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Entscheidung VG 4 K 348/22


Metadaten

Gericht VG Potsdam 4. Kammer Entscheidungsdatum 04.12.2024
Aktenzeichen VG 4 K 348/22 ECLI ECLI:DE:VGPOTSD:2024:1204.4K348.22.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Gebührenfestsetzung in dem Bescheid vom 9. September 2020 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung von Baugenehmigungsgebühren.

Sie ist eine rechtsfähige g_____ Sie betreibt in Brandenburg mehrere Schulen, Kitas und Betreuungseinrichtungen, wozu auch der zuletzt von ihr neu errichtete B_____zählt, der aus einer Kita, einer Grund- und einer Gesamtschule sowie einer Sporthalle besteht.

Mit Baugenehmigung vom 9. September 2020 genehmigte der Beklagte die Errichtung einer Löschwasserzisterne für den Bildungscampus im 1. Bauabschnitt und setzte eine Gebühr in Höhe von 882,00 Euro fest.

Am 9. Oktober 2020 beantragte die Klägerin unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die „Baugenehmigung vom 09.09.2020 Az.: 02906-20-10“ nachträglich eine Gebührenbefreiung für die erteilte Baugenehmigung und für zukünftige Baugenehmigungen betreffend den Bildungscampus. Sie führte wörtlich aus „für die o. g. Baugenehmigung beantragen wir […] nachträglich die Befreiung von der Gebühr für die Erteilung einer Baugenehmigung. Vorsorglich beantragen wir schon zum jetzigen Zeitpunkt für die Bauanträge 1. und 2. Bauabschnitt des B_____ – vor Einreichung der Bauanträge/Erteilung der Baugenehmigungen – ebenfalls die Befreiung von der Gebühr gemäß der Verordnung und bis zur Entscheidung über die Befreiung eine Aussetzung des Gebührenbescheides/der Gebührenbescheide.“ Zur Begründung führte sie aus, dass Sie als anerkannte g_____ nach § 8 Abs. 1 Nr. 8 des Gebührengesetzes für das Land Brandenburg (GebGBbg) von Amts wegen von den Gebühren zu befreien sei. Die Baugenehmigung für d_____ diene der Errichtung einer Kindertagesstätte, Grundschule, Gesamtschule sowie Sporthalle und somit gemeinnützigen Zwecken im Sinne von § 52 der Abgabenordnung (AO). Zum Nachweis der Gemeinnützigkeit und Förderung kirchlicher Zwecke reichte sie eine Anlage zum Körperschaftsteuerbescheid für das Jahr 2018 ein.

Mit Bescheid vom 14. Juli 2021 lehnte der Beklagte den Antrag auf Gebührenbefreiung in Höhe von 882,00 Euro ab. Sie sei zwar grundsätzlich als rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts nach § 8 Abs. 1 Nr. 8 GebGBbg von den Gebühren befreit. Es greife jedoch die Rückausnahme nach § 8 Abs. 2 Nr. 7 GebGBbg. Der Umstand, dass der Beklagte eine Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung wahrnehme und als untere Landesbehörde handele, führe zu keiner anderen Bewertung. Schließlich stünde die gesetzliche Wertung der Regelung in § 8 Abs. 2 Nr.1 GebGBbg und die hier bestehende Möglichkeit zur Umlage der Gebühren auf dritte einer Befreiung entgegen.

Dagegen legte die Klägerin am 2. August 2021 Widerspruch ein, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21. Januar 2022 zurückwies.

Die Klägerin hat am 25. Februar 2022 Klage erhoben.

Zur Begründung führt sie insbesondere aus, dass die Rückausnahme in § 8 Abs. 2 Nr. 7 GebGBbg vorliegend nicht einschlägig sei, weil der Beklagte als Sonderordnungsbehörde und nicht als allgemeine untere Landesbehörde tätig geworden sei. Eine erweiternde Auslegung des Rückausnahmetatbestands, wie von dem Beklagten vorgenommen, stehe in Widerspruch zu der gebotenen weiten Auslegung des Privilegierungstatbestands und somit engen Auslegung der Rückausnahme. Stiftungen hätten eine wichtige gemeinwohlorientierte und den Staat entlastende Funktion, weshalb sie nach der Gesetzesbegründung zu § 8 Abs. 1 Nr. 8 GebGBbg im Gegenzug möglichst großzügig von Gebühren freigestellt werden sollen. Auch der Sinn und Zweck der Gebührenbefreiung gebiete eine enge Auslegung der Rückausnahme. Auch die Rückausnahme nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 GebGBbg greife nicht, weil die Klägerin die Gebühren für die Baugenehmigung nicht auf Dritte umlegen könne. Sie finanziere die Gebühren vielmehr aus den Erträgen des Stiftungsvermögens bzw. durch Kredite. Nach den klaren Vorgaben des brandenburgischen Kitagesetzes in dessen §§ 16 ff. würden sämtliche Kosten für die Errichtung und Unterhaltung der Gebäude von Kitas (und Schulen analog) von der Standortgemeinde getragen. Sie dürften nicht auf die Eltern umgelegt und in das Elterngeld eingerechnet werden. Das Elterngeld diene genauso wie das Schulgeld nur dazu, die Personalkosten für den Betrieb von Schulen und Kitas mitzufinanzieren. Mit der Finanzierung der Gebäude für den Schul- und Kitabetrieb habe das Eltern- oder Schulgeld nichts zu tun.

Die Klägerin beantragt,

die Gebührenfestsetzung als Teil der Baugenehmigung vom 9. September 2022, Akt.-Zeichen: 02906-2020-10 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist zur Begründung auf seine Ausführungen im Widerspruchsbescheid.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat Erfolg.

Die vorliegend statthafte Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1, 1. Alt der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist zulässig. Insbesondere steht der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen, dass das nach § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO erforderlichen Vorverfahrens bislang nicht abgeschlossen ist, weil im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. dazu Porsch, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht Werkstand: 46. EL August 2024, § 75 VwGO Rn. 6 m. w. N.) die Voraussetzungen einer sog. Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO erfüllt sind. Nach § 75 Satz 1 VwGO ist die Klage abweichend von § 68 VwGO zulässig, wenn über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist. Dabei kann die Klage nach § 75 Satz 2 VwGO nicht vor Ablauf von drei Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs oder seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsaktes erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Die Voraussetzungen sind vorliegen gegeben. Mit Schreiben vom 5. Oktober 2020 hat die Klägerin bei dem Beklagten wörtlich folgenden Antrag gestellt: „für die o. g. Baugenehmigung beantragen wir […] nachträglich die Befreiung von der Gebühr für die Erteilung einer Baugenehmigung.“ Dieser Antrag ist im Auslegungswege nach §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs als Widerspruch gegen die Festsetzung der Baugenehmigungsgebühr in dem in dem Schreiben ausdrücklich in Bezug genommenen und im Betreff genau bezeichneten Bescheid vom 9. September 2020, Az.: 02906-20-10 zu behandeln. Dafür sprechen nicht nur die ausdrückliche Bezugnahme auf den Bescheid sowie der Antrag auf die begehrte Befreiung, die aus Sicht eines Rechtsschutzsuchenden effektiv durch Anfechtung der festgesetzten Gebühr zu erreichen ist, die die Klägerin daher nur durch einen Widerspruch erreichen kann. Auch der Umstand, dass neben der nachträglichen Befreiung von der bereits festgesetzten Gebühr eine Befreiung von zukünftigen Gebühren für weitere Baugenehmigungen beantragt wurde, legt nahe, dass die Klägerin zwei verschiedene Begehren mit ihrem Schreiben verfolgte, nämlich einerseits eine Aufhebung der festgesetzten Gebühr mittels eines Widerspruchs und andererseits eine Befreiung von zukünftigen Gebührenfestsetzungen. Schließlich spricht der Umstand, dass das Schreiben am 9. Oktober 2020, mithin in jedem Fall rechtzeitig vor Ablauf der einmonatigen Widerspruchsfrist nach § 70 Abs. 1 VwGO, bei dem Beklagten eingegangen ist, für die Auslegung als Widerspruch. Denn – ungeachtet des tatsächlichen Bekanntgabezeitpunkts – ist der Bescheid vom 9. September 2020 der Klägerin frühestens an dem Erlassdatum bekanntgegeben worden, womit die Monatsfrist frühestens mit Ablauf des 9. Oktober 2020, dem Tag, an dem das Schreiben bei dem Beklagten eingegangen ist, abgelaufen sein könnte. Über den nach § 70 Abs. 1 VwGO form- und fristgerecht eingelegten Widerspruch hat der Beklagte bis heute, mithin weit über die Drei-Monats-Frist aus § 75 Satz 2 VwGO hinaus, ohne zureichenden Grund sachlich nicht entschieden.

Die Klage ist auch begründet.

Die Gebührenfestsetzung in dem Baugenehmigungsbescheid vom 9. September 2020 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Rechtsgrundlage für die Gebührenfestsetzung in Höhe von 882,00 Euro sind die §§ 1 Abs. 1, 2, 12 Abs. 1 Nr. 1, 15 Abs. 1 des Gebührengesetzes für das Land Brandenburg (GebGBbg – hier in der Fassung vom 7. Juli 2009, GVBl.I/09, [Nr. 11], S. 246, zuletzt geändert durch Artikel 5 des Gesetzes vom 10. Juli 2014 (GVBl.I/14, [Nr. 32]) in Verbindung mit §§ 1 ff. der Verordnung über die Gebühren in bauordnungsrechtlichen Angelegenheiten im Land Brandenburg (BbgBauGebO – hier in der Fassung vom 20. August 2009, GVBl.II/09, [Nr. 28], S.562, zuletzt geändert durch Verordnung vom 5. Oktober 2016 (GVBl.II/16, [Nr. 53]) und der Tarifstelle 1.1.3 des dazugehörigen Gebührenverzeichnisses. Denn maßgeblich ist nach § 10 Abs. 1 GebGBbg der Zeitpunkt der Beendigung der Amtshandlung, mithin das Datum des Erlasses des Bescheids am 9. September 2020 (vgl. VG Potsdam, Urteil vom 18. April 2024 – 16 K 1892/20 –, juris Rn. 30). Nach der zuvor genannten Rechtsgrundlage erheben die Bauaufsichtsbehörden für ihre Amtshandlungen Gebühren und Auslagen nach dieser Verordnung (§ 1 Abs. 1 BbgBauGebO). Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 BbgBauGebO sind die Gebühren nach dem Gebührenverzeichnis (Anlage 1) zu bestimmen. Der Beklagte hat – im Ansatz insoweit zwar fehlerfrei – die einschlägige Tarifstelle 1.1.3 herangezogen. Danach ist für die Erteilung der Baugenehmigung bei der Errichtung und Änderung von baulichen Anlagen sowie anderer Anlagen und Einrichtungen im Baugenehmigungsverfahren – die nicht bereits von den vorausgehenden Ziffern erfasst sind, wie hier – eine Gebühr in Höhe von 1,4 Prozent des anrechenbaren Bauwerts, mindestens jedoch in Höhe von 100,00 Euro zu erheben. Diese Regelung hat der Beklagte herangezogen und die sich auf 882,00 Euro belaufende Gebühr danach zutreffend bemessen. Nichts Gegenteiliges ist vorgetragen oder sonst ersichtlich.

Für die streitgegenständliche Gebührenerhebung fehlt es jedoch an einer Rechtsgrundlage, weshalb sie rechtswidrig ist.

Das hier in zeitlicher Hinsicht maßgebliche Gebührenverzeichnis in der zuletzt durch die Verordnung vom 5. Oktober 2016 (GVBl.II/16, [Nr. 53]) geänderten Fassung ist im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens durch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 10. Oktober 2024 – OVG 10 A 5.19 –, juris, für unwirksam erklärt worden und stellt somit keine hinreichende Rechtsgrundlage für die Gebührenerhebung dar. Konkret hat das Oberverwaltungsgericht tenoriert, dass Art. 1 Ziffer 4 (Gebührenverzeichnis) der Dritten Verordnung zur Änderung der Brandenburgischen Baugebührenordnung vom 5. Oktober 2016 (GVBl. II vom 1. Oktober 2016, S. 1) unwirksam sei und zur Begründung unter anderem folgendes ausgeführt:

„[45] Der Normenkontrollantrag ist auch begründet. Die zum Kostenausgleich vorgesehene Erhöhung der Gebührensätze in Art. 1 Ziff. 4 der Dritten Verordnung zur Änderung der Brandenburgischen Baugebührenordnung vom 5. Oktober 2016 ist mit Art. 97 Abs. 3 Satz 3 LV nicht vereinbar und daher unwirksam. Der Antragsgegner hat die der Ausgleichsregelung zugrunde gelegten Kosten der kommunalen Aufgabenträger fehlerhaft ermittelt und dies führt nach der vom Antragsgegner vorgenommenen Kalkulation des Kostenausgleichs auch dazu, dass die Kosten der Wahrnehmung der übertragenen Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde nicht vollständig ausgeglichen werden. […]

[47] Auf der Rechtsfolgenseite gebietet Art. 97 Abs. 3 Satz 3 LV grundsätzlich eine vollständige und finanzkraftunabhängige Erstattung der durch die Aufgabenübertragung verursachten Mehrbelastungen durch das Land (VerfG des Landes Brandenburg, Urteil vom 19. April 2013 - 49/11 -, juris Rn. 88; Urteil vom 14. Februar 2002 - 17/01 -, juris Rn. 54; vgl. auch Urteil vom 20. Oktober 2017 - 63/15 -, juris Rn. 99). Die Auswirkungen der Aufgabenüberbürdung sind in finanzieller Hinsicht zu neutralisieren, so dass im Ergebnis zu Lasten der kommunalen Haushalte keine Mehrbelastung aus der Wahrnehmung der übertragenen Aufgabe verbleibt (vgl. VerfG des Landes Brandenburg, Urteil vom 20. Oktober 2017 - 63/15 -, juris Rn. 99; VerfG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 30. Juni 2015 - LVG 3/14 -, juris Rn. 97; Urteil vom 14. September 2004 - LVG 7/03 -, juris Rn. 64; StGH Baden-Württemberg, Urteil vom 5. Oktober 1998 - 4/97 -, juris Rn. 38). […]

[51] Diesen rechtlichen Maßstäben genügt die Kostenprognose – welche vorliegend in nach Art. 97 Abs. 3 Satz 2 LV nicht zu beanstandender Weise (vgl. dazu nur VerfG des Landes Brandenburg, Urteil vom 20. Oktober 2017 - 63/15 -, juris Rn. 111) vom Gesetzgeber im Rahmen der Begründung des Gesetzentwurfs (LT-Drs. 6/3268) angestellt und vom Verordnungsgeber anschließend der streitgegenständlichen Verordnung zugrunde gelegt worden ist – nicht, soweit darin für die Personalaufwendungen der Durchschnittswert der Jahre 2011 bis 2014 herangezogen (dazu im Folgenden a.), die Tarifsteigerung der Jahre 2015 und 2016 nicht berücksichtigt (b.) und für Sach- und Gemeinkosten ohne nähere Begründung ein Zuschlag von 20 % der Personalaufwendungen angesetzt wird (c.).“

Die streitgegenständliche Gebührenerhebung lässt sich aus den durch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg dargelegten Gründen, die sich die Kammer zu eigen macht, auch nicht auf Vorgängerfassungen des Gebührenverzeichnisses der BbgBauGebO stützen. Ältere Vorgängerfassungen des Gebührenverzeichnisses der BbgBauGebO, etwa die nächst in Betracht kommende Fassung vom 3. August 2015 (GVBl.II/15, [Nr. 37]), stellen keine tauglichen Rechtsgrundlagen für die hier angegriffene Gebührenerhebung dar. Insoweit ist die nicht entscheidungstragende Aussage des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg in seinem Normenkontrollurteil vom 10. Oktober 2024 – OVG 10 A 5.19 –, juris 71, Gebühren könnten auf der Grundlage der vorausgehenden Fassung des Gebührenverzeichnisses erhoben werden, nach Auffassung der Kammer um den Gedanken zu ergänzen, dass dies – im Falle der gerichtlichen Überprüfung einer Gebührenerhebung, wie hier – natürlich nur dann gilt, wenn die vorausgehenden Fassungen der Gebührenverzeichnisse nicht auch an einem Mangel leiden, der zu deren Unwirksamkeit führen würde. Ob dieser Weg auch den Baubehörden mangels Normverwerfungskompetenz zusteht, ist nicht entscheidungserheblich. Auch die Vorgängerfassungen des Gebührenverzeichnisses leiden an dem Mangel, der maßgeblich für die Unwirksamerklärung des Gebührenverzeichnisses in der Fassung der Verordnung vom 5. Oktober 2016 (GVBl. II vom 1. Oktober 2016, S. 1) war. Denn nach der in der Vorgängerfassung vom 3. August 2015 einschlägigen Tarifstelle Nr. 1.1.1, „Errichtung und Änderung von baulichen Anlagen sowie anderer Anlagen und Einrichtungen im Baugenehmigungsverfahren“, beliefe sich die Gebühr auf 1,0 Prozent des Bauwerts, mithin auf weitere 0,4 Prozent weniger als die bereits für zu gering befundene Tarifstelle. Die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg im Urteil vom 10. Oktober 2024 – OVG 10 A 5.19 –, juris, zu einem Verstoß der Tarifstelle gegen das Konnexitätsgebot aus Art. 97 Abs. 3 der Verfassung des Landes Brandenburg gelten damit erst Recht für dieses vorausgehende Gebührenverzeichnis in der Fassung der Verordnung vom 3. August 2015 (GVBl.II/15, [Nr. 37]). Da auch eine anderweitige Rechtsgrundlage, auf die die Gebührenerhebung gestützt werden könnte, nicht ersichtlich ist, ist die angegriffene Gebührenfestsetzung rechtswidrig.

Insoweit verletzt die objektiv rechtswidrige Gebührenerhebung die Klägerin auch in ihren subjektiven Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Insbesondere schließt der Umstand, dass die Rechtswidrigkeit der Rechtsgrundlage und damit der Gebührenerhebung auf einem Verstoß gegen den Beklagten schützende Belange beruht, den erforderlichen Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der objektiven Rechtswidrigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts und der subjektiven Rechtsverletzung nicht aus. Maßgeblich ist nämlich insoweit vorrangig, dass die Klägerin Adressatin des Bescheids ist, mit dem sie zur Gebührenzahlung verpflichtet wird, also eines sie belastenden Verwaltungsakts. Als solche hat sie einen Anspruch darauf, dass der sie belastende Verwaltungsakt vollständig, d.h. „rundum“, rechtmäßig ist. Ist dies nicht der Fall – und das gilt auch, wenn die Rechtsgrundlage, wie hier, rechtswidrig ist, weil sie Rechte Dritter und nicht zumindest auch der Adressatin des Verwaltungsakts, verletzt –, verletzt der Verwaltungsakt nach der Adressatentheorie zumindest das Grundrecht der Klägerin aus Art. 2 Abs. 1 GG (vgl. Riese, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Werkstand: 46. EL August 2024, § 113 VwGO Rn. 30; Wolff, in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Auflage 2018, § 113 Rn. 35 ff.). Vorliegend kommt man auch dann zu einer Verletzung in subjektiven Rechten, wenn man einschränkend die Auffassung vertritt, dass sich der Adressat eines belastenden Verwaltungsakts nicht auf Rechtsfehler berufen kann, die erst aufgrund eines konkreten Sachvortrags Betroffener erkennbar sind, weil sich auf diese die Nachforschungspflicht des Gerichts aus § 86 Abs. 1 VwGO nicht erstrecke (so etwa Wolff, in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Auflage 2018, § 113 Rn. 35 ff.). Denn der hier maßgebliche Rechtsfehler ist aufgrund der o. g. Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg sowohl der erkennenden Kammer als auch im Allgemeinen als bekannt und somit zu berücksichtigend anzusehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.

Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß §§ 124 a, 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO liegen nicht vor. 

Beschluss

Der Streitwert des Verfahrens wird auf 882,00 Euro festgesetzt.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 3, 39 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Gemäß § 52 Abs. 3 S. 1 GKG ist die Höhe der bezifferten Geldleistung für den Streitwert maßgebend. Daraus folgt für die Baugenehmigungsgebührenfestsetzung ein Streitwert in Höhe von 882,00 Euro.