Gericht | LArbG Berlin-Brandenburg 10. Berufungskammer | Entscheidungsdatum | 17.02.2025 | |
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Aktenzeichen | 10 TaBV 29/25 | ECLI | ECLI:DE:LAGBEBB:2025:0217.10TABV29.25.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 85 Abs. 2 BetrVG, § 100 Abs. 1 ArbGG |
Die Beschwerde einer Arbeitnehmerin über eine Abmahnung rechtfertigt nicht die Einsetzung einer Einigungsstelle. Es handelt sich hierbei um Rechtsanspruch nach § 85 Abs. 2 Satz 3 BetrVG
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss der Arbeitsgerichts Berlin vom 16.12.2024 Az.: 37 BV 14549/24 wird zurückgewiesen.
I.
Die Beteiligten streiten über die Errichtung einer Einigungsstelle zur Behandlung einer Beschwerde einer Arbeitnehmerin wegen einer ihr erteilten Abmahnung.
Die Beteiligte zu 2) (im Folgenden: Arbeitgeberin) betreibt eine sogenannte ___bank mit Sitz in Berlin und ist auf Kontoführung und Abwicklung von Bankgeschäften mit Smartphone und App spezialisiert. Der Beteiligte zu 1) (im Folgenden: Betriebsrat) ist der dort gewählte neunköpfige Betriebsrat. Die Betriebsparteien und ein Teil der Arbeitnehmer kommunizieren auf Englisch.
Bei der Arbeitgeberin gibt es eine schriftlich niedergelegte und im Intranet abrufbare An- und Abmelde-Policy, wobei zwischen den Beteiligten streitig ist, ob und wie diese für alle Mitarbeitenden gehandhabt wird.
Die Mitarbeiterin A war im August 2024 schwanger, der Mutterschutz begann am 13. September 2024. Am 06. August 2024 erhielt die Mitarbeiterin eine Abmahnung. Gegenstand der Abmahnung waren Verstöße gegen arbeitsvertragliche Pflichten, wobei konkret das Fehlen in einem Meeting am 16. Juli 2024 bzw. die verspätete Mitteilung des Nichterscheinens sowie eine fehlende Information über eine Abwesenheit am 18. Juli 2024 genannt sind. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Abmahnung vom 06. August 2024 Blatt 50 – 56 der Akte verwiesen.
Mit E-Mail vom 23. August 2024 wandte sich die Arbeitnehmerin an den Betriebsrat und bat um Unterstützung bezüglich der Entfernung der Abmahnung. Sie bemängelte u. a., dass sie vor Erhalt der Abmahnung nicht angehört wurde. Weiterhin teilte sie mit, dass sie sich ungerecht behandelt und ausgenutzt fühle, ggf. aufgrund ihrer beginnenden Mutterschaftszeit. Die E-Mail von Frau A ist auf Englisch verfasst. Auf Blatt 12 bis 13 der Akte wird verwiesen. Der Betriebsrat teilte der Arbeitgeberin am 09. September 2024 mit, dass er die Beschwerde für berechtigt anerkenne und bat um Mitteilung, welche Abhilfemaßnahmen getroffen würden (Blatt 14 bis 16 der Akte).
Hierauf antwortete die Arbeitgeberin mit Mail vom 20. September 2024, dass sie die Beschwerde nicht für gerechtfertigt halte (Blatt 18 bis 19 der Akte). Mit Beschluss vom 04. Oktober 2024 erklärte der Betriebsrat die Verhandlungen über die Beschwerde für gescheitert und beschloss, die Einigungsstelle anzurufen. Dies teilte er mit E-Mail vom 05. November 2024 der Arbeitgeberin mit (Blatt 20 bis 29 der Akte). Zwischen den Mitgliedern des Betriebsrates und Vertretern der Arbeitgeberin fand am 20. Oktober 2024 ein Gespräch statt, in dem der Betriebsrat forderte, die Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen bzw. zurückzunehmen. Dies lehnte die Arbeitgeberin ab. Mit Mail vom 11. November 2024 lehnte die Arbeitgeberin die Errichtung einer Einigungsstelle ab, worauf sich nochmals ein Mailverkehr zwischen Betriebsrat und Arbeitgeberin entwickelte.
Mit dem am 25. November 2024 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen Antrag begehrt der Betriebsrat die Einsetzung einer gerichtlichen Einigungsstelle über den Regelungsgegenstand „Beschwerde der Arbeitnehmerin A vom 23. August 2024“.
Der Betriebsrat ist der Auffassung, dass erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für die Einreichung der Einigungsstelle liege vor, da die Verhandlungen gescheitert seien. Ferner sei die Einigungsstelle für den beantragten Regelungstatbestand nicht offensichtlich unzuständig. Die Beschwerde der Arbeitnehmerin beziehe sich auf tatsächliche Umstände, in denen sie eine Beeinträchtigung erblickte. Der Gegenstand der Beschwerde und der Gegenstand der Abmahnung seien nicht der Gleiche. Insbesondere habe die Arbeitnehmerin sich dagegen gewehrt, dass sie ungerecht behandelt werde und dies im Zusammenhang mit ihrer Schwangerschaft geltend gemacht. Es gehe hier nicht nur um eine Abmahnung, sondern auch um den Umgang mit einer schwangeren Arbeitnehmerin.
Der Betriebsrat hat beantragt,
1. Frau B, Richterin am Arbeitsgericht Berlin, zur Vorsitzenden einer Einigungsstelle, die über den Regelungsgegenstand „Beschwerde der Arbeitnehmerin A vom 23. August 2024“ entscheiden soll, zu bestellen
2. Die Zahl der Beisitzerinnen bzw. Beisitzer je Seite für die unter Ziffer 1 genannte Einigungsstelle auf zwei festzusetzen.
Die Arbeitgeberin hat beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die Bildung einer Einigungsstelle nach § 85 Absatz 2 Satz 3 Betriebsverfassungsgesetz sei unzulässig, da es sich bei dem Gegenstand der Einigungsstelle um die Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte handele, somit um einen etwaigen Rechtsanspruch der Arbeitnehmerin. Eine über die Abmahnung hinausgehende Benachteiligung sei von der Arbeitnehmerin nicht geltend gemacht worden. Der Betriebsrat könne die Beschwerde der Arbeitnehmerin auch nicht erweitern, da Gegenstand der Beschwerde allein das Begehr der Arbeitnehmerin sei, dass sich nur auf die Entfernung der Abmahnung beziehe. Der vorliegende Antrag sei auch nicht geeignet, der Einigungsstelle die erforderliche Spruchkompetenz zu vermitteln. Darüber hinaus sei das Verhalten des Betriebsrats rechtsmissbräuchlich, da auch zu berücksichtigen sei, dass die Arbeitnehmerin sich bisher nicht gerichtlich gegen die Abmahnung gewendet habe. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 16.12.2024 verwiesen.
Mit Beschluss vom 16.12.2024 hat das Arbeitsgericht Berlin die Anträge zurückgewiesen.
Das Arbeitsgericht Berlin ist der Auffassung, der Antrag auf Einsetzung der Einigungsstelle sei unbegründet, da die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig sei. Dies sei hier der Fall. Nach § 85 Absatz 2 Satz 1 Betriebsverfassungsgesetz könne der Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen, wenn eine Meinungsverschiedenheit über die Berechtigung einer Beschwerde bestehe. Nach § 85 Absatz 2 Satz 3 Betriebsverfassungsgesetz sei dies jedoch nicht möglich, wenn Gegenstand der Beschwerde ein Rechtsanspruch einer Arbeitnehmerin sei. Zur Durchsetzung eines solchen Rechtsanspruchs diene alleine der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten. Damit sei die Einigungsstelle nicht zuständig. Darüber hinaus handele es sich um eine vergangenheitsbezogene Beschwerde der Arbeitnehmerin, so dass es an einem betrieblichen Regelungskonflikt fehle. Die herrschende Meinung verneine die Zuständigkeit der Einigungsstelle jedenfalls dann, wenn der Betriebsrat mit seinem Antrag den individualrechtlichen Anspruch auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte verfolge. Auch bei der Frage um eine etwaig ungerechte Behandlung der Arbeitnehmerin im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern gehe es letztlich um die Rechtsfrage der Berechtigung der Abmahnung. Es gehe vorrangig nicht um eine künftige betriebliche Regelung bzw. Konfliktlösung. Auch wenn die Arbeitnehmerin sich ungerecht behandelt fühlt, weil das Verhalten bei anderen geduldet werde, ist dieses Argument ebenfalls nicht von der Abmahnung zu trennen. Es handele sich um eine Rechtsfrage, ob dies dazu führen kann, dass die Arbeitgeberin wegen einer etwaigen Duldung des Verhaltens bei anderen keine Abmahnung mehr gegenüber der Arbeitnehmerin aussprechen kann und ob sie berechtigt wäre, einzelne Arbeitnehmerinnen „herauszugreifen“. Auch dies wäre in einem Rechtsstreit zwischen der Arbeitnehmerin und der Arbeitgeberin zu klären. Auch die Frage, ob vor Erteilung einer Abmahnung eine vorherige Anhörung zu erfolgen habe, beziehe sich auf die Frage der Berechtigung der Erteilung einer Abmahnung. Das Gleiche gelte zu dem Teil der Beschwerde, dass sich die Arbeitnehmerin wegen ihrer Schwangerschaft unberechtigt behandelt fühlt. Auch dies sei ein vergangenheitsbezogener Sachverhalt.
Gegen den am 23.12.2024 dem Betriebsrat zugestellten Beschluss hat dieser am 06.01.2025 Beschwerde eingelegt und diese gleichzeitig begründet.
Am Tag des Anhörungstermins vor dem Landesarbeitsgericht hat der Betriebsrat seinen Beschluss vom 06.01.2025, mit dem er beschlossen hatte, gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 16.12.2024 in Beschwerde zu gehen, vorgelegt (auf Blatt 108 bis 112 der Akte wird verwiesen).
Der Betriebsrat ist der Ansicht, dass Arbeitsgericht habe die Anträge zu Unrecht zurückgewiesen. Die Einigungsstelle habe nach Maßgabe der Anträge des Betriebsrats errichtet werden müssen. Ein Fall der offensichtlichen Unzuständigkeit der Einigungsstelle liege nicht vor.
Der Betriebsrat führt aus, dass gemäß § 84 Absatz 1 Satz 1 Betriebsverfassungsgesetz jeder Arbeitnehmer das Recht habe, sich bei den zuständigen Stellen des Betriebs zu beschweren, wenn er sich von der Arbeitgeberin oder einem anderen Arbeitnehmer benachteiligt oder ungerecht behandelt oder in sonstiger Weise beeinträchtigt fühle. Entscheidend sei dabei die individuelle Benachteiligung und der subjektive Standpunkt der sich beschwerenden Person. Der Betriebsrat habe gemäß § 85 Absatz 1 Betriebsverfassungsgesetz die Beschwerden der Arbeitnehmer entgegenzunehmen und, falls er sie für berechtigt erachtet, bei der Arbeitgeberin auf Abhilfe hinzuweisen. Bei Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der Beschwerde könne der Betriebsrat gemäß § 85 Absatz 2 Satz 1 Betriebsverfassungsgesetz die Einigungsstelle anrufen.
Die Einigungsstelle wäre auch zu errichten gewesen, wenn Gegenstand der Beschwerde ein Rechtsanspruch der Arbeitnehmerin A wäre. § 85 Absatz 2 Betriebsverfassungsgesetz sei so auszulegen, dass, wenn Gegenstand der Beschwerde ein Rechtsanspruch sei, nur die Spruchkompetenz der Einigungsstelle ausgeschlossen ist, die Einigungsstelle könne dennoch angerufen werden. Zwar habe die Einigungsstelle dann keine Möglichkeit, eine verbindliche Entscheidung zu treffen, die Anrufung sei jedoch möglich. Diese Auslegung stehe auch nicht der grundsätzlichen Konzeption des Betriebsverfassungsgesetzes entgegen. Dieses kenne mit § 112 Betriebsverfassungsgesetz und § 96 Absatz 1 a Betriebsverfassungsgesetz durchaus Konstellationen, in dem der Betriebsrat die Einigungsstelle zwar anrufen kann, diese aber nicht verbindlich entscheiden könne. Dies sei bei § 85 Absatz 2 Betriebsverfassungsgesetz ebenso.
Darüber hinaus ist der Betriebsrat der Ansicht, die Einigungsstelle sei nicht offensichtlich unzuständig, da Inhalt der Beschwerde Umstände seien, die gerade keinen Rechtsanspruch der Arbeitnehmerin A betreffen würden. Die Kompetenz der Einigungsstelle im Beschwerdeverfahren gelte nicht nur für Regelungsstreitigkeiten unter Ausschluss von Rechtsstreitigkeiten. Es sei in der Literatur und Rechtsprechung anerkannt, dass Arbeitnehmer sich auch im Zusammenhang mit einer Abmahnung beim Betriebsrat beschweren könnten. Der Betriebsrat verweist hier auf eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hessen vom 03.11.2009 – 4 TaBV 185/09 – Rn. 18. Frau A beschwere sich darüber, dass es bei einem abgemahnten Verhalten um ein von vielen Arbeitnehmern praktiziertes und von der Arbeitgeberin allgemein geduldetes Verhalten handele. Sie sei genau für dieses geduldete Verhalten abgemahnt und willkürlich herausgegriffen worden, was sie als ungerecht empfände. Darüber hinaus sei im Vorfeld der Erteilung der Abmahnung kein Gespräch mit ihr geführt worden. Nicht alle von Frau A in der Beschwerde genannten Umstände seien untrennbar mit der Frage verbunden, ob die Abmahnung aus der Personalakte entfernt werden müsse oder nicht. Damit handele es sich nicht nur um einen Rechtsanspruch. Der Betriebsrat ist darüber hinaus der Auffassung, dass die Beschwerde nicht rein vergangenheitsbezogen sei. Frau A fordere die Veränderung eines sie beeinträchtigenden betrieblichen Zustands.
Der Betriebsrat weist darauf hin, dass gegen die Bestellung von Frau B als Vorsitzende der zu errichtenden Einigungsstelle keinerlei Bedenken bestünden. Auch die begehrte Anzahl der Beisitzer sei rechtlich nicht zu beanstanden.
Der Betriebsrat beantragt:
Der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 16.12.2024 – Az. 37 BV 14549/24 - wird abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Frau B, Richterin am Arbeitsgericht Berlin, wird zur Vorsitzenden einer Einigungsstelle, die über den Regelungsgegenstand „Beschwerde der Arbeitnehmerin A vom 23.08.2024“ entscheiden soll, bestellt.
2. Die Zahl der von jeder Betriebspartei zu benennenden Beisitzer*innen wird auf zwei festgesetzt.
Die Arbeitgeberin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Arbeitgeberin ist der Auffassung, die Beschwerde sei bereits unzulässig, da der Betriebsrat die ordnungsgemäße Beschlussfassung zur Erhebung der Beschwerde nicht dargelegt und bewiesen habe, diese werde auch ausdrücklich bestritten.
Darüber hinaus sei die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig. Sie sei für eine Behandlung von Beschwerden, die einen Rechtsanspruch beträfen, nicht zuständig. Gegenstand der Beschwerde der Arbeitnehmerin A sei allein der unbegründete und vergangenheitsbezogene Rechtsanspruch auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte. Nach ganz herrschender Meinung sei ein verbindliches Einigungsstellenverfahren nicht gegeben, wenn ein Rechtsanspruch wie hier bestehe. Bei Streitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sei das Klageverfahren vor dem Arbeitsgericht zuständig, nicht das Beschlussverfahren. Die Einigungsstelle könne in einer solchen Konstellation nie ihrem Konfliktlösungsauftrag nachkommen und die betriebliche Regelungsstreitigkeit regeln. Es obläge somit Frau A, gegen die Abmahnung im Urteilsverfahren gegen die Arbeitgeberin vorzugehen. Frau A habe - was unstreitig ist - bisher keine Klage auf Entfernung der Abmahnung erhoben.
Die Arbeitgeberin ist der Auffassung, Gegenstand der Beschwerde von Frau A sei allein ein Rechtsanspruch auf Entfernung der am 06.08.2024 ausgesprochenen Abmahnung. Frau A habe weder die ungerechte Behandlung, noch die Anhörung, noch die Schwangerschaft als Gegenstand der Beschwerde genannt, sondern lediglich diese Punkte im Zusammenhang mit der Entfernung der Abmahnung gerügt. Ihr sei es allein um die Entfernung der Abmahnung vom 06.08.2024 gegangen, dies ergebe sich auch aus der E-Mail von Frau A an den Betriebsrat. Sämtliche dort angeführten Punkte seien im Zusammenhang mit der Abmahnung Teil der Beschwerde. Ein betrieblicher Regelungskonflikt sei hierin nicht zu sehen. Darüber hinaus sei die Beschwerde ausschließlich vergangenheitsbezogen. Eine ausschließlich vergangenheitsbezogene Beschwerde könne nicht Teil einer Einigungsstelle seien, da § 85 Absatz1 Satz 2 BetrVG den gesetzlichen Konfliktlösungsmechanismus für einen betrieblichen Regelungskonflikt zur Verfügung stelle. Mit der Erteilung einer Abmahnung ist kein betrieblicher Regelungskonflikt entstanden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Beschwerdeschrift vom 06.01.2025 Blatt 71 ff. der Akte und auf die Beschwerdeerwiderung der Arbeitgeberin Blatt 98 ff. der Akte verwiesen.
II.
Die Beschwerde des Betriebsrats ist zulässig, jedoch nicht begründet. Eine Einigungsstelle zum Thema „Beschwerde der Arbeitnehmerin A vom 23.08.2024“ ist nicht einzurichten.
1.
Die gemäß § 100 Abs. 2 ArbGG statthafte, form- und fristgerecht nach den §§ 100 Abs. 2 S. 2, 87 Abs. 2 und 3 ArbGG eingelegte Beschwerde ist zulässig. Gegen die Zulässigkeit der Beschwerde spricht entgegen der Ansicht der Arbeitgeberin nicht eine fehlende Beschlussfassung des Betriebsrats. Zum einen wurde die Beschwerde von einer zugelassenen Rechtsanwältin als Prozessvertreterin des Betriebsrats eingereicht, sodass sie formal zulässig ist. Zum anderen hat der Betriebsrat kurz vor der Kammerverhandlung der Berufungsinstanz, somit noch rechtszeitig einen Beschluss eingereicht, mit dem das Rechtsmittel beschlossen wurde und die Prozessvertreterin mandatiert wurde.
2.
Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Die Einrichtung einer Einigungsstelle kommt vorliegend nicht in Betracht, da diese offensichtlich unzuständig ist (§ 100 Abs. 1 S. 2 ArbGG).
a.
Nach § 100 Abs. 1 S. 2 ArbGG ist der Antrag auf Einrichtung einer Einigungsstelle dann zurückzuweisen, wenn die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist. Diese Voraussetzung liegt vor, wenn bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht sofort erkennbar ist, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in der fraglichen Angelegenheit unter keinem denkbaren Gesichtspunkt in Frage kommt (LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. August 2017 – 7 TaBV 860/17 – Rn.17, juris; vgl. ErfK/Koch ArbGG § 100 Rz. 3; Natter/Gross ArbGG § 98 Rz. 5).
Diese Grundsätze resultieren aus den Besonderheiten des Einigungsstellenbildungsverfahrens, dass darauf gerichtet ist, den Betriebspartnern, die keine ständige Einigungsstelle eingerichtet haben, im Bedarfsfalle beim Auftreten von Meinungsverschiedenheiten möglichst zeitnah eine funktionsfähige Einigungsstelle zur Verfügung zu stellen. Diese Zielsetzung erfordert ein unkompliziertes Bestellungsverfahren ohne zeitraubende Prüfung schwieriger Rechtsfragen. Dem entspricht das vereinfachte gerichtliche Verfahren ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter unter Ausschluss der Rechtsbeschwerde. Der eingeschränkte Prüfungsmaßstab korrespondiert damit, dass die Einigungsstelle die Vorfrage ihrer Zuständigkeit selbst prüft und sich, wenn sie diese nicht für gegeben hält, für unzuständig erklären kann. Die gerichtliche Sachverhaltsaufklärung ist auf Tatsachen zur offensichtlichen Unzuständigkeit der Einigungsstelle beschränkt, da die endgültige Klärung der Zuständigkeit der Einigungsstelle einem gesonderten Beschlussverfahren vor der vollbesetzten Kammer vorbehalten ist (LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. August 2017 – 7 TaBV 860/17 – Rn.18; LAG Köln 16.08.2017 – 9 TaBV 77/16 – juris Rz. 30). Ist hingegen in Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht zusteht und fehlt es an einer Klärung durch das Bundesarbeitsgericht, kann die Zuständigkeit der Einigungsstelle im Rahmen des Verfahrens nach § 100 ArbGG nicht verneint werden (LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. August 2017 – 7 TaBV 860/17 – Rn.18; Hessisches Landesarbeitsgericht, Beschluss vom 01. August 2006 – 4 TaBV 111/06 –, juris).
b.
Bei Beachtung dieses Maßstabes erweist sich die Einigungsstelle im vorliegenden Fall als offensichtlich unzuständig.
Nach § 85 Abs. 2 S. 1 BetrVG kann der Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen, wenn zwischen ihm und dem Arbeitgeber eine Meinungsverschiedenheit über die Berechtigung einer Beschwerde besteht. Deren Spruch ersetzt gemäß § 85 Abs. 2 S. 2 BetrVG die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Dies gilt jedoch gemäß § 85 Abs. 2 S. 3 BetrVG nicht, wenn Gegenstand der Beschwerde ein Rechtsanspruch eines Arbeitnehmers ist. Zur Durchsetzung solcher Rechtsansprüche dient allein der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten (vgl. BAG 22.11.2005 – 1 ABR 50/04 – BAGE 116, 235 – 245 unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung in Bundestagsdrucksache VI/1786 Seite 48; LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. August 2017 – 7 TaBV 860/17 – Rn.20). Aus dieser Einschränkung folgt zugleich, dass die Einigungsstelle für die Behandlung von Beschwerden, die einen Rechtsanspruch betreffen, nicht zuständig ist (BAG 29. Juni 1984 -- 6 ABR 51/83, BAGE 46, 228). Auch ist die Einigungsstelle nicht entscheidungsbefugt, wenn Arbeitgeber und Betriebsrat über die Berechtigung einer ausschließlich vergangenheitsbezogenen Beschwerde des Arbeitnehmers streiten. In einem solchen Fall fehlt es an einem betrieblichen Regelungskonflikt, dessen Lösung mit der Eröffnung der Einigungsstelle nach § 85 Abs. 2 S. 1 BetrVG angestrebt werden könnte (BAG vom 22.11.2005 – 1 ABR 50/04 – Rz. 39). Aus diesem Grund verneint die herrschende Meinung auch die Zuständigkeit der Einigungsstelle jedenfalls dann, wenn der Betriebsrat mit seinem Antrag den individualrechtlichen Anspruch auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte verfolgt (LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. August 2017 – 7 TaBV 860/17 – Rn.20; (vgl. Kania/ErfKo. § 85 BetrVG Rz. 5; Grunsky u.a § 98 ArbGG Rz.9; Koch/ErfK § 100 ArbGG Rz. 5; LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 13. März 2006 – 13 TaBV 15/05 –, juris; LAG Rheinland-Pfalz 17.01.1985 - 5 TaBV 36/84 –, NZA 1984, 190; LAG Berlin 19.8.1988 – 2 TaBV 4/88 - LAGE ArbGG 1979 § 98 Nr. 11).
Die entgegenstehende Meinung vom Buschmann findet in der Entstehungsgeschichte der Norm keine Basis. Sie ist auch mit der Systematik des BetrVG nicht vereinbar. Ein Anrufungsrecht des Betriebsrats zur Einrichtung einer Einigungsstelle, die dann aber nicht verbindlich entscheiden kann, ist lediglich dann möglich, wenn die Einrichtung der Einigungsstelle einvernehmlich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat vereinbart wird. In diesem Fall unterwerfen sich die Betriebsparteien bei der Verabredung, eine Einigungsstelle einzurichten deren Spruch (76 Abs. 6 BetrVG). Liegt eine einvernehmliche Einsetzung der Einigungsstelle nicht vor und kann diese nicht verbindlich entscheiden, so stellt sich die Frage, wo deren Regelungskompetenz ist. Eine Einigungsstelle, in der nur unverbindlich gesprochen wird, ist sinnlos. Gespräche über die Beschwerde führen die Betriebsparteien bereits im Vorfeld im Rahmen des § 85 Abs. 1 BetrVG.
Die Regelung unterscheidet sich auch von der Zielsetzung des § 112 BetrVG. Dort ist eine Einigungsstelle über einen Sozialplan zwar freiwillig, jedoch in der Regel mit einem Interessenausgleich verbunden. Wird ein solcher nicht vereinbart, haben die Arbeitnehmer den Anspruch auf Nachteilsausgleich nach § 113 Abs. 3 BetrVG. Die Einrichtung einer Einigungsstelle nach § 96 Abs. 1 a BetrVG ist eine freiwillige Einigungsstelle, die versucht, eine Einigung der Partien bei der Förderung der Berufsbildung zu suchen. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Norm.
c.
Im vorliegenden Fall ist die Beschwerde der Arbeitnehmerin, deren Behandlung der Betriebsrat mit seinem Antrag verfolgt, auf die Durchsetzung ihres Anspruchs auf Entfernung der Abmahnung vom 6.8.2024 gerichtet.
Die Arbeitnehmerin bittet den Betriebsrat in ihrer Beschwerde vom 23.8.2024 um Unterstützung bei ihrem Anliegen auf Entfernung der Abmahnung. In ihrer Beschwerde teilt die Arbeitnehmerin ausdrücklich mit:
„we had a meeting with…. to clarify expectations and request the retraction of the warning letter“ (deutsch: wir hatten ein Treffen mit….. um Erwartungen zu klären und die Entfernung der Abmahnung zu verlangen).
„I___ stated that the letter would not be retracted“ (deutsch: I___ hielt daran fest, dass die Abmahnung nicht zurückgezogen wird).
Damit zeigt die Arbeitnehmerin, dass es ihr lediglich um die Entfernung der Abmahnung geht, die ihrer Meinung nach zu Unrecht ergangen sei. Sie ist der Ansicht, dass sie vor der Abmahnung hätte angehört werden müssen. Sie verweist darauf, dass sie in Kürze in Elternzeit gehen werde und dass sie sich ungerecht behandelt fühlt. Dieses Anliegen hat sich der Betriebsrat gegenüber der Arbeitgeberin zu Eigen gemacht. Auch ihm geht es um die Entfernung der Abmahnung, die er wegen eines aus seiner Sicht unzutreffenden Sachverhalts für unwirksam erachtet. Da in der Rechtsprechung aber dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf Entfernung einer Abmahnung zuerkannt wird, wenn sie unzutreffende Tatsachen enthält, ist Gegenstand der Beschwerde mithin ausschließlich die Durchsetzung eines Rechtsanspruchs, der wiederum einen Spruch der Einigungsstelle und deren Zuständigkeit gerade ausschließt. Diesbezüglich besteht kein Einlassungszwang des Arbeitgebers vor der Einigungsstelle. Diese hat weder die Kompetenz, darüber zu entscheiden, ob der der Abmahnung zu Grunde liegende Sachverhalt zutreffend ist, noch ob der Arbeitgeber die Abmahnung aus der Personalakte entfernen muss.
Zwar macht der Betriebsrat auch geltend, dass es auch um eine etwaige ungerechte Behandlung der Arbeitnehmerin geht. Hier hat er jedoch lediglich den Vortrag der Arbeitnehmerin übernommen, der ohne konkrete weitere Anhaltspunkte ist. Weder der Betriebsrat noch die Arbeitnehmerin haben mitgeteilt, wann der Arbeitgeber wen anders behandelt hat bzw. für wen die An – und Abmelde Policy nicht gilt bzw. bei wem sie nicht angewandt wird. Die Leiterin Arbeitsrecht bei der Arbeitgeberin hat im Kammertermin vor dem Arbeitsgericht am 16.12.2024 zu Protokoll gegeben, dass die An- und Abmelde Policy für alle gelte, ein Gegenbeispiel wurde von Seiten des Betriebsrats nicht vorgebracht. Der reine Hinweis der Arbeitnehmerin ohne konkrete Darlegungen ist lediglich ein in den Raum geworfener Vorwurf ohne betrieblichen Bezug. Dies wäre im Rahmen eines Individualverfahren zu klären. Auch der Verweis der Arbeitnehmerin auf ihre Schwangerschaft bleibt im vagen. Inwieweit hier ein betrieblicher Bezug gegeben ist wird nicht vorgetragen.
Der Vorwurf der Arbeitnehmerin, die Arbeitgeberin hätte sie vor Ausspruch der Abmahnung nicht angehört bezieht sich auch lediglich auf den Anspruch auf Entfernung der Abmahnung. Die Arbeitnehmerin begründet hiermit ihren Entfernungsanspruch. Der Betriebsrat übernimmt dies ungefiltert, ohne zu prüfen, ob dies eine Beschwerde berechtigt bzw. ein Grund für die Entfernung einer Abmahnung ist. Eine Abmahnung ist jedoch nicht unwirksam, weil der Arbeitgeber die Arbeitnehmerin nicht angehört hat, es sei denn, es liegen tarifvertragliche, einzelvertragliche oder betriebliche Regelungen vor, was allerdings weder vom Betriebsrat noch von der Arbeitnehmerin behauptet wird. Auch dieses wäre im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Arbeitnehmerin und der Arbeitgeberin zu prüfen.
d.
Zudem fehlt es an der Zuständigkeit der Einigungsstelle, weil sich die Beschwerde ausschließlich mit einem vergangenheitsbezogenen Sachverhalt befasst, nämlich die Richtigkeit des der Abmahnung zu Grunde liegenden Sachverhalts. Dies hat der Betriebsrat der Arbeitgeberin entsprechend mitgeteilt und erklärt, er habe den Sachverhalt entsprechend geprüft. Regelungen für die Zukunft wie z.B. werden hier nicht eingeführt.
Für einen solchen Rechtsanspruch sind aber ausschließlich die Arbeitsgerichte zuständig. Denn nur hier kann verbindlich zwischen den Arbeitsvertragsparteien, d.h. zwischen dem Arbeitnehmer, der Arbeitnehmerin und dem Arbeitgeber geklärt werden, ob die Abmahnung zutreffend ist, ob ihr insbesondere beispielsweise ein zutreffender Sachverhalt zugrunde gelegt wurde. Auch nur dort kann evtl. Beweis über diesbezüglich streitige Behauptungen der Parteien erhoben werden. Würde man in einem solchen Fall die Zuständigkeit der Einigungsstelle bejahen, käme es zu einer Konkurrenz zwischen Einigungsstelle und Arbeitsgericht, die mit der Regelung des § 85 Abs. 2 S. 3 BetrVG gerade verhindert werden sollte. Denn käme die Einigungsstelle zu dem Ergebnis, der vom Arbeitgeber ermittelte Sachverhalt sei unzutreffend, wäre die Abmahnung aus Sicht der Einigungsstelle aus der Personalakte zu entfernen. Dies hätte indes keinerlei Rechtskraftwirkung und auch keine Bindungswirkung für einen individualrechtlichen Prozess. Würde der Arbeitgeber dann die Abmahnung nicht aus der Personalakte entfernen, müsste der Arbeitnehmer diesen Anspruch im Individualrechtsstreit erneut durchsetzen mit der Folge, dass es dort zu einer anderen Sachverhaltswürdigung ggf. nach Beweisaufnahme kommen könnte. Dies soll aber gerade mit der Regelung in § 85 Abs. 2 S. 3 BetrVG ausgeschlossen werden.
Von einer ungeklärten Rechtsfrage kann nicht gesprochen werden. Denn die für das Verfahren zugrunde zu legenden Rechtsfragen, wie individualrechtlicher Anspruch auf Entfernung einer Abmahnung, Unzuständigkeit der Einigungsstelle bei der Verfolgung von Rechtsansprüchen und keine Zuständigkeit bei einem rein vergangenheitsbezogenen Sachverhalt, sind durch das Bundesarbeitsgericht geklärt. Ob im konkreten Einzelfall Gegenstand der Beschwerde ein – individualrechtlicher - Rechtsanspruch ist, weil es nämlich um die Entfernung einer Abmahnung geht, ist wiederum im Rahmen des Einsetzungsverfahrens zu entscheiden. Dies obliegt aber der Kompetenz des Gerichts im Rahmen des Verfahrens nach § 100 ArbGG. Die nach Maßgabe des § 100 ArbGG beschränkte Prüfkompetenz entbindet das Gericht nicht davon, die prozessrechtlich vorgegebene Sachverhaltsfeststellungen vorzunehmen und die prozessrechtlich vorgesehenen rechtlichen Folgerungen daraus zu ziehen.
3.
Da Gegenstand der Beschwerde ausschließlich ein Anspruch der Arbeitnehmerin auf Entfernung einer Abmahnung ist, erweist sich die Einigungsstelle als offensichtlich unzuständig. Die Beschwerde des Betriebsrats war zurückzuweisen.
4.
Einer Kostenentscheidung bedurfte es nicht, da in Beschlussverfahren nach § 2a Absatz 1 ArbGG in Verbindung mit § 2 Absatz 2 GKG Kosten nicht erhoben werden. Gegen diese Entscheidung findet kein Rechtsmittel statt, § 100 Absatz 2 Satz 4 ArbGG.