in dem nationalen Haftbefehl hat der Verfolgte sich dem Verfahren bislang durch Flucht entzogen. In Deutschland war er zuletzt ohne festen Wohnsitz, die Gültigkeit seiner Papiere war abgelaufen.

Die Behauptung des Verfolgten, er habe einen festen Wohnsitz in … (Ort 06), steht im Widerspruch zu seinen Angaben anlässlich seiner ersten richterlichen Vernehmung (BI. 33 d. A.). Zwar hat er über seinen Rechtsbeistand eine Meldebescheinigung vorgelegt (BI. 81 d. A.). Diese Anschrift ist jedoch nach den EMA-Meldedaten nicht mehr aktuell (BI. 93R d. A.). Unter seiner ab dem 22. August 2024 gültigen Meldeanschrift in … (Ort 05/ …) hat er sich nach polizeilichen Ermittlungen tatsächlich nicht aufgehalten (vgl. Beiakte der GStA Naumburg, BI. 21). Nach seinen eigenen Angaben lebt er seit einigen Monaten von seiner Ehefrau und den gemeinsamen Kindern getrennt. Zwar wohnen die Ehefrau und die Kinder des Verfolgten nach seinen Angaben in Deutschland. Allerdings besteht nach eigenen Angaben des Verfolgten infolge familiärer Konflikte derzeit nur wenig Kontakt (BI. 241 d. A.). Einen festen Arbeitsplatz hat er nicht. Bei seiner Festnahme befand er sich im Zug nach … (Ort 03 – Land).

Angesichts der erheblichen Strafdrohung und der von ihm befürchteten Einziehung zum Militärdienst steht zu erwarten, dass der Verfolgte sich ohne die Anordnung und den Vollzug der Auslieferungshaft dem weiteren Verfahren durch Flucht entziehen wird.

Weniger einschneidende Maßnahmen bieten nicht die nach § 25 Abs. 1 IRG erforderliche Gewähr, dass der Zweck der Auslieferungshaft auch durch sie erreicht werden könnte, so dass die Fortdauer der Untersuchungshaft anzuordnen ist.