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Letzte behördliche Entscheidung als maßgeblicher Zeitpunkt, Recht der Auslandsdienstlehrkräfte, Widerruf der Vermittlung als Schulleiterin einer Auslandsschule aufgrund der Einleitung eines Disziplinarverfahrens durch den inländischen Dienstherrn


Metadaten

Gericht VG Potsdam 2. Kammer Entscheidungsdatum 11.03.2025
Aktenzeichen VG 2 K 2512/22 ECLI ECLI:DE:VGPOTSD:2025:0311.2K2512.22.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 49 VwVfg, Richtlinie 2017 ZfA

Leitsatz

Für den Widerruf der Vermittlung einer Lehrkraft als Schulleiterin an eine deutsche Auslandsschule wegen der Verletzung von Verpflichtungen aus dem Vermittlungsbescheid oder einer Schädigung des Ansehens der Bundesrepublik Deutschland genügt es nicht, dass der inländische Dienstherr ein Disziplinarverfahren eingeleitet hat. Die Widerrufsbehörde muss sich auch mit der Frage auseinandersetzen, ob die im Rahmen des Disziplinarverfahrens erhobenen Vorwürfe zutreffen oder wenn sie der Auffassung ist, dass eine abschließende Klärung dieser Vorwürfe nicht abgewartet werden kann ob die Lehrkraft des vorgeworfenen Verhaltens hinreichend verdächtig ist. Mindestens hat sie die erhobenen Vorwürfe einer Plausibilitätskontrolle zu unterziehen, wobei sie einen von der Lehrkraft schlüssig vorgetragenen abweichenden Geschehensablauf zu würdigen hat.

Tenor

Soweit die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen werden der Widerrufsbescheid der Beklagten vom 1. August 2022 und der Widerspruchsbescheid vom 12. Oktober 2022 aufgehoben, soweit der Vermittlungsbescheid vom 17. Dezember 2019 für den Zeitraum vom 1. September 2022 bis 31. Juli 2023 widerrufen worden ist.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen den Widerruf ihrer Vermittlung als Schulleiterin an die G_____ in Kalifornien durch die Beklagte.

Die Klägerin steht als Studiendirektorin im Dienst des Landes B_____. Sie wurde mit Vermittlungsbescheid vom 7. Dezember 2019 für den Zeitraum vom 1. März 2020 bis 31. Juli 2026 als Leiterin der G_____ vermittelt. Sie wurde für diesen Zeitraum von der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie des Landes B_____ (im Folgenden: S_____) für den Auslandsschuldienst beurlaubt.

Mit Einleitungsverfügung vom 29. Juni 2022 leitete die S_____ gegen die Klägerin ein Disziplinarverfahren ein. Dabei wurden ihr mehrere Verstöße gegen die Pflicht zur Uneigennützigkeit und Gewissenhaftigkeit (§ 34 Abs. 1 Satz 2 Beamtenstatusgesetz - BeamtStG) bzw. gegen die Wohlverhaltenspflicht (§ 34 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG) vorgeworfen, die sich drei Sachkomplexen zuordnen lassen:

1. Einstellung ihres mitreisenden Ehemannes mit einem vollen Deputat, obwohl der Stundenbedarf durch bereits an der G_____ beschäftigte Lehrkräfte hätte abgedeckt werden können,

2. Einflussnahme auf die Benotung ihres Sohnes M_____, der im Jahr 2021 an der G_____ das Abitur machte, und

3. Einschüchterung, Manipulation und Drohungen gegenüber ihr unterstellten Lehrkräften zur Durchsetzung ihrer Entscheidungen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Einleitungsverfügung (Bl. 14 ff. der Verfahrensakte VG 11 L 644/22).

Mit Bescheid vom 1. August 2022 widerrief die Beklagte nach vorheriger Anhörung der Klägerin den Vermittlungsbescheid mit Wirkung zum 1. September 2022 und ordnete die sofortige Vollziehung an. Zur Begründung führte sie aus, die S_____ habe mitgeteilt, dass gegen die Klägerin ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden sei und als mögliche Disziplinarmaßnahme eine Zurückstufung in Betracht komme. Der Widerruf sei im Vermittlungsbescheid u.a. für den Fall vorbehalten, wenn das Verhalten der Schulleiterin bzw. des Schulleiters den Grundsätzen und Bestimmungen des Bescheides widerspreche. Der Vermittlungsbescheid könne nach Ziff. 1.1.4 der Richtlinie für die Gewährung von Zuwendungen an Lehrkräfte im Auslandsschuldienst (Zuwendungsrichtlinie) auch widerrufen werden, wenn eine Lehrkraft durch ihr Verhalten das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Gastland schädige. Entsprechend § 49 Abs. 2 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) könne ein Widerruf auch erfolgen, wenn die Behörde aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde.

Der Zweck der Vermittlung von Schulleiterinnen und Schulleitern aus dem Inland an eine deutsche Auslandsschule und der Gewährung entsprechender Zuwendungen – die positive Gestaltung der auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik zum Gastland – könne nicht mehr erreicht werden, wenn die vermittelte Schulleiterin die ihr in diesem Rahmen obliegenden pädagogischen Aufgaben aufgrund eines Ansehensverlustes absehbar nicht mehr wahrnehmen könne. Die Durchführung eines Disziplinarverfahrens des innerdeutschen Dienstherrn sei geeignet, das Ansehen der Schulleitung, aber auch der gesamten auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik der Bundesrepublik Deutschland zu schädigen. Weil die Einleitung eines Disziplinarverfahrens an das Bestehen eines zureichenden Verdachts gebunden sei, sei es gerechtfertigt, die förmliche Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen die Klägerin als einen Sachgrund für den Widerruf des Vermittlungsbescheids anzusehen, da nun das Vertrauen in die Integrität des Handelns der Schulleitung gefährdet sei. Es bestehe ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung, weil die Weitergewährung von Zuwendungen an die Klägerin zu einer unverhältnismäßigen Belastung des Bundes führten. Die Klägerin sei durch das Disziplinarverfahren in der unabhängigen Leitung der Schule beeinträchtigt. Der mit den Zuwendungszahlungen verbundene Zuwendungszweck könne nicht erfüllt werden.

Die Klägerin nahm im Disziplinarverfahren gegenüber der S_____ mit Schriftsatz vom 3. August 2022 umfänglich zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen Stellung und trat diesen in tatsächlicher Hinsicht entgegen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Schriftsatzes verwiesen (Bl. 16 ff. der Verfahrensakte VG 11 L 644/22).

Mit Schreiben vom 8. August 2022 legte die Klägerin Widerspruch gegen den Widerrufsbescheid vom 1. August 2022 ein und beantragte am gleichen Tag beim Verwaltungsgericht Köln die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs. Sie sei als Schulleiterin an die G_____ vermittelt worden, obwohl die zuständige Oberschulrätin der S_____ versucht habe, ihre Bewerbung zu verhindern. Bei dem Besuch dieser Schulrätin in San Francisco im Mai 2022 in ihrer Eigenschaft als Beauftragte der K_____ und Verantwortliche für Abiturprüfungen an deutschen internationalen Schulen in den Vereinigten Staaten habe diese Material gegen sie gesammelt, jedoch kein klärendes Gespräch mit ihr geführt. Auf Initiative der Schulrätin sei das Disziplinarverfahren eingeleitet worden. Aufgrund des Verhaltens der Schulrätin während dieses Besuchs habe die Klägerin Dienstaufsichtsbeschwerde gegen diese erhoben. Die gegen die Klägerin erhobenen Vorwürfe seien inhaltlich unbegründet. Zudem rechtfertigten Art und Schwere der Vorwürfe keinesfalls eine Zurückstufung. Zudem beträfen die Vorwürfe außerdienstliches Handeln, weil sie von ihrem Dienstherrn beurlaubt sei und die Aufgaben als Schulleiterin in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis erfülle.

Unter dem 19. August 2022 widerrief die S_____ den der Klägerin bewilligten Sonderurlaub unter Wegfall der Dienstbezüge für den Zeitraum 1. März 2020 bis 28. Februar 2026 unter gleichzeitiger Anordnung der sofortigen Vollziehung. Dagegen beantragt die Klägerin beim Verwaltungsgericht Berlin die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs (VG 28 L 194/22).

Am 25. August 2022 verwies das Verwaltungsgericht Köln das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes an das Verwaltungsgericht Potsdam.

Die Beklagte teilte dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit E-Mail vom 29. August 2022 mit, dass der Datenschutzbeauftragte der G_____ mitgeteilt habe, dass die Klägerin über mehrere Tage hinweg vertrauliche Daten von einem geschützten schulinternen Laufwerk in einen privat angelegten Account kopiert habe. In den Kopien fänden sich etliche sensible und personenbezogene Daten. Es habe das Kopieren von ca. 30.000 Dokumenten rekonstruiert werden können. Inzwischen sei der Zugang gesperrt worden. Dieses Verhalten stelle einen zusätzlichen erheblichen Pflichtenverstoß dar, der dazu berechtige, den Vermittlungsbescheid mit sofortiger Wirkung zu widerrufen.

Unter dem 7. September 2022 hob die S_____ die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Widerrufs des bewilligten Sonderurlaubs durch Bescheid vom 19. August 2022 auf Anregung des Verwaltungsgerichts Berlin auf.

Nach Mitteilung der S_____ vom 19. September 2022 wurde das Disziplinarverfahren gegen die Klägerin auf den Vorwurf des ungenehmigten Datenabflusses ausgedehnt. Die Klägerin ist diesem Vorwurf unter Vorlage einer Einschätzung einer kalifornischen Rechtsanwaltskanzlei entgegengetreten (vgl. Verfahrensakte 11 L 644/22 Bl. 137 ff.).

Mit Beschluss vom 4. Oktober 2022 (VG 11 L 644/22) stellte das Verwaltungsgericht Potsdam die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Klägerin gegen den Widerrufsbescheid der Beklagten vom 1. August 2022 wieder her. Die Entscheidung wurde maßgeblich darauf gestützt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für den im Vermittlungsbescheid vorbehaltenen Widerruf nicht vorlägen. Da der Widerruf des Vermittlungsbescheids aufgrund der Einleitung eines Disziplinarverfahrens der Wirkung nach einer vorläufigen Dienstenthebung gleichkomme, müsse die Beklagte eigene Feststellungen zur Schwere der erhobenen Vorwürfe und zum vorliegenden Verdachtsgrad treffen und erst anhand dieser Feststellungen über einen etwaigen Widerruf entscheiden. Die im Rahmen der Einleitungsverfügung erhobenen Vorwürfe unterlägen zudem erheblichen Plausibilitätszweifeln. Die von der Antragsgegnerin erhobene Beschwerde gegen den Beschluss vom 4. Oktober 2022 wurde nach wenigen Wochen zurückgenommen.

Unter dem 12. Oktober 2022 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin vom 10. August 2022 zurück und ordnete die sofortige Vollziehung dieser Entscheidung an. Der Klägerin werde eine Verletzung ihrer Dienstpflichten gemäß § 34 BeamtStG vorgeworfen. U.a. solle sie unter Ausnutzung ihrer Position als Schulleiterin der G_____ ihren Mitreisenden Ehemann bevorteilt und unzulässig auf die Notenvergabe ihres Sohnes eingewirkt haben. Zudem habe die S_____ das Disziplinarverfahren nachträglich auf den Vorwurf des ungenehmigten Datenabflusses ausgedehnt. Ergänzend zu der Begründung des Ausgangsbescheids wurde der Widerspruchsbescheid damit begründet, dass die Einleitung eines Disziplinarverfahrens des innerdeutschen Dienstherrn Auswirkungen auf das Zuwendungsverhältnis der Zentralstelle habe, wenn es geeignet sei, den mit dem Vermittlungsbescheid verbundenen Zuwendungszweck zu gefährden. Mangels Dienstverhältnis zum Bund habe der Widerruf des Vermittlungsbescheides nicht die Wirkung einer vorläufigen Dienstenthebung. So greife nach dem Widerruf die Alimentationspflicht des Bundeslandes wieder. Die Zulassung eines Widerrufs nur unter den Voraussetzungen des Disziplinarrechts verkenne die Besonderheiten der Vermittlung in den Auslandsschuldienst und schränke die erforderlichen Gestaltungsmöglichkeiten der Zuwendungsgeberin zur Sicherung des Zuwendungszwecks unverhältnismäßig ein. Auch bei umfassender Würdigung der Schwere der im Disziplinarverfahren erhobenen Vorwürfe und des jeweils vorliegenden Verdachtsgrads sei der Widerruf des Vermittlungsbescheides gerechtfertigt und verhältnismäßig. Bei dem Vorwurf, dass die Klägerin ihren Ehemann bevorteilt habe, sei zu beachten, dass dieser keine von der Zentralstelle vermittelte Auslandsdienstlehrkraft, sondern als sogenannte Ortslehrkraft auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages mit dem Schulträger nach dem Recht des Sitzstaates beschäftigt worden sei. Der begründete Verdacht gegenüber der Klägerin, ihren Ehemann ohne dienstliche Notwendigkeit mit einem zusätzlichen vollen Deputat ausgestattet zu haben, sei geeignet, das Vertrauen in die Integrität der Schulleitung zu gefährden.

Der Vorwurf, unter Ausnutzung ihrer Funktion als Schulleiterin unzulässig auf die Notenvergabe ihres Sohnes eingewirkt zu haben, greife in den Kernbereich des hoheitlichen Handelns einer Schulleitung an einer deutschen Auslandsschule ein. Die Schulleitung trage die Verantwortung dafür, dass die Voraussetzungen für die Berechtigung zur Erteilung deutscher Abschlusszeugnis erfüllt und die Angelegenheiten des Prüfungswesens ordnungsgemäß erledigt würden. Schon der begründete Verdacht der unzulässigen Einflussnahme auf die Notengebung einzelner Schülerinnen oder Schüler gefährde die ordnungsgemäße Durchführung von Prüfungen. Hier werde von einer Schulleitung eine besondere Sensibilität erwartet. Der Klägerin werde insoweit vorgeworfen, nicht nur übliche Elterngespräch geführt zu haben, sondern unter Ausnutzung der Funktion als Schulleiterin ihre Forderungen durchgesetzt zu haben, indem sie z.B. eine Klausur aus der Wertung genommen, eine falsche Bewertung unterstellt und Mitarbeiterinnen gedroht habe.

Auch der Vorwurf des ungenehmigten Datenabflusses rechtfertige den Widerruf des Vermittlungsbescheides. Zwar beurteile sich die Strafbarkeit des Datenabflusses zunächst nach örtlichem Recht, doch seien alle Schulleiterinnen und Schulleiter an deutschen Auslandsschulen angehalten, bei der Ausübung ihrer Funktion das strengere deutsche bzw. europäische Datenschutzrecht (DS-GVO) anzuwenden. Das unterschiedslose Herunterladen von mindestens 30.000 Dokumenten auf Vorrat widerspreche den Grundsätzen ordnungsgemäßen Schulleitungshandelns und verletze die Pflicht der Klägerin als Schulleiterin, durch ihr Verhalten das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland zu wahren. Das Bekanntwerden der „Datenpanne“ habe das Ansehen der Klägerin in der Schulöffentlichkeit massiv beeinträchtigt, zumal sie zunächst nicht bereit gewesen sei, die erlangten Daten von ihrem privaten Rechner zu löschen, und dies erst nach mehrfacher Aufforderung durch den Schulvorstand unter Aufsicht vollzogen habe.

Die Klägerin hat am 31. Oktober 2022 Klage beim Verwaltungsgericht Berlin erhoben, welches diese mit Beschluss vom 17. November 2022 an das Verwaltungsgericht Potsdam verwiesen hat. Zur Begründung bezieht sie sich auf ihr Vorbringen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes.

Die Beteiligten haben den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt, soweit sich der Widerruf auf den Zeitraum 1. August 2023 bis 31. Juli 2026 erstreckt.

Die Klägerin beantragt nunmehr sinngemäß,

den Widerrufsbescheid des Bundesamtes für Auswärtige Angelegenheiten – Zentralstelle für das Auslandsschulwesen vom 1. August 2022 und den Widerspruchsbescheid vom 12. Oktober 2022 aufzuheben, soweit der Vermittlungsbescheid vom 17. Dezember 2019 für den Zeitraum vom 1. September 2022 bis 31. Juli 2023 widerrufen worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie nimmt zur Begründung Bezug auf die angefochtenen Bescheide und ihr Vorbringen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. Ergänzend dazu führt sie aus, sie habe sich bei der Entscheidung über den Widerruf auf eine kursorische Prüfung der gegen die Klägerin erhobenen Vorwürfe beschränken dürfen. Das vom Land Berlin eingeleitete Disziplinarverfahren sei plausibel begründet gewesen und habe sich mit den Feststellungen der zuständigen Regionalbeauftragten der Beklagten sowie der Prüfungsbeauftragten der Kultusministerkonferenz gedeckt. Die Grundsätze der vorläufigen Dienstenthebung seien vorliegend nicht einschlägig, da zwischen der Klägerin und der Beklagten ausschließlich ein Zuwendungsverhältnis bestanden habe. Der Beklagten stünden anders als der Dienstbehörde im Disziplinarverfahren keine Mittel zur Sachverhaltsaufklärung zur Verfügung.

Am 1. November 2022 beantragte die Klägerin beim Verwaltungsgericht Potsdam die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den Widerrufsbescheid vom 1. August 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 2022 (Verfahren VG 11 L 823/22). Das Verwaltungsgericht Potsdam hat dem Antrag mit Beschluss vom 19. Dezember 2022 mit der Begründung stattgegeben, dass die Beklagte bereits durch die Bindungswirkung des Beschlusses vom 4. Oktober 2022 daran gehindert sei, eine erneute Sofortvollzugsanordnung zu treffen. Die Beklagte sei vielmehr auf den Weg eines Änderungsantragsverfahrens nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO zu verweisen.

Am 31. Januar 2023 beantragte die Klägerin beim Verwaltungsgericht Potsdam, die Beklagte im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Schulträger und die kommissarische Schulleitung der G_____ anzuhalten, den Antrag auf Verlängerung des Visums der Klägerin an die zuständigen amerikanischen Behörden weiterzuleiten (VG 11 L 73/23). Das Gericht lehnte den Antrag mit Beschluss vom 20. Februar 2023 mit der Begründung ab, der Verwaltungsrechtsweg sei nicht eröffnet. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Klägerin wies das OVG Berlin-Brandenburg mit Beschluss vom 20. April 2023 (OVG 4 S 10/23) zurück und führte zur Begründung aus: Zwar sei der Verwaltungsrechtsweg eröffnet, da die Beklagte gegenüber den Schulträgern im Ausland hoheitlich handele. Die Klägerin habe aber keinen Anspruch auf Tätigwerden der Beklagten.

Die Beklagte beantragte am 1. März 2023 beim Verwaltungsgericht Potsdam, die Beschlüsse vom 4. Oktober 2022 und vom 19. Dezember 2022 aufzuheben und die Anträge auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs bzw. der Klage der Klägerin zurückzuweisen (VG 11 L 128/23). Zur Begründung führte sie aus, sie habe ihre Sachverhaltsaufklärung und Ermessensausübung insgesamt nachgebessert. Hinzu trete die Tatsache, dass die Klägerin seit dem 1. März 2023 nicht mehr über ein gültiges Visum und damit auch nicht mehr über eine Arbeitserlaubnis für die USA verfüge. Damit sei sie objektiv nicht mehr in der Lage, die Verpflichtungen aus dem Vermittlungsbescheid und des mit der G_____ geschlossenen Dienstvertrages zu erfüllen. Es sei ein zusätzlicher Widerrufstatbestand nach Ziff. VI des Vermittlungsbescheides gegeben, ohne dass es auf ein Verschulden der Klägerin ankäme. Ihre Tätigkeit als Schulleiterin sei mit Ablauf ihres Visums und der damit verbundenen Arbeitserlaubnis faktisch beendet.

Das Verwaltungsgericht Potsdam hat den Änderungsantrag der Beklagten mit Beschluss vom 3. April 2023 mit der Begründung abgelehnt, veränderte Umstände lägen nicht in dem Ablauf des Visums der Klägerin, da sie sich weiterhin in Kalifornien aufhalte, nachvollziehbar dargelegt habe, dass eine Verlängerung des Visums weiterhin möglich sei und sie daher weiterhin zur tatsächlichen Dienstleistung als Schulleiterin in der Lage sei. Auch seien die Ermessenserwägungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid nicht entscheidend nachgebessert worden. Die im Disziplinarverfahren gegen die Klägerin erhobenen Vorwürfe seien nur teilweise plausibilisiert worden. Die von der Beklagten erhobene Beschwerde gegen den Beschluss hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg mit Beschluss vom 16. Juni 2023 (OVG 4 S 19/23) zurückgewiesen.

Unter dem 6. April 2023 erließ die Beklagte einen Feststellungbescheid, in dem sie feststellte, dass der Anspruch der Klägerin auf die Zahlung von Zuwendungen unabhängig von der Rechtmäßigkeit des Widerrufsbescheids vom 1. August 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Oktober 2022 spätestens seit dem 1. April 2023 erloschen sei, da die Tätigkeit als Schulleiterin spätestens zu diesem Zeitpunkt vorzeitig geendet habe. Die Tätigkeit der Klägerin sei faktisch beendet, weil ihr Visum und die damit verbundene Arbeitserlaubnis mit dem 30. März 2023 abgelaufen seien und sie daher aus rechtlichen Gründen nicht mehr in der Lage sei, weiterhin als Schulleiterin tätig zu sein. Die Klägerin hat am 14. April 2023 Widerspruch gegen den Feststellungsbescheid erhoben, welchen die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom gleichen Tag zurückgewiesen hat.

Die Klägerin beantragte am 25. April 2023, die Beklagte im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr auch weiterhin Zuwendungen entsprechend dem Vermittlungsbescheid zu zahlen (Verfahren VG 11 L 263/23). Das Verwaltungsgericht Potsdam hat dem umgedeuteten Antrag mit Beschluss vom 4. Mai 2023 stattgegeben und der Beklagten auf der Grundlage von § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO aufgegeben, die mit dem Vermittlungsbescheid zugesagten Zuwendungen der Klägerin weiterhin auszuzahlen, solange die aufschiebende Wirkung der hier streitgegenständlichen Anfechtungsklage andauere. Zur Begründung führte das Gericht aus, die Beklagte habe weiterhin die aufschiebende Wirkung der gegen den Widerrufsbescheid gerichteten Anfechtungsklage zu beachten. Daran ändere sich nicht deshalb etwas, weil die Beklagte meine, wegen faktischer Unmöglichkeit der Dienstausübung stünde ihr nunmehr ein weiterer Grund für den faktischen Vollzug des Widerrufsbescheides zur Seite. Auch dies berechtige die Beklagte nicht, sich über die Bindungswirkung der Beschlüsse im einstweiligen Rechtsschutz hinwegzusetzen. Vielmehr habe die Beklagte diese Gesichtspunkte in dem damals noch anhängigen Beschwerdeverfahren OVG 4 S 19/23 oder in einem erneuten Änderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO einzubringen. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg mit Beschluss vom 21. Juli 2023 zurückgewiesen (OVG 4 S 21/23).

Die Klägerin hat mit Schreiben vom 30. Mai 2023 den Arbeitsvertrag mit der G_____zum Ablauf des 31. Juli 2023 gekündigt. Auch die Beurlaubung der Klägerin durch das Land B_____endete mit Ablauf des 31. Juli 2023.

Nach Mitteilung des Beklagten habe die S_____ gegen die Klägerin am 2. Juli 2024 im Rahmen einer Disziplinarverfügung eine Kürzung der Dienstbezüge um 10 Prozent für die Dauer von 36 Monaten ausgesprochen. Die Klägerin weist darauf hin, dass sie Klage gegen diese Disziplinarverfügung erhoben habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Prozessakten und die jeweils beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Verfahren VG 11 L 644/22 (drei Heftungen Verwaltungsvorgänge), VG 11 L 823/22 (eine Heftung Verwaltungsvorgänge), VG 11 L 73/23, VG 11 L 128/23, VG 11 L 263/23 (eine Heftung Verwaltungsvorgänge) sowie VG 2 K 1313/23, die vorgelegen haben und zum Gegenstand der Entscheidungsfindung gemacht worden sind.

Entscheidungsgründe

Der Berichterstatter konnte anstelle der Kammer (§ 87a Abs. 2 und Abs. 3 VwGO) ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO) entscheiden, weil die Beteiligten sich damit einverstanden erklärt haben.

Soweit die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war das Verfahren einzustellen. Im Übrigen hat die Klage Erfolg. Sie ist zulässig, weil die Klageerhebung bei dem örtlich unzuständigen Verwaltungsgericht Berlin innerhalb der Klagefrist (§ 74 Abs. 1 VwGO) erfolgte. Darauf, ob die Verweisung an das örtlich zuständige Gericht noch innerhalb der Klagefrist erfolgte, kommt es nicht an (§ 83 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17b Abs. 1 Satz 2 Gerichtsverfassungsgesetz - GVG).

Die Klage ist auch begründet. Der Widerrufsbescheid vom 1. August 2022 und der Widerspruchsbescheid vom 12. Oktober 2022 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), soweit der Vermittlungsbescheid vom 17. Dezember 2019 für den Zeitraum vom 1. September 2022 bis 31. Juli 2023 widerrufen worden ist.

In dem für die gerichtliche Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids (dazu im Folgenden 1.) lagen weder die Voraussetzungen für einen Widerruf des Vermittlungsbescheides nach § 49 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG (2.) noch nach § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG (3.) vor.

1. Für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei dem Widerruf eines begünstigenden Verwaltungsaktes der Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung – hier des Widerspruchsbescheids vom 12. Oktober 2022 – maßgeblich. Es handelt sich um eine Anfechtungsklage, für die das einschlägige materielle Recht insoweit keine abweichende Regelung trifft. Bei dem Widerruf des Vermittlungsbescheids handelt es sich nicht um einen Dauerverwaltungsakt, sondern um eine rechtsgestaltende Verfügung, mit der in Form einer einmaligen Regelung eine Rechtsposition wieder entzogen wird, die einer inländischen Lehrkraft auf ihre Bewerbung hin (vgl. § 11 Auslandsschulgesetz - ASchulG sowie Ziff. 2.1.4 Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Bundesminister des Auswärtigen und den Kultusministerinnen und Kultusministern sowie Senatorinnen und Senatoren der Länder zum Einsatz von Lehrkräften im deutschen Auslandsschulwesen Auslandsschulgesetz vom 5. Dezember 2013 i. d. F. vom 12. Januar 2021) eingeräumt wurde. Dieses Erfordernis einer erneuten Bewerbung schließt es aus, die für eine erneute Bestätigung ggf. relevanten Umstände bereits im laufenden Anfechtungsprozess zu berücksichtigen, vgl. BVerwG, Urteil vom 7. November 2012 - 8 C 28.11 -, juris Rn. 13; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. März 2017 - OVG 1 B 22.15 -, juris Rn. 13, jeweils m.w.N.

2. Die Beklagte durfte den Vermittlungsbescheid nicht aufgrund des in diesem Bescheid enthaltenen Vorbehalts (§ 49 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG) widerrufen. Zwar hat sich die Beklagte in dem Vermittlungsbescheid in zulässiger Weise den Widerruf für verschiedene Fallgestaltungen vorbehalten (dazu im Folgenden a.), doch liegen die in den Widerrufsvorbehalten genannten besondere Gründe nicht vor (b.). Jedenfalls hat die Beklagte ihr Widerrufsermessen fehlerhaft betätigt (c.).

a. Die rechtliche Zulässigkeit der in den Vermittlungsbescheid vom 17. Dezember 2019 aufgenommenen Widerrufsvorbehalte nach § 36 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG begegnet keinen Bedenken. Die Beklagte hat sich unter Ziff. VI. den Widerruf des Bescheids unter anderem für Fallgestaltungen vorbehalten, wenn der Schulleiter die Verpflichtungen des Bescheides oder des Vertrags mit dem Träger der ausländischen Bildungseinrichtung nicht erfüllt, sein Verhalten den Grundsätzen und Bestimmungen des Bescheides widerspricht oder die Zentralstelle feststellt, dass der Schulleiter den ihm erteilten Auftrag nicht hinreichend erfüllt. Über die Bezugnahme auf die Richtlinie für die Gewährung von Zuwendungen an Lehrkräfte im Auslandsschuldienst finden auch die dort in Ziff. 1.1.4 genannten Widerrufsgründe – Nichterfüllung der Verpflichtungen aus dem Bescheid bzw. Schädigung des Ansehens der Bundesrepublik Deutschland im Gastland – Anwendung. Die Beklagte stellt damit sicher, dass die mit der Gewährung von Zuwendungen an die Auslandsdienstlehrkräfte verfolgten öffentlichen Zwecke der auswärtigen Kulturpolitik bzw. der Vermittlung deutscher Kultur im Ausland und des kulturellen Austauschs erreicht werden und bei einer – ggf. drohenden – Zweckverfehlung die Zuwendungen beendet werden können. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden und von der Klägerin auch nicht in Zweifel gezogen worden.

b. Die genannten besonderen Gründe für den vorbehaltenen Widerruf des Vermittlungsbescheides lagen jedoch in dem für die gerichtliche Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 2022 nicht vor. Die streitgegenständlichen Bescheide leiden an dem grundlegenden Fehler, allein an den Umstand der Einleitung eines Disziplinarverfahrens durch den inländischen Dienstherrn der Klägerin bzw. die im Rahmen der Einleitung bzw. Ausdehnung des Disziplinarverfahrens gegen sie erhobenen Vorwürfe anzuknüpfen, ohne sich mit der Einlassung der Klägerin zu diesen Vorwürfen auseinanderzusetzen oder das Vorliegen hinreichender Verdachtsgründe selbständig zu prüfen. Dies ist der Beklagten vom Gericht bereits in den Beschlüssen in den Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vom 4. Oktober 2022 (VG 11 L 644/22, nur in Bezug auf den Widerrufsbescheid) und vom 3. April 2023 bereits dargelegt worden und ist im Ergebnis auch im Hauptsacheverfahren nicht anders zu beurteilen.

Dazu im Einzelnen:

aa. Die Beklagte knüpft an das der Klägerin vorgeworfene Verhalten die für sie negative Rechtsfolge des Widerrufs des Vermittlungsbescheids, was für die Klägerin die vorzeitige Beendigung ihres Einsatzes als Schulleiterin an der G_____ bedeutet. Sie ist daher – da das materielle Recht hier keine besondere Regelung trifft – nach allgemeinen Grundsätzen darlegungspflichtig und trägt die materielle Beweislast für das Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen des Widerrufs, vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Mai 2008 - 6 C 13.07 -, juris Rn. 41; Urteil vom 13. April 2005 - 10 C 8.04 -, juris Rn. 26.

Insoweit kann es für die Annahme einer Nicht- bzw. Schlechterfüllung der Verpflichtungen aus dem Vermittlungsbescheid oder einer Schädigung des Ansehens der Bundesrepublik Deutschland im Ausland nicht genügen, dass gegen die Klägerin lediglich Vorwürfe erhoben worden sind. Die Beklagte muss sich auch mit der Frage auseinandersetzen, ob diese Vorwürfe zutreffen oder – wenn sie der Auffassung ist, dass eine abschließende Klärung dieser Vorwürfe nicht abgewartet werden kann – ob die Klägerin des vorgeworfenen Verhaltens hinreichend verdächtig ist. Mindestens hat sie die erhobenen Vorwürfe einer Plausibilitätskontrolle zu unterziehen. Andernfalls würde allein die Erhebung schwerwiegender Vorwürfe, die sich möglicherweise nach einer einfachen Überprüfung als haltlos erweisen, genügen, um den Einsatz einer Auslandsdienstlehrkraft vorzeitig zu beenden.

Insbesondere wird die Beklagte der Notwendigkeit, die Stichhaltigkeit der gegen die Lehrkraft bzw. hier die Schulleiterin erhobenen Vorwürfe selbständig zu überprüfen, nicht allein dadurch enthoben, weil der inländische Dienstherr – hier das Land B_____– gegen die Klägerin ein Disziplinarverfahren eingeleitet hat. Zwar setzt die Einleitung eines Disziplinarverfahrens nach § 17 Abs. 1 Satz 1 des Berliner Disziplinargesetzes (DiszG Bln) zureichende tatsächliche Anhaltspunkte voraus, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtsfertigen, worauf die Beklagte in ihren Bescheiden zutreffend hinweist. Dies ist der Fall, wenn der Dienstvorgesetzte Kenntnis von Tatsachen erhält, aufgrund derer die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass ein bestimmter Beamter schuldhaft seine Dienstpflichten in disziplinarrechtlich relevanter Weise verletzt hat, vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. November 2008 - 2 B 63.08 -, juris Rn. 10.

Der Umstand, dass der Dienstvorgesetzte der Klägerin die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 DiszG Bln als gegeben ansieht, entbindet die Beklagte hingegen nicht von der Pflicht, das Vorliegen hinreichender Verdachtsgründe selbständig zu prüfen. Daher irrt die Beklagte, wenn sie meint, (allein) die Durchführung eines Disziplinarverfahrens sei geeignet, das Ansehen der Schulleitung, aber auch der gesamten auswärtigen Bildungs- und Kulturpolitik zu schädigen (Widerrufsbescheid vom 1. August 2022, S. 2). Ebenso unzutreffend ist die Annahme, die Knüpfung der Einleitung eines Disziplinarverfahrens an einen zureichenden Verdacht rechtfertige es, die Einleitung als einen Umstand anzusehen, bei dessen Eintritt die Zentralstelle einen sachlichen Grund habe, den Vermittlungsbescheid zu widerrufen (Widerrufsbescheid, S. 3 und Widerspruchsbescheid vom 12. Oktober 2022, S. 4). Diese Annahmen messen der Einleitung eines Disziplinarverfahrens eine Art Tatbestandswirkung eines Verwaltungsaktes bei, vgl. zu dieser etwa Goldhammer, in: Schoch/Schneider, Dokumentenstand August 2021, VwVfG § 43 Rn. 75 ff., die der Einleitung schon deshalb nicht zukommen kann, weil sie mangels Außenwirkung keinen Verwaltungsakt darstellt und daher auch nicht eigenständig rechtlich angefochten werden kann. Eine irgendwie geartete Feststellungswirkung mit rechtlicher Außenwirkung hinsichtlich der Voraussetzungen für die Einleitung eines Disziplinarverfahrens kommt ihr nicht zu. Ihre rechtlichen Wirkungen sind auf den Bereich des behördlichen Disziplinarverfahrens hier der S_____ beschränkt (vgl. insbesondere §§ 20 ff. DiszG Bln). Die Beklagte kann im Zuwendungsverhältnis zwar an gegen die Zuwendungsempfängerin im Disziplinarverfahren erhobene Vorwürfe mit Bezug zum Zuwendungsverhältnis anknüpfen. Sie muss diese Vorwürfe und deren Tragfähigkeit jedoch selbständig würdigen und darf den hinreichenden Verdacht nicht allein mit dem Umstand der Einleitung eines Disziplinarverfahrens durch den inländischen Dienstherrn begründen. Diese Verpflichtung folgt – wie bereits ausgeführt – schon aus der Darlegungslast der Beklagten für die rechtlichen Voraussetzungen des Widerrufs. Nur ergänzend dazu ist darauf hinzuweisen, dass ohne eine derartige Prüfung eine missbräuchliche Einleitung eines Disziplinarverfahrens ausreichen würde, um der betroffenen Lehrkraft die Möglichkeiten einer effektiven Rechtsverteidigung gegen den Widerruf ihrer Vermittlung und die vorzeitige Beendigung ihrer Tätigkeit an einer Auslandsschule zu nehmen, da ein Abwarten der Beendigung des behördlichen und ggf. gerichtlichen Disziplinarverfahrens – wie auch vorliegend – im Widerrufsverfahren regelmäßig nicht möglich ist.

Aus diesem Grund kann es letztlich dahingestellt bleiben, ob der Widerruf des Vermittlungsbescheids in seinen rechtlichen Wirkungen mit einer vorläufigen Dienstenthebung nach § 38 Abs. 1 DiszG Bln vergleichbar ist. Das Gericht hatte in dem Beschluss vom 4. Oktober 2022 (VG 11 L 644/22) im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes argumentiert, dass bei Auslandsdienstlehrkräften schlechthin jedes Disziplinarverfahren die Wirkung einer vorläufigen Dienstenthebung hätte, wenn allein die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gleichsam automatisch dazu führen würde, dass die Vermittlung einer Auslandsdienstkraft widerrufen werden könnte. Die Beklagte hat dem entgegengehalten, dass die Auslandsdienstlehrkraft im Falle eines Widerrufs anders als bei einer vorläufigen Dienstenthebung in den inländischen Dienst zurückkehren könne. Dies kann vorliegend auf sich beruhen. Die Beklagte hat die Plausibilität und den hinreichenden Verdachtsgrad der gegen die Klägerin erhobenen Vorwürfe aufgrund ihrer Pflicht zur Darlegung der rechtlichen Voraussetzungen des § 49 VwVfG zu würdigen und zu prüfen und nicht aufgrund der besonderen Schwere der Rechtsfolgen des von ihr verfügten Widerrufs.

bb. Die danach gebotenen eigenen Feststellungen nicht nur zur Schwere der erhobenen Vorwürfe, sondern auch zum vorliegenden Verdachtsgrad, bei dem in entsprechender Anwendung des bereits beschriebenen rechtlichen Maßstabs für die Einleitung eines Disziplinarverfahrens mindestens die Feststellung von Tatsachen erforderlich wäre, aufgrund derer die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Klägerin schuldhaft ihre Pflichten aus dem Vermittlungsbescheid verletzt hat, hat die Beklagte weder getroffen noch sind diese für den entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids anderweitig ersichtlich.

In dem Widerrufsbescheid vom 1. August 2022 wird allein die Einleitung des Disziplinarverfahrens gegen die Klägerin als Begründung für den Widerruf des Vermittlungsbescheids genannt. Die gegen die Klägerin im Rahmen des Disziplinarverfahrens erhobenen Vorwürfe werden nicht präzisiert. Der Einleitungsvermerk bzw. das an die Klägerin gerichtete Anhörungsschreiben vom 29. Juni 2022 scheinen der Beklagten zum damaligen Zeitpunkt auch nicht vorgelegen zu haben. In dem Widerspruchsbescheid vom 12. Oktober 2022 kündigt die Beklagte zwar eine umfassende Würdigung der Schwere der erhobenen Vorwürfe und des jeweils vorliegenden Verdachtsgrades an (dort S. 4). Die sich daran anschließenden Ausführungen beschränken sich jedoch auf die Schwere der erhobenen Vorwürfe und treffen zum Verdachtsgrad gerade keine Aussagen.

(1) Hinsichtlich des Vorwurfs an die Klägerin, ihren mitreisenden Ehemann mit der Fächerkombination Mathematik/Physik/Informatik ab dem Schuljahr 2020/2021 mit einem vollen Deputat zulasten der fachlichen Verwendung anderer Lehrkräfte an der G_____ eingestellt zu haben, obwohl der Stundenbedarf dieser Fächer bereits anderweitig abgedeckt gewesen sei, fehlt es an der gebotenen Auseinandersetzung mit der Darstellung der Klägerin in ihrer Stellungnahme gegenüber der S_____ vom 3. August 2022 (Bl. 16 R ff. Verfahrensakte VG 11 L 644/22). Danach habe sich der Ehemann der Klägerin, der als sogenannte Ortslehrkraft an der G_____ beschäftigt gewesen sei, auf eine ausgeschriebene Stelle bereits am 26. Juni 2019 und damit mehr als sieben Monate vor dem Dienstantritt der Klägerin und mehr als fünf Monate vor Durchführung des Auswahlverfahrens für die Schulleiterstelle beworben. Ihm sei im Rahmen des Auswahlverfahrens mitgeteilt worden, dass es sich bei den von ihm unterrichteten Fächern um Mangelfächer handele. Die Einstellung sei schließlich nicht durch die Klägerin als Schulleiterin, sondern durch den Schulträger erfolgt. Der Fachbedarf an der G_____ habe auch nicht durch bereits an der Schule beschäftigte Lehrkräfte gedeckt werden können, was damit begründet wird, dass mit Ablauf des Schuljahres 2019/2020 zwei Auslandsdienstlehrkräfte für Mathematik die G_____ verlassen hätten.

Mit dieser abweichenden Darstellung des Sachverhalts durch die Klägerin setzt sich die Beklagte im Widerspruchsbescheid nicht auseinander, sondern beschränkt sich auf die Feststellung, dass der begründete Verdacht gegenüber der Klägerin, ihren Ehemann mit einem zusätzlichen vollen Deputat ausgestattet zu haben, obwohl die Unterrichtsversorgung auch anderweitig hätte abgedeckt werden können, geeignet sei, das Vertrauen in die Integrität des Schulleitungshandelns zu gefährden und einen Pflichtenverstoß darstelle. Darauf, dass die Klägerin in schlüssiger Weise einen vollständig anders gelagerten Sachverhalt vorgetragen hat, der diese rechtliche Bewertung nicht trägt, geht die Beklagte nicht ein. Dabei kann sie sich auch nicht darauf berufen, dass ihr disziplinarische Ermittlungen nicht möglich seien. Das trifft in der Sache zwar zu, doch ist die Beklagte dadurch nicht gehindert, eigene Erkundigungen bei dem Träger der G_____ oder auch – ggf. nach Einverständnis durch die Klägerin – bei der S_____ als Disziplinarbehörde anzustellen, um die Sachlage weiter aufzuklären.

Die gebotene Würdigung des Vorbringens der Klägerin wird auch nicht durch das Vorbringen der Beklagten im gerichtlichen Verfahren vorgenommen, das eingeleitete Disziplinarverfahren sei plausibel begründet gewesen und habe sich mit den Feststellungen der zuständigen Regionalbeauftragten der Beklagten sowie der Prüfungsbeauftragten der Kultusministerkonferenz gedeckt. Das ist vor dem Hintergrund der detaillierten Einlassung der Klägerin bereits völlig unsubstantiiert.

(2) Auch zu dem Vorwurf, unter Ausnutzung ihrer Position als Schulleiterin in die Benotung ihres an der G_____ unterrichteten Sohnes eingegriffen zu haben, hat die Klägerin in tatsächlicher Hinsicht umfangreich und detailliert vorgetragen, ohne dass die Beklagte sich mit diesem Vorbringen auseinandergesetzt hätte. Der Klägerin wurde im Rahmen der Einleitung vorgeworfen, am 8. Juni 2020 nachträglich und unter Ausnutzung ihrer Position bei dem zuständigen Fachlehrer beantragt zu haben, eine Mathematikklausur ihres Sohnes aus dem Februar 2020 wegen einer „angeblich am gleichen Tag geschriebenen weiteren Klausur“ nicht werten zu lassen, wodurch sich die Semesternote in Mathematik des Sohnes von 12 auf 14 Punkten erhöht habe. Die Klägerin hat hierzu in ihrer Stellungnahme vom 3. August 2022 vorgetragen, sie habe moniert, dass am gleichen Tag in rechtlich unzulässiger Weise zwei Klausuren geschrieben worden seien. Auch damit setzt sich die Beklagte nicht in der gebotenen Weise auseinander. Denn wenn die Darstellung der Klägerin zutreffen sollte, wäre es jedenfalls begründungsbedürftig, weshalb ihr der Hinweis auf einen Verstoß gegen rechtliche Vorgaben als Mutter eines von diesem Fehler betroffenen Schülers nicht gestattet sein sollte.

In vergleichbarer Weise hat die Klägerin auch zu den Vorwürfen Nr. 4 bis 7 des Anhörungsschreibens vom 29. Juni 2022 umfang- und detailreich Stellung genommen und die jeweiligen Sachverhalte in schlüssiger Weise anders dargestellt: Bei der Lehrkraft Frau W_____ sei es nicht um die Benotung der Geschichtsklausur, sondern um eine Nachbesprechung der Klausur gegangen. Von der Sportlehrerin habe die Klägerin nicht die Anhebung der Sportnote des Sohnes gefordert, sondern sich eine Ermunterung zum Sporttreiben unter Corona-Bedingungen erhofft. Hinsichtlich der Deutschklausur habe der Ehemann der Klägerin federführend mit der Deutschlehrerin kommuniziert und insbesondere eine Begründung für die gegenüber den Vorleistungen schlechtere Klausurbewertung des Sohnes gefordert. Die Klägerin habe im Gespräch mit der Lehrerin darauf hingewiesen, dass ihr Sohn wesentlich bessere mündliche Leistungen gezeigt habe. Zudem habe sie gegenüber dem Prüfungsvorsitzenden sowie der Prüfungsverantwortlichen der K_____ darauf hingewiesen, dass die – von dem Sohn aufgrund einer Verhinderung nicht mitgeschriebene – Probeklausur nach ihrer Auffassung zu nahe an der Aufgabenstellung in der Abiturklausur gelegen habe. Hinsichtlich der Benotung des Biologie-Quizes nur auf Wunsch der Schüler habe die Klägerin lediglich auf die bestehende Beschlusslage der Gesamtkonferenz hingewiesen.

Mit der gesamten abweichenden Darstellung der vorgeworfenen Sachverhalte durch die Klägerin setzt sich die Beklagte nicht in der erforderlichen Art und Weise auseinander. Wie das Gericht bereits in dem Beschluss vom 4. Oktober 2022 (VG 11 L 644/22, S. 5 BA) ausgeführt hat, fehlt insoweit jede Auseinandersetzung mit dem Umstand, dass auch eine Schulleiterin berechtigt sein muss, Gespräche mit den Lehrkräften ihres Sohnes zu führen, die alle Eltern von Schülern mit den jeweiligen Lehrkräften regelmäßig führen, und dass nicht jede dabei zutage tretende Meinungsverschiedenheit gleich als „Anweisung“ zu verstehen sein dürfte. Die Beklagte beschränkt sich im Widerspruchsbescheid vom 12. Oktober 2022 auf die – an sich zutreffende – Feststellung, dass der Vorwurf, unter Ausnutzung ihrer Funktion als Schulleiterin unzulässig auf die Notenvergabe ihres Sohnes eingewirkt zu haben, den Kernbereich des Handelns einer Schulleitung angreife, was im Folgenden näher ausgeführt wird. Schon der „begründete Verdacht“ der unzulässigen Einflussnahme auf die Notengebung gefährde die ordnungsgemäße Durchführung von Prüfungen. Zur Plausibilisierung dieses Verdachts werden anschließend die in dem Schreiben der S_____ in den Ziff. 2, 6, 7 und 8 beschriebenen Vorwürfe wiederholt und festgestellt, diese schwerwiegenden Vorwürfe seien geeignet, die Unparteilichkeit der Klägerin bei der Wahrnehmung der Aufgaben der Schulleiterin massiv infrage zu stellen. Dass die Klägerin die entsprechenden Sachverhalte in tatsächlicher Hinsicht anders dargestellt hat und weshalb diese Darstellung nicht zutreffend oder glaubhaft sein sollte, wird nicht einmal ansatzweise ausgeführt.

Der Hinweis der Beklagten im gerichtlichen Verfahren auf die Wahrnehmungen der Regionalbeauftragten und der Prüfungsbeauftragten der K_____, welche die in der Einleitungsverfügung der S_____ gegen die Klägerin erhobenen Vorwürfe angeblich stützen, bleibt auch insoweit pauschal. Zudem legt die Beklagte nicht dar, dass und weshalb die genannten Personen zu den betreffenden Begegnungen zwischen der Klägerin und den ihren Sohn unterrichtenden Lehrkräften aus eigenem Erleben berichten können sollten.

(3) In Bezug auf den „ungenehmigten Datenabfluss“ fehlt es an einer ausreichenden rechtlichen Konkretisierung des vorgeworfenen Pflichtenverstoßes. Diesbezüglich hat die Klägerin zwar den Sachverhalt – das Kopieren einer Vielzahl von Dateien vom Server der G_____ auf ihren privaten Account – dem Grunde nach eingeräumt, aber geltend gemacht, dies entspreche einer allgemein geübten Praxis an der G_____ etwa von Lehrkräften, die nach Deutschland zurückkehrten, und verstoße nach einer von ihr beauftragten Stellungnahme einer kalifornischen Rechtsanwaltskanzlei nicht gegen kalifornisches Recht (vgl. Bl. 44 R ff. der Verfahrensakte VG 11 L 823/22). Demgegenüber reicht es zur Konkretisierung eines Pflichtenverstoßes der Klägerin, der zum Widerruf des Vermittlungsbescheids berechtigt, nicht aus, wenn die Beklagte einräumt, dass die Strafbarkeit des Datenabflusses sich zunächst nach örtlichem Recht beurteile, alle Schulleiterinnen und Schulleiter an Deutschen Auslandsschulen jedoch „angehalten“ seien, das strengere deutsche bzw. europäische Datenschutzrecht (DS-GVO) anzuwenden. Woraus diese rechtliche Verpflichtung auf die Datenschutz-Grundverordnung (VO (EU) 2016/679) folgen soll, wird weder angegeben noch ist dies sonst ersichtlich. Insbesondere enthält der Vermittlungsbescheid vom 17. Dezember 2019 ausdrücklich nur die Verpflichtung zur Einhaltung der Gesetze des Gastlandes und im Übrigen keine datenschutzrechtlichen Vorgaben. Insofern wäre es Sache der Beklagten gewesen, darzulegen, auf welche Weise die Klägerin etwa durch Nebenbestimmung zum Vermittlungsbescheid oder ein ihr bekanntgegebenes Datenschutzkonzept der G_____ auf die Standards der DS-GVO verpflichtet worden sein soll.

cc. Die Voraussetzungen für den Widerrufsvorbehalt sind auch nicht deshalb erfüllt, weil unabhängig vom Vorliegen eines hinreichenden Verdachts bezüglich des der Klägerin vorgeworfenen Verhaltens ihr Ansehen als Schulleiterin bzw. das Vertrauen der am Schulleben Beteiligten in sie beschädigt oder gar zerstört gewesen wäre. Soweit die Beklagte die streitgegenständlichen Bescheide auf diese Erwägung stützt, sind die Voraussetzungen für den im Vermittlungsbescheid vorbehaltenen Widerruf allein dadurch nicht erfüllt. Denn selbst wenn ein Ansehens- oder Vertrauensverlust eingetreten wäre, könnte dies nur dann zu einem Widerruf führen, wenn dies der Klägerin aufgrund eines pflichtwidrigen Verhaltens in irgendeiner Form zurechenbar wäre. Ohne diese – nach der aktenkundigen Sachlage nicht zur Überzeugung des Gerichts feststellbaren – Zurechenbarkeit kann jedoch weder von einem den Grundsätzen und Bestimmungen des Vermittlungsbescheides widersprechenden Verhalten noch von einer Nicht- oder Schlechterfüllung der Verpflichtungen aus dem Bescheid ausgegangen werden. Auch eine Schädigung des Ansehens der Bundesrepublik setzt eine Zurechenbarkeit voraus.

Soweit in Ziff. 1.1.1 der Zuwendungsrichtlinie in der Fassung vom 1. Juni 2022 bestimmt wird, dass der Vermittlungsbescheid auch widerrufen werden kann, wenn die zuständige Auslandsvertretung bestätigt, dass das Vertrauensverhältnis zwischen dem Träger der ausländischen Bildungseinrichtung und der Lehrkraft so erschüttert ist, dass eine sinnvolle Zusammenarbeit im Sinne der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik nicht mehr möglich erscheint und ein dringendes öffentliches Interesse nicht entgegensteht, fehlt es im vorliegenden Fall jedenfalls an einer Bestätigung der Auslandsvertretung. Daher kann dahingestellt bleiben, ob diese in die Fassung der Zuwendungsrichtlinie vom 1. Juni 2022 gegenüber der zum Zeitpunkt des Erlasses des Vermittlungsbescheids am 17. Dezember 2019 anwendbaren Fassung vom 1. Dezember 2017 neu aufgenommene Regelung in zeitlicher Hinsicht überhaupt anwendbar ist. Zudem spricht die genannte Regelung auch dafür, dass eine Beschädigung des Vertrauensverhältnisses unterhalb der dort beschriebenen Schwelle für einen Widerruf allein nicht ausreicht, wenn nicht zugleich ein anderer Widerrufsgrund erfüllt ist. Gegen die Annahme zumindest einer schwerwiegenden Störung des Vertrauensverhältnisses zum Schulträger spricht schließlich, dass dieser von der ihm offenstehenden Möglichkeit einer Kündigung des Arbeitsvertrages mit der Klägerin keinen Gebrauch gemacht hat, sondern diese selbst den Vertrag durch Kündigung zum 31. Juli 2023 beendet hat.

dd. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es für die Rechtmäßigkeit des Widerrufsbescheids vom 1. August 2022 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 12. Oktober 2022 nicht von Bedeutung, dass die S_____ gegen die Klägerin am 2. Juli 2024 mit Disziplinarverfügung eine Kürzung der Dienstbezüge um 10 Prozent für die Dauer von 36 Monaten ausgesprochen hat. Der für die gerichtliche Prüfung maßgebliche Zeitpunkt ist – wie bereits ausgeführt – der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, hier also der 12. Oktober 2022. Die streitgegenständlichen Bescheide bleiben daher auch dann rechtswidrig, wenn der Widerruf des Vermittlungsbescheids bei einer zu einem späteren Zeitpunkt gegebenen Sachlage rechtlich zulässig gewesen wäre. Da es sich bei dem Widerruf nicht um einen Dauerverwaltungsakt handelt, sind Änderungen der Sach- oder Rechtslage nach der letzten Behördenentscheidung nicht zu berücksichtigen. Für das Gericht besteht daher auch kein Anlass, den Inhalt der Disziplinarverfügung zu ermitteln.

c. Unabhängig davon, also auch bei Annahme des Vorliegens der besonderen Gründe für den vorbehaltenen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG, ist der Widerruf durch die Beklagte ermessensfehlerhaft erfolgt. Ist der Behörde – wie vorliegend durch § 49 Abs. 2 VwVfG – durch eine Norm Ermessen eingeräumt, ist die gerichtliche Prüfung darauf beschränkt, ob der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (vgl. § 114 Satz 1 VwGO, § 40 VwVfG). Die Behörde muss auf der ersten Stufe den Sachverhalt in wesentlicher Hinsicht vollständig und zutreffend ermitteln. Dies gilt jedoch nur für die wesentlichen Umstände, die nach dem gesetzlichen Entscheidungsprogramm der Ermessensnorm zu berücksichtigen sind. Sie ist hingegen nicht verpflichtet, alle nur erdenklichen Gesichtspunkte vollständig zu erfassen und ggf. erst zu ermitteln, vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 1965 - II C 3.63 -, juris Rn. 31.

Auf der zweiten Stufe erfordert die pflichtgemäße Ausübung des Ermessens, dass die Behörde bei ihrer Ermessensentscheidung die wesentlichen Gesichtspunkte, die für und gegen die Maßnahme sprechen, gegeneinander abwägt, vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Juni 1970 - I C 47.69 -, juris Rn. 13; VGH Mün-chen, Beschluss vom 22. Januar 2016 - 9 ZB 15.2027 -, juris Rn. 13.

Verfehlt die Behörde diese Anforderungen, handelt sie ermessensfehlerhaft (Ermessensfehlgebrauch). So liegt es hier: Die Beklagte hat den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht in wesentlicher Hinsicht vollständig ermittelt. Spätestens mit der Zustellung des Antrags im Verfahren VG 11 L 644/22 am 17. August 2022 war der Beklagten die zusammen mit dem Antrag von der Klägerin übermittelte Stellungnahme vom 3. August 2022 gegenüber den S_____ zu der Einleitungsverfügung vom 29. Juni 2022 bekannt. Ihr war damit bekannt oder hätte bekannt sein müssen, dass die Klägerin die ihr vorgeworfenen Sachverhalte in tatsächlicher Hinsicht anders darstellt, diese Darstellung jedenfalls schlüssig ist und aus den vorstehend unter b. bb. beschriebenen Gründen die von der Beklagten angenommenen Pflichtenverstöße nicht trägt. Die danach gebotene weitere Ermittlung des Sachverhalts ist jedoch unterblieben. Wie bereits ausgeführt, kann sich die Beklagte insoweit nicht mit dem Hinweis darauf entlasten, dass ihr die disziplinarrechtlichen Ermittlungsbefugnisse fehlten. Eine weitere Ermittlung des Sachverhalts wäre ihr auf der Grundlage der §§ 24 ff. VwVfG ohne weiteres möglich gewesen, etwa durch die Einholung von Auskünften beim Schulträger oder – ggf. mit Zustimmung der Klägerin – bei der S_____oder durch die Befragung weiterer an der G_____tätigen und an den betreffenden Sachverhalten beteiligten Lehrkräfte.

Ungeachtet dessen hat die Beklagte das Vorbringen der Klägerin zum Sachverhalt in ihrer Stellungnahme vom 3. August 2022 auch im Rahmen ihrer Ermessenserwägungen im Widerspruchsbescheid vom 12. Oktober 2022 weder berücksichtigt noch mit dem von der S_____ in der Einleitungsverfügung vom 29. Juni 2022 angenommenen Sachverhalt in Beziehung gesetzt oder Erwägungen dazu angestellt, weshalb bei verbleibenden Zweifeln am Sachverhalt die Vermittlung der Klägerin gleichwohl zu widerrufen sein sollte. Die später an die Klägerin ergangene Disziplinarverfügung kann auch nicht nachträglich im Wege der Ergänzung der Ermessenserwägungen (§ 114 Satz 2 VwGO) – unabhängig davon, ob deren Voraussetzungen im Übrigen überhaupt erfüllt wären – in das Ermessen der Beklagten einbezogen werden, weil neue Gründe für einen Verwaltungsakt nach dem allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht nur nachgeschoben werden dürfen, wenn sie schon bei Erlass des Verwaltungsakts vorlagen, vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 - 8 C 46.12 -, juris Rn. 32.

3. Der Vermittlungsbescheid konnte auch nicht auf der Grundlage der Regelung des § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG widerrufen werden. Danach kann ein rechtmäßiger Verwaltungsakt widerrufen werden, wenn die Behörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde. Hier fehlt es an einer Gefährdung des öffentlichen Interesses. Nach der genannten Regelung genügt es nicht, dass der Widerruf im öffentlichen Interesse liegt. Erforderlich ist vielmehr, dass der Widerruf zur Abwehr einer Gefährdung des öffentlichen Interesses, d.h. zur Beseitigung oder Verhinderung eines sonst drohenden Schadens für wichtige Gemeinschaftsgüter geboten ist, vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Januar 1992 - 7 C 38.90 -, juris Rn. 13.

Der Widerruf des Vermittlungsbescheids wäre nur dann erforderlich gewesen, um einen von der Beklagten befürchteten Schaden für die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik der Bundesrepublik Deutschland abzuwenden, wenn dieser Schaden auf ein der Klägerin zurechenbares, pflichtwidriges Verhalten zurückzuführen gewesen wäre. Aus den unter 2. ausgeführten Gründen ist dies von der Beklagten nicht hinreichend dargelegt worden und auch nicht anderweitig ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich des streitig entschiedenen Teil der Klage auf § 154 Abs. 1 VwGO. Hinsichtlich des übereinstimmend für erledigt erklärten Zeitraums der widerrufenen Vermittlung vom 1. August 2023 bis zum 31. Juli 2026 entspricht es billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands, ebenfalls der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, weil sie bei einer Fortsetzung des Rechtsstreits ohne Eintritt des erledigenden Ereignisses aus den vorstehend beschriebenen Gründen unterlegen wäre. Eine andere Entscheidung ist nicht etwa deshalb geboten, weil die Klägerin die Erledigung durch ihre Kündigung des Arbeitsvertrages selbst herbeigeführt hat. Sie hat damit lediglich die Konsequenz daraus gezogen, dass die Beklagte durch die wiederholte Anordnung der sofortigen Vollziehung, den Erlass eines Feststellungsbescheides und die Kommunikation gegenüber dem Schulträger (vgl. etwa Schreiben der Beklagten an den Schulträger vom 10. Oktober 2022, Bl. 99 b Verwaltungsvorgang im Verfahren VG 11 L 823/22) fortgesetzt versucht hat, den Widerruf des Vermittlungsbescheids bereits vor dessen Bestandskraft durchzusetzen. Die Kündigung ist daher der Sache nach der Beklagten zuzurechnen.

Die Zuziehung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin für das Vorverfahren wird gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig erklärt, weil es der Klägerin aus der Sicht einer verständigen, nicht rechtskundigen Partei nicht zuzumuten war, den Rechtsstreit ohne anwaltliche Hilfe zu führen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der rechtlichen Wechselwirkungen zwischen dem behördlichen Disziplinarverfahren gegen die Klägerin und dem hier streitgegenständlichen Widerrufsverfahren.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 Zivilprozessordnung (ZPO).

Ein Grund für die Zulassung der Berufung nach § 124a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO liegt nicht vor.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für den Zeitraum bis zum 7. März 2025 auf 157.669,14 Euro und für den Zeitraum ab dem 7. März 2025 auf 37.703,49 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes. Das Gericht geht auf der Grundlage der Rechtsprechung des OVG Nordrhein-Westfalen (vgl. Beschluss vom 24. Mai 2018 - 1 B 1095/17 -, juris, Rn. 22) von einem Wert in Höhe der Auslandszuwendungen der Klägerin für die nach dem Widerruf verbleibende Zeit der ursprünglich vorgesehenen Tätigkeit aus. Dies ist vorliegend – vor der übereinstimmenden teilweisen Erledigungserklärung – der Zeitraum vom 1. September 2022 bis zum 31. Juli 2026, wovon 46 Monate zu berücksichtigen sind, weil die Auslandszuwendungen grundsätzlich einen Monat vor Vertragsende enden (Ziff. 2.2 Zuwendungsrichtlinie). Berücksichtigungsfähig von den in dem Berechnungsbogen Bl. 17 der Verwaltungsvorgänge zum Verfahren VG 11 L 644/22 aufgeführten Bestandteilen der Auslandszuwendung sind die Schulortzuwendung, die Ehegattenzuwendung, die Kinderzuwendung, die Schulleiterzuwendung und die Schulortkostenzuwendung, mithin monatlich 3.427,59 Euro. Nach der übereinstimmenden teilweisen Erledigungserklärung war noch für die elfmonatige Dauer vom 1. September 2022 bis 31. Juli 2023 streitig zu entscheiden.