Gericht | OLG Brandenburg 5. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 20.03.2025 | |
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Aktenzeichen | 5 U 50/24 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2025:0320.5U50.24.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Die Berufung des Klägers gegen das am 10. Juni 2024 verkündete Urteil des Landgerichts Potsdam, Az. 1 O 192/22, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Berufungsstreitwert: 23.200,- €.
I.
Der Kläger nimmt die Beklagte im Wege der Feststellungsklage auf Einräumung eines Notweges bzw. hilfsweise auf Feststellung, dauerhaft die Herausgabe eines Teils des Nachbargrundstücks der Beklagten zu verweigern, in Anspruch.
Wegen des Sachverhalts und die erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Ansprüche auf Bestellung einer Dienstbarkeit und Mitbenutzungsrechte nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz (SachenRBerG) bestünden nicht, sie seien jedenfalls verjährt. Im Übrigen habe der Kläger sein Grundstück in Kenntnis der fehlenden dinglichen Absicherung erworben. Ansprüche auf Gewährung eines Notwegerechts bestünden gleichermaßen nicht. Dabei könne dahinstehen, ob der erhobenen Feststellungsklage nicht der Vorrang der Leistungsklage entgegenstehe. Ein Notwegerecht scheide schon deshalb aus, weil dem klägerischen Grundstück nicht die zu dessen ordnungsgemäßer Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Weg fehle. Das an einen öffentlichen Weg, den F.-weg, grenzende Grundstück könne mit Kraftfahrzeugen unmittelbar erreicht werden. Auf die Erreichbarkeit des hinteren Grundstücksteils und der dort gelegenen Garage komme es nicht an. Daran ändere auch eine langjährige Duldung nichts, selbst wenn von einem vertraglichen Versorgungsverhältnis auszugehen wäre. Ein Anspruch auf dauerhafte Gewährung der Zugangs- und Zufahrtsrechte folge schließlich nicht aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis, welches sich hauptsächlich als Schranke der Rechtsausübung und eine eng begrenzte Ausnahme darstelle. Ein solcher über die gesetzliche Regelung hinausgehender billiger Ausgleich der widerstreitenden Interessen sei vorliegend nicht zwingend geboten. Der Beklagten sei das Recht zur eigenen Beplanung und Bebauung ihres Grundstücks zuzugestehen. Nichts anderes folge aus dem hilfsweise eingewandten Zurückbehaltungsrecht, welches bereits dogmatisch keine eigenen Ansprüche rechtfertigen könne. Im Hinblick auf den Teilanspruch auf Duldung des im hinteren Teil vorhandenen Überbaus, liege ein sofortiges Anerkenntnis nach § 93 ZPO vor.
Hiergegen wendet sich die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung des Klägers. Er rügt, das Landgericht hätte ihm die Kosten im Hinblick auf das Teilanerkenntnis nicht auferlegen dürfen, da die Beklagte die Klage veranlasst habe, nachdem sie ein anwaltliches Schreiben vom 22. August 2022 erst nach Klageerhebung beantworten ließ. Ihm stehe ein Anspruch auf Einräumung eines Notwegerechts zu, weil seinem Grundstück zu dessen ordnungsgemäßer Benutzung die notwendige Verbindung zu einem öffentlichen Weg fehle. Das zu DDR-Zeiten auf dem hinteren Grundstücksteil bauplanungs- und bauordnungsrechtlich rechtmäßig errichtete Wirtschaftsgebäude habe den Charakter dieses Grundstücksteils grundlegend verändert, es handele sich nicht mehr um Erholungsfläche. Die Verlegung der Garagenzufahrt auf die andere Seite komme baulich nicht in Betracht, ohne die Zufahrt sei das Wirtschaftsgebäude nicht mehr nutzbar.
Zu Unrecht habe das Landgericht dahinstehen lassen, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 116 SachenRBerG erfüllt sind, da er bejahendenfalls gegenüber der Beklagten in Ansehung der streitigen Zufahrtsfläche trotz Verjährung ein dauerndes Zurückbehaltungsrecht hätte und die Feststellung dieser Rechtslage begehren könne. Die Voraussetzungen des § 116 SachenRBerG seien erfüllt. Unstreitig sei in Ansehung der nach 1973 teilweise über das Beklagtengrundstück verlegten Zufahrt zu dem Wirtschaftsgebäude kein Mitbenutzungsrecht nach §§ 321, 322 Zivilgesetzbuch der DDR begründet worden. Es sei unstreitig, dass die Zufahrt ausweislich der Baugenehmigung aus dem Jahr 1973 teilweise über das Beklagtengrundstück errichtet werden sollte, wie sie jetzt streitgegenständlich sei. Die Nutzung dieser Zufahrt sei vor dem 2. Oktober 1990 begründet worden, bestehe bis heute fort und sei für die Nutzung des Wirtschaftsgebäudes bis heute erforderlich. Er meint, damit lägen alle Tatbestandsvoraussetzungen des § 116 SachenRBerG vor. Gemäß §§ 215, 273 BGB sei er gegenüber der Beklagten dauerhaft berechtigt, die Herausgabe des mit der Zufahrt überbauten streitgegenständlichen Grundstückteils zu verweigern. Dieses Zurückbehaltungsrecht begründe ein Besitzrecht im Sinne des § 986 BGB. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung Bezug genommen.
Er beantragt,
das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 10. Juni 2024, Az. 1 O 192/22, abzuändern, und
1) festzustellen, dass ihm und seinen Rechtsnachfolgern in Ansehung der aus dem der Klage als Anlage K 1 beigefügten Lageplan hervorgehenden, schraffierten Fläche ein Notwegerecht zusteht;
hilfsweise,
2) festzustellen, dass er und seine Rechtsnachfolger in Ansehung der in Ziffer 2. bezeichneten Zuwegung (schraffierte Fläche in Anlage K1) dem jeweiligen Eigentümer des Grundstücks G., Flur …, Flurstück …7, gegenüber dauerhaft berechtigt sind, die Herausgabe zu verweigern (dauerhafte Einrede aus § 215 BGB).
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil und vertieft und ergänzt ihren Vortrag. Hinsichtlich des Duldungsanspruchs für den Überbau habe sie nicht durch ihr Verhalten Veranlassung zur Klage gegeben. Das vorgerichtliche Schreiben des Klägers enthalte keine auf Abgabe einer Duldungserklärung gerichtete Aufforderung, vielmehr habe der Kläger die Bestellung einer Grunddienstbarkeit begehrt. Auch habe sie ihre Pflicht zur Duldung des Überbaus vor Klageerhebung nicht bestritten und diese bereits mit dem Bestellungsschriftsatz „sofort“ im Sinne des § 93 ZPO anerkannt. Eine behördliche Genehmigung der Zufahrt unter bewusster Inanspruchnahme des Beklagtengrundstücks sei durch die vom Kläger vorgelegten Dokumente nicht belegt. Sie habe dies bereits mit der Klageerwiderung bestritten.
Soweit der Kläger gegen einen auf das Eigentumsrecht nach § 985 BGB gestützten Herausgabeanspruch einwende, dass ihm ein Anspruch nach § 116 SachenRBerG zustehe, liege hierin die Einwendung eines Rechts zum Besitz und gerade nicht die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts. Ansprüche nach dem SachenRBerG seien verjährt. Es sei höchstrichterlich geklärt, dass das Besitzrecht erlösche, wenn der Bereinigungsanspruch des Nutzers verjährt ist und der Grundstückseigentümer die Einrede der Verjährung erhebt. Die Ausübung eines aus § 116 SachenRBerG abgeleiteten Besitzrechts komme schon deshalb nicht in Betracht, weil es den Herausgabeanspruch des Eigentümers faktisch vereiteln würde. Ein Zurückbehaltungsrecht sei ein bloßes Sicherungsmittel und diene als Druckmittel der Durchsetzung des eigenen Gegenanspruchs. Es gebe dem Schuldner eine lediglich aufschiebende Einrede. Die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts habe nur die Wirkung, dass der Gläubiger Zug um Zug gegen Empfang der ihm gebührenden Gegenleistung zu verurteilen sei. Ein Recht zur dauerhaften Leistungsverweigerung könne dagegen aus § 215 BGB nicht abgeleitet werden.
II.
Die Berufung ist zulässig (§§ 517, 519, 520 ZPO), hat in der Sache aber keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Im Einzelnen:
Nachdem der Kläger seinen ursprünglichen Hauptantrag auf Bestellung einer Grunddienstbarkeit nach § 116 SachenRBerG in der Berufung nicht weiter geltend macht, begehrt er nunmehr die Feststellung des erstinstanzlich als Hilfsantrag geltend gemachten Notwegerechts als Hauptantrag.
A.
Dahingestellt bleiben kann, ob eine solche Feststellungsklage wegen Vorrangs der Leistungsklage bereits unzulässig ist oder ob in dem Begehren der Feststellung zugleich auch das Begehren auf Einräumung des Notweges liegt.
Jedenfalls fehlt es, wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, an den Voraussetzungen für ein Notwegerecht.
Ein Notwegrecht an dem Grundstück der Beklagten setzt nach § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB voraus, dass dem Grundstück des Klägers die zur ordnungsmäßigen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Weg fehlt. Unstreitig liegt das Grundstück des Klägers unmittelbar am F.-weg, einem öffentlichen Weg, an. Der hintere Grundstücksteil mit dem Wirtschaftsgebäude, in dem sich der Öltank und die Garage befinden, stehen unstreitig nicht auf einem eigenen Grundstück, sondern wie das Wohnhaus auf dem im Grundbuch von G., Blatt …7, Flur …, Flurstück …8 eingetragenen Grundstück des Klägers mit der Besonderheit, dass es zu einem kleinen Teil auf das benachbarte Grundstück der Beklagten hinüberragt.
Eine Verbindung des Grundstücks mit einem öffentlichen Weg fehlt aber nicht nur dann, wenn das betroffene Grundstück von dem öffentlichen Weg durch dazwischen liegende Grundstücke völlig abgeschnitten ist, sondern bereits dann, wenn eine vorhandene Verbindung für eine ordnungsmäßige Benutzung nicht ausreicht, insbesondere, wenn es dem Grundstückseigentümer nicht zugemutet werden kann, dem zuweglosen Teil seines Grundstücks über die übrigen, mit dem öffentlichen Weg verbundenen Teile des Grundstücks einen Zugang zu dem öffentlichen Weg zu verschaffen (BGH, Urteile vom 7. Juli 2006, Az. V ZR 159/05 und vom 11. Juni 1954, Az. V ZR 20/53; Staudinger/Roth, § 917 Rn. 11). Grundsätzlich muss der Grundstückseigentümer den Zugang vom öffentlichen Weg zu abgeschnittenen Grundstücksteilen auf dem eigenen Grundstück schaffen. Dies gilt auch dann, wenn dies für den Grundstückseigentümer umständlicher, weniger bequem oder kostspieliger ist als die Inanspruchnahme des Nachbargrundstücks (BGH, a.a.O.). Die Grenze der Zumutbarkeit der Bemühungen des Grundstückseigentümers ist jedoch dann überschritten, wenn die mit der Schaffung eines Zugangs auf dem eigenen Grundstück verbundenen Erschwernisse so groß sind, dass die Wirtschaftlichkeit der Grundstücksbenutzung aufgehoben oder in unzumutbarer Weise geschmälert wird; dann ist der Nachbar zur Duldung der Benutzung seines Grundstücks als Zugang verpflichtet (BGH a.a.O.). Die Grenze ist dabei nicht durch einen Vergleich zwischen der Beeinträchtigung des auf Duldung eines Notwegs in Anspruch genommenen Nachbarn und den Kosten zu bestimmen, die durch die Schaffung eines Zugangs auf dem eigenen Grundstück entstehen. Maßgeblich ist vielmehr das Verhältnis der für die Schaffung eines Zuwegs notwendigen Kosten zu der Wirtschaftlichkeit der Nutzung des Grundstücks (BGH, Urteil vom 07. Juli 2006, Az. V ZR 159/05).
Vorliegend ist der hintere Grundstücksteil zwar zu Fuß, nicht aber rechts vom Haus (gelegen zum Beklagtengrundstück) mit dem Auto erreichbar. Jedoch beträgt der Abstand vom Haus zur linken Grundstückgrenze dem klägerischen Vortrag zufolge 2,30 Meter. Aus der vom Kläger eingereichten Skizze (Anlage K2) ergibt sich sogar eine Breite von 3 Meter.
Folgt man dem Kläger in seiner Annahme, zur ordnungsgemäßen Benutzung seines Grundstücks gehöre auch, den hinteren Grundstücksteil mit dem PKW zu erreichen, ist dies zur Überzeugung des Senats aufgrund der vorhandenen Breite möglich. Dass der Kläger hierzu gegebenenfalls den Garten- und Terrassenbereich zum Teil baulich umgestalten muss, ist ihm grundsätzlich zumutbar. Dass eine solche Umgestaltung aus Kostengesichtspunkten unzumutbar sein könnte, hat der hierfür darlegungsbelastete Kläger bereits nicht vorgetragen. Nachdem schon in erster Instanz unstreitig war, dass Heizöl grundsätzlich auch mittels Schlauch von der Straße aus geliefert werden kann, hat der Kläger diesen Aspekt mit der Berufung nicht mehr angeführt.
B.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte auch nicht der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Feststellung zu, die Herausgabe des streitgegenständlichen Grundstücksstreifens dauerhaft verweigern zu dürfen.
Entgegen der Ansicht des Klägers folgt ein dauerhaftes Besitzrecht nicht aus den §§ 215 BGB, 273 Abs. 1 BGB, § 116 SachenRBerG.
Der Kläger meint, er habe gegenüber dem (bislang nicht geltend gemachten) Herausgabeanspruch der Beklagten (§ 985 BGB) bereits in unverjährter Zeit (also bis zum 31. Dezember 2011) wegen seines Anspruchs nach § 116 SachenRBerG ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB gehabt, weshalb er nunmehr berechtigt sei, die Herausgabe dauerhaft zu verweigern.
Diese Rechtsauffassung ist fehlerhaft.
Nach § 273 Abs. 1 BGB kann der Schuldner, der aus demselben rechtlichen Verhältnis, auf dem seine Verpflichtung beruht, einen fälligen Gegenanspruch gegen den Gläubiger hat, die geschuldete Leistung verweigern, bis die ihm gebührende Leistung bewirkt wird. Dahingestellt bleiben kann, ob Zurückbehaltungsrechte nach § 273 BGB, die damit nur zu einer Verurteilung Zug um Zug führen, gegenüber dem Herausgabeanspruch aus § 985 BGB ausnahmsweise ein Besitzrecht begründen können (BGH, Urteil vom 20. Dezember 2001, Az. IX ZR 401/99, Urteil vom 18. März 2016, Az. V ZR 89/15) oder lediglich die Vollstreckung des Herausgabeanspruchs beschränken (vgl. Grüneberg/Herrler, BGB 83. Aufl. 2024, Rn. 5 zu § 986; OLG Dresden, Urteil vom 9. Dezember 1993, Az. 7 U 103/93; vgl. auch Senat Urteil vom 1. März 2007, Az. 5 U 90/06 zu §§ 320, 346 BGB).
Der – mögliche – Anspruch der Beklagten auf Herausgabe nach § 985 BGB einerseits und der verjährte Anspruch des Klägers aus § 116 SachenRBerG – als bestehend unterstellt – stehen bereits nicht in dem nach § 273 BGB erforderlichen selben rechtlichen Verhältnis. Der Begriff der „Konnexität“ ist zwar grundsätzlich in sehr weitem Sinne zu verstehen (BGH Urteil vom 3. Juli 1991, Az. VIII ZR 190/90). Gleichwohl soll, wie sich auch aus dem Gebot von Treu und Glauben ergibt, der Schuldner die Leistung nicht wegen jeden beliebigen Gegenanspruchs zurückhalten dürfen, sondern nur dann, wenn die gegenseitigen Ansprüche einem innerlich zusammenhängenden einheitlichen Lebensverhältnis entspringen, wenn sie also in einem natürlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, so dass es gegen Treu und Glauben verstieße, wenn der eine Anspruch ohne Rücksicht auf den anderen geltend gemacht und verwirklicht werden könnte (MüKo BGB/Krüger 9. Aufl. 2022 BGB § 273 Rn. 13). Ein solcher Fall liegt jedenfalls dann nicht mehr vor, wenn – wie hier – aufgrund der vom Gesetzgeber gewählten Anspruchslösung der primäre Sachenrechtsbereinigungsanspruch nach Ablauf der Verjährungsfrist endgültig ausbleibt (vgl. hierzu BGH Urteil vom 22. September 2017, Az. V ZR 255/16) und dem Berechtigten (sekundäre) Ansprüche nach §§ 29 Abs. 5, 81 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SachenRBerG nicht zustehen und nicht geltend gemacht werden.
Jedenfalls ist der Kläger nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) gehindert, sich gegenüber dem möglichen Herausgabeanspruch der Grundstückseigentümerin auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen eines verjährten Bereinigungsanspruchs nach § 116 SachenRBerG zu berufen. Das Zurückbehaltungsrecht ist ein bloßes Sicherungsmittel und dient als Druckmittel der Durchsetzung des eigenen Gegenanspruchs. Es steht dem Schuldner nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht zu, wenn es die Durchsetzung einer für sich genommen unbestrittenen Hauptforderung auf unabsehbare Zeit verhindern und so im Ergebnis zu einer faktischen Vereitelung ihrer Durchsetzung führen würde (BGH, Urteil vom 11. April 1984, Az. VIII ZR 302/82; OLG Nürnberg, Beschluss vom 10. Oktober 2014, Az. 14 U 1994/13, ZIP 2015, 316-318, zit. nach juris; OLG Hamm, Urteil vom 26. Mai 1988, Az. 5 U 231/87; MüKo, Komm. zum BGB, 9. Aufl. 2022, Rn. 72 zu § 273; Staudinger/Bittner/Kolbe (2019) BGB § 273 Rn. 103). Das wäre hier der Fall. Das Zurückbehaltungsrecht würde dauerhaft der Herausgabe der Grundstücksfläche an die Eigentümerin entgegenstehen, obwohl ein mögliches Recht zur (Mit-)Benutzung der Grundstücksfläche und die dingliche Sicherung dieser Nutzung für den Kläger kein Recht auf Besitz begründen und die Beklagte dauerhaft von Besitz oder auch Mitbenutzung der Grundstücksfläche ausschließen und damit ihr Eigentumsrecht aushöhlen würden.
C.
Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97, 708 Ziff. 10, 711 ZPO.
Zutreffend hat das Landgericht dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der auf das Teilanerkenntnisurteil entfallenden Kosten auferlegt. Nach § 93 ZPO fallen die Prozesskosten der klagenden Partei zur Last, wenn „der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung“ gegeben hat und den geltend gemachten „Anspruch sofort anerkennt“. Die Beklagte hat den auf Feststellung einer Pflicht zur Duldung des Überbaus gerichteten Klageantrag zu 1 „sofort“ im Sinne des § 93 ZPO mit anfänglichem Bestellungsschriftsatz vom 21. November 2022 prozessual anerkannt. Das vorgerichtliche Schreiben des Klägers vom 22. August 2022 enthielt keine auf Abgabe einer Duldungserklärung gerichtete Aufforderung, sondern schließt damit, dass sich aus Sicht des Klägervertreters „hier die Bestellung einer Grunddienstbarkeit hinsichtlich der für die weitere Nutzbarkeit des hinteren Grundstücksteils und des dort vorhandenen Wirtschaftsgebäudes erforderlichen Flächen (ca. 80-88 qm)“ anbieten soll. Erst recht ist in dem Schreiben vom 22. August 2022 nicht wiederholt unter Fristsetzung und/oder Klageandrohung zur Abgabe einer Duldungserklärung aufgefordert worden. Auch ließen die vorgerichtlichen Schreiben der Beklagten vom 30. April 2021 (Anlage B 3) und 30. Juli 2022 (Anlage B 4) nicht erkennen, dass sie ihre Pflicht zur Duldung des Überbaus bestreitet oder es sonst auf eine gerichtliche Klärung ihrer Duldungspflicht anlegt.
Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG, 3 ff. ZPO bestimmt und entspricht der auf der Streitwertangabe des Klägers beruhenden Wertfestsetzung im ersten Rechtszug, die von den Parteien nicht beanstandet worden ist.