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Entscheidung 3 W 24/24


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 3. Zivilsenat Entscheidungsdatum 11.03.2025
Aktenzeichen 3 W 24/24 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2025:0311.3W24.24.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Luckenwalde vom 14.09.2023 aufgehoben.

Der Erbscheinsantrag der Beschwerdegegnerin vom 25.01.2022 i. d. F. vom 19.05.2023 wird zurückgewiesen.

2. Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Beschwerdewert beträgt 93.170,55 €.

Gründe

I.

Der Erblasser verstarb verwitwet und kinderlos. Seine Eltern und seine Schwester sind vorverstorben, weitere Geschwister hatte der Erblasser nicht.

Die Beschwerdeführerin sowie die Beteiligten zu 4 und 5 sind die Abkömmlinge der Schwester des Erblassers, die Beschwerdegegnerin war die Lebensgefährtin des Erblassers, der Beteiligte zu 3 ist der Sohn der Beschwerdegegnerin.

Der Erblasser errichtete am 10.02.2018 ein eigenhändig verfasstes und unterschriebenes Testament mit folgendem Inhalt:

„Mein Berliner Testament
… (Name 01)
geb. XX.XX.XXXX in … (Ort 01)

Mein letzter Wille, ist daß mein Bargeld sowie mein Geld auf dem Sparbuch zu:

30% an … (Name 02) ... geht.
30% an … (Name 03) ... geht.
20% an … (Name 04) ... geht.
20% an … (Name 05) ... geht.

an … (Name 06) ... vererbe ich mein Haus mit Grundstück Flur … / Flurstück … / 80 m, zur Eigennutzung. Sollte das Grundstück innerhalb 2 Jahre verkauft werden gehen vom Verkaufserlös zu je 10 Prozent an meine

Nichte … (Name 02)
Neffen … (Name 03,
Neffen … (Name 04).

Die Wohnungseinrichtung müssen sich meine Freundin … (Name 05), meine Nichte und Neffen friedlich teilen. Nichtgeteilte Gegenstände können Frau … (Name 05) und Ihr Sohn … (Name 06) ohne Anspruch der anderen Erben veräußern.

...“.

Das Testament wurde am 27.04.2021 vom Amtsgericht eröffnet und samt Protokollabschrift den Beteiligten laut Abvermerk vom 04.05.2021 formlos zur Kenntnis gegeben (Bl. 11 der Beiakte 40 IV 168/21).

Mit notariell beurkundeter Erklärung vom 04.10.2021 hat der Beteiligte zu 3 die Ausschlagung der Erbschaft erklärt und hierzu angegeben, er habe das Schreiben des Amtsgerichts vom 04.05.2021 erst im Juli 2021 zur Kenntnis nehmen können, da er sich von Mai bis Juli 2021 in Ungarn aufgehalten habe. Dass eine Ausschlagung form- und fristgebunden sei, habe er auch erst im Juli 2021 erfahren. Da er anschließend bis Ende September 2021 in Belgien gearbeitet habe, habe er die Ausschlagung erst am 04.10.2021 erklären können. Er fechte die Versäumung der sechswöchigen Ausschlagungsfrist an, da er nicht gewusst habe, dass die Ausschlagungserklärung spätestens sechs Wochen nach Kenntnis des Erbfalls in entsprechender Form dem Nachlassgericht vorliegen müsse (Bl. 1 der Beiakte 40 VI 595/21). Die Ausschlagungserklärung hat das Amtsgericht den übrigen Beteiligten mit Schreiben vom 16.11.2021 zur Kenntnis gegeben.

Daraufhin hat die Beschwerdegegnerin zu Protokoll des Amtsgerichts Neukölln am 07.12.2021 erklärt, sie habe erst vom Anfall der Erbschaft durch das Schreiben vom 16.11.2021 Kenntnis erhalten und schlage diese aus (Bl. 7 der Beiakte 40 VI 595/21).

Die Beteiligten zu 4 und 5 haben zu Protokoll des Amtsgerichts Pößneck am 28.12.2021 ebenfalls die Ausschlagung der Erbschaft erklärt, da sie sich über wesentliche Eigenschaften des Nachlasses geirrt hätten. Sie seien davon ausgegangen, dass der Beteiligte zu 3 das Haus erbe. Nachdem sie am 20.11.2021 von dessen Ausschlagungserklärung Kenntnis erhalten hätten, hätten sie das Erbe nicht annehmen wollen. Denn sie hätten keinesfalls das Haus erben wollen, um das zu kümmern sie sich nicht in der Lage sähen (Bl. 10 f. der Beiakte 40 VI 595/21).

Mit notarieller Urkunde vom 25.01.2022 (Bl. 3 f.) hat die Beschwerdegegnerin die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der sie zu 22%, die Beschwerdeführerin zu 28%, den Beteiligten zu 4 zu 28% und den Beteiligten zu 5 zu 22% als Erben ausweist. Zur Begründung hat sie angegeben, ihre Ausschlagungserklärung vom 07.12.2021 sei unwirksam, da sie Kenntnis vom Anfall der Erbschaft seit April 2021 gehabt habe, habe sie doch das Testament selbst eingereicht. Am 07.12.2021 habe sie aufgrund Versäumung der Ausschlagungsfrist demnach nicht mehr wirksam die Ausschlagung erklären können. Vorsorglich fechte sie die Ausschlagungserklärung wegen Irrtums an. Sie sei fälschlich davon ausgegangen, dass sich die Ausschlagungserklärung nur auf das Hausgrundstück bezogen habe und nicht auf den gesamten Nachlass. Aufgrund der Ausschlagungserklärung des Beteiligten zu 3 finde eine Anwachsung nach § 2094 BGB statt.

Nachdem der beurkundende Notar Kenntnis von den Ausschlagungserklärungen der Beteiligten zu 4 und 5 erhalten hatte, hat er mit Schreiben vom 22.02.2022 (Bl. 20 f.) unter Berufung auf seine Vollmacht gemäß Verhandlungsprotokoll vom 25.10.2022 den Erbscheinsantrag vom 25.10.2022 dahingehend geändert, dass die Beschwerdeführerin mit einer Quote zu 52,67% und die Beschwerdegegnerin mit einer Quote zu 47,33% als Erbinnen ausgewiesen werden sollten.

Die Beschwerdeführerin hat durch anwaltlichen Schriftsatz vom 20.12.2022 beantragt, ihr einen Erbschein zu erteilen, der sie als Alleinerbin ausweist (Bl. 106 f.). Sie ist der Ansicht, sämtliche Ausschlagungserklärungen seien wirksam erfolgt. Die Beteiligte zu 2 habe ihre fristgerechte Ausschlagungserklärung vom 07.12.2021 mangels Irrtums nicht wirksam angefochten.

Die Beschwerdegegnerin trägt vor, sämtliche Beteiligten hätten das Testament bereits vor der Beerdigung des Erblassers, die am 07.05.2021 stattgefunden habe, erhalten. Der Beteiligte zu 3 sei ebenfalls auf der Beerdigung gewesen und habe am 12.07.2021 einen Erbscheinsantrag gestellt (Bl. 48 f., Bl. 167). Infolgedessen meint sie, sowohl ihre als auch die Ausschlagungserklärungen der Beteiligten zu 4 und 5 seien unwirksam. Gleichwohl hält sie aber an ihrem Erbscheinsantrag fest (Bl. 120 f.).

Infolge eines gerichtlichen Hinweises vom 06.03.2023 (Bl. 111 f.) hat die Beteiligte zu 2 ihren Erbscheinsantrag durch notarielle Erklärung vom 19.05.2023 dahingehend berichtigt, dass sie die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der sie als Erbin zu 47,7% und die Beteiligte zu 1 als Erbin zu 52,3% ausweist (Bl. 126 f.).

Mit Beschluss vom 14.09.2023 (Bl. 133 f.) hat das Amtsgericht die zur Begründung des Antrags vom 19.05.2023 auf Erteilung eines Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet und die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses ausgesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beteiligten zu 3, 4 und 5 hätten die Erbschaft wirksam ausgeschlagen.

Der Beteiligte zu 3 habe sich bei Zugang des Schreibens des Amtsgerichts vom 04.05.2021 berufsbedingt in Ungarn aufgehalten und von der Testamentseröffnung erst im Juli 2021 Kenntnis nehmen können. Die Ausschlagungsfrist habe für ihn gemäß § 1944 Abs. 3 BGB sechs Monate betragen, so dass die Ausschlagung am 04.10.2021 rechtzeitig erfolgt sei.

Die Beteiligten zu 4 und 5 hätten zwar ebenfalls durch das Schreiben des Nachlassgerichts vom 04.05.2021 von ihrer möglichen Erbenstellung erfahren, so dass ihre Ausschlagungserklärungen vom 28.12.2021 nicht innerhalb der für sie nach § 1944 Abs. 1 BGB geltenden sechswöchigen Frist erfolgt seien. Sie hätten die Versäumung der Ausschlagungsfrist aber wirksam angefochten mit der Folge, dass sie wirksam ausgeschlagen hätten (§§ 1956, 1957 Abs. 1 Alt. 1 BGB). Da sie durch das Schreiben des Nachlassgerichts vom 21.11.2021 von der Ausschlagungserklärung des Beteiligten zu 3 erfahren hätten, hätten sie - wie von ihnen erklärt - die Annahme der Erbschaft wegen eines Irrtums über eine wesentliche Eigenschaft anfechten können. Denn sie seien davon ausgegangen, dass der Beteiligte zu 3 das Hausgrundstück erbe, so dass sie nichts damit zu tun hätten. Da dem aber nicht so sei, hätten sie unter keinen Umständen Erben sein wollen. Das sei ein beachtlicher Inhaltsirrtum.

Die Beteiligte zu 2 habe ebenfalls durch das Schreiben des Nachlassgerichts vom 04.05.2021 von ihrer potentiellen Erbenstellung erfahren. Auf die Kenntnis der Ausschlagungserklärung des Beteiligten zu 3 komme es nicht an. Ihre Erbausschlagung vom 07.12.2021 sei aber verfristet, da nicht innerhalb der sechswöchigen Frist erfolgt. Selbst wenn man dem nicht folge, habe sie aber jedenfalls ihre Ausschlagungserklärung wirksam angefochten. Denn sie habe aufgrund des Schreibens des Nachlassgerichts vom 16.11.2021 geglaubt, sie habe nun anstelle ihres Sohnes das Hausgrundstück geerbt. Da sie mit dem Haus nichts zu tun habe wollen, habe sie die Ausschlagung erklärt. Erst durch Aufklärung des Notars am 06.01.2021 sei ihr bewusst geworden, dass sich die Ausschlagung nicht nur auf das Hausgrundstück, sondern auf die gesamte Erbschaft bezogen habe. Das sei als beachtlicher Inhaltsirrtum zu bewerten.

Erbinnen seien demzufolge die Beteiligten zu 1 und 2 geworden. Infolge der Ausschlagungen seien die Erbanteile der Erbinnen um die ausgeschlagenen Erbanteile nach § 2094 Abs. 1 BGB angewachsen. Der Wert des Grundstücks sei ausgehend von dem Wertermittlungsgutachten aus dem Jahr 1998 auf 100.000 € zu schätzen. Außerdem habe der Nachlass aus dem Sparguthaben in Höhe von 86.673,92 € bestanden. Unter Zugrundelegung dessen seien die Beteiligte zu 1 zu 53,32% und die Beteiligte zu 2 zu 47,70% Erbin geworden.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin zu 1. Sie macht geltend, die Beteiligte zu 2 habe die Erbschaft wirksam ausgeschlagen, nachdem sie durch das gerichtliche Schreiben vom 16.11.2021 erfahren habe, dass ihr Sohn - der Beteiligte zu 3 - die Erbschaft ausgeschlagen habe. Offensichtlich habe sie mit dem Haus nichts zu tun haben wollen. Das habe sie auch mehrfach gegenüber ihr - der Beschwerdeführerin - und ihrem Ehemann bekundet und auch durch den beurkundenden Notar vortragen lassen. Ihre Ausschlagungserklärung sei nicht verfristet. Der Anfall einer vermieteten Immobilie stelle mit den einhergehenden Rechten und Pflichten eine wesentliche Tatsache bzw. Eigenschaft der Erbschaft dar, so dass die Ausschlagungsfrist erst mit Erhalt des gerichtlichen Schreibens vom 16.11.2021 begonnen habe. Die mit Erbscheinsantrag vom 25.01.2022 erklärte Anfechtung der Ausschlagungserklärung vom 07.12.2021 sei hingegen unwirksam. Denn die Beteiligte zu 2 habe sich bei Erklärung der Ausschlagung am 07.12.2021 nicht in einem Irrtum befunden. Wenn man die Anfechtungserklärung so verstehen wolle, dass sie gedacht habe, sie habe nur die Erbschaft bezogen auf das Grundstück ausschlagen wollen, stehe dem der Wortlaut ihrer Erklärung entgegen. Sie habe auch ihr - der Beschwerdeführerin - und ihrem Ehemann gegenüber in einem Telefonat am 08.01.2022 erklärt, auf alles verzichtet zu haben, sie wolle nur noch ihre Auslagen erstattet haben. Dass sie in Kenntnis des verrmeintlichen Irrtums anders gehandelt hätte, behaupte sie nicht. Selbst wenn sie davon ausgegangen sei, ihre Ausschlagung hätte sich nur auf das Grundstück bezogen, handele es sich dabei um einen Irrtum über die Rechtsfolgen und damit allenfalls um einen unbeachtlichen Motivirrtum.

Die Beschwerdeführerin beantragt,

den Beschluss des Amtsgerichts Luckenwalde vom 14.09.2023 aufzuheben und ihr einen Erbschein gemäß Erbscheinsantrag vom 20.12.2022 zu erteilen, der sie als Alleinerbin des Erblassers ausweist.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 26.02.2024 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die gemäß §§ 58 ff FamFG zulässige Beschwerde ist unbegründet.

1.

Die Beschwerde kann hier allenfalls insoweit Erfolg haben, als der angefochtene Beschluss aufzuheben und der Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 2 vom 25.01.2022 i. d. F. vom 19.05.2022 zurückzuweisen ist.

Hingegen kann im Beschwerdeverfahren weder der von der Beschwerdeführerin beantragte Erbschein erteilt noch können die dem Erbscheinsantrag zugrundeliegenden Tatsachen festgestellt werden. Denn über den von der Beschwerdeführerin - im Übrigen nicht formgerecht gemäß § 352 e Abs. 3 S. 3 FamFG gestellten - Erbscheinsantrag hat das Amtsgericht nicht entschieden. Da eine Zurückweisung des Erbscheinsantrags der Beschwerdeführerin mit dem angefochtenen Beschluss nicht erfolgt ist, ist darüber im Beschwerdeverfahren - auch nicht durch die im Beschwerdeverfahren überhaupt nur mögliche Feststellung der zugrunde liegenden Tatsachen - zu befinden.

Die Vorgehensweise des Amtsgerichts, den Erbscheinsantrag der Beschwerdeführerin zunächst nicht zu bescheiden, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Liegen widerstreitende Erbscheinsanträge vor, kann das Nachlassgericht mit einem Feststellungsbeschluss die Erteilung eines Erbscheins entsprechend dem Antrag des einen Beteiligten ankündigen, den anderen Antrag aber vorerst unerledigt lassen und die Rechtskraft des Feststellungsbeschlusses abwarten (Sternal/Zimmermann, FamFG, 21. Aufl., § 352e Rn. 74).

2.

Die Beschwerde ist begründet. Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben und der Erbscheinsantrag der Beschwerdegegnerin zurückzuweisen. Dem Erbscheinsantrag der Beschwerdegegnerin kann nicht entsprochen werden, da die Ausschlagungserklärung des Beteiligten zu 3 unwirksam ist mit der Folge, dass er Erbe geworden ist.

Der Erblasser hat den Beteiligten zu 3 zu seinem Erben eingesetzt. Dass der Erblasser ausweislich des Testaments dem Beteiligten zu 3 nur sein Haus vererben wollte, steht der Annahme eiern Erbeinsetzung nicht entgegen. Zwar ist nach § 2087 Abs. 2 BGB im Zweifel nicht anzunehmen, dass jemand Erbe sein soll, dem nur einzelne Gegenstände zugewendet werden sollen. Die Testamentsauslegung ergibt hier aber, dass der Beteiligte zu 3 zum Erben eingesetzt ist.

Hat ein Erblasser nicht ausdrücklich einen oder mehrere Erben eingesetzt oder legt die Bezeichnung als Erbe aufgrund sonstiger Umstände den Schluss nahe, dass sie nicht im rechtlich zutreffenden Sinne verwendet worden ist und wurden lediglich Verfügungen über einzelne Nachlassbestandteile getroffen, die aber den gesamten Nachlass erschöpfen, ist nach ganz allgemeiner und zutreffender Ansicht davon auszugehen, dass diese Verfügungen auch eine Erbeinsetzung enthalten, weil nicht anzunehmen ist, dass der Erblasser überhaupt keinen Erben berufen wollte (OLG München, Beschluss vom 09.08.2016 – 31 Wx 286/15, BeckRS 2016, 14496 Rn. 8 m. w. N.). Im Falle testamentarischer Zuwendung einzelner Gegenstände greift die Auslegungsregel des § 2087 Abs. 2 BGB nämlich dann nicht Platz, wenn durch Auslegung die Zweifel überwunden sind, die zur gegenteiligen Auslegung als Vermächtnis durchgreifen müssten. Eine Erbeinsetzung kann trotz Zuwendung nur einzelner Gegenstände anzunehmen sein, wenn der Erblasser sein Vermögen vollständig den einzelnen Vermögensgegenständen nach verteilt hat, wenn er dem Bedachten die Gegenstände zugewendet hat, die nach seiner Vorstellung das Hauptvermögen bilden, oder nur Vermächtnisnehmer vorhanden wären und nicht anzunehmen ist, dass der Erblasser überhaupt keine Erben berufen und seine Verwandten oder seinen Ehegatten als gesetzliche Erben ausschließen wollte. Ebenso begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, die Zuwendung des wertmäßigen Hauptnachlassgegenstands, etwa eines Hausgrundstücks, als Erbeinsetzung des Bedachten anzusehen, wenn der Nachlass dadurch im Wesentlichen erschöpft wird oder der objektive Wert das übrige Vermögen an Wert so erheblich übertrifft, dass der Erblasser ihn als seinen wesentlichen Nachlass angesehen hat. Maßgebend dabei sind die Vorstellungen, die der Erblasser im Zeitpunkt der Testamentserrichtung über die voraussichtliche Zusammensetzung seines Nachlasses und den Wert der in diesen fallenden Gegenstände hat (BGH, ZEV 1997, 22, 23).

Wesentliche Anhaltspunkte für eine Erbeinsetzung, also dass der Erblasser einen oder mehrere mit Einzelgegenständen Bedachten als seine unmittelbaren Rechtsnachfolger in wirtschaftlicher Hinsicht betrachtet hat, können die Art des zugewendeten Einzelgegenstandes (Immobilie – Geldvermögen) und dabei insbesondere das Wertverhältnis des zugewendeten Einzelgegenstandes zum Wert des Gesamtnachlasses sein. Maßgebend ist dabei grundsätzlich die Vorstellung des Erblassers im Zeitpunkt der Testamentserrichtung über die (voraussichtliche) Zusammensetzung seines Nachlasses und über den Wert der jeweiligen Gegenstände und des Gesamtnachlasses und sein Wille, über seinen (nahezu) ganzen Nachlass zu verfügen. Dabei kann auch die Anzahl der Bedachten in Bezug auf den Einzelgegenstand indizielle Bedeutung haben wie etwa die Zuweisung der Immobilie an einen Bedachten und die Aufteilung des übrigen Nachlasses auf eine Vielzahl von Personen (BeckOGK/Gierl, BGB, Stand: 01.12.2024, § 2087 Rn. 30).

Nach diesen Grundsätzen ist das Testament hier so auszulegen, dass der Erblasser den Beteiligten zu 3 als seinen Alleinerben eingesetzt hat.

a)

Nur in Bezug auf den Beteiligten zu 3 hat der Erblasser das Wort „vererben“ benutzt. Bei der gemäß § 133 BGB vorzunehmenden Testamentsauslegung kommt es allerdings auf den wirklichen Willen des Erblassers an, ohne am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften (BGH, ZEV 1997, 376). Auch vom Erblasser falsch verwendete Wortbedeutungen sind der Auslegung zugänglich, so wenn der Erblasser mit dem Begriff „erben“ die Zuwendung eines Vermächtnisses verbindet bzw. umgekehrt mit dem Begriff „vermachen“ eine Erbeinsetzung verbindet. Dies ergibt sich schon aus der Zweifelsregelung des § 2087 BGB. Ziel der Testamentsauslegung ist die Klärung der Frage, was der Erblasser mit seinen Worten sagen wollte.

b)

Mangels anderer Anhaltspunkte (etwa wer nach dem Willen des Erblassers den Nachlass zu regeln und die Nachlassschulden, zu denen auch die Bestattungskosten zählen, zu tilgen hat) ist auf die Zuweisung des Hauptnachlassgegenstandes abzustellen (vgl. BGH, NJW-RR 2017, 1035 Rn. 32). Das ist hier das Hausgrundstück mit vier Wohnungen (drei davon waren beim Erbfall vermietet, eine bewohnte der Erblasser selbst). Ist Hauptgegenstand des Nachlasses eine Immobilie, liegt es nahe, dass der Erblasser in deren Zuwendung zum Ausdruck bringen wollte, dass der Bedachte sein unmittelbarer Rechtsnachfolger in wirtschaftlicher Hinsicht sein soll. Da es auf die Vorstellungen des Erblassers in Bezug auf seinen Nachlass ankommt, kann eine Immobilie, die der Alterssitz des Erblassers und nach dessen subjektiven Empfinden der wichtigste Gegenstand seines Vermögens ist, auch dann den Kern seines Nachlasses darstellen, wenn das Geldvermögen den Wert der Immobilie bei weitem übertrifft (BeckOGK/Gierl, 1.12.2024, BGB § 2087 Rn. 31). Normalerweise will ein Erblasser auch nicht alle in dem Testament genannten Personen zu dinglichen Teilhabern an seinem gesamten Nachlass machen (OLG Saarbrücken, ErbR 2022, 698). Ist eine Wohnimmobilie ihrem Wert nach der Hauptnachlassgegenstand, so liegt es nahe, in ihrer Zuwendung an eine bestimmte Person deren Einsetzung als Alleinerben anzusehen. Demgegenüber spricht die Zuwendung von Geldansprüchen in der Regel gegen einen Willen des Testierenden, die in dieser Weise Bedachten als Erben einzusetzen (BayObLG, NJW-RR 2003, 297). Bei der Auslegung sind aber auch die Wertrelationen zu berücksichtigen (OLG Saarbrücken, a. a. O.).

Zu dem Grundstückswert haben die Parteien zwar zunächst unterschiedliche Angaben gemacht. Die Beschwerdegegnerin hat sich aber der Schätzung des Amtsgerichts auf 100.000 € angeschlossen, dem die Beschwerdeführerin nicht widersprochen hat. Nach Einschätzung des Senats dürfte der Wert der Immobilie sogar deutlich höher liegen. Das Haus war bis zum Tod des Erblassers gepflegt, hatte ein neues Dach und eine renovierte Fassade. Gegenüber dem Wertermittlungsgutachten vom 07.04.1998 (Bl. 76), demzufolge das Hausgrundstück seinerzeit 150.000 DM wert war und in dem ein Instandhaltungsrückstau vermerkt ist, hat sich nicht nur der Zustand verbessert, sondern auch der Immobilienmarkt in Richtung einer Wertsteigerung entwickelt. Auch die zentrums- und bahnhofsnahe Lage des Hauses in … (Ort 02) bei Testamentserrichtung im Jahr 2018 nicht mehr als schlecht zu bewerten. Selbst wenn man aber nur einen Wert in Höhe von 100.000 € annimmt, ist der Beteiligte zu 3 zum Alleinerben bestimmt. Das Geldvermögen beträgt 95.326,10 € (Sparguthaben: 86.673,92 €, Bl. 74; Kontoguthaben in Höhe von 1.403,93 € und 7.248,25 €, Bl. 104) und lag bei Testamentserrichtung eher noch leicht darunter, weil der Erblasser nach Aussagen der Beteiligten sparsam gelebt hat und neben seiner Rente noch Mieteinnahmen hatte.

Zwar wird in der Literatur beim Fehlen anderer Anhaltspunkte teilweise eine Quote von wenigstens 90% für die Annahme einer Erbeinsetzung gefordert (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 30.03.2022 - 5 W 15/22, Rn. 14, juris; jurisPK/Ehm, BGB, Stand: 01.07.2023, § 2087 Rn. 12) oder 80 % als unterste Grenze des Vertretbaren angesehen (Staudinger/​Otte, BGB, (2019), § 2087, Rn. 21 m. w. N.). Jedoch ist nach zutreffender Ansicht der mit dem Großteil des Nachlasses Bedachte als Alleinerbe anzusehen, wenn der ihm allein zugedachte Gegenstand - wie hier - mehr als die Hälfte des Nachlasswertes ausmacht und der Rest unter mehrere andere Personen verteilt wurde (Staudinger/​Otte, a. a. O., § 2087 Rn. 22). So liegt der Fall hier. Denn die Beteiligten zu 1, 2, 4 und 5 sollen nur Geldbeträge bekommen, die jeweils circa 10 bzw. 15% des Gesamtnachlasses ausmachen, während der Beteiligte zu 3 bei Zugrundelegung eines Immobilienwerts von nur 100.000 € schon knapp mehr als die Hälfte erhalten soll.

Der tatsächliche Wert des Hauses bei Testamentserrichtung war hier nicht aufzuklären. Denn selbst wenn man alle im Testament genannten als Miterben ansähe, könnte der von der Beschwerdegegnerin beantragte Erbschein nicht erteilt werden.

3.

Der Beteiligte zu 3 hat die Erbschaft nicht wirksam ausgeschlagen. Zwar wird das von keinem der Beteiligten - insbesondere auch nicht von der Beschwerdeführerin - in Frage stellt. Die Prüfungskompetenz des Beschwerdegerichts ist aber im Erbscheinsverfahren wegen des Amtsermittlungsgrundsatzes durch das Beschwerderecht des jeweiligen Beschwerdeführers nicht begrenzt. Vielmehr hat das Beschwerdegericht im Erbscheinsverfahren in vollem Umfang alle Gesichtspunkte zu prüfen, die geeignet sind, die Unrichtigkeit des Erbscheins zu begründen (BGH, Beschluss vom 16.12.2015 – IV ZB 13/15, Rn. 13 ff., juris; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18.04.2018 - 3 Wx 181/16, Rn. 29, juris).

Gemäß § 1944 Abs. 1 BGB kann die Ausschlagung nur binnen sechs Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem der Erbe von dem Anfall und dem Grund der Berufung Kenntnis erlangt (§ 1944 Abs. 2 S. 1 BGB). Ist der Erbe durch Verfügung von Todes wegen berufen, beginnt die Frist nicht vor Bekanntgabe der Verfügung von Todes wegen durch das Nachlassgericht (§ 1944 Abs. 2 S. 2 BGB). Die Frist beträgt sechs Monate, wenn der Erblasser seinen letzten Wohnsitz nur im Ausland gehabt hat oder wenn sich der Erbe bei dem Beginn der Frist im Ausland aufhält (§ 1944 Abs. 3 BGB). Kenntnis setzt ein zuverlässiges Erfahren der maßgeblichen Umstände voraus, aufgrund dessen ein Handeln erwartet werden kann. Ein Irrtum im Bereich der Tatsachen kann Kenntnis in diesem Sinne ebenso verhindern wie eine irrige rechtliche Beurteilung, wenn deren Gründe nicht von vornherein von der Hand zu weisen sind (BGH, NJW 2019, 1071 Rn. 12).

Dem Beteiligten zu 3 ist das verfahrensgegenständliche Testament ebenso wie den übrigen Beteiligten durch Eröffnungsprotokollabschrift laut Abvermerk vom 04.05.2021 formlos zur Kenntnis gegeben worden. Gemäß § 15 Abs. 2 S. 2 FamFG gilt das Schriftstück bei Inlandszustellungen drei Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, wenn nicht der Beteiligte glaubhaft macht, dass ihm das Schriftstück nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Bei Anwendung der Zustellungsfiktion, die der Beteiligte zu 3 nicht widerlegt hat, ist ihm das Schreiben des Nachlassgerichts vom 04.05.2021 am 07.05.2021 zugegangen. Er hielt sich aber erst ab dem 09.05.2021 in Ungarn auf; am 07.05.2021 war er noch in Deutschland, wie sich der vom ihm selbst eingereichten „Anlage Aufenthalt Ungarn“ (S. 8 E-Akte) entnehmen lässt.

Demzufolge galt für ihn die sechswöchige Ausschlagungsfrist nach § 1944 Abs. 1 BGB, die mit Ablauf des 18.06.2021 endete. Die erst am 04.10.2021 erklärte Ausschlagung ist somit nicht fristgerecht erfolgt.

4.

Der Beteiligte zu 3 hat die Versäumung der Ausschlagungsfrist auch nicht wirksam angefochten. Ob ein Anfechtungsgrund bestand, kann dahinstehen, weil die Anfechtung nicht innerhalb der gesetzlichen Frist erfolgt ist. Die Frist zur Anfechtung der Annahme der Erbschaft beträgt nach § 1954 Abs. 1 BGB sechs Wochen. Sie beginnt nach § 1954 Abs. 2 S. 1 BGB mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt.

Der Beteiligte zu 3 gibt an, zu einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt im Juli 2021 von der Form- und Fristgebundenheit der Ausschlagung nach §§ 1944, 1945 BGB erfahren zu haben. Selbst wenn man zu seinen Gunsten davon ausgeht, dass er die Kenntnis erst am 31.07.2021 erlangt hat, wäre die Frist am 11.09.2021 abgelaufen und die erst am 04.10.2021 erfolgte Anfechtung zu spät.

5.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 S. 1 FamFG.

Hinsichtlich der erstinstanzlichen Gerichtskosten greift die Antragstellerhaftung nach § 22 Abs. 1 GNotKG ein, sofern das Amtsgericht keine abweichende Entscheidung trifft. Da hier widerstreitende Erbscheinsanträge vorliegen und der Erbscheinsantrag der Beschwerdeführerin noch nicht beschieden ist, ist die Entscheidung über die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens - insbesondere auch über eine etwaige Erstattung außergerichtlicher Kosten - vom Amtsgericht zu treffen.

6.

Der Wert des Beschwerdegegenstands ist nach §§ 60, 40 Abs. 1 FamGKG zu bemessen und entspricht dem Verbesserungsinteresse der Beschwerdeführerin, ausgehend von einem Nachlasswert in Höhe von 195.326,10 €.

7.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nach § 70 Abs. 2 FamFG nicht vorliegen.