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Entscheidung 2 Ws 144/24 (S)


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 2. Strafsenat Entscheidungsdatum 13.03.2025
Aktenzeichen 2 Ws 144/24 (S) ECLI ECLI:DE:OLGBB:2025:0313.2WS144.24S.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die sofortigen Beschwerden der Antragsteller wird der Beschluss der 3. Strafkammer des Landgerichts Cottbus vom 25. Juli 2024 aufgehoben, soweit die Anträge der Verurteilten auf Wiederaufnahme als unzulässig verworfen worden sind.

Die Wiederaufnahme des Verfahrens wird unter Verwerfung der weitergehenden – die abgelehnten Anträge auf Unterbrechung der Vollstreckung betreffenden – Rechtsmittel für zulässig erklärt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die den Antragstellern insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe

I.

Das Landgericht N. verhängte durch rechtskräftiges Urteil vom 9. Juli 2014 gegen den Antragsteller M. wegen gemeinschaftlichen Mordes sowie gegen die Antragstellerin C. wegen Anstiftung zum Mord lebenslange Freiheitsstrafen.

Nach den getroffenen Feststellungen bestimmte die Antragstellerin C. ihren Bekannten S. gegen Entlohnung dazu, die von ihrem Sohn, dem Antragsteller M., schwangere und nicht zur Abtreibung bereitete T. umzubringen, um drohende Unterhaltsansprüche zu vermeiden. Der Antragsteller M. sollte dabei als Lockvogel dienen, um ein zur Tötung geeignetes Zusammentreffen zu arrangieren.

Am 3. Juli 1997 fing der Antragsteller seine frühere Freundin T. wie geplant nach deren Termin zur Schwangerschaftsuntersuchung im Krankenhaus H. ab und veranlasste sie dazu, sich auf den Beifahrersitz seines Autos zu setzen. An einem nicht festgestellten Tatort griff der hinten im Auto sitzende S. dann überraschend um ihren Hals und würgte sie, um sie zu töten. T. versuchte, sich aus dem Würgegriff zu befreien und schrie laut, weshalb sich der Antragsteller nun „gezwungen“ sah, „helfend“ einzugreifen. Er presste seinen linken Unterarm in den Mund der schreiend um ihr Leben kämpfenden Frau, um sie auf diese Weise ruhig zu stellen und um gemeinschaftlich mit S. ihren Tod herbeizuführen. Im Todeskampf biss T. ihn in den Arm, bevor sie das Bewusstsein verlor und schließlich starb.“ (UA S.12/123) S. hat vor und nach der Tat Geldzahlungen als Entlohnung für die Tatbegehung sowie die spurlose Beseitigung der Leiche von T. erhalten. Konkretes zum Nachtatverhalten hat das Landgericht nicht festgestellt. Der Leichnam ist nicht gefunden worden.

Seine Überzeugung von der festgestellten Tatbegehung hat das Tatgericht u.a. auf die Aussage der Zeugin D. gestützt, nach der der Antragsteller eine den Feststellungen entsprechende Tatbegehung ihr gegenüber bekundet habe. Der Antragsteller habe „eine Bisswunde davongetragen, die sie auch einmal gesehen habe, als er den Verband gewechselt habe. Die Wunde sei rund gewesen. Sie habe nicht geblutet, sei aber noch rot gewesen. Es habe sich nicht um eine bloße Hautrötung gehandelt.“ (UA, S. 31) Später sei eine Narbe zurückgeblieben, die eine sichelförmige Ausprägung in Längsrichtung am Unterarm unterhalb der Armbeuge gehabt habe (UA S. 64). Im Jahr 2002/2003 sei die Narbe noch da gewesen. (UA, S. 31). Die Zeugin A. hat ausgesagt, im Jahr 2010 beim Antragsteller eine Narbe gesehen zu haben. Er habe hierzu gesagt, dass ihn eine Frau in den Arm gebissen habe. (UA, S. 65)

Die von der Zeugin D. erwähnte „Narbe am linken Unterarm“ des Antragstellers konnte durch Inaugenscheinnahme nicht bestätigt werden, weil sein gesamter Arm jetzt tätowiert ist. (UA, S. 45) Der vom Tatgericht hinzugezogene Sachverständige und Facharzt für Rechtsmedizin F. hat nach Auflichtmikroskopie sowie im Ergebnis einer veranlassten und in seinem Beisein durchgeführten Ultraschalluntersuchung Strukturveränderungen im Hautrelief nicht feststellen können, konnte aber nicht ausschließen, dass die vorhandene Tätowierung „eine viele Jahre alte Narbe verberge“ (UA, S. 68). Der vom Landgericht ferner beauftragte Sachverständige und Facharzt für Rechtsmedizin Prof. Dr. K. hat bei einer Beleuchtung mit Ultraviolettlicht eine Narbe nicht gefunden, sondern „lediglich auf eine kleine, weißliche, und gekrümmte Hautstelle von 6 mm zwischen Tätowierungsflächen hingewiesen, bei der es sich möglicherweise um einen kleinen Abschnitt einer im Übrigen von der Tätowierung verdeckten Narbe handeln könne.“ Das Vorhandensein einer Narbe könne er nicht ausschließen. (UA, S. 69)

Die Antragsteller haben am 13. April 2023 gestützt auf eine dermatologisch-fachärztliche gutachterliche Stellungnahme des Facharztes für Dermatologie Dr. Z. vom 3. Februar 2023 und den Befund einer von der Fachärztin für Dermatologie Dr. U. durchgeführten optischen Kohärenztomographie (OCT) vom 24. August 2022, nach deren Ergebnis eine Bisswunde auszuschließen sei, gemäß § 359 Nr. 5 StPO die Wiederaufnahme sowie die Unterbrechung der Urteilsvollstreckung beantragt. Das Landgericht Cottbus – 3. Strafkammer – hat die Anträge durch Beschluss vom 25. Juli 2024 als unzulässig verworfen, weil es sich bei dem vorgelegten Sachverständigengutachten nicht um ein neues Beweismittel handele bzw. dieses jedenfalls nicht geeignet sei, die Freisprechung der Antragsteller zu erreichen. Hiergegen haben die Antragsteller sofortige Beschwerde eingelegt.

Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg beantragt, die Rechtsmittel als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die gemäß § 372 Satz 1 StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde hat - mit Ausnahme des Antrags auf Strafaufschub - insoweit Erfolg, als der Wiederaufnahmeantrag - entgegen der Ansicht des Landgerichts – zulässig ist.

1. Bei dem von den Antragstellern benannten dermatologischen Sachverständigen und dem zugleich mit dem Wiederaufnahmeantrag vorgelegten Gutachten handelt es sich um ein neues Beweismittel im Sinn des § 359 Nr. 5 StPO.

Ein vom Tatgericht nicht hinzugezogener weiterer Sachverständiger ist nicht bereits dann ein neues Beweismittel, wenn behauptet wird, er werde zu anderen Ergebnissen kommen als der bereits angehörte (BGH, Beschl. v. 3. Dezember 1992 - StB 6/92, NJW 1993, 1481; OLG Rostock, Beschl. v. 7. April 2004 – I Ws 117/04, zit. nach Juris; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 67. Aufl. § 359 Rdnr. 35; aA BeckOK StPO/Singelnstein § 359; Karlsruher Kommentar/Tiemann, 9. Aufl. § 359 Rdnr. 26). Abweichendes gilt jedoch, wenn er einem anderen Fachgebiet als der frühere Sachverständige angehört bzw. über Forschungsmittel verfügt, die denen des Erstgutachtens überlegen sind, und eine Beweiserhebung durch einen solchen weiteren Sachverständigen für die entscheidungserhebliche Frage erfolgversprechend erscheint (BGH, aaO; Meyer-Goßner/Schmitt aaO.)

Dies ist hier ausweislich des mit dem Wiederaufnahmeantrag vorgelegten Gutachtens der Fall. Der von der Verteidigung benannte Gutachter ist Dermatologe und gehört damit gegenüber den vom Tatgericht beauftragten Rechtsmedizinern einer anderen Fachrichtung an. Ferner wird die Begutachtung maßgeblich auf das bildgebende Verfahren der optischen Kohärenztomographie gestützt, das nach den plausiblen Ausführungen in dem von der Verteidigung im Wiederaufnahmeverfahren vorgelegten Gutachten (S. 19f.) erst ab 2014 Einzug in die dermatologischen Praxis hatte. Die Methode war zwar auch dem Tatgericht bekannt und auch Gegenstand der Urteilsgründe, wurde allerdings – anders als im nunmehr vorgelegten Gutachten dargelegt – seinerzeit nicht als geeignet und erfolgversprechend gewertet. Der vom Tatgericht hinzugezogene Sachverständige Prof. Dr. K. hat bekundet, dass er die Methode einer optischen Kohärenztomographie nicht kenne (UA, S. 69). Der im Freibeweisverfahren zur Frage bestehender weiterer Aufklärungsmöglichkeiten zum Vorhandensein einer Narbe befragte Sachverständige Dr. O. hat hierzu mitgeteilt, dass man mit einer bildgebenden Technologie nicht weitkommen werde, da die optische Kohärenztomographie wegen der Tätowierung versagen werde (Bl. 4492 d.A.).

Bei der Sachlage ist der mit dem Wiederaufnahmeantrag benannte Sachverständige im Hinblick auf dessen vorgelegtes Gutachten ein neues Beweismittel, da er nach Anwendung neuerer Untersuchungstechnik zu dem in einer entscheidungserheblichen Frage für die Verteidigung erfolgversprechenden Ergebnis kommt, es sei auszuschließen, dass es beim Antragsteller am linken Unterarm jemals eine Bisswunde gegeben habe.

Darüber hinaus wird mit dem Ergebnis des erstmals mittels optischer Kohärenztomographie durchgeführten Untersuchung und Darstellung von Mikrostrukturen der Haut des Antragstellers auch eine neue Anknüpfungstatsache beigebracht, die eine neue sachverständige Beurteilung der vom Tatgericht gewürdigten Frage eröffnet, ob das Vorhandensein einer Narbe ausgeschlossen werden kann.

2. Das insoweit im Sinne von § 359 Nr. 5 StPO neue Beweismittel bzw. die als neu zu wertende (Anknüpfungs-)Tatsache ist darüber hinaus – bei Unterstellung deren hinreichender Beweiskraft und Richtigkeit – auch geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Verurteilung in tatsächlicher Hinsicht zu begründen und den Schuldspruch gegen die Antragsteller zu erschüttern.

Bei der anzustellenden Eignungsprüfung gemäß § 359 Nr. 5, § 368 Abs. 1 StPO ist im Rahmen einer Schlüssigkeitsprüfung zu unterstellen, dass die in dem Antrag behaupteten Tatsachen richtig sind und die beigebrachten Beweismittel den ihnen zugedachten Erfolg haben werden, wobei eine Bewertung der Beweiskraft der beigebrachten Beweismittel ohne eine förmliche Beweisaufnahme zulässig und vom Standpunkt des erkennenden Gerichts aus zu prüfen ist, ob das ergangene Urteil bei Berücksichtigung der neuen Beweise bzw. Tatsachen anders ausgefallen wäre; dabei ist das Antragsvorbringen zu dem gesamten Inhalt der Akten und zu dem früheren Beweisergebnis in Beziehung zu setzen, wobei die behaupteten neuen Tatsachen gedanklich in die Urteilsgründe einzufügen sind; eigene neue Feststellungen zur Tat dürfen im Zulassungsverfahren nicht getroffen werden (Kammergericht NJW 1992, 450 Kammergericht, Beschluss vom 10.08.1998 – 4 Ws 138/98; Meyer-Goßner/Schmidt, StPO aaO. § 368 Rdnr. 9). Sind neue Tatsachen und Beweise unter Berücksichtigung dieses Prüfungsmaßstabes mit genügender Wahrscheinlichkeit geeignet, die den Schuldspruch tragenden Feststellungen des Urteils zu erschüttern, sind sie erheblich im Sinne von § 359 Nr. 5 StPO (Meyer-Goßner, aaO Rdnr. 10 mwN).

Nach diesem Prüfungsmaßstab ist bei Unterstellung der Richtigkeit des von den Antragstellern vorgelegten neuen Sachverständigengutachtens eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür gegeben, dass das ergangene Urteil zugunsten der Antragsteller anders ausgefallen wäre.

Da der von den Antragstellern benannte Sachverständige im Ergebnis seines Gutachtens ausschließt, dass es am linken „beugeseitigen armbeugenahen“ (S. 1) Unterarm des Antragstellers „jemals eine Bisswunde gegeben hat“ (S. 17), sind die Feststellungen zum unmittelbaren Tatgeschehen ernstlich erschüttert.

Das Tatgericht hat festgestellt, dass der Antragsteller seinen linken Unterarm in den Mund der schreiend um ihr Leben kämpfenden T. gepresst habe, die ihn daraufhin im Todeskampf in den Arm gebissen habe, bevor sie das Bewusstsein verlor und gestorben sei. Die Feststellung eines Bisses in den Arm im Todeskampf ist nicht plausibel damit zu vereinbaren, dass es – entsprechend dem Ergebnis des vorgelegten Gutachtens – eine Bisswunde nicht gegeben habe. Dass es trotz des Todeskampfes des Tatopfers nur zu einem so schwachen Biss gekommen sein könnte, der beim Antragsteller zu keiner nennenswerten (Biss-)Wunde geführt hat, ist nach allgemeiner Lebenserfahrung unwahrscheinlich und entspricht auch nicht dem Tatbild, das aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe vermittelt wird.

Bereits insofern führt der – zu unterstellende – Ausschluss einer Bissverletzung zu einer ernstlichen Erschütterung der zum unmittelbaren Tatgeschehen getroffenen Feststellungen. Eine Änderung oder Ersetzung dieser Feststellungen in einer Kernfrage der Beweisaufnahme durch Annahme eines alternativen Geschehensablaufs ist im Wiederaufnahmeverfahren ohne erneute Hauptverhandlung unzulässig (BVerfG, Beschl. v. 7. September 1994 – 2 BvR 2093/93, NJW 1995, 2024, 2025; Beschl. v. 16. Mai 2007 – 2 BvR 93/07, BeckRS 2007, 23783).

Auch im Übrigen ist ausgehend von der Würdigung des erkennenden Gerichts der ergangene Schuldspruch erschüttert. Insoweit ist genügend wahrscheinlich, dass das Tatgericht bei Berücksichtigung einer sicher ausgeschlossenen Bisswunde anders entschieden hätte.

Ausweislich der Urteilsgründe hat das Tatgericht eine Narbe beim Antragsteller einerseits nicht feststellen können, aber deren Vorhandensein andererseits gerade nicht ausgeschlossen. Das Vorliegen einer (Biss)Verletzung beim Antragsteller ist ein wesentlicher und tragender Teil der tatgerichtlichen Beweiserhebung und -würdigung gewesen. Diese Frage war ersichtlich Ausgangspunkt der Beweisführung, die sich u.a. wesentlich auf die Aussage der Zeugin D. stützt, auf deren Schilderung von den Angaben des Antragstellers ihr gegenüber die zum konkreten Tatverlauf getroffenen Feststellungen maßgeblich beruhen. Danach habe der Antragsteller seinen Arm gegen den Mund des Tatopfers gedrückt und dadurch eine Bisswunde davongetragen, die sie auch bei einem Verbandswechsel gesehen habe und deren Beschaffenheit sie bei ihrer Aussage näher beschrieben hat (UA, S. 31). Das Tatgericht hat darüber hinaus auch Zeugenaussagen zur Sichtbarkeit einer vorhandenen Narbe im Zeitraum 2002/2003 (Zeugin D.) sowie 2010 (Zeugin A.) berücksichtigt und gewürdigt (UA, S. 40, 65).

Ist dagegen – was im Rahmen der vorzunehmenden hypothetischen Schlüssigkeitsprüfung zu unterstellen ist – auszuschließen, dass der Antragsteller jemals eine Bisswunde hatte, beeinträchtigt dies nicht nur die Glaubhaftigkeit der Aussagen dieser Belastungszeugen und insbesondere der Zeugin D., sondern stellt die Ergiebigkeit der Aussagen für das festgestellte Tatgeschehen grundlegend infrage. Hinzukommt, dass das Tatgericht auch bei der Würdigung der belastenden Aussage der Zeugin R., die u.a. über ein Gespräch mit dem Antragsteller unter der Dusche berichtete, bei dem er ihr in Bezug auf T. zugeraunt habe „Er habe es selbst machen müssen“ (UA S. 73), die Frage des Vorhandenseins einer Narbe näher gewürdigt hat. Dass die Zeugin nach ihren Angaben eine Narbe nie gesehen habe (UA, S. 74), hat die Strafkammer dabei nicht als Beweis dafür gewertet, dass eine Narbe nicht vorhanden sei, denn eine „nach mehreren Jahren nur noch dezent erscheinende Narbe“ müsse „ihr nicht unbedingt aufgefallen sein“ (UA S. 75). Insoweit hat das Tatgericht auch hierbei seiner Beurteilung letztlich zugrunde gelegt, dass es eine – nicht auszuschließende – Bisswunde mit Narbenbildung gegeben habe, auch wenn diese nicht mehr sachverständig festzustellen sei.

Die Frage nach der Beweisbarkeit und Existenz einer durch einen Biss verursachten Narbe war für die Urteilsfindung insgesamt von erheblicher und tragender Bedeutung. In der Gesamtschau ist es als hinreichend wahrscheinlich anzusehen, dass das erkennende Gericht die Tatfrage anders beurteilt hätte, wenn ihm die neue Beweis-/Tatsachengrundlage bekannt gewesen wäre, auf die sich die Antragsteller stützen. Denn die in Rede stehende Bissverletzung war für die erkennende Strafkammer ein objektiver Anknüpfungspunkt für die Prüfung der Richtigkeit des nach den Feststellungen des Tatgerichts vom Antragsteller gegenüber der Zeugin D. offenbarten Täterwissens.

3. Die infolge der danach zulässigen Wiederaufnahmeanträge nach §§ 369 ff. StPO notwendigen weiteren Maßnahmen obliegen der zur Entscheidung über die Begründetheit des Wiederaufnahmebegehrens zuständigen Strafkammer, die zu gegebener Zeit auch über die Anträge auf Strafaufschub zu befinden haben wird.

a) Die Anträge auf Unterbrechung der Strafvollstreckung (§ 360 Abs. 2 StPO) bleiben zum gegenwärtigen Zeitpunkt ohne Erfolg. Allein die Zulässigkeit des Wiederaufnahmeantrags ist für einen Strafaufschub nicht ausreichend, vielmehr muss die (weitere) Vollstreckung bedenklich erscheinen (Meyer-Goßner/Schmitt, aaO. § 360 Rdnr. 3 mwN). Das ist nicht der Fall, solange im Rahmen der Prüfung der Begründetheit der Wiederaufnahme eine Beweiserhebung und -würdigung zum Ergebnis des von den Antragstellern vorgelegten Gutachtens nicht stattgefunden hat. Im Ergebnis wird die Frage zu klären sein, ob sich eine alte (gut verheilte) Narbe unter tätowierter Haut zweifelsfrei und mit Gewissheit ausschließen lässt.

b) Das Landgericht wird bei der gemäß § 369 Abs. 1 StPO veranlassten förmlichen Beweisaufnahme namentlich zu prüfen haben, ob die vom Sachverständigen Dr. Z. getroffene Bewertung, es sei auszuschließen, dass es am linken Unterarm des Antragstellers jemals eine Bisswunde gegeben habe, zutreffend ist.

Näherer Klärung bedarf dabei aus Sicht des Senats u.a. die vom Sachverständigen Dr. Z. getroffene Schlussfolgerung, nach der nur sehr kleine punktuelle Verletzungen nahezu narbenfrei abheilen könnten, eine (blutende) Bisswunde jedoch zwangsläufig dauerhaft sichtbar bleiben müsse (S. 9), was der Einschätzung des vom Tatgerichts im Wege des Freibeweises befragten Dermatologen Dr. E. vom 20. März 2014 widersprechen dürfte, wonach es oberflächliche Verletzungen der Epidermis gebe, die bluten und von einer Kruste bedeckt seien, aber dennoch folgen-, d. h. narbenlos abheilen könnten, und sich auch die Folgen von Bissverletzungen auf rein oberflächliche, narben- und komplikationslos heilende Verletzungen der Haut beschränken könnten.

Darüber hinaus wird auch die Einschätzung des von den Antragstellern hinzugezogenen Sachverständigen, es sei „auszuschließen“, dass es am „linken volarseitigen ellenbeugennahen Unterarm“ „jemals eine Bisswunde gegeben“ habe, kritisch zu hinterfragen sein. Insbesondere dürfte es unter Berücksichtigung der großflächig tätowierten Haut noch näherer Würdigung bedürfen, welches Maß an Sicherheit und Zuverlässigkeit die physikalischen und praktischen Grenzen der zur Verfügung stehenden Untersuchungsmethoden bei stark pigmentierten Tattoos liefern können, um nicht nur eine hohe Wahrscheinlichkeit, sondern die Sicherheit dafür zu gewährleisten, dass eine relevante Narbenbildung diagnostisch völlig ausgeschlossen werden kann.

Ferner dürfte auch noch der Klärung bedürfen, ob angesichts des bei der optischen Kohärenztomographie untersuchten Bereichs am linken Unterarm von lediglich ca. 8 × 4 cm (so der Bericht von Dr. U. über die optische Diagnostik vom 30. November 2022) ausreichend sichergestellt ist, dass nicht ein anderes, tatsächlich betroffenes Hautareal unberücksichtigt geblieben und nicht untersucht worden ist. Um eine Narbe auszuschließen, müsste wohl eine hinreichend große Fläche des tätowierten linken Unterarms untersucht werden.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung von § 467 StPO.