Gericht | OLG Brandenburg 4. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 19.03.2025 | |
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Aktenzeichen | 4 U 68/24 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2025:0319.4U68.24.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 02.05.2024, 1 O 23/23, - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen - teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 14.795,95 € nebst Zinsen von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.08.2022 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf bis zu 15.000 € festgesetzt.
I.
Die Klägerin verlangt Werklohn für Pflasterarbeiten an einem Gehsteig, die die Beklagte für mangelhaft hält, weil die Gefällerichtung nach ihrer Ansicht falsch sei.
Die Beklagte war mit Pflasterarbeiten an einem öffentlichen Gehsteig in der K… Str. … B… beauftragt worden. Im Nachgang zu einem Ortstermin listete das B… Straßen- und Grünflächenamt (im Folgenden nur „Straßenamt“) in einer Email vom 28.01.2021 (Anlage B1, S. 3) verschiedene Mängel des Pflasters auf, u.a. „Gefälle zum Haus statt zur Fahrbahn (2,5%)“. Mit Schreiben des Projektsteuerers G.. vom 10.05.2021 (Anlage B1) wurde die Beklagte zur Mängelbeseitigung aufgefordert. In diesem Schreiben wurden die in der vorerwähnten Email aufgeführten Mängel näher beschrieben, nicht jedoch die fehlerhafte Gefällerichtung. Die Email vom 28.01.2021 lag diesem Schreiben als Anlage bei.
In einem Telefonat am 10.03.2022 sprach der Prokurist der Beklagten, der Zeuge T…, mit einem Mitarbeiter der Klägerin, ob die Klägerin bereit sei, die Arbeiten zur Mängelbeseitigung zu übernehmen. Der nähere Inhalt des Telefonats ist streitig. Im Nachgang zu diesem Telefonat übersandte der Zeuge T… eine Email an die Klägerin, in der es heißt:
„[...] wie soeben telefonisch besprochen ein paar Unterlagen zur K… Straße .. zur Einsicht. Wir müssen dem Kunden leider sehr kurzfristig (morgen) einen ungefähren Termin zur Ausführung benennen, hierzu bitte ich um telefonische (mobil) Rücksprache. [...]“
Dieser Email war jedenfalls das Schreiben des Projektsteuerers G.. vom 10.05.2021 beigefügt.
Unter dem 14.03.2022 (Anlage K1) unterbreitete die Klägerin der Beklagten das Angebot, den „Gehsteig gemäß Mangelprotokoll G.. / TBA v. 10.5.21 in Gänze“ zu „überarbeiten“. Dem lag ein Einheitspreis von 65 €/qm bei einer angenommenen Fläche von 320 qm zugrunde. Die Beklagte nahm das Angebot mit kleineren handschriftlichen Änderungen an. Die Klägerin führte die Pflasterarbeiten aus, ohne allerdings die Gefällerichtung zur Fahrbahn hin zu ändern.
Die Klägerin legte unter dem 31.03.2022 eine Teilrechnung über 10.000 € (Anlage K3) sowie unter dem 04.04.2022 eine Schlussrechnung über 14.795,95 € für eine Fläche von 227,63 qm (Anlage K4). In der Schlussrechnung ist das Aufmaß im Einzelnen angegeben. Eine Mahnung der Klägerin vom 30.05.2022 (Anlage K5) blieb ebenso fruchtlos, wie ein Anwaltsschreiben vom 30.06.2022 (Anlage K6). Das Verlangen der Klägerin auf förmliche Abnahme vom 07.07.2022 (zugegangen am 11.07.2022) lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 22.07.2022 ab.
Den Schlussrechnungsbetrag (gemäß § 13b UStG netto), verlangt die Klägerin mit der Klage.
Die Klägerin behauptet, sie habe die Email des Straßen- und Grünflächenamtes vom 28.01.2021 vor der Beauftragung nicht erhalten. Vielmehr sei vor ihrer Beauftragung telefonisch zwischen ihrem Geschäftsführer, dem Zeugen F… (als Bauleiter) und dem Zeugen T… (Prokurist der Beklagten) besprochen worden, dass die Gefällesituation nicht geändert werden solle. Sie meint, die Änderung der Gefällerichtung zur Fahrbahn hin sei nicht geschuldet, zumal im Bereich der Hauswand Entwässerungsanlagen vorhanden seien. Die Klägerin habe den Einheitspreis nur für die Korrektur des vorgefundenen Pflasters berechnet; eine Änderung des Gefälles hätte einen höheren Einheitspreis zur Folge gehabt. Im Übrigen sei die gewünschte Änderung der Gefällerichtung technisch kaum möglich, weil der Gehsteig dann unterhalb der Fahrbahnebene enden würde. Die dann nötige Anpassung der Höhenniveaus der Fahrbahn würde Baukosten in Millionenhöhe verursachen. Das zuständige Straßenamt habe die Fläche als fachgerecht und mangelfrei befunden. Die Klägerin meint, in der Schlussrechnung sei eine Fertigstellungsanzeige zu sehen, so dass die Werkleistung gemäß § 12 Abs. 5 Nr. 1 VOB/B als abgenommen gelte und der Werklohn fällig sei.
Die Beklagte hat die in der Schlussrechnung angesetzte Menge von 227,63 qm bestritten. Sie hat die Ansicht vertreten, auch die Korrektur der Gefällerichtung sei Vertragsinhalt geworden, nicht zuletzt, weil nach den Berliner Ausführungsvorschriften zum Straßenbau nur ein Gefälle zur Fahrbahn hin zulässig sei. Eine Abnahme sei nicht erfolgt, der Werklohn damit nicht fällig. Die VOB/B seien nicht einbezogen worden.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, dass die Werkleistung mangelfrei und abnahmereif sei. Das Angebot der Klägerin vom 14.03.2022 sei inhaltlich so auszulegen, dass darin eine Korrektur der Gefällerichtung nicht enthalten gewesen sei, und dies unabhängig davon, ob die Klägerin die Email vom 28.01.2021 erhalten habe. Der Sachvortrag der Beklagten über eine telefonische Abstimmung zur Gefällesituation finde in den Vertragsunterlagen keine Stütze und sei deshalb unsubstantiiert. Die Schlussrechnung sei prüffähig und auf eine fiktive Abnahme komme es nicht an, nachdem die Beklagte die Abnahme zu Unrecht verweigert habe. Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
Mit ihrer Berufung wendet sich die Beklagte gegen die Verurteilung. Sie wiederholt und vertieft ihre Ansicht, dass auch die Veränderung der Gefällerichtung Vertragssoll gewesen sei. Die Email des Straßenamtes vom 28.01.2021 sei in der an die Klägerin gerichteten Email vom 10.03.2022 angehängt gewesen (Anlage BB1). Verfahrensfehlerhaft habe das Landgericht der Beklagten nicht ermöglicht, auf das Bestreiten der Klägerin über den Zugang der Email vom 28.01.2021 zu replizieren, weshalb die Anlage BB1 erst in der Berufungsinstanz vorgelegt werden könne. Die interessengerechte Auslegung ergebe, dass die Beklagte die Klägerin auch mit der Beseitigung der falschen Gefällerichtung beauftragt habe. Im Übrigen schulde die Klägerin die Korrektur des Gefälles aufgrund der Berliner Ausführungsvorschriften zum Gehwegbau sowie aufgrund der Bestimmungen der DIN 18318. Das Landgericht hätte zudem dem Angebot nachgehen müssen, den Zeugen T… über den Inhalt der telefonischen Absprachen zwischen den Vertragsparteien zu vernehmen. Schließlich sei die Schlussrechnung mangels Nachweises der abgerechneten Fläche nicht prüffähig. Einen Ausdruck ihrer Email vom 10.03.2022, einschließlich der darin enthaltenen Anlagen, hat die Beklagte im Termin vor dem Senat am 05.02.2025 vorgelegt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 02.05.2024, 1 O 23/23, abzuändern und die Klage als derzeit unbegründet abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Die Email des Straßen- und Grünflächenamtes vom 28.01.2021 habe ihr jedenfalls nicht zum Zeitpunkt der telefonischen Vertragsverhandlungen vorgelegen. Möglicherweise sei diese Anlage der Email vom 10.03.2022 nicht vollständig übermittelt oder ausgedruckt worden. Jedenfalls hätten sich die Streitparteien vertraglich nicht darauf geeinigt, dass die Klägerin auch das fehlerhafte Gefälle habe korrigieren sollen.
Der Senat hat die Zeugen T… und F… zum Inhalt des Telefonats vom 10.03.2022 im Termin am 05.02.2025 vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung ist nur im Hinblick auf einen kleinen Teil der Zinsforderung und die geltend gemachten Rechtsanwaltskosten begründet; im Übrigen ist sie unbegründet.
1.
Die Klägerin hat gemäß § 631 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Zahlung von Werklohn in Höhe von 14.795,95 €. Die Streitparteien haben einen Werkvertrag geschlossen, der eine Vergütung von 65,00 € pro Quadratmeter vorsah. Bei einer Fläche von 227,63 qm ergibt dies den ausgeurteilten Betrag.
a)
Der Werklohn ist fällig. Die Fälligkeit eines Werklohnanspruchs setzt grundsätzlich gemäß § 641 Abs. 1 S. 1 BGB die Abnahme des Werks durch den Besteller voraus, § 640 Abs. 1 S. 1 BGB. Dem steht es gleich, wenn der Besteller das Werk nicht innerhalb einer ihm vom Unternehmer bestimmten angemessenen Frist abnimmt, obwohl er dazu verpflichtet ist, § 640 Abs. 1 S. 3 BGB. Wenn der Besteller die Abnahme endgültig verweigert, so ist diese Fristsetzung entbehrlich (BGH, Urteil vom 08.11.2007 - VII ZR 183/05, Rn. 29, juris).
Die Werkleistung ist - wie nachfolgend unter b) dargelegt - mangelfrei und abnahmereif fertig gestellt, so dass die Beklagte die Abnahme nicht verweigern kann. Die Klägerin hat der Beklagten zwar keine Frist zur Abnahme gesetzt, jedoch verweigerte die Beklagte die Abnahme am 22.07.2022 endgültig, zu der sie mit Schreiben vom 07.07.2022 aufgefordert worden war, so dass der Werklohnanspruch fällig ist.
b)
Die Werkleistung ist mangelfrei und damit abnahmereif. Zwar weist das Gefälle der Pflasterfläche teilweise nicht in Richtung Straße, jedoch war die Korrektur des Kontergefälles - als einzig in Betracht kommender Mangel - von der Klägerin vertraglich nicht geschuldet.
aa)
Die Parteien haben sich nicht im Wege einer ausdrücklichen Vereinbarung nach § 633 Abs. 2 S. 1 BGB auf die Beseitigung des Kontergefälles geeinigt.
Auch unter Berücksichtigung des Inhalts der Email vom 10.03.2022 einschließlich der beiden beigefügten Schreiben ergibt sich nicht, dass das Angebot der Klägerin vom 14.03.2022 auch die Beseitigung des Kontergefälles erfasste. Gemäß §§ 133, 157 BGB sind Willenserklärungen so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte dies erfordern, wobei neben dem Wortlaut der vertraglichen Vereinbarung insbesondere auch deren Begleitumstände und die Interessenlage der Parteien zu berücksichtigen sind (stRspr. vgl. BGH, Urteil vom 19.01.2000 – VIII ZR 275/98 –, Rn. 20, juris).
Bei der Auslegung ist zunächst in tatsächlicher Hinsicht zugrunde zu legen, dass die Klägerin nach dem Telefonat vom 10.03.2022 auch die Email des Straßenamtes vom 28.01.2021 (als Anlage der Email vom 10.03.2022) erhalten hatte. Die Klägerin hat, nachdem die Beklagte einen Ausdruck der Email vom 10.03.2022 nebst der darin bezeichneten Anlagen vorgelegt hat, deren Erhalt nicht wirksam bestritten. Insbesondere kann sich die Klägerin, da sie sich gemäß § 138 Abs. 1 ZPO vollständig zu erklären hat, nicht mit Erfolg darauf berufen, die streitige Anlage sei „möglicherweise“ nicht der Email beigefügt gewesen. Die Klägerin muss grundsätzlich wissen (und vortragen), welche Emails mit welchem Inhalt und welchen Anlagen sie konkret erhalten hat. Das nicht wirksame Bestreiten hat gemäß § 138 Abs. 3 ZPO zur Folge, dass die entsprechende Behauptung der Beklagten als zugestanden zu behandeln ist, die als unstreitige Tatsache auch keinem Novenausschluss nach § 531 ZPO unterliegt.
Gleichwohl lässt sich aus dem Wortlaut des Angebots, den „Gehsteig gemäß Mangelprotokoll G.. / TBA v. 10.05.21 in Gänze überarbeiten“, auf die Verpflichtung zur Beseitigung des Kontergefälles nicht schließen. Das in Bezug genommene Dokument der G.. vom 10.05.2021 erwähnt das Kontergefälle weder ausdrücklich noch implizit. Es wird zwar am Ende des Dokuments die Email des Straßenamtes vom 28.01.2021 als Anlage benannt. Inhaltlich erwähnt das Schreiben der G.. frühere Mängelanzeigen des Straßenamtes, nicht jedoch die in der Email vom 28.01.2021 enthaltene Mängelauflistung. Das Schreiben der G.. wiederholt auch nicht lediglich diese Mängelauflistung, sondern enthält eigene - ausführliche und nummerierte - Beschreibungen der zu beseitigenden Mängel mit der ausdrücklichen Aufforderung, mit der Mängelbeseitigung bis zum 19.05.2021 zu beginnen. Bei der Lektüre des Schreibens der G.. entsteht der Eindruck, dass diese Auflistung von Mängeln abschließend ist, so dass schon kein Anlass besteht, die Email vom 28.01.2021 für die Frage heranzuziehen, welche Mängel zu beseitigen sind. Zudem besteht die Mängelliste aus der Email des Straßenamtes vom 28.01.2021 aus vielen nur kurz und stichpunktartig beschriebenen Mängeln, die sich - mit Ausnahme des hier streitgegenständlichen Kontergefälles - in dem Schreiben der G.. wiederfinden. Nur ein sehr sorgfältiger Vergleich beider Dokumente offenbart unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse, dass das in der Email erwähnte Kontergefälle im Schreiben der G.. keine Erwähnung gefunden hat. Aus welchem Grund das Kontergefälle im Schreiben des G.. nicht erwähnt wurde, erschließt sich aus den Dokumenten nicht. Die Bezugnahme auf die im Schreiben der G.. aufgeführten Mängel schließt damit nicht die in der Email des Straßenamtes genannten Mängel ein. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass in dem Angebot das Straßenamt mit „TBA“ (“Tiefbauamt“) genannt wird. Denn dass die aufgelisteten Mängel auf entsprechende Mängelanzeigen des Straßenamtes beruhen, ergibt sich inhaltlich auch aus dem Schreiben der G.., so dass „Mangelprotokoll G.. / TBA v. 10.5.21“ nur das Schreiben vom 10.05.2021 meint und nicht auch die Email vom 28.01.2021. Auch der Zusatz „in Gänze“ stellt nur eine Zusammenfassung der im Schreiben der G.. ausführlich beschriebenen Mängel dar und nicht eine Erweiterung auf die in der Email des Straßenamtes genannten Mängel. Die Email vom 10.03.2022 enthält lediglich einleitende Worte und keine für die hier in Rede stehende Frage der Auslegung des Angebots vom 14.03.2022 maßgeblichen Aspekte. Auch aus den mit der Email am 10.03.2022 mit übersandten Fotos vom Gehweg ergibt sich nicht, dass ein Kontergefälle zu beseitigen wäre. Es ist in Ansehung der vier Fotos, die den streitgegenständlichen Gehwegabschnitt übersichtsmäßig darstellen, - und bei Kenntnis des hiesigen Streits - allenfalls zu erahnen, dass an einer Stelle ein Kontergefälle bestehen könnte.
Auch unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen der Vertragsparteien ergibt sich eine Einbeziehung der Pflicht zur Beseitigung des Kontergefälles nicht. Zwar liegt es auf der Hand, dass es der Beklagten darum ging, ihre eigene Pflicht zur Mängelbeseitigung gegenüber ihrem Auftraggeber zu erfüllen. Jedoch gilt dies im Verhältnis zur hiesigen Klägerin nur, soweit diese den Umfang der zu leistenden Arbeiten auch erkennen musste. Da es sich bei dem Schreiben der G.. vom 10.05.2021 ausdrücklich um eine „Mängelanzeige und Fristsetzung gem. VOB/B § 13 (5)“ handelte, in der die relevanten Mängel sorgfältig beschrieben und aufgelistet wurden, die bei oberflächlicher Lektüre mit denjenigen aus der Email des Straßenamtes vom 28.01.2021 übereinstimmen, gab es aus der Sicht der Klägerin schon keinen Anlass, beide Dokumente genau auf inhaltliche Übereinstimmung zu prüfen. Ob das Kontergefälle im Verhältnis zwischen der Beklagten und ihrer Auftraggeberin von der Mängelanzeige der G.. vom 10.05.2021 inhaltlich erfasst wird, bedarf hier keiner Klärung.
Etwas anderes ergibt sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch nicht aus dem Inhalt des Telefonats vom 10.03.2022. Der Zeuge T… hat zwar ausgesagt, in dem fraglichen Telefonat mit dem Zeugen F… auch das Kontergefälle angesprochen zu haben. Jedoch konnte sich der Senat unter Würdigung der vom Zeugen T… geschilderten Umstände nicht hinreichend von der Richtigkeit dieser Behauptung überzeugen. Zum Zeitpunkt des Telefonats am 10.03.2022 stand die Beseitigung des Kontergefälles noch nicht im Streit und dies war zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht abzusehen. Auch hat der Zeuge T… nicht geschildert, dass ihm die inhaltliche Diskrepanz zwischen dem Schreiben der G.. und der Email des Straßenamtes damals überhaupt schon aufgefallen war. Dann wäre auch zu erwarten, dass der Zeuge T… sowohl im Telefonat als auch in der nachfolgenden Email besonders auf diese Diskrepanz hinweist, was er in seiner Zeugenvernehmung jedoch nicht angegeben hat. Schließlich musste der Zeuge T… auf Nachfrage auch einräumen, dass sich mit der Beseitigung des Kontergefälles ein Großteil der übrigen Mängel erübrigt hätte. Denn das Kontergefälle befand sich an der straßenabgewandten Seite des Gehsteigs, so dass die Beseitigung des Kontergefälles auf ihrer Länge die weitgehende Neuerstellung der kompletten Gehwegpflasterung bis zum Straßenrand erforderlich gemacht hätte. Es muss davon ausgegangen werden, dass dieser Aspekt den Gesprächsteilnehmern als erfahrene Tiefbauer nicht verborgen geblieben wäre, wenn das Kontergefälle tatsächlich schon im Telefonat am 10.03.2022 erörtert worden wäre, da es sich ganz wesentlich auf den Umfang der Arbeiten auswirkt. Da die Mängelbeschreibung der Klägerin zum Zeitpunkt des Telefonats noch gar nicht vorlag, ist auch nicht zu erwarten, dass die Gesprächsteilnehmer schon über einzelne Details der Arbeiten gesprochen haben. Der von der Klägerin in ihrem Angebot angesetzte Einheitspreis von 65 €/qm spricht jedenfalls nicht dafür, dass die Klägerin von derart umfangreichen Arbeiten ausgegangen ist, wie sie die Beseitigung des Kontergefälles mit sich gebracht hätte; auch dies musste der Zeuge T… einräumen. Vielmehr stand im Vordergrund des Telefonats für den Zeugen T… in erster Linie die Eilbedürftigkeit der Arbeiten, wie es sich aus der Email vom 10.03.2022 und dem Schreiben der G.. vom 10.05.2021 ergibt. Es ging demnach zunächst nur darum abzuklären, ob die Klägerin kurzfristig tätig werden konnte. Dem entsprechend wurden die beiden oben erörterten Schreiben erst im Nachgang zum Telefonat übermittelt, um der Klägerin eine Angebotserstellung zu ermöglichen. Vor dem Hintergrund dieser Umstände gab es aus der Sicht des Zeugen T… auch keinen Grund, nun gerade das Kontergefälle bereits im Telefonat am 10.03.2022 zu erörtern. Tatsächlich wurde erstmals am 22.07.2022 von der Beklagten der Einwand erhoben, dass die Arbeiten auch die Beseitigung des Kontergefälles erfassen sollten. Der Zeuge F… hat abgestritten, dass über das Kontergefälle im Rahmen des Telefonats gesprochen worden sei, so dass dessen Aussage unergiebig für die Beweisfrage war.
bb)
Die Streitparteien haben sich auch nicht stillschweigend auf die Beseitigung des Kontergefälles im Sinne einer Beschaffenheitsvereinbarung nach § 633 Abs. 2 S. 1 BGB geeinigt. Im Zweifel haben die Parteien eines Werkvertrages auch die Funktionstauglichkeit des Werkes als Beschaffenheit (konkludent) vereinbart, wozu insbesondere die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik gehört (stRspr., vgl. BGH, Urteil vom 14.11.2017, VII ZR 65/14, Rn. 23, juris). Im vorliegenden Fall ist jedoch die Beseitigung des Kontergefälles auch nicht nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik geschuldet.
Es trifft zwar zu - was gerichtsbekannt ist -, dass eine Pflasterfläche nach DIN 18318 zur Wasserableitung stets in Gefälle von mindestens 1,5 % haben muss. Der hier streitgegenständliche Gehweg verfügt unstreitig über ein entsprechendes Gefälle. Unzutreffend ist die Auffassung der Beklagten, nur ein Gefälle in Fahrbahnrichtung sei „abflusswirksam“. Derartiges ist jedenfalls nicht Inhalt der allgemein anerkanntes Regeln der Technik, da es Pflasterflächen gibt, die überhaupt nicht an eine Fahrbahn grenzen. Es ist auch sonst nicht ersichtlich, dass das (Konter)gefälle in die Richtung des angrenzenden Hauses, das über eine eigene Wasserableitung verfügt, gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik verstößt.
cc)
Auch aus den Ausführungsvorschriften zu § 7 des Berliner Straßengesetzes über Geh- und Radwege (AV Geh- und Radwege, im Folgenden nur „AV“) lässt sich ein Vertragssoll mit Blick auf das streitgegenständliche Kontergefälle nicht ableiten. Die AV enthält zwar in Teil A, Nr. 10 - Entwässerung eine Vorschrift über Geh- und Radwege, wonach „die Querneigung [...] in der Regel von der Straßengrenze zur Fahrbahn hin 2,5 % betragen“ soll. Es handelt sich insofern jedoch nicht um eine allgemein anerkannte Regel der Technik.
Allgemein anerkannte Regeln der Technik sind solche technischen Regeln, die sich unter einer hinreichenden Zahl kompetenter Fachleute als theoretisch richtig durchgesetzt und die sich in der Baupraxis als richtig bewährt haben (vgl. Kniffka/Koeble, Kompendium Baurechts, 5. Aufl. 2020, Teil 5 Rn. 47 m.w.N.). Bei den Festlegungen in dem - hier relevanten - Teil A der AV handelt es sich dagegen ausweislich der Überschrift dieses Teils („Teil A - Entwurf und Gestaltung“) um Regelungen zum Entwurf und zur Gestaltung von Rad- und Gehwegen, z.B. zu Breiten, Abständen, Belag usw. Dabei handelt es sich um Planungsgrößen, d.h. um grundsätzlich variable Parameter, die aus technischer Sicht auch anders gewählt werden könnten und aus Gründen etwa der Einheitlichkeit in der AV näher bestimmt werden. Aufgrund ihrer systematischen Stellung, ihres Wortlautes und ihres Zwecks ist die Vorschrift als rein planerische Sollvorgabe anzusehen. Die Bestimmungen des Teils A der AV konkretisieren damit ein Planungsermessen und richtet sich an die Planer, nicht jedoch an die bauausführenden Unternehmer. D.h. die Bestimmung formuliert lediglich ein Planungsziel, von dem unter Umständen - etwa wegen faktischer Unmöglichkeit oder aus wirtschaftlichen Gründen - auch abgesehen werden könnte. Die Entscheidung über die Gestaltung der Gefällerichtung bedarf stets auch der Berücksichtigung u.a. der damit verbundenen Kosten. Auch der Umstand, dass die Vorschrift als Sollvorschrift formuliert ist, spricht gegen ihre Qualifikation als allgemein anerkannte Regel der Technik.
Die zitierte Bestimmung der AV zur Querneigung ist schließlich auch nicht als (zwingende) Norm des öffentlichen Rechts einzustufen, aus der sich die Pflicht zur Beseitigung des Kontergefälles ableiten ließe. Denn - wie oben ausgeführt - handelt es sich um eine Sollvorschrift, die bezogen auf das jeweils zu planende Objekt der planerischen Konkretisierung bedarf. Diese Konkretisierung betrifft nicht den Pflichtenkreis des bauausführenden Unternehmers.
c)
Dem Werklohnanspruch steht eine vermeintliche Verletzung einer Prüfungs- und Hinweispflicht der Klägerin nicht entgegen. Aus dem Grundsatz von Treu und Glauben folgt zwar auch für den BGB-Werkvertrag (so wie beim VOB/B-Vertrag ausdrücklich aus § 13 Abs. 3 i.V.m. § 4 Abs. 3) die Pflicht des Werkunternehmers, den Besteller vor Schäden zu bewahren und auf Bedenken gegen die vorgesehene Art der Ausführung hinzuweisen (BGH, Urteil vom 08.11.2007, VII ZR 183/05, Rn. 22, juris). Jedoch führt eine - unterstellte - Verletzung der Prüfungs- und Hinweispflicht nicht dazu, dass von einem Mangel des Werks auszugehen wäre. Grundsätzlich lässt sich ein Mangel nicht allein aus der Verletzung der Prüfungs- und Hinweispflicht herleiten. Die Verletzung der Prüfungs- und Hinweispflicht ist kein Tatbestand, der die Mängelhaftung begründen kann; vielmehr befreit die Erfüllung der Prüfungs- und Hinweispflicht den Unternehmer (ausnahmsweise) von der verschuldensunabhängigen Mangelhaftung (so ausdrücklich BGH, Urteil vom 08.11.2007, VII ZR 183/05, Rn. 23, juris). Hier ist - wie oben dargelegt - schon kein Mangel feststellbar. Im Übrigen musste sich der Klägerin hier ein - unterstellter - Planungsfehler nicht derart aufdrängen, dass sie verpflichtet gewesen wäre, auf das Kontergefälle hinzuweisen.
d)
Der Höhe nach entspricht der ausgeurteilte Werklohnanspruch dem in der Rechnung zutreffend ausgewiesenen Betrag. Bei einem Einheitspreisvertrag hat der Unternehmer den Vergütungsanspruch nach den vertraglichen Einheitspreisen abzurechnen, d.h. diese mit den für sie anzunehmenden Mengen zu multiplizieren und auf dieser Basis die sich aus den einzelnen Positionen des Leistungsverzeichnisses ergebenden Ansprüche zu errechnen (vgl. BGH, Urteil vom 21.12.1995, VII ZR 198/94, Rn. 13, juris). Die Schlussrechnung besteht hier lediglich aus einer einzigen Position, nämlich der Angabe der Fläche unter Zugrundelegung eines Einheitspreises von 65 €/qm. Zusätzlich ist das Aufmaß in der Rechnung angegeben. Das pauschale Bestreiten der Beklagten der Richtigkeit der abgerechneten Flächen ist ohne Substanz und damit unbeachtlich. Da die Klägerin ein Aufmaß bereits mit der Rechnung vorgelegt hat, kann die Beklagte die Richtigkeit der abgerechneten Flächen nicht pauschal bestreiten, zumal die abgerechnete Fläche etwa ein Drittel unter dem im Angebot angenommenen Flächenmaß bleibt. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil die Beklagte die fraglichen Bereiche des öffentlich zugänglichen Gehwegs vor dem Tätigwerden der Klägerin fotografisch dokumentiert hatte und ihr als Fachunternehmerin ein substantiiertes Bestreiten ohne weiteres möglich wäre.
2.
Die Klägerin kann Zinsen in Höhe der beantragten 8 % gemäß §§ 288 Abs. 2, 286 Abs. 3 BGB ab dem 22.08.2022 verlangen. Mangels vorheriger Abnahme oder Abnahmefiktion waren weder die von der Klägerin gestellten Rechnungen noch die Mahnung verzugsbegründend. Erst mit der endgültigen Ablehnung der Abnahme durch die Beklagte am 22.07.2022 wurde der Werklohn fällig, so dass gemäß § 286 Abs. 3 BGB Verzug erst 30 Tage später, d.h. am 22.08.2022 eintrat.
3.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die geltend gemachten Kosten für die vorgerichtliche Beauftragung des Anwalts. Denn diese erfolgte spätestens am 30.06.2022, d.h. als sich die Beklagte noch nicht in Verzug befand. Die Anwaltskosten können daher nicht unter Verzugsgesichtspunkten verlangt werden.
III.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO und aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.